Search on legal documents using Tensorflow and a web_actix web interface
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.
 
 
 
 
 
 

569 lines
29 KiB

Nachträglicher Leitsatz
Nachschlagewerk:
ja
BGHSt:
ja
BGHR:
ja
Veröffentlichung:
ja
StGB § 46 Abs. 2 und 3
1. Der Umstand, dass der Täter mit Tötungsabsicht gehandelt hat, kann beim
vorsätzlichen Tötungsdelikt strafschärfend berücksichtigt werden. Hierin liegt
grundsätzlich kein Verstoß gegen das Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen (§ 46 Abs. 3 StGB).
2. Die Entscheidung darüber, ob das Handeln des Täters mit Tötungsabsicht im
Einzelfall als ein Strafschärfungsgrund anzusehen ist, obliegt dem Tatgericht.
Es ist verpflichtet, bei seiner Entscheidung auch gegenläufig wirkende strafmildernde Gesichtspunkte, die sich aus den Vorstellungen, Zielen und Absichten des Täters ergeben können, zu berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 10. Januar 2018 – 2 StR 150/15 - LG Köln
ECLI:DE:BGH:2018:100118U2STR150.15.1
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 150/15
vom
10. Januar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2018:100118U2STR150.15.0
-2-
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
6. Dezember 2017 in der Sitzung am 10. Januar 2018, an denen teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Eschelbach,
Zeng,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Bartel,
Richter am Bundesgerichtshof
Schmidt,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
(in der Verhandlung)
als Verteidiger,
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
-3-
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Köln vom 27. Oktober 2014 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Verfahrensbeanstandungen und sachlich-rechtliche Einwendungen gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet.
A.
2
Nach den Feststellungen des Schwurgerichts beschloss der 74 Jahre alte Angeklagte
R.
am 22. Oktober 2013, seine erheblich jüngere
und Trennungsabsichten hegende Ehefrau
Rü.
zu töten. In Ausfüh-
rung dieses Tatentschlusses griff er sie auf der Kellertreppe des gemeinsamen
Wohnanwesens an und schlug ihr einen Gegenstand gegen den Kopf, wodurch
sie zu Fall kam und die Kellertreppe hinabstürzte. Nunmehr ergriff der Ange-
-4-
klagte einen etwa 2,8 Kilogramm schweren Feuerlöscher und schlug damit in
Tötungsabsicht mindestens fünf Mal wuchtig auf den Kopf seiner am Boden
liegenden Ehefrau ein. Sie erlitt durch diese mehrfachen, massiven Gewalteinwirkungen multiple offene Schädel-Hirn-Verletzungen. Weitere stumpfe Gewalteinwirkungen gegen den Oberkörper des Tatopfers führten zu zahlreichen Rippenbrüchen, die zu einer mehrfachen Durchsetzung der Brusthöhle und zu Einblutungen in die Lunge führten. Die Ehefrau des Angeklagten verstarb aufgrund
der erlittenen massiven Verletzungen innerhalb weniger Minuten.
3
Das Schwurgericht hat bei der Prüfung der Frage, ob die Tat als ein
(sonst) minder schwerer Fall des Totschlags im Sinne des § 213 StGB anzusehen ist, zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass er „den Tod seiner
Ehefrau absichtlich und zielgerichtet herbeiführen wollte“. Auch im Rahmen der
Strafzumessung im engeren Sinne hat das Schwurgericht neben der brutalen
Tatausführung strafschärfend „die Tatsache“ berücksichtigt, dass der Angeklagte seine Ehefrau „absichtlich getötet hat“.
B.
4
Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Der Schuldspruch ist
rechtlich nicht zu beanstanden. Auch der Strafausspruch ist frei von Rechtsfehlern. Die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht sowohl bei der
Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung begegnet keinen
rechtlichen Bedenken.
-5-
I.
