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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 8/04
Verkündet am:
22. Juli 2008
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
-2-
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2008 durch die Richter Scharen, Keukenschrijver,
Mühlens, Prof. Dr. Meier-Beck und Asendorf
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten, die im Übrigen zurückgewiesen
wird, wird das am 14. Oktober 2003 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert
und wie folgt neu gefasst:
Das europäische Patent 621 777 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland unter Klageabweisung im
Übrigen im Umfang seiner Patentansprüche 5 und 9 sowie 11 bis
36 und weiter dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass sein Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält und die unveränderten Patentansprüche 2 bis 4 und 6 bis 8 auf den neu gefassten Patentanspruch 1 rückbezogen werden:
"1. Verfahren zur Herstellung von wenigstens einen Wirkstoff mit in vivo schlechter Resorbierbarkeit enthaltenden Pellets, dadurch gekennzeichnet, dass man
a) einen Gerüstbildner aus thermoreversiblen sol-gelbildenden hydrophilen Makromolekülen ausgewählt
aus der Gruppe bestehend aus: Gelatine, fraktionierte Gelatine, in einem wässrigen oder wässrigorganischen Lösungsmittel löst,
b) den Wirkstoff in mikroemulgierter, nanoverkapselter
oder kolloiddisperser Form homogen dispergiert und
c) die erhaltene Mischung aus gelöstem Gerüstbildner
und dispergiertem Wirkstoff in ein tiefkaltes inertes
verflüssigtes Gas eintropft und so im Wege der
-3-
Schockfrostung Pellets formt, in denen der Wirkstoff
nicht mehr auskristallisieren kann, und
d) die so geformten Pellets durch Verdampfen oder
Sublimieren des Lösungsmittels auf übliche Weise
trocknet."
Die Klägerin zu 1 trägt ein Achtel der Gerichtskosten erster Instanz
und drei Sechzehntel der Gerichtskosten zweiter Instanz. Die Klägerin zu 2 trägt die Hälfte der Gerichtskosten erster Instanz und ein
Viertel der Gerichtskosten zweiter Instanz. Die Beklagte trägt drei
Achtel der Gerichtskosten erster Instanz und neun Sechzehntel der
Gerichtskosten zweiter Instanz. Von den außergerichtlichen Kosten
der Klägerin zu 1 trägt die Beklagte drei Viertel. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Klägerin zu 1 ein Achtel
und die Klägerin zu 2 die Hälfte. Im Übrigen trägt jede Partei ihre
außergerichtlichen Kosten selbst.
Von Rechts wegen
und beschlossen:
Der
Streitwert
für
das
1.500.000,- EUR festgesetzt.
Berufungsverfahren
wird
auf
-4-
Tatbestand:
1
Die Beklagte ist Inhaberin des unter Inanspruchnahme der Priorität u.a.
zweier Voranmeldungen in Deutschland vom 17. Januar 1992 am 18. Januar
1993 angemeldeten, auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 621 777 (Streitpatents), das "wirkstoffenthaltende
Festkörper mit einem Gerüst aus hydrophilen Makromolekülen und Verfahren
zu ihrer Herstellung" betrifft und 36 Patentansprüche umfasst. Die Patentansprüche 1 und 11 lauten in der Fassung des erteilten Patents in der Verfahrenssprache Deutsch:
"1.
Verfahren zur Herstellung von wenigstens einen Wirkstoff mit
in vivo schlechter Resorbierbarkeit enthaltenen Pellets, dadurch gekennzeichnet, dass man
a)
einen Gerüstbildner aus hydrophilen Makromolekülen
ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus: Kollagen,
Gelatine, fraktionierte Gelatine, Kollagenhydrolysate, Gelatinederivate, Pflanzenproteine, Pflanzenproteinhydrolysate, Elastinhydrolysate, in einem wässrigen oder wässrig-organischen Lösungsmittel löst,
b)
den Wirkstoff dispergiert und
c)
die erhaltene Mischung aus gelöstem Gerüstbildner und
dispergiertem Wirkstoff in ein tiefkaltes inertes verflüssigtes Gas eintropft und so Pellets formt, und
d)
die so geformten Pellets durch Verdampfen oder Sublimieren des Lösungsmittels auf übliche Weise trocknet.
-5-
11. Wirkstoff enthaltendes Pellet, gekennzeichnet durch eine Dispersion wenigstens eines Wirkstoffs oder Wirkstoffgemisches
mit in vivo schlechter Resorbierbarkeit in einer Matrix, die im
wesentlichen einen Gerüstbildner aus hydrophilen Makromolekülen umfasst, welche ausgewählt wurden aus der Gruppe,
bestehend aus: Kollagen, Gelatine, fraktionierte Gelatine, Kollagenhydrolysate, Gelatinederivate, Pflanzenproteine, Pflanzenproteinhydrolysate, Elastinhydrolysate, sowie deren Mischungen, herstellbar durch ein Verfahren nach einem der
Ansprüche 1 - 10."
2
Wegen der auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis
10, der auf Patentanspruch 11 rückbezogenen Patentansprüche 12 bis 30 und
der weiteren Patentansprüche 31 bis 36 wird auf die Patentschrift des Streitpatents verwiesen, wegen der Patentansprüche 31 bis 36 auch auf das angefochtene Urteil.
3
Die Klägerinnen haben geltend gemacht, dass das Streitpatent gegenüber dem von ihnen eingeführten umfangreichen Stand der Technik, insbesondere den Entgegenhaltungen 1 bis 48, nicht patentfähig sei. Weiter gingen die
Patentansprüche 17 und 21 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich
eingereichten Fassung hinaus. Die Klägerinnen haben beantragt, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat das Streitpatent im Verfahren vor dem Bundespatentgericht in seiner erteilten Fassung verteidigt. Das Bundespatentgericht hat entsprechend
dem Klageantrag erkannt und das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die das Streitpatent im Beru-
-6-
fungsverfahren mit folgendem Patentanspruch 1 mit vier hilfsweise verteidigten
Fassungen (kursiv eingefügt) und 11 (Einfügungen gegenüber den Patentansprüchen 1 und 11 des erteilten Patents unterstrichen; Auslassungen doppelt
durchgestrichen) verteidigt, wobei die Patentansprüche 5, 9, 12, 18 und 19
ganz entfallen, die Patentansprüche 2 bis 4, 6 bis 8 und 10 auf den beschränkt
verteidigten Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar rückbezogen sein, die
Patentansprüche 13 bis 17 und 20 bis 30 auf den verteidigten Patentanspruch
11 rückbezogen sein und die Rückbeziehungen auf die nicht mehr verteidigten
Patentansprüche in ihnen entfallen sollen, wobei sie in Patentanspruch 25 das
Wort "feindispers" durch "kolloiddispers" ersetzt, sowie mit den Patentansprüchen 31 bis 36 des erteilten Patents in unveränderter Form:
"1.
Verfahren zur Herstellung von wenigstens einen Wirkstoff mit
in vivo schlechter Resorbierbarkeit enthaltenen Pellets, dadurch gekennzeichnet, dass man
a)
einen
Gerüstbildner
aus
thermoreversiblen
sol-gel-
bildenden hydrophilen Makromolekülen ausgewählt aus
der Gruppe bestehend aus: Gelatine, fraktionierte Gelatine, Kollagenhydrolysate, Gelatinederivate, Pflanzenproteine, Pflanzenproteinhydrolysate, Elastinhydrolysate, in
einem wässrigen oder wässrig-organischen Lösungsmittel löst,
b)
den Wirkstoff ohne Auskristallisation [entfällt in den hilfsweise verteidigten Fassungen 3 und 4] in mikroemulgierter, nanoverkapselter oder kolloiddisperser Form homogen dispergiert und
c)
die erhaltene Mischung aus gelöstem Gerüstbildner und
dispergiertem Wirkstoff in ein tiefkaltes inertes verflüssigtes Gas mit einer Temperatur von ca. -70°C bis -270°C
-7-
[hilfsweise verteidigte Fassungen 2 und 4] eintropft und
so im Wege der Schockfrostung [alle hilfsweise verteidigten Fassungen] Pellets formt, und
d)
die so geformten Pellets durch Verdampfen oder Sublimieren des Lösungsmittels auf übliche Weise trocknet.
11. Wirkstoff enthaltendes Pellet, gekennzeichnet durch eine homogene Dispersion in mikroemulgierter, nanoverkapselter
oder feindisperser Form wenigstens eines nicht auskristallisierten Wirkstoffs oder Wirkstoffgemisches mit in vivo schlechter Resorbierbarkeit in einer Matrix, die im wesentlichen einen
Gerüstbildner
aus
thermoreversiblen,
sol-gel-bildenden
hydrophilen Makromolekülen umfasst, welche ausgewählt
wurden aus der Gruppe, bestehend aus: Kollagen, Gelatine,
fraktionierte Gelatine, Kollagenhydrolysate, Gelatinederivate,
Pflanzenproteine, Pflanzenproteinhydrolysate, Elastinhydrolysate, sowie deren Mischungen, herstellbar durch ein Verfahren nach einem der Ansprüche 1 - 4, 6 - 8, 10."
Die Klägerin zu 2 hat ihre Klage nach Eingang der Berufungsbegrün-
4
dungsschrift zurückgenommen. Die Klägerin zu 1 tritt dem Rechtsmittel, und
zwar auch mit den hilfsweise verteidigten Anspruchssätzen, entgegen.
Im Auftrag des Senats hat Professor Dr. R.
5
S.
ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat ein schriftliches Gutachten von
Dr. F.
S.
vorgelegt.
-8-
Entscheidungsgründe:
6
Das zulässige Rechtsmittel der Beklagten hat nur insoweit Erfolg, als es
unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage führt,
soweit sich diese gegen Patentanspruch 1 in seiner von der Beklagten in der in
dritter Linie hilfsweise verteidigten Fassung und die auf diesen Patentanspruch
in der genannten Fassung rückbezogenen Patentansprüche 2, 3, 4, 6, 7, 8 und
10 richtet; im Übrigen bleibt es bei der vom Patentgericht ausgesprochenen
Nichtigerklärung.
7
I. 1. Das Streitpatent betrifft Pellets, d.h. abgerundete Granulatteilchen,
aus hydrophilen Makromolekülen mit Wirkstoffen und gegebenenfalls weiteren
pharmazeutisch akzeptablen Gerüst- und Hilfsstoffen, und ein Verfahren zu
ihrer Herstellung. Dabei wird der Wirkstoff in einer Matrix gelöst, suspendiert
oder emulgiert (dispergiert), wobei nach der im Berufungsverfahren nur noch
verteidigten Fassung des Streitpatents die Dispersion eine homogene ist und in
kolloiddisperser Form vorliegt, was zur Überzeugung des Senats auch die Anspruchsalternativen mikroemulgiert und nanoverkapselt umfasst (vgl. für Nanosole die Beschr. S. 8 Z. 42). Die Herstellung solcher Pellets ist für die perorale
Verabreichung von Arzneiformen von Bedeutung. Pellets verteilen sich dabei
gleichmäßig im Gastrointestinaltrakt, weisen auf Grund ihrer geringen Größe
eine kurze Verweildauer im Magen auf, lösen sich im Gastrointestinaltrakt
schnell auf und ermöglichen eine gezielte Dosierung (vgl. Streitpatent, Beschr.
S. 1 Z. 10 - 19).
8
2. Durch das Streitpatent sollen derartige Pellets (Patentansprüche 11
bis 30; in der Beschreibung noch als "Festkörper" bezeichnet) sowie herstellungstechnisch günstige Verfahren zu ihrer Herstellung (Patentansprüche 1 bis
-9-
10) sowie Mischungen zur Verfügung gestellt werden, wobei die Bioverfügbarkeit (wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, im Sinn einer schnellen Resorption), Dosierung und Verträglichkeit der mit ihnen zur Verfügung gestellten
Arzneimittel verbessert und deren Lagerfähigkeit erhöht werden. Dies soll insbesondere bei Arzneimitteln für die orale bzw. perorale Applikation von Dihydropyridinderivaten wie Nifedipin der Fall sein, wobei eine schnelle Arzneistofffreisetzung erfolgen soll (vgl. Beschr. S. 4 Z. 3 - 10).
9
3. a) Hierzu beansprucht Patentanspruch 1 des Streitpatents in seinen
im Berufungsverfahren verteidigten Fassungen Schutz für ein Verfahren zur
Herstellung von wenigstens einen Wirkstoff enthaltenden Pellets, bei dem
(1)
ein Gerüstbildner aus thermoreversiblen sol-gel-bildenden
hydrophilen Makromolekülen in einem wässrigen oder wässrig-organischen Lösungsmittel gelöst wird,
(1.1) wobei der Gerüstbildner Gelatine oder fraktionierte Gelatine
ist,
(2)
der in vivo schlecht resorbierbare Wirkstoff dispergiert wird
(2.1) homogen
nur nach der Fassung nach Hauptantrag und nach den hilfsweise in
erster und zweiter Linie verteidigten Fassungen:
(2.2) ohne Auskristallisation
(2.3) in mikroemulgierter, nanoverkapselter oder kolloiddisperser
Form,
(3)
eine Mischung aus dem gelösten Gerüstbildner und dem
dispergierten Wirkstoff erhalten wird,
(4)
die Mischung in ein tiefkaltes, inertes verflüssigtes Gas eingetropft wird,
(5)
wodurch sich Pellets formen
- 10 -
[(5.1) nach den hilfsweise verteidigten Fassungen 1 bis 4: im Wege des Schockfrostens - weiter nach den hilfsweise verteidigten Fassungen 2 und 4: bei einer Temperatur von ca.
-70°C bis -270°C] und
(6)
die Pellets durch Verdampfen des Lösungsmittels auf übliche Weise getrocknet werden.
10
b) Entsprechend beansprucht Patentanspruch 11 des Streitpatents in
seiner verteidigten Fassung ein Pellet, das
(1’)
enthält
(1.1’)
eine homogene Dispersion
(1.1.1’)
in mikroemulgierter, nanoverkapselter oder kolloiddisperser Form wenigstens eines nicht auskristallisierenden
Wirkstoffs oder Wirkstoffgemisches
(1.1.1.1’) mit in vivo schlechter Resorbierbarkeit
(1.2’)
in einer Matrix,
(1.2.1’)
die im Wesentlichen einen Gerüstbildner aus thermoreversiblen, sol-gel-bildenden hydrophilen Makromolekülen
umfasst
(1.2.1.1’) wie Gelatine, fraktionierte Gelatine, sowie deren Mischungen
(2’)
und herstellbar ist durch ein Verfahren nach einem der
Ansprüche 1 - 4, 6 - 8, 10 (siehe die Verfahrensmerkmale
nach Patentanspruch 1 unter a).
11
4. a) Dass im Berufungsverfahren nur noch Schutz für Gerüstbildner aus
thermoreversiblen sol-gel-bildenden hydrophilen Makromolekülen begehrt wird,
soll Einfluss auf das Trocknungsverfahren (Merkmal 6) haben, da dadurch eine
- 11 -
konventionelle Trocknung erfolgen könne (Berufungsbegründung S. 5/6). Demzufolge wird das Schutzbegehren in Patentanspruch 1 in allen seinen verteidigten
Fassungen
auch
nicht
mehr
auf
Lyophilisations-
(Gefriertrock-
nungs-)verfahren gerichtet; dies kommt im Wegfall der Worte "oder Sublimieren" eindeutig zum Ausdruck. Die sol-gel-bildenden Substanzen sind in Solform
tropffähig und bilden nach der Kryopelletierung (Merkmal 4) und dem Auftauen
ein Gel aus, das nach der Trocknung stabil sein soll (Beschr. S. 11 Z. 53 - 55;
Verfahrensvariante B). Die Stabilität ist dabei allerdings lediglich eine Eigenschaft, die durch das beanspruchte Verfahren erreichbar sein soll, und, wie die
Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats ergeben hat, nicht notwendige Folge
der nach einem beliebigen Verdampfungs- (und nicht Sublimations-)verfahren
durchzuführenden Trocknung.
12
b) Der Gerüstbildner Gelatine ist ein aus kollagenhaltigem Material gewonnenes Skleroprotein (Beschr. S. 5 Z. 42). Es besteht aus langkettigen
hydrophilen Makromolekülen, die sich bei höherer Temperatur in Wasser nur
relativ wenig aneinander anlagern; sie sind deshalb gelöst, was als Sol bezeichnet wird. Eine Hydrolyse, d.h. die Spaltung durch Reaktion mit Wasser, ist
dabei nicht vorgesehen; sie wird durch die Charakterisierung als sol-gel-bildend
auch ausgeschlossen. Bei Temperaturerniedrigung werden die Moleküle miteinander verdrillt und formen dadurch ein mehr oder weniger elastisches Gel,
dessen Festigkeit durch ein normiertes Verfahren ("Bloom-Wert") bestimmt
wird. Die Thermoreversibilität bedeutet, dass durch Veränderung der Temperatur das Gel vom festen in den flüssigen Zustand versetzt werden und dies auch
wieder umgekehrt werden kann. Bei Erwärmen über eine Temperatur von etwa
40°C löst sich, wie auch der gerichtliche Sachverständige angegeben hat, das
Gel wieder in ein Sol auf.
- 12 -
13
Fraktionierte Gelatine wird durch spezielle Herstellungstechniken wie
Ultrafiltration aus herkömmlicher Gelatine gewonnen (Beschr. S. 5 Z. 57 - S. 6
Z. 2). Auch diese Techniken führen zu einer sol-gel-bildenden Gerüstmatrix
(Beschr. S. 6 Z. 38 - 40).
14
c) Der Wirkstoff soll nach den Angaben in der Beschreibung (S. 1
Z. 6 - 7) vorzugsweise ein Dihydropyridinderivat wie Nifedipin (C17H18N2O6,
Handelsname: u.a. A.
®
), Nitrendipin (C18H20N2O6, Handelsname: u.a. B.
®
) oder Nisoldipin, d.h. ein Calciumantagonist (Calciumkanalblocker),
sein. Anspruchsgemäß kommen daneben jedenfalls alle Wirkstoffe in Betracht,
die nicht notwendig auskristallisieren und in vivo schlecht resorbierbar sind.
15
d) Pellets als Formkörper dienen in der pharmazeutischen Industrie
hauptsächlich als Zwischenprodukte zur Tablettierung. Sie können als
"multiple-unit"-Arzneiform verwendet, z.B. in Hartgelatinekapseln abgefüllt werden (Beschr. S. 1 Z. 8 - 12).
16
e) Die Formulierung soll auf die physikalisch-chemischen Eigenschaften
des Wirkstoffs abgestimmt sein, wobei ölige Substanzen in mikroemulgierter
Form (d.h. als stabilisiertes Flüssigkeitsgemisch aus zwei normalerweise nicht
miteinander mischbaren Flüssigkeiten) und feste Wirkstoffe kolloiddispers (d.h.
als Teilchen in einer Größe zwischen einem Nanometer (nm; 10−9 m) und einem Mikrometer (µm; 10-6 m)) verteilt oder nanoverkapselt (d.h. mit einer
Schicht aus Hilfsstoffen umhüllt mit einer Größe von 10 nm bis einigen Hundert
Nanometern) sein sollen.
17
f) Das Inertgas ist nach allen Ausführungsbeispielen des Streitpatents
flüssiger Stickstoff; dieser wird in der Beschreibung (S. 5 Z. 24) als inertes Medium auch ausdrücklich genannt. Dies entspricht der leichten Verfügbarkeit von
- 13 -
(molekularem) Stickstoff (N2), der zu fast 80% an der atmosphärischen Luft
Anteil hat. Nach der weiten Formulierung in Patentanspruch 1 sind allerdings
auch die Gase der Edelgasreihe, z.B. Argon, erfasst. Daneben kommen auch
andere, sich gegenüber der Mischung inert verhaltende Gase wie Halogenkohlenwasserstoffe in Betracht.
18
II. 1. Die Patentinhaberin verteidigt das Streitpatent nur in der in dritter
(und vierter) Linie hilfsweise verteidigten Fassung seines Patentanspruchs 1 in
zulässiger Weise. Dass nämlich der Wirkstoff ohne Auskristallisierung dispergiert werden soll, ist im Streitpatent wie auch in den insoweit übereinstimmenden Anmeldeunterlagen (WO-Dokument PCT/DE93/00038 = WO 93/13757,
K3) nicht offenbart und kann damit nicht in diesen Patentanspruch aufgenommen werden, wie dies nach dem Hauptantrag und den ersten beiden hilfsweisen Verteidigungslinien aber geschehen soll. Dort ist nämlich nur ausgeführt
(Streitpatent, Beschr. S. 9 Z. 39 - 49; S. 10 Z. 31 - 35), dass infolge des Gefrierens gelöster Arzneistoff nicht mehr auskristallisieren kann. Eine Angabe, dass
eine Auskristallisierung schon bei der Dispergierung nicht erfolgt, findet sich
dagegen nicht. Dieser Mangel haftet dem in dritter Linie verteidigten Patentanspruch 1 des Streitpatents allerdings nicht an, denn dort ist, wie offenbart, die
Unmöglichkeit des Auskristallisierens auf die Phase des Schockgefrierens bezogen.
19
2. Im Übrigen sind die Einschränkungen, die die Beklagte vorgenommen
hat, in den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart und
führen nicht zu einer Schutzbereichserweiterung oder zur Erstreckung des
Schutzes auf von ihm bisher nicht erfasste Gegenstände (ein "Aliud"). Der Gegenstand des Streitpatents in seiner in dritter Linie hilfsweise verteidigten Fassung geht auch nicht im Sinn des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG, Art. 138
Abs. 1 Buchst. b EPÜ über den Inhalt der Patentanmeldung in ihrer ursprüng-
- 14 -
lich eingereichten Fassung hinaus; durch die vorgenommene Änderung würde
insoweit kein Nichtigkeitsgrund geschaffen.
20
a) Die Dispersion des Wirkstoffs in Form einer Mikroemulsion und von
Nanokapseln wird in den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 17 und
18 angesprochen (vgl. auch Beschr. S. 23 erster Abs.; S. 35 Z. 25: Mikro- und
Nanoverkapselung). Die Patentansprüche 34 und 47 nennen ebenfalls diese
Formen. Die kolloide Dispersion ist jedenfalls dem Beispiel 8 zu entnehmen,
nach dem das mikronisierte Ibuprofen in der Gelatinelösung homogen dispergiert wird (PCT-Anmeldung S. 51 Z. 8/9). Gleiches gilt für Flurbiprofen in Beispiel 9 (PCT-Anmeldung S. 52 Z. 14/15); beide Angaben finden sich auch in
der Beschreibung des erteilten Streitpatents (S. 18 Z. 26/27; S. 19 Z. 1/2).
21
b) Dass das Streitpatent ein Verfahren zur Herstellung von wenigstens
einen Wirkstoff mit in vivo schlechter Resorbierbarkeit enthaltenden Pellets betrifft, geht aus den ursprünglichen Unterlagen mit hinreichender Deutlichkeit
hervor. Auf S. 12 Z. 6 - 9 der PCT-Anmeldung heißt es: "Herkömmliche feste
Arzneiformen können je nach Art der verwendeten Hilfsstoffe und dem angewendeten Herstellungsverfahren die Bioverfügbarkeit von Wirkstoffen erheblich
herabsetzen." Weiter ist davon die Rede (S. 12 Z. 20 - 22), dass bei hydrophoben oder schwerlöslichen Arzneistoffen Resorption bzw. Bioverfügbarkeit verbessert werden, und dass (S. 12 Z. 26 - S. 13 Z. 2), bei Arzneistoffen, die unter
herkömmlichen Bedingungen als schlecht resorbierbar bzw. problematisch bioverfügbar gälten, eine bestimmte Bioverfügbarkeitssteigerung erzielt werden
könne und das Vorliegen einer erfindungsgemäßen Zubereitung zu einer stark
erhöhten Resorption der Arzneimitteldosis führe. Das ist insgesamt nur eine
andere Umschreibung für den nunmehr im Streitpatent angesprochenen Sachverhalt, dass der Wirkstoff in vivo schlecht resorbierbar ist. Die "problemati-
- 15 -
sche[r] Bioverfügbarkeit" ist noch mehrmals in der Beschreibung (S. 22 Z. 22;
S. 23 Z. 35/36; S. 40 Z. 26/27) angesprochen.
22
III. 1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in seiner
in dritter Linie hilfsweise verteidigten Fassung ist neu (Art. 54 EPÜ), was auch
von der Klägerin nicht ernsthaft in Zweifel gezogen wird. Die Würdigung des
Stands der Technik ergibt nicht, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1
in der genannten Fassung für den Fachmann, einen pharmazeutischen Technologen (Galeniker) mit akademischer Ausbildung auf dem Gebiet der Pharmatechnik, Pharmazie, Verfahrenstechnik oder Chemie mit ausreichender beruflicher Erfahrung, nach seinem Fachwissen und Fachkönnen nahegelegen hätte
(Art. 56 EPÜ).
23
2. a) Die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 81 913
(John Wyeth & Brother Ltd., Anlage K5) beschreibt ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Gefrieren eines flüssigen Mediums, mit dem u.a. kugelförmige
gefrorene Teilchen erhalten werden sollen. Dabei wird das flüssige Medium in
Form von Tröpfchen unterhalb der Oberfläche einer mit dem flüssigen Medium
nicht mischbaren oder in Bezug auf dieses inerten Kühlflüssigkeit eingebracht,
wobei die Kühlflüssigkeit dichter ist als das flüssige Medium und die aus diesem resultierenden gefrorenen Teilchen (Beschr. S. 3 Z. 1 - 15; deutsche
Übersetzung der zugehörigen europäischen Patentschrift in der Veröffentlichung des Österreichischen Patentamts E 14 047 S. 2 Z. 23 - 32). Das Verfahren wird als besonders geeignet zum Gefrieren wässriger Lösungen oder Suspensionen bezeichnet, die anschließend gefriergetrocknet werden (Beschr. S. 3
Z. 17 - 20; Übersetzung S. 2 Z. 40 - 42). Die Zusammensetzungen, die gefroren werden, können einen vorherbestimmten Anteil einer Chemikalie wie eine
pharmazeutische Substanz enthalten (Beschr. S. 4 Z. 17 - 19; Übersetzung
S. 3 Z. 3 - 5). Einen Hinweis darauf, dass der Wirkstoff in kolloiddisperser Form
- 16 -
vorliegen soll, ist in der Entgegenhaltung schon nicht vorhanden. Als Trägermaterial kommt insbesondere partiell hydrolysierte Gelatine in Betracht, während
die Verwendung von Gelatine allgemein und damit auch in ihrer sol-gelbildenden Form allenfalls ganz am Rand angesprochen wird (Beschr. S. 5 Z. 16
- S. 6 Z. 8; Übersetzung S. 3 Z. 22 - 36). Lösungsmittel ist vorzugsweise Wasser, dem Co-Lösungsmittel beigegeben werden können (Beschr. S. 6
Z. 23 - 25; Übersetzung S. 3 Z. 46 - 48). Dies erklärt sich damit, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend erläutert hat, dass partiell hydrolysierte
Gelatine für das spätere Gefriertrocknen besonders geeignet ist. Das Gefrieren
erfolgt vorzugsweise in einer Säule von Kühlflüssigkeit, in die die Zusammensetzung nahe der Basis als flüssiger Tropfen eingebracht wird, aufschwimmt
und dabei gefriert (Beschr. S. 7 Z. 1 - 15; Übersetzung S. 3 Z. 51 - S. 4 Z. 8).
Als geeignete Kühlflüssigkeiten werden "trichloroethane" (Trichlorethan; Summenformel:
C2HCl3),
"trichloroethylene"
(Trichlorethen;
Summenformel:
C2H3Cl3), "dichloromethane" (Dichlormethan; Summenformel: CH2Cl2), "diethyl
ether" (Diethylether; Summenformel: C4H10O) und "fluorotrichloromethane"
(Trichlorfluormethan; Summenformel: CCl3F) genannt (Beschr. S. 7 Z. 23 - 25;
Übersetzung S. 4 Z. 13 - 15).
24
Die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung offenbart damit
zwar den Gerüstbildner Gelatine, leitet aber letztlich nur zu der in der verteidigten Fassung des Streitpatents nicht mehr beanspruchten partiell hydrolysierten
Gelatine hin. Zur Trocknung bedient sich die Entgegenhaltung der Methode der
Gefriertrockung (Lyophilisation), die das Streitpatent in seiner verteidigten Fassung ausschließt. Damit müsste der Fachmann, um von dieser Entgegenhaltung zu dem Verfahren zu kommen, das im Streitpatent noch beansprucht wird,
zunächst Anlass sehen, das Verfahren sowohl hinsichtlich des Gerüstbildners
als auch hinsichtlich des Trocknungsverfahrens abzuändern. Warum er dazu
Veranlassung haben sollte, ist für den Senat nicht ersichtlich. Die Verwendung
- 17 -
teilweise hydrolysierter Gelatine und die Gefriertrocknung sind ersichtlich gut
aufeinander abgestimmte Verfahrensschritte, die zu einem günstigen Verfahrensergebnis führen. Die Schritte, sowohl von der Gefriertrocknung abzusehen
und sol-gel-bildende Gelatine einzusetzen, mögen deshalb zwar in Kenntnis
des Streitpatents als einfach und auch als Vereinfachungen des Verfahrensablaufs erscheinen, können aus der Sicht zum Prioritätszeitpunkt aber nicht ohne
Weiteres als naheliegend beurteilt werden. Dass der Fachmann in anderen Bereichen, etwa bei der Auswahl des Inertgases, Anlass gehabt haben mag, Änderungen an dem Verfahren vorzunehmen, führt nicht in naheliegender Weise
zu der in Patentanspruch 1 noch verteidigten, eingeschränkten Lehre.
25
b) Die weiteren Entgegenhaltungen liegen weiter ab und können die
Schutzfähigkeit des verteidigten Patentanspruchs 1 weder für sich noch in ihrer
Zusammenschau in Frage stellen. So beschreibt die deutsche Offenlegungsschrift 37 11 169 (Messer Griesheim GmbH; Anlage K11) zwar das Einbringen
von Tropfen einer wirkstoffhaltigen Lösung (Eiweißlösung, Vitaminlösung, Impfseren, Beschr. Sp. 1 Z. 49/50) in ein tiefkaltes Kühlmittel wie flüssigen Stickstoff
zur Pelletbildung. Die übrigen Merkmale des verteidigten Patentanspruchs 1
werden aber nicht gelehrt. Die US-Patentschrift 3 162 019 (Anlage K12), die
auf eine Anmeldung im Jahr 1962 zurückgeht, beschreibt ein Verfahren, bei
dem durch flüssigen Stickstoff gefrorene Partikel (Pellets) so schnell hergestellt
werden, dass sich keine Wasserkristalle bilden. Über die Materialien, aus denen die Partikel gebildet sind, werden keine näheren Angaben gemacht, genannt wird jedoch Kaffeeextrakt (Beschr. Sp. 3 Z. 2). Die Tröpfchen werden in
ein Niedertemperatur-Flüssigkeitsbad (22) in einem isolierten Tank, der mit einer sehr kalten Flüssigkeit gefüllt ist, eingeführt (Beschr. Sp. 3 Z. 29/30, 39 42) und dabei gefroren (Beschr. Sp. 3 Z. 60 - 63). Als Niedertemperaturflüssigkeit wird wie beim Streitpatent in erster Linie flüssiger Stickstoff verwendet
(Beschr. Sp. 3 Z. 64 - 67). Dies führt dazu, dass die Materialportion sehr
- 18 -
schnell gefriert (Beschr. Sp. 3 Z. 73 - Sp. 4 Z. 5; Merkmal 4). Das gefrorene
Pellet wird aufgefangen und für die anschließende Behandlung bereitgestellt
(Beschr. Sp. 4 Z. 33 - 37) und anschließend erfolgt eine Gasentfernung. Die
übrigen Merkmale des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents werden nicht offenbart. Die Veröffentlichung der britischen Patentanmeldung
927 218 (Fisher/Wilson, Anlage K8) beschreibt die Verfestigung eines wässrigen Sols, das aus Gelatine (Patentanspruch 14) in wässriger Lösung als Träger
für einen pharmazeutischen Wirkstoff (Beschr. S. 1 Z. 34 - 40 und S. 2
Z. 14 - 20) bestehen (Beschr. S. 2 Z. 51 - 55) und das mit in Wasser gelöstem
pharmazeutischem Material gemischt werden kann (Patentanspruch 13), und in
ein mit ihm nicht mischbares flüssiges Kältemittel, z.B. ein kaltes Öl (Mineralöl;
Beschr. S. 2 Z. 55), gegeben wird (Beschr. S. 2 Z. 21 - 39), zu pharmazeutischen Perlen ("pharmaceutical beads"). Das Kältemittel wird anschließend abgewaschen und die Perlen werden getrocknet (Beschr. S. 2 Z. 69 - 74). Die
Perlen entsprechen zwar in ihrer Struktur den Pellets des Streitpatents. Das
hier beschriebene Verfahren unterscheidet sich von dem nach dem verteidigten
Patentanspruch 1 des Streitpatents aber insbesondere dadurch, dass als Kältemittel kein tiefkaltes Inertgas benutzt wird. Zudem hat der gerichtliche Sachverständige plausibel ausgeführt, dass den Fachmann die Verwendung eines
kalten Öls, das anhaften werde und aufwändig entfernt werden müsse, von einem Rückgriff auf diese Lehre abhalten werde.
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3. Mit dem so verteidigten Patentanspruch 1 haben auch die auf ihn
rückbezogenen, noch verteidigten Patentansprüche 2 bis 4 und 6 bis 8 in
Rückbeziehung auf diesen Bestand.
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IV. 1. Dagegen erweist sich Patentanspruch 11 auch in seiner gegenüber dem erteilten Patent eingeschränkten Fassung nicht als bestandsfähig, da
er gegenüber der Lehre, die die Veröffentlichung der europäischen Patentan-
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meldung 65 193 (BASF AG, Anlage K1) sowie der mit dieser Veröffentlichung
weitgehend korrespondierende Beitrag von Dieter Horn, Preparation and Characterization of Mikrodisperse Bioavailable Carotenoid Hydrosols (Herstellung
und Charakterisierung von mikrodispersen bioverfügbaren Carotinoidhydrosolen) in: "Die Angewandte Makromolekulare Chemie" 166/167 (1989), S. 139 153 (Anlage K19) dem Fachmann geben, nicht zu neuen Erzeugnissen führt.
Dass das Verfahren nach dem erfolgreich eingeschränkt verteidigten Patentanspruch 1 zu den in Patentanspