Search on legal documents using Tensorflow and a web_actix web interface
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.
 
 
 
 
 
 

196 lines
12 KiB

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 221/14
vom
24. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u.a.
-2-
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Juli 2014 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 30. Januar 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen 2 und 4 bis 9 der Urteilsgründe,
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in dreizehn Fällen
sowie wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz (vorsätzlicher unerlaubter
Besitz von Munition) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt
und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es dem Angeklagten für die Dauer von drei Jahren verboten, den Beruf des Rechtsanwaltes
auszuüben.
-3-
2
Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist
sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
3
Nach den Feststellungen befand sich der als Rechtsanwalt tätig gewesene Angeklagte seit dem Jahr 2005 in finanziellen Schwierigkeiten. Spätestens
im März 2007 fasste er den Entschluss, ihm treuhänderisch überwiesene Gelder seinem Vermögen einzuverleiben und sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. In den Fällen 1 bis 13 ließ sich der Angeklagte,
der über kein Rechtsanwalts-Anderkonto verfügte, Gelder von oder für seine
Mandanten auf sein Geschäftskonto überweisen und verwendete sie, um die
Kosten für seine Kanzlei zu begleichen und private Verbindlichkeiten zu erfüllen. Ab Juli 2007 kam es auf dem Geschäftskonto zu Pfändungsmaßnahmen
und mangels Deckung zu Rücklastschriften. Soweit der Angeklagte über weitere Einkünfte aus einer beratenden Tätigkeit und über Guthaben auf einem Privatkonto verfügte, beabsichtigte er nicht, dieses Geld zur Befriedigung oder Sicherung der Ansprüche seiner Mandanten einzusetzen. Hinsichtlich der ihm aus
seiner anwaltlichen Tätigkeit gegenüber seinen Mandanten zustehenden Honoraransprüche erstellte er keine Abrechnungen und gab auch keine Aufrechnungserklärungen ab.
4
Im Fall 1 veranlasste der Angeklagte einen Mandanten, einen zur Weiterleitung bestimmten Gerichtskostenvorschuss auf sein Geschäftskonto einzuzahlen und verwendete den Geldbetrag vollständig für eigene Zwecke. In den
Fällen 2 bis 13 war der Angeklagte jeweils mit der Geltendmachung zivilrechtlicher Forderungen, insbesondere in Verkehrsunfallsachen, beauftragt worden.
Gegenüber der Haftpflichtversicherung bzw. den Anspruchsgegnern seiner
-4-
Klienten gab er jeweils sein Geschäftskonto als Referenzkonto für Ausgleichszahlungen an. Zahlungen wurden daher auf dieses Konto geleistet. In den Fällen 2 und 4 bis 9 gingen zu unterschiedlichen Zeitpunkten mehrere Teilzahlungen ein. Einen Teil der eingegangenen Geldbeträge hob der Angeklagte entweder gleich ab oder er verschwieg die Geldeingänge bzw. deren Höhe gegenüber seinen Mandanten; teilweise zahlte er Gelder - sofern ihm möglich - erst
auf mehrfache Aufforderung aus. Aufgrund der Tatvorwürfe wurde der Angeklagte im Jahr 2011 aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen.
5
Nach den zu Fall 14 getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte
im Jahr 2008 Patronen des Kalibers 38 Special, obwohl er weder über einen
Eintrag für eine Waffe dieses Kalibers in seiner Waffenbesitzkarte noch über
einen Munitionserwerbschein verfügte. Die Munition konnte im Rahmen einer
Durchsuchung in der Wohnung des Angeklagten sichergestellt werden.
II.
6
1. Der Schuldspruch hält revisionsrechtlicher Überprüfung nur teilweise
stand.
7
a) Soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall 14 der Urteilsgründe
wegen unerlaubten Besitzes von Munition verurteilt hat (§ 52 Abs. 3 Nr. 2b
WaffG), ist der Schuldspruch rechtsfehlerfrei. Wie der Generalbundesanwalt
zutreffend ausgeführt hat, kam eine tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubten Erwerbs von Munition nicht in Betracht, da insoweit zum Zeitpunkt der