5
1. Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wurde es
überwiegend als ein Verstoß gegen das in § 46 Abs. 3 StGB verankerte Verbot
der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen und damit als rechtsfehlerhaft angesehen, wenn der Tatrichter das subjektive Tatbestandsmerkmal direkten Tötungsvorsatzes strafschärfend berücksichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom
11. März 2015 – 1 StR 3/15, NStZ-RR 2015, 171 (Ls.); Senat, Beschlüsse vom
25. Juni 2015 – 2 StR 83/15, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 7, vom
21. Januar 2004 – 2 StR 449/03, vom 23. Oktober 1992 – 2 StR 483/92, StV
1993, 72 und vom 1. Dezember 1989 – 2 StR 555/89, BGHR StGB § 46 Abs. 3
Tötungsvorsatz 3; BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 1977 – 3 StR 369/77, vom
8. Februar 1978 – 3 StR 425/77 und vom 13. Mai 1981 – 3 StR 126/81, NJW
1981, 2204; BGH, Urteil vom 28. Juni 1968 – 4 StR 226/68; Beschlüsse vom
16. September 1986 – 4 StR 457/86, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 1, vom 26. April 1988 – 4 StR 157/88, NStE Nr. 41 zu § 46 StGB, vom
30. Juli 1998 – 4 StR 346/98, NStZ 1999, 23, vom 3. Februar 2004 – 4 StR
403/03 und vom 14. Oktober 2015 – 5 StR 355/15, NStZ-RR 2016, 8). Der Tatbestand des Totschlags setze vorsätzliche Tatbegehung voraus, deren „Regelfall“ die Tötung mit direktem Vorsatz sei (Senat, Beschluss vom 1. Dezember
1989 – 2 StR 555/89, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 3; BGH,
Beschluss vom 5. Oktober 1977 – 3 StR 369/77, juris Rn. 6; BGH, Urteil vom
14. August 2008 – 4 StR 223/08, NStZ 2008, 624). Dem Handeln mit direktem
Tötungsvorsatz komme kein für sich genommen gesteigerter Unrechtsgehalt
zu, während die Tötung mit bedingtem Tötungsvorsatz eine geringere Tatschwere aufweise (BGH, Beschluss vom 19. März 2009 – 4 StR 53/09, NStZ
2009, 564).
-6-
6
Abweichende Entscheidungen sind – soweit ersichtlich – vereinzelt geblieben. Der 3. Strafsenat hat jedoch in seinem Beschluss vom 17. September
1990 (3 StR 313/90, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4) darauf hingewiesen, dass die strafschärfende Wertung direkten Vorsatzes im Zusammenhang mit den Vorstellungen und Zielen des Angeklagten sich nicht in jedem Fall
als rechtsfehlerhaft erweisen müsse. Mit Beschluss vom 28. Juni 2012
(2 StR 61/12, NStZ 2012, 689) hat der Senat entschieden, dass es zwar „in der
Regel“ gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoße,
wenn der Tatrichter das Vorliegen direkten Tötungsvorsatzes straferschwerend
bewerte, dies jedoch nicht für die Tötungsabsicht gelte.
7
2. Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die eine isolierte
strafschärfende Berücksichtigung der Vorsatzform als rechtsfehlerhaft einstufte,
hat überwiegend Zustimmung erfahren (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren,
Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 618; LK StGB/Jähnke, 11. Aufl., § 212
Rn. 45; LK StGB/Theune, 12. Aufl. § 46 Rn. 77; ders. StV 1985, 205, 206;
MüKoStGB/Miebach/Maier,
3. Aufl.
§ 46
Rn. 194;
MüKoStGB/Schneider,
3. Aufl., § 212, Rn. 79; SK-StGB/Sinn, 9. Aufl., § 212 Rn. 71; Streng, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, 5. Aufl., StGB § 46 Rn. 55; ders., StV 2017, 526 ff.
SSW/Momsen, 3. Aufl., § 212 Rn. 27; Matt/Renzikowski/Safferling § 212
Rn. 91; Saliger, ZStW 109 (1997), S. 302, 322 f.; Lackner/Kühl StGB, 28. Aufl.
§ 46 Rn. 33). Kritische Stimmen (vgl. Jescheck/Weigend Strafrecht AT, 5. Aufl.
S. 887; SSW-StGB/Eschelbach, 2. Aufl. § 46 Rn. 93, 185; Frisch, in: 50 Jahre
Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, 2000, Band IV, S. 269,
290 f.; Hörnle, Tatproportionale Strafzumessung, 1999, S. 260, 263; Grünewald, Das vorsätzliche Tötungsdelikt, 2010, S. 148 ff.; Foth, JR 1985, 397, 398;
Bruns, JR 1981, 512, 513; Müller, NStZ 1985, 158, 161) haben darauf hingewiesen, dass die Auffassung, wonach die Vorsatzform als eine eigenständige
Strafzumessungstatsache ausscheide, den aus dem besonderen Teil des
-7-
Strafgesetzbuchs ersichtlichen gesetzgeberischen Wertungen widerspreche
(vgl. Foth, JR 1985, 398; Fahl, Zur Bedeutung des Regeltatbildes bei der Bemessung der Strafe, Diss. 1996, S. 154). Ihr ist außerdem entgegen gehalten
worden, dass der Tatbestand des § 212 StGB bereits bei Vorliegen bedingten
Tötungsvorsatzes erfüllt sei und die Feststellung direkten Tötungsvorsatzes in
Form von Tötungsabsicht deshalb als eine Schuldsteigerung anzusehen sei,
welche die Tatschuld regelmäßig erhöhe (vgl. Bruns, JR 1981, 513; Fahl, aaO,
S. 153 ff.; ders. JR 2017, 391, 393). Die strafschärfende Berücksichtigung der
hierin liegenden Schuldsteigerung gerate weder mit dem in § 46 Abs. 3 StGB
verankerten Doppelverwertungsverbot von Tatbestandsmerkmalen (SSWStGB/Eschelbach, aaO, § 46 Rn. 93, 185; von Heintschel-Heinegg, Streng-FS
2017 S. 229, 239) noch mit dem Gedanken in Konflikt, dass es sich um das
Regeltatbild
des
Totschlags
handele
(Fahl,
JR
2017,
391,
393;
MüKo/Schneider, aaO, § 212 Rn. 82; Tomiak, HRRS 2017, 225 ff.).
II.
8
Der Senat hat mit Beschluss vom 1. Juni 2016 (NStZ 2017, 216) ein Anfrageverfahren nach § 132 Abs. 3 GVG eingeleitet, weil er von der bisherigen
Rechtsprechung abzuweichen beabsichtigt. Er ist der Ansicht, dass beim vorsätzlichen Tötungsdelikt die Feststellung von Tötungsabsicht zu Lasten des
Angeklagten strafschärfend berücksichtigt werden kann, und hat bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob sie dem zustimmen oder an entgegenstehender
Rechtsprechung festhalten.
9
1. Der Senat hat seine Rechtsauffassung, wonach die Tötungsabsicht zu
Lasten des Angeklagten im Einzelfall strafschärfend berücksichtigt werden könne, in seinem Anfragebeschluss vom 1. Juni 2016 (zustimmend Fahl, JR 2017,
-8-
301 ff. und Tomiak, HRRS 2017, 225 ff.: ablehnend Streng StV 2017, 526 ff.) im
Wesentlichen wie folgt begründet:
10
Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB sei die Schuld des Täters Grundlage für
die Zumessung der Strafe. Zur Ermittlung der für die Straffrage maßgeblichen
Strafzumessungsschuld seien alle Umstände heranzuziehen, die den Unrechtsund Schuldgehalt der Tat im Einzelfall kennzeichneten. § 46 Abs. 2 StGB benenne beispielhaft und nicht abschließend einige Bereiche derjenigen Umstände, die für die Strafzumessung aussagekräftig seien. Bewertungsrichtung und
Gewicht dieser Strafzumessungstatsachen bestimmten in erster Linie das Tatgericht, dem hierbei von Rechts wegen ein weiter Entscheidungs- und Wertungsspielraum eröffnet sei.
11
Zu den Tatsachen, die für die Strafzumessung relevant sein könnten,
zählten auch die „Beweggründe und die Ziele des Täters“. Der damit angesprochene subjektive Bereich, die innere Einstellung des Täters zu seiner Tat und
die mit ihr verfolgten Absichten, seien damit grundsätzlich für die Strafzumessung bedeutsam.
12
a) Nach herrschender, terminologisch nicht in jeder Hinsicht einheitlicher
Auffassung seien im Bereich des Vorsatzes drei Vorsatzformen zu unterscheiden, die vom bedingten Vorsatz über den „dolus directus 2. Grades“ bis zum
„dolus directus 1. Grades“, also der Absicht, reichten. Darin komme eine
Schuldschwereskala zum Ausdruck, die – wie der Senat in seinem Anfragebeschluss im Einzelnen dargelegt hat – grundsätzlich auch durch den Gesetzgeber anerkannt sei. Sie gelte auch und gerade im Bereich der Tötungsdelikte.
13
Der mit Tötungsabsicht handelnde Täter setze sich nicht nur über die
durch § 212 StGB strafbewehrte Verhaltensnorm, Handlungen zu unterlassen,
durch die eine andere Person zu Tode kommen kann, hinweg und nehme dabei
-9-
den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges in Kauf. Es komme ihm vielmehr auf
die Herbeiführung dieses tatbestandlichen Erfolges an. Sein Handeln ziele im
Wortsinne auf die Herbeiführung des Todes einer anderen Person ab, diese sei
nicht nur billigend in Kauf genommene oder wissentlich herbeigeführte Folge,
sondern Ziel seines Handelns. Dieses Streben sei in besonderem Maße mit
einem sozialen Unwerturteil belegt. Dass der auf die Rechtsgutsverletzung gerichtete Wille eine höhere Gefahr für das geschützte Rechtsgut darstelle, weil
der mit dolus directus 1. Grades handelnde Täter sein Handlungsziel zielstrebig
verfolge, liege auf der Hand.
14
Gleichwohl lasse sich nicht feststellen, dass ein Handeln mit direktem
Tötungsvorsatz stets und schlechthin auf eine besonders verwerfliche Gesinnung oder auf eine besondere Stärke des verbrecherischen Willens eines Täters hindeute. Eine mit bedingtem Tötungsvorsatz begangene Tat könne – je
nach den Umständen des Einzelfalls – sogar eine höhere Tatschuld aufweisen
als eine mit direktem Tötungsvorsatz begangene Tat. Deshalb könne der (isolierte) Hinweis auf die Vorsatzform im Einzelfall zur Beschreibung höherer Tatschuld zu kurz greifen.
15
b) Die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht verstoße
nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB.
16
Nach dem in § 46 Abs. 3 StGB verankerten „Doppelverwertungsverbot
von Tatbestandsmerkmalen“ dürften Umstände, die schon Merkmale des
gesetzlichen Tatbestands sind, im Rahmen der Strafzumessung nicht noch
einmal berücksichtigt werden. Das Doppelverwertungsverbot hindere den
Tatrichter jedoch nicht daran, im Rahmen der Strafzumessung zugunsten oder
zum Nachteil eines Angeklagten den Ausprägungsgrad oder die konkrete Modalität eines – objektiven oder subjektiven – Merkmals des gesetzlichen Tatbe-
- 10 -
stands zu berücksichtigen. Seien Tatbestandmerkmale steigerungsfähig, so
könne die Form ihrer Verwirklichung im Einzelfall im Rahmen der Strafzumessung (§ 46 Abs. 2 StGB) berücksichtigt werden. Darüber hinaus greife das
Doppelverwertungsverbot auch dann nicht ein, wenn ein Straftatbestand zwei
unterschiedlich schwer wiegende Alternativen zur Verfügung stelle.
17
Jedenfalls bei Tötungsabsicht handele es sich um gegenüber dem zur
Tatbestandserfüllung hinreichenden bedingten Tötungsvorsatz um eine Steigerung der Vorsatzform, die den Unrechtsgehalt der Tat grundsätzlich erhöhen
könne. Sie könne daher strafschärfend berücksichtigt werden. Es handele sich
bei der Tötung eines Menschen mit dolus directus 1. Grades oder mit Absicht
auch nicht um den normativen Regelfall des § 212 Abs. 1 StGB, der eine strafschärfende Berücksichtigung des zielgerichteten Vorgehens ausschlösse (vgl.
zur Begründung im Einzelnen den Beschluss des Senats vom 1. Juni 2016
– 2 StR 150/15, NStZ 2017, 216).
18
2. Die Strafsenate des Bundesgerichtshofs haben in ihren Antwortbeschlüssen mitgeteilt, dass sie der durch den Senat formulierten Anfrage, dass
beim vorsätzlichen Tötungsdelikt die Feststellung von Tötungsabsicht zu Lasten
des Angeklagten berücksichtigt werden könne, grundsätzlich zustimmen und
entgegenstehende eigene Rechtsprechung aufgeben.
19
a) Der 5. Strafsenat ist in seiner Antwort vom 23. Februar 2017
(5 ARs 57/16, JR 2017, 391) der Rechtsauffassung des anfragenden Senats
beigetreten und hat eigene entgegenstehende Rechtsprechung aufgegeben.
20
b) Der 3. Strafsenat hat in seinem Beschluss vom 7. März 2017
(3 ARs 21/16, NStZ-RR 2017, 237) dem im Tenor des Anfragebeschlusses formulierten Rechtssatz unter Aufgabe eigener entgegenstehender Rechtsprechung zugestimmt. Er ist der Auffassung, dass Tötungsabsicht ein taugliches
- 11 -
Kriterium für eine Strafschärfung sein könne, wobei dies der Bewertung des
Tatgerichts unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls obliege. Die Festlegung, welche Bewertungsrichtung einzelnen Umständen zukomme, sei Teil der dem Tatgericht aufgegebenen Strafzumessung, die nur
einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle unterliege. Der Senat
teile die Auffassung des anfragenden Senats, dass das unbedingte Streben
nach der Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges je nach den konkreten
Umständen des Einzelfalls geeignet sei, die individuelle Tatschuld zu erhöhen.
Nach der Wertentscheidung des Gesetzgebers, wie sie in den Straftatbeständen des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs sichtbar werde, komme den
drei Vorsatzformen prinzipiell ein unterschiedlicher Schuldgehalt zu. Die
Schuldschwere steigere sich im Grundsatz vom dolus eventualis über den dolus
directus 2. Grades (Wissentlichkeit) hin zum dolus directus 1. Grades (Absicht).
Die kriminelle Intensität des Täterwillens sei beim dolus directus 1. Grades in
der Regel am stärksten ausgeprägt. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, dass
das außertatbestandliche Ziel des „nur“ wissentlich Tötenden ebenso verwerflich wie das tatbestandliche Ziel des absichtlich Tötenden sein könne. Nehme
das Tatgericht einzelfallbezogen eine solche Verwerflichkeit an, so werde es
das außertatbestandliche Ziel im Rahmen der Strafzumessung ohne weiteres
zum Nachteil des wissentlich Tötenden werten; dadurch stünde dieser sogar
schlechter als der absichtlich Tötende, wenn die Tötungsabsicht nicht strafschärfend berücksichtigt werden könne. Der Senat hat offen gelassen, ob die
strafschärfende Berücksichtigung des dolus directus 2. Grades (Wissentlichkeit)
unter dem Gesichtspunkt des „normativen Regelfalls“ gegen das Doppelverwertungsverbot gemäß § 46 Abs. 3 StGB verstoße.
21
c) Der 4. Strafsenat hat in seiner Antwort vom 7. Juni 2017 (4 ARs 22/16,
NStZ-RR
2017,
238)
mitgeteilt,
dass
er
der
Rechtsauffassung
des
2. Strafsenats beitrete und seine frühere Rechtsprechung, wonach die straf-
- 12 -
schärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht bei Verurteilung wegen Totschlags gegen das in § 46 Abs. 3 StGB verankerte Doppelverwertungsverbot
von Tatbestandsmerkmalen verstoße, aufgebe.
22
Der 4. Strafsenat ist jedoch der Auffassung des vorlegenden Senats entgegengetreten, „dass im Bereich des subjektiven Tatbestands eine vom
Gesetzgeber grundsätzlich anerkannte Schuldschwereskala“ gelte und „deshalb
das Vorliegen von Tötungsabsicht schon für sich genommen regelmäßig einen
Straferschwernisgrund“ darstelle. Es komme vielmehr jeweils auf die Umstände
des Einzelfalls an. Die in § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB genannten Beweggründe und
Ziele des Täters seien „Leitpunkte für die Bestimmung des subjektiven Handlungsunrechts“. Die einzelnen Vorsatzformen träfen dazu – für sich genommen – keine unmittelbare Aussage und bedürften deshalb stets einer Würdigung im Zusammenhang mit den Vorstellungen und Zielen des Täters. Dies
gelte auch für die Tötungsabsicht. Diese liege vor, wenn es dem Täter auf die
Herbeiführung des Todes ankomme. Dabei sei es gleichgültig, ob die Erreichung des Todeserfolgs für sicher oder nur für möglich gehalten werde. Gleichgültig sei außerdem, ob die Herbeiführung des Todes dem Täter erwünscht sei
oder von ihm bedauert werde. Mit Tötungsabsicht handele deshalb auch, wer
den Tod eines anderen nicht um seiner selbst willen herbeiführen wolle, in ihm
aber ein notwendiges Zwischenziel auf dem Weg zu dem eigentlich angestrebten Ziel sehe. Zwar spreche es für eine besonders starke Abweichung von den
Maßstäben der Rechtsordnung, dass der Täter den Tod des Opfers als (Zwischen-) Ziel seiner Handlung anstrebe; dies belege jedoch für sich genommen
noch nicht das Vorliegen einer besonders verwerflichen Gesinnung oder eine
besondere Stärke des verbrecherischen Willens. Dies zeige sich beispielhaft in
Fällen der Mitleidstötung. Wer einem moribunden Angehörigen das Leben
nehme, um ihn von schwerem Leiden zu befreien, töte zwar absichtlich. Der
Tod des Angehörigen werde aber nur deshalb angestrebt, um ein „fraglos
- 13 -
strafmildernd zu bewertendes Handlungsziel“ – den Angehörigen von schwerem Leiden zu befreien – zu erreichen. Ähnlich liege es, wenn ein Täter
– wie beispielsweise in den so genannten „Haustyrannen-Fällen“ – aus einer
notstandsähnlichen Situation heraus absichtlich töte.
23
Eine isolierte Negativbewertung der Tötungsabsicht am Maßstab einer
generellen Schuldschwereskala im Bereich des subjektiven Tatbestands bei
gleichzeitiger Positivbewertung des nur durch eine Tötung erreichbaren Handlungszieles würde zu einer Aufspaltung der Bewertung des „an sich einheitlichen subjektiven Handlungsunrechts führen“. Es bestünde außerdem die Gefahr, dass es zu einer dem Strafzumessungsrecht wesensfremden Schematisierung komme.
24
Tötungsabsicht könne aber für sich genommen dann als ein selbstständiger Straferschwernisgrund herangezogen werden, wenn es dem Täter auf die
Herbeiführung des Todes „um seiner selbst willen“ ankomme und keine weiteren relevanten Handlungsziele festzustellen seien. In Fällen der genannten Art
nähere sich das subjektive Handlungsunrecht dem Mordmerkmal der Mordlust
an.
25
d) Der 1. Strafsenat hat in seinem Antwortbeschluss vom 27. Juli 2017
(1 ARs 20/16) der Rechtsauffassung des anfragenden Senats grundsätzlich
zugestimmt, jedoch darauf hingewiesen, dass entscheidend für eine strafschärfende Berücksichtigung der Tötungsabsicht sei, ob dem Täter angesichts seiner
Handlungsweise eine höhere Tatschuld vorzuwerfen sei. Das Tatgericht habe
sich daher in den Urteilsgründen stets mit den Vorstellungen und Zielen des
Täters auseinander zu setzen und vor diesem Hintergrund zu bewerten, ob danach eine höhere Tatschuld gegeben sei. Sei dies der Fall, stünde § 46 Abs. 3
StGB einer strafschärfenden Berücksichtigung der Vorsatzform nicht entgegen.
- 14 -
Unter dieser Maßgabe hat der 1. Strafsenat etwa entgegenstehende eigene
Rechtsprechung aufgegeben.
26
3. Nach dem Ergebnis des Anfrageverfahrens besteht unter den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs Einigkeit darüber, dass der Tatrichter den Umstand, dass der Täter mit Tötungsabsicht gehandelt hat, strafschärfend berücksichtigen kann. Die früher vertretene Rechtsansicht, wonach in der strafschärfenden Berücksichtigung von Tötungsabsicht ungeachtet der konkreten Umstände des Einzelfalls regelmäßig ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen (§ 46 Abs. 3 StGB) liegt, ist danach
aufgegeben.
27
Keine vollständige Einigkeit wurde darüber erzielt, in welcher Weise der
Tatrichter die Tötungsabsicht rechtsfehlerfrei berücksichtigen kann. Während
der 3. und 5. Strafsenat mit dem anfragenden Senat ungeachtet des Umstands,
dass der isolierte Hinweis auf die Vorsatzform im Einzelfall zur Beschreibung
höherer Tatschuld auch zu kurz greifen könne, der Auffassung sind, dass eine
vom Tatrichter vorgenommene isolierte Negativbewertung von Tötungsabsicht
rechtlich unbedenklich sei, stehen der 1. und der 4. Strafsenat einer solchen
isolierten Negativbewertung der Vorsatzform ablehnend gegenüber. Der
4. Strafsenat wendet sich gegen eine isolierte Negativbewertung am Maßstab
einer generellen Schuldschwereskala im Bereich des subjektiven Tatbestands,
weil dies zu einer Aufspaltung der Bewertung des an sich einheitlichen subjektiven Handlungsunrechts führe. Er hält daher eine Gesamtbewertung des subjektiven Handlungsunrechts unter strafschärfender Bewertung der Tötungsabsicht
bei gleichzeitiger Einbeziehung der konkreten Handlungsmotive, der Beweggründe und der Ziele des Täters für erforderlich. Eine Ausnahme hiervon will
der 4. Strafsenat in Fällen anerkennen, in denen es dem Täter auf die Herbeiführung des Todes des Opfers „um seiner selbst willen“ ankomme und keine
- 15 -
weiteren relevanten Handlungsziele festgestellt werden könnten; in Fällen der
genannten Art, in denen sich das subjektive Handlungsunrecht dem Mordmerkmal der Mordlust annähere, könne die Tötungsabsicht isoliert strafschärfend herangezogen werden. Nach Auffassung des 1. Strafsenats ist im Rahmen
einer Gesamtwürdigung aller das subjektive Handlungsunrecht kennzeichnenden Umstände darzulegen, dass und aus welchen Gründen der festgestellten
Tötungsabsicht im konkreten Einzelfall ein die Tatschuld erhöhendes Gewicht
beigemessen werde. Das Tatgericht hat sich daher in den Urteilsgründen mit
den Vorstellungen und Zielen des Täters auseinanderzusetzen und zu bewerten, ob ihm wegen des Handelns mit Tötungsabsicht eine höhere Tatschuld
vorzuwerfen ist.
28
Als Ergebnis des Anfrageverfahrens ist mithin – ungeachtet gewisser Unterschiede im Einzelnen – festzuhalten, dass die Tötungsabsicht nach Auffassung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs taugliches Kriterium für eine
Strafschärfung sein kann. Die Frage, ob in der festgestellten Tötungsabsicht ein
die Strafhöhe beeinflussender, bestimmender Strafschärfungsgrund zu sehen
ist, kann aber nur unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls getroffen werden. Die Entscheidung hierüber obliegt dem Tatrichter, der
hier – wie stets im Rahmen der Strafzumessung – gehalten ist, gegenläufig wirkende strafmildernde Umstände im konkreten Einzelfall zu berücksichtigen.
29
Während der 1. und der 4. Strafsenat annehmen, dass die Tötungsabsicht in den gesamten Bereich des subjektiven Handlungsunrechts eingeordnet
werden müsse und eine strafschärfende Würdigung nur in Betracht komme,
wenn den Vorstellungen, Zielen und Absichten des Täters unter Einschluss der
Tötungsabsicht im Einzelfall ein negatives Gewicht beizumessen sei, ist der
anfragende Senat mit dem 3. und dem 5. Strafsenat der Auffassung, dass eine
isolierte Negativbewertung der Tötungsabsicht rechtlich unbedenklich sei,
- 16 -
wenngleich dies nicht zu einer schematischen Betrachtungsweise führen dürfe;
der Tatrichter habe deshalb je nach den Umständen des konkreten Einzelfalls
auch die das Handlungsunrecht mildernden Umstände in den Blick zu nehmen.
30
Die strafschärfende Berücksichtigung von Tötungsabsicht verstößt damit
grundsätzlich nicht gegen das Verbot der Doppelverwertung von Tatbestandsmerkmalen (§ 46 Abs. 3 StGB). Mit der Tötungsabsicht verbindet sich regelmäßig – ergibt sich nicht aus gegenläufig zu gewichtenden Umständen eine andere Beurteilung des Handlungsunrechts – eine erhöhte Tatschuld des absichtsvoll Tötenden.
III.
31
Gemessen hieran begegnen die tatrichterlichen Ausführungen zur strafschärfenden Berücksichtigung der Tötungsabsicht weder unter Berücksichtigung der Auffassung des 2., 3. und 5. Strafsenats noch unter Berücksichtigung
des – abweichenden – Maßstabs des 1. und des 4. Strafsenats durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Schwurgericht hat im Rahmen der Prüfung, ob
sich die Tat als ein sonst minder schwerer Fall des Totschlags im Sinne des
§ 213 StGB darstellt, zwar zu Lasten des Angeklagten eingestellt, dass „die Tat
mit erheblicher Brutalität begangen wurde und der Angeklagte den Tod seiner
Ehefrau absichtlich und zielgerichtet herbeiführen wollte“. Auch hat es im Rahmen der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte
den Tod seiner Ehefrau „absichtlich und zielgerichtet herbeigeführt hat“. Das
Tatgericht hat sich jedoch im Rahmen der Beweiswürdigung sowie der rechtlichen Würdigung bei Abhandlung der Mordmerkmale (Habgier, Heimtücke, niedrige Beweggründe) ausführlich mit den Vorstellungen, Zielen sowie den handlungsleitenden Motiven des Angeklagten auseinandergesetzt. Dabei hat es
- 17 -
zwar Anhaltspunkte dafür gesehen, dass der Angeklagte, der gegenüber seiner
Ehefrau – nicht zuletzt aufgrund seiner narzisstischen Persönlichkeitszüge –
eine abwertende Haltung eingenommen habe, über ihre Trennungsabsichten
frustriert und zornig gewesen sei und Motive der Rache für die erlittene Kränkung bei der Tat eine Rolle gespielt haben könnten. Sichere Feststellungen zur
eigentlichen Tatmotivation hat das Schwurgericht aber nicht zu treffen vermocht. Anhaltspunkte, die das Handeln des Angeklagten, in einem milderen
Licht erscheinen lassen könnten, sind insgesamt nicht zutage getreten. Das
Schwurgericht hat im Übrigen nicht übersehen, dass beim Angeklagten zum
Zeitpunkt der Tat eine „große Enttäuschung, Frustration und Wut“ angesichts
der Trennungsabsicht entstanden war.
32
Vor diesem Hintergrund ist nicht zu besorgen, dass das Tatgericht der
Vorsatzform isoliert und undifferenziert strafschärfende Wirkung beigemessen
und das subjektive Handlungsunrecht nicht – wie dies nach Auffassung des
1. und des 4. Strafsenats regelmäßig erforderlich und in den Urteilsgründen
auch darzulegen ist – insgesamt in den Blick genommen hat.
33
Die tatgerichtliche Wertung, dass der rechtsfehlerfrei festgestellten Tötungsabsicht strafschärfendes Gewicht beizumessen sei, hält sich sonach im
Rahmen des tatrichterlichen Wertungsspielraums und ist von Rechts wegen
nicht zu beanstanden.
IV.
34
Anlass für eine Kompensationsentscheidung bestand nicht.
- 18 -
35
Zwar hat das Revisionsverfahren, das am 5. Juni 2015 beim Bundesgerichtshof eingegangen ist, lange gedauert. Die Verfahrensdauer ist jedoch dem
Umstand geschuldet, dass die Revisionshauptverhandlung am 1. Juni 2016 zur
Durchführung des Anfrageverfahrens ausgesetzt worden ist. Nach Eingang der
letzten Antwort auf den Anfragebeschluss am 8. August 2017 wurde mit Verfügung
vom
10. August
2017
neuer
Hauptverhandlungstermin
auf
den
6. Dezember 2017 bestimmt. Eine frühere Terminierung war in Ansehung der
Terminslage des Senats nicht möglich.
Krehl
Eschelbach
Bartel
Zeng
Schmidt