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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 417/16
vom
10. November 2016
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge mit Waffen u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:101116B1STR417.16.0
-2-
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. November 2016
beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Nürnberg-Fürth vom 8. März 2016 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt
der Senat:
Entgegen dem Revisionsvorbringen erfolgte die Bildung der Gesamtstrafe gemäß § 54 StGB ohne Rechtsfehler. Der Tatrichter war nicht gehindert, die
in drei von neun Fällen verwirkte höchste Einzelstrafe (fünf Jahre und sechs
Monate) auf 13 Jahre und sechs Monate zu erhöhen.
1. Die Bemessung der Gesamtstrafe im Rahmen der Gesamtstrafenbildung nach § 54 Abs. 1 StGB ist im Wege einer Gesamtschau des Unrechtsgehalts und des Schuldumfangs durch einen eigenständigen Zumessungsakt vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt
24, 268, 269 f.; Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 4 StR 261/13). Der
Summe der Einzelstrafen kommt nur ein geringes Gewicht zu, maßgeblich ist
die angemessene Erhöhung der Einsatzstrafe unter zusammenfassender Würdigung der Person des Täters und der einzelnen Straftaten (§ 54 Abs. 1 Satz 3
StGB). Dabei ist vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre
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größere oder geringere Selbstständigkeit, die Häufigkeit der Begehung, die
Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu
berücksichtigen (BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt
24, 268, 269 f.). Besteht zwischen den einzelnen Taten ein enger zeitlicher,
sachlicher und situativer Zusammenhang hat die Erhöhung der Einsatzstrafe in
der Regel geringer auszufallen (BGH, Beschlüsse vom 13. April 2010 – 3 StR
71/10, NStZ-RR 2010, 238 und vom 13. November 2008 – 3 StR 485/08).
Wird die Einsatzstrafe erheblich erhöht, bedarf dies näherer Begründung
(BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2006 – 2 StR 346/06, NStZ 2007, 326). Eine
starke Erhöhung der Einsatzstrafe bedarf besonderer Begründung, wenn sich
diese nicht aus den fehlerfrei getroffenen Feststellungen von selbst ergibt. Da
der Strafzumessung eine "Mathematisierung" fremd ist, kann – anders als der
Revisionsführer meint – ein Rechtsfehler nicht allein darin gesehen werden,
dass die Einsatzstrafe auf das etwa Zweieinhalbfache erhöht wurde (vgl. BGH,
Beschluss vom 25. August 2010 – 1 StR 410/10, NStZ 2011, 32; Fischer,
StGB, 63. Aufl., § 54 Rn. 7a). Derartige mathematische Überlegungen finden
im Gesetz keine Stütze; auch bei der Bemessung einer Gesamtstrafe gilt, dass
das Gesetz bei der Strafzumessung "von jedem Schematismus" weit entfernt
ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 351;
Urteil vom 28. März 2013 – 4 StR 467/12).
Der Tatrichter kann auch nicht dazu gezwungen werden, eine schuldunangemessene erhöhte Einsatzstrafe festzusetzen, um die rechtsfehlerfreie
Verhängung einer tat- und schuldangemessenen Gesamtstrafe zu ermöglichen
(vgl. BGH, Urteil vom 23. April 1997 – 3 StR 16/97, BGHR StGB § 54 Strafhöhe
1).
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Das Revisionsgericht hat nur auf Rechtsfehler einzugreifen. Diese können insbesondere dann vorliegen, wenn die Gesamtstrafe sich nicht innerhalb
des gesetzlichen Strafrahmens befindet oder die gebotene Begründung für die
Gesamtstrafe fehlt, oder wenn die Besorgnis besteht, der Tatrichter habe sich
von der Summe der Einzelstrafen leiten lassen (vgl. hierzu u.a. BGH, Beschluss vom 3. Februar 1999 – 2 StR 678/98 mwN). Eine ungewöhnlich hohe
Divergenz zwischen Einsatzstrafe und Gesamtstrafe kann (jedenfalls beim Fehlen einer tragfähigen Begründung) die letztgenannte Besorgnis begründen
(BGH, Beschluss vom 25. August 2010 – 1 StR 410/10, NStZ 2011, 32 mwN).
2. Solche Rechtsfehler sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der
Tatrichter hat die Erhöhung der Einsatzstrafe nicht nur durch zulässige (vgl.
BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271;
BGH, Urteil vom 17. August 1988 – 2 StR 353/88, BGHR StGB § 54 Abs. 1
Bemessung 1 und Beschluss vom 15. August 1989 – 1 StR 382/89, BGHR
StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 4) Bezugnahme auf die Strafzumessungserwägungen begründet, die den neun wegen Straftaten nach dem BtMG verhängten
Einzelstrafen zugrunde lagen. Er hat den das Tatgeschehen charakterisierenden langen Tatzeitraum hervorgehoben, der mit Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (220 Kilogramm Haschisch) in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge im März 2007 begann und im Dezember 2014 mit bewaffnetem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sein
Ende fand. Dazwischen lagen sieben weitere Straftaten, von denen jeweils drei
Taten (Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – 70 bzw. 80
Kilogramm Haschisch – in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) mit den Einsatzstrafen geahndet worden
sind. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden; denn die in einem Zeitraum von
siebeneinhalb Jahren eingebetteten und im Verhältnis zueinander eine große
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Selbständigkeit aufweisenden Taten heben das Geschehen von typischen Serienstraftaten ab.
Der Festsetzung einer dem Gesamtgewicht des Sachverhalts gerecht
werdenden Gesamtstrafe stand nicht entgegen, dass die Strafkammer die Einsatzstrafen noch in der unteren Hälfte des angewandten Strafrahmens festgesetzt hat und das Gewicht der einzelnen Taten, wie es rechtlich möglich gewesen wäre, nicht schon durch die Festsetzung höherer Einzelstrafen berücksichtigt hat. Deshalb war es rechtlich geboten, die für das Gesamtgewicht maßgeblichen Umstände, sofern sie nicht schon vollständig die Einzelstrafen mitbestimmt haben, jedenfalls bei der Gesamtstrafenbildung angemessen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1995 – 1 StR 463/95, BGHR
StGB § 54 Serienstraftaten 3; BGH, Urteile vom 23. Oktober 1997 – 4 StR
347/97, NStZ-RR 1998, 236 und vom 21. März 2006 – 1 StR 61/06, NStZ-RR
2007, 72). Das hat das Landgericht getan. Die der Bemessung der Einzelstrafen vorangestellten Erwägungen, auf die das Landgericht bei der Gesamtstrafenbildung Bezug genommen hat, belegen, dass es die für die vorzunehmende Gesamtwürdigung des Täters und seines Verhaltens bedeutsamen
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Umstände bedacht hat. In der Gesamtschau der Taten hatten Unrechtsgehalt
und Schuldumfang hier besonderes Gewicht.
Graf
Cirener
Mosbacher
Radtke
Fischer