Verfahrenseinleitung bereits Verfolgungsverjährung eingetreten war (§ 78
Abs. 3 Nr. 4 StGB).
8
b) Auch der Schuldspruch in den Fällen 1, 3 und 10 bis 13 der Urteilsgründe ist nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hat, indem er den Gerichts-
-5-
kostenvorschuss bzw. die für seine Mandanten in Empfang genommenen Gelder nicht weiterleitete, sondern anderweitig verwendete, jeweils den Tatbestand
der Untreue erfüllt. So begeht ein Rechtsanwalt, der sich im Rahmen eines bestehenden Anwaltsvertrages zur Weiterleitung bestimmte Fremdgelder auf sein
Geschäftskonto einzahlen lässt und weder uneingeschränkt bereit noch jederzeit fähig ist, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren, eine Untreue (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1988
- 3 StR 61/87, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 8; Beschluss vom 30. Oktober
2003 - 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54). Hier war das Geschäftskonto häufig
überzogen und permanent Pfändungsmaßnahmen unterworfen, so dass eingehende Mandantengelder insoweit unmittelbar mit Eingang auf dem Konto dem
Ausgleich des Solls dienten. Soweit dem Angeklagten in Einzelfällen möglicherweise Honoraransprüche in einer die Zahlungseingänge übersteigenden Höhe zustanden, hindert dies nicht die Annahme eines Vermögensnachteils. Zwar
fehlt es an einem Vermögensnachteil, wenn der Täter einen fälligen Geldanspruch gegen das von ihm treuhänderisch verwaltete Vermögen hat und hierüber in entsprechender Höhe zu eigenen Gunsten verfügt, so dass der Treugeber von einer bestehenden Verbindlichkeit befreit wird (vgl. BGH, Urteil vom
13. Juli 1999 - 5 StR 667/98, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 46). Dies setzt
aber voraus, dass die Verwendung der Mandantengelder nicht mit dem Vorsatz
rechtswidriger Bereicherung erfolgt, sondern tatsächlich dem Zweck dient, bestehende Honoraransprüche zu befriedigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 1997
- 1 StR 638/97, NStZ-RR 1997, 298, 299; Beschluss vom 5. Juli 2011 - 3 StR
444/10, NStZ-RR 2011, 312, 313; Schmidt, NStZ 2013, 498, 500 f.). Daran fehlt
es hier. Irgendwelche Honoraransprüche hat der Angeklagte in keinem der abgeurteilten Fälle beziffert und geltend gemacht, so dass es schon deshalb an
einer möglicherweise in Betracht kommenden Aufrechnungslage fehlt. Vielmehr
diente die Verwendung der Fremdgelder durch den Angeklagten einzig dazu,
-6-
die im Zusammenhang mit dem Betrieb der Kanzlei anfallenden Kosten begleichen und private Verbindlichkeiten erfüllen zu können.
9
c) Dagegen tragen die Feststellungen in den Fällen 2 und 4 bis 9 der Urteilsgründe eine Verurteilung wegen sieben tatmehrheitlich begangener Untreuetaten nicht. Nach den Feststellungen lag den Fällen 2 und 5, den Fällen 6
und 7 sowie den Fällen 4, 8 und 9 jeweils nur ein Mandatsauftrag zugrunde, im
Rahmen dessen der Angeklagte die Gegenseite (im Fall 2/5 Miterben, in den
beiden Fällen 6/7 und 4/8/9 jeweils eine Haftpflichtversicherung) zur Zahlung
auf sein Geschäftskonto aufgefordert hatte. Den Urteilsgründen ist indes nicht
zu entnehmen, ob die Zahlungen, die jeweils in zwei bzw. drei Tranchen erfolgten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf dem Geschäftskonto eingingen,
auf ein oder mehrere Anspruchsschreiben des Angeklagten zurückgehen. Sollte
sich die Tathandlung des Angeklagten in einem einmaligen Anspruchsschreiben unter Angabe seines Geschäftskontos für zu leistende Zahlungen erschöpfen, würde dies - auch wenn die Gegenseite mehrere Teilzahlungen erbracht
hätte - nicht die Annahme von Tatmehrheit rechtfertigen (vgl. BGH, Beschluss
vom 25. Juli 1997 - 3 StR 179/97, NStZ-RR 1997, 357).
10
2. Die Einzelstrafaussprüche in den Fällen 1, 3 und 10 bis 14 der Urteilsgründe haben keinen Bestand.
11
a) Das Landgericht hat in den Fällen 1, 3 und 10 bis 13 im Rahmen der
Strafzumessung nicht erkennbar berücksichtigt, dass der Angeklagte aufgrund
der verfahrensgegenständlichen Tatvorwürfe aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen worden ist. Anwaltsrechtliche Sanktionen nach § 114 Abs. 1
BRAO sind als Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung gemäß § 46
Abs. 1 Satz 2 StGB aber bereits bei der Bemessung der Einzelstrafen zu berücksichtigen, wenn der Rechtsanwalt durch sie seine berufliche und wirtschaft-
-7-
liche Basis verliert (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 1991 - 3 StR 13/91,
BGHR StGB § 356 Abs. 1 Rechtssache 1; Beschluss vom 2. Februar 2010
- 4 StR 514/09, StV 2010, 479 f.).
12
b) Der Strafausspruch erweist sich schließlich auch im Fall 14 als nicht
frei von Rechtsfehlern. So hätte das Landgericht den Umstand, dass die Munition anlässlich einer Durchsuchung in der Wohnung des Angeklagten sichergestellt werden konnte, erkennbar zugunsten des Angeklagten berücksichtigen
müssen, weil infolge der Sicherstellung keine Gefahr mehr für die öffentliche
Sicherheit bestand.
13
3. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen 2 und 4 bis 9 der Urteilsgründe sowie der Einzelstrafaussprüche in den Fällen 1, 3 und 10 bis 14
der Urteilsgründe hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge.
14
4. Auch der Maßregelausspruch hat keinen Bestand. Das Landgericht ist
zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte die Untreuetaten
jeweils unter Missbrauch seines Berufes begangen hat (vgl. Athing/Bockemühl
in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 70 Rn. 9; Stree/Kinzig in
Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 70 Rn. 10). Die Erwägungen, auf die es
die Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 70 Abs. 1 StGB gestützt hat, halten
jedoch revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Im Rahmen der Bewährungsentscheidung hat das Landgericht ausgeführt, mit "Rücksicht auf das
erstmalige Erleben einer Haft als auch einer Hauptverhandlung als Angeklagter"
sei davon auszugehen, "dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung als
Warnung dienen lassen und künftig […] keine Straftaten mehr begehen" werde.
Dem widersprechend hat es zur Begründung der Anordnung des Berufsverbots
darauf abgestellt, dass "in Anbetracht der Vielzahl der Fälle" und des "plan- und
regelmäßigen Vorgehens des Angeklagten in größerem Umfang" damit zu
-8-
rechnen sei, dass dieser "bei Weiterführung seiner beruflichen Tätigkeit weitere
erhebliche rechtswidrige Taten […] begehen" werde. Zwar kann ein Berufsverbot grundsätzlich auch neben einer Bewährungsstrafe verhängt werden, etwa
dann, wenn der Gefahr weiterer Straftaten gerade durch das Berufsverbot entgegengesteuert werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2003
- 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54; LK-Hanack, 12. Aufl., § 70 Rn. 43a); dies
erfordert aber eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH,
Beschluss vom 5. August 2009 - 5 StR 248/09, NStZ 2010, 170, 171), in deren
Rahmen hier auch zu berücksichtigen gewesen wäre, dass die Verhängung
eines Berufsverbots dann ausscheidet, wenn zu erwarten ist, dass der Angeklagte bereits durch die Verurteilung zu der verhängten Strafe oder jedenfalls
durch deren Verbüßung von weiteren Taten abgehalten werden kann (BGH,
Beschluss vom 12. September 1994 - 5 StR 487/94, NStZ 1995, 124). An einer
solchen Gesamtwürdigung fehlt es hier.
15
5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die
nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe (§ 55 StGB) mit den Strafen aus dem
Strafbefehl des Amtsgerichts Aachen vom 2. September 2009 zwar zutreffend
-9-
unterblieben ist, da die verhängte Gesamtgeldstrafe bereits im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt worden ist; jedoch wäre insoweit ein Härteausgleich zu erwägen gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2001 - 4 StR
587/00; Urteil vom 5. November 2013 - 1 StR 387/13).
Fischer
Appl
Ott
Schmitt
Zeng