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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 197/11
vom
8. Dezember 2011
in der Zwangsversteigerungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZVG § 59
Werden im Falle eines Doppelausgebots Gebote nur auf die abweichenden Bedingungen abgegeben, denen der Schuldner nicht zugestimmt hat, darf der Zuschlag erteilt werden, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung des Schuldners bestehen.
BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2011 - V ZB 197/11 - LG Chemnitz
AG Chemnitz
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Dezember 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den
Richter Dr. Czub und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss
der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 25. Juli 2011
wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
für die Gerichtskosten und die anwaltliche Vertretung der
Schuldnerin 35.100 €.
Gründe:
I.
1
Auf Antrag der Gläubigerin ordnete das Vollstreckungsgericht mit Beschluss vom 3. Mai 2010 die Zwangsversteigerung des im Rubrum bezeichneten Grundstücks der Schuldnerin an und setzte den Verkehrswert auf 1 € fest,
weil die Abbruchkosten für die Gebäude den Bodenwert überstiegen. Das
Grundstück besteht aus zwei Flurstücken. In Abteilung II des Grundbuchs ist
unter Nr. 5 eine Belastung für eines dieser Flurstücke (441/12) mit einer Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrrecht) zugunsten der jeweiligen Eigentümer der
Flurstücke 439/4 und 441/13 eingetragen. Am 20. Oktober 2010 stellte die Beteiligte zu 3 als Eigentümerin des Flurstücks 439/4 einen Antrag auf Versteigerung zu abweichenden Bedingungen, nämlich unter Bestehenbleiben der genannten Grunddienstbarkeit. Die Gläubigerin stimmte zu. In dem Termin zur
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Zwangsversteigerung am 21. April 2011 erfolgte ein Doppelausgebot, weil die
Zustimmung der Zwischenberechtigten zu den abweichenden Versteigerungsbedingungen noch nicht vorlag. Gebote wurden nur zu den abweichenden Bedingungen abgegeben. Der Zuschlag wurde der Beteiligten zu 3 zu ihrem
Meistgebot von 35.100 € erteilt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der
Schuldnerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen
Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses erreichen.
II.
2
Das Beschwerdegericht meint, ein Zuschlagsversagungsgrund gemäß
§ 83 Nr. 1 ZVG sei nicht gegeben, weil die Vorschrift des § 59 ZVG eingehalten
worden sei. Ebenso wenig sei der Zuschlag gemäß § 83 Nr. 2 ZVG zu versagen. Ein Einzelausgebot der beiden Flurstücke habe nicht erfolgen müssen,
weil diese ein Grundstück im Rechtssinne bildeten.
III.
3
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht hat einen Zuschlagsversagungsgrund gemäß § 100 ZVG im Ergebnis zu
Recht verneint.
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1. Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde eine Verletzung von § 83
Nr. 1 i.V.m. § 59 ZVG.
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a) Die Durchführung des Doppelausgebots sowohl nach den gesetzlichen als auch nach den abweichenden Bedingungen entsprach § 59 Abs. 2
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ZVG, weil vor Durchführung der Zwangsversteigerung nicht feststand, ob die
Rechte der Schuldnerin oder der Zwischenberechtigten durch das Bestehenbleiben der Dienstbarkeit beeinträchtigt wurden. Es kann dahinstehen, ob - wie
die Rechtsbeschwerde meint - für die anschließende Erteilung des Zuschlags
eine Zustimmung der Zwischenberechtigten erforderlich gewesen wäre, weil die
Schuldnerin ihre Zuschlagsbeschwerde darauf nicht stützen kann (§ 100 Abs. 2
ZVG).
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b) Auch der Schuldner kann im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 3 ZVG beeinträchtigt werden, wenn mit der Abweichung ein geringerer Übererlös erzielt
wird, weniger Schulden getilgt werden als nach den gesetzlichen Bedingungen
oder wenn das geringste Gebot so hoch wird, dass niemand bietet (Stöber,
ZVG, 19. Aufl., § 59 Rn. 4.2). Mit der Frage, ob aus diesem Grund die Zustimmung der Schuldnerin zu den abweichenden Bedingungen erforderlich war, hat
sich das Beschwerdegericht zwar nicht befasst. Ein Zuschlagsversagungsgrund
ergibt sich aus der fehlenden Zustimmung aber nicht.
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aa) Es besteht keine Einigkeit darüber, wie zu verfahren ist, wenn im Falle eines Doppelausgebots Gebote - wie hier - nur auf die abweichenden Bedingungen, nicht aber auf die gesetzlichen Bedingungen abgegeben werden und
der Schuldner nicht zustimmt. Fest steht nach überwiegender und zutreffender
Ansicht, dass die Zuschlagserteilung auch dann erfolgen kann, wenn nicht auf
beide Ausgebotsarten geboten worden ist (LG Berlin, Rpfleger 2006, 93, 94; LG
Arnsberg, Rpfleger 1984, 427; Böttcher, ZVG, 5. Aufl., § 59 Rn. 14; Hintzen in
Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl. § 59 Rn. 69;
Löhnig/Siwonia, ZVG, § 59 Rn. 17; Stöber, aaO, § 59 Nr. 6.3; Muth, Rpfleger
1987, 397, 401; aA Schiffhauer, Rpfleger 1986, 326, 338). Das folgt schon daraus, dass das Doppelausgebot das gesetzlich vorgesehene Mittel für den
Nachweis einer von vornherein zweifelhaften Beeinträchtigung darstellt und die
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Möglichkeit einer Versteigerung zu den gesetzlichen Bedingungen gewährleistet (so zutreffend LG Berlin, Rpfleger 2006, 93, 94).
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bb) Uneinigkeit besteht in dieser Fallkonstellation aber darüber, inwieweit
eine Beeinträchtigung des Schuldners zu der Versagung des Zuschlags führen
muss. Teilweise wird vertreten, der Zuschlag müsse stets auf das abweichende
Ausgebot erfolgen (LG Arnsberg, Rpfleger 1984, 427; Böttcher, aaO, § 59
Rn. 14; Jaeckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., § 59 Rn. 5; Stöber, aaO, § 59 Nr. 6.3;
Muth, Rpfleger 1987, 397, 401), während er nach anderer Auffassung versagt
werden muss, wenn eine Beeinträchtigung möglich erscheint (LG Rostock,
Rpfleger 2001, 509). Andere meinen, für die Zuschlagserteilung sei erforderlich,
aber auch ausreichend, dass die Beeinträchtigung jedenfalls nicht sicher feststehe (LG Berlin, Rpfleger 2006, 93, 94; Hintzen, aaO, § 59 Rn. 69; Löhnig/
Siwonia, ZVG, § 59 Rn. 17). Der Senat teilt die zuletzt genannte Ansicht mit der
Maßgabe, dass der Zuschlag nur versagt werden darf, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Beeinträchtigung des Schuldners durch die abweichenden Bedingungen bestehen. Dafür spricht die Überlegung, dass ein genereller Vorrang
der gesetzlichen Bedingungen nicht anzunehmen ist und es der Funktion des
Doppelausgebots entspricht, den Nachweis der Beeinträchtigung zu ermöglichen. Kann es ein eindeutiges Ergebnis nicht herbeiführen, ist der Zuschlag im
Zweifel zu erteilen (so zutreffend LG Berlin, Rpfleger 2006, 93, 94). Sprechen
dagegen konkrete Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung, ist die Zustimmung
des Schuldners gemäß § 59 Abs. 1 Satz 3 ZVG erforderlich.
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cc) Danach ist der Zuschlag im Einklang mit § 59 ZVG erteilt worden.
Weil keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ohne das Bestehenbleiben der Dienstbarkeit ein besseres Versteigerungsergebnis erzielt worden
wäre, ist eine Beeinträchtigung der Schuldnerin nicht ersichtlich; auch die
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Rechtsbeschwerde verweist nicht auf Umstände, die diese Annahme rechtfertigen könnten.
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b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Vollstreckungsgericht habe in den abweichenden Bedingungen nicht das Bestehenbleiben der Dienstbarkeit auch zugunsten des Flurstücks 441/13 vorsehen
dürfen, weil sich der Antrag der Beteiligten zu 3 nur auf das Flurstück 439/4 bezogen habe. Es kann dahinstehen, ob der gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 ZVG erforderliche Antrag vorlag. Jedenfalls wäre ein etwaiger Verstoß gegen § 59
Abs. 1 Satz 1 ZVG gemäß § 84 Abs. 1 Alt. 1 ZVG geheilt worden, weil es auch
insoweit an einer Beeinträchtigung der Schuldnerin fehlt. Allerdings ist die Heilung nach § 84 Abs. 1 Alt. 1 ZVG schon dann ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit einer Beeinträchtigung besteht (Stöber, aaO, § 84 Rn. 2.2 mwN). Anhaltspunkte dafür, dass ein höherer Versteigerungserlös erzielt worden wäre,
wenn die Dienstbarkeit nur zugunsten des Flurstücks 439/4 und nicht auch zugunsten des Flurstücks 441/13 bestehen geblieben wäre, sind nach dem Ergebnis des Doppelausgebots aber nicht ersichtlich und werden auch von der
Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt.
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2. Ebenso wenig liegt ein Zuschlagsversagungsgrund gemäß § 83 Nr. 2
i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 ZVG vor. Zu Recht hat das Vollstreckungsgericht kein
Einzelausgebot der beiden Flurstücke vorgenommen.
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a) Das Beschwerdegericht weist zutreffend darauf hin, dass diese ein
einheitliches Grundstück im Rechtssinne bilden, nämlich ein im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblattes unter einer bestimmten Nummer gebuchtes
Stück der Erdoberfläche (vgl. Senat, Urteil vom 15. Januar 1971 - V ZR 164/68,
NJW 1971, 560, 561). Es handelt es sich bei den Flurstücken deshalb nicht um
"mehrere in demselben Verfahren zu versteigernde Grundstücke" im Sinne von
§ 63 Abs. 1 Satz 1 ZVG.
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b) Es besteht auch kein Anlass für eine analoge Anwendung des § 63
ZVG. Zwar hat der Senat in dem von der Rechtsbeschwerde herangezogenen
Beschluss vom 24. November 2005 (V ZR 23/05 - NJW 2006, 1000 f.) eine
sinngemäße Anwendung von § 63 ZVG unter bestimmten Umständen für angezeigt gehalten. Dies bezog sich aber nur auf den Fall, dass eine Vereinigung
von Grundstücken stattgefunden hat, obwohl eine Verwirrung im Sinne von § 5
Abs. 1 Satz 1 GBO zu befürchten war (Senat, aaO, Rn. 21 f.). Wie auch die
Rechtsbeschwerde erkennt, liegt ein solcher Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1
GBO nicht vor. Dienstbarkeiten, die nur an Grundstücksteilen bestehen, begründen keine Verwirrungsgefahr im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 GBO, wenn
der belastete Grundstücksteil bestimmbar ist (BeckOK GBO/Kral [Stand:
1.9.2011], § 5 Rn. 35; Demharter, GBO, 27. Aufl., § 5 Rn. 13). So ist es hier.
Weil die Dienstbarkeit auf einem von zwei Flurstücken lastet, ist klar erkennbar,
auf welchem Teil des einheitlichen Grundstücks die Belastung ruht.
IV.
14
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Beteiligten in
dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde grundsätzlich nicht als Parteien
im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (Senat, Beschluss vom
25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378, 381 mwN). Der Gegenstandswert ist nach § 47 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG nach dem Wert des
Zuschlags zu bestimmen, der dem Meistgebot entspricht. Der Wert der anwaltlichen Vertretung richtet sich gemäß § 26 Nr. 2 RVG zwar grundsätzlich nach
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dem Verkehrswert des Grundstücks. Ist dieser aber - wie hier - negativ, ist
hilfsweise der Wert des Meistgebots heranzuziehen.
Krüger
Stresemann
Brückner
Czub
Weinland
Vorinstanzen:
AG Chemnitz, Entscheidung vom 21.04.2011 - 24 K 411/10 LG Chemnitz, Entscheidung vom 25.07.2011 - 3 T 261/11 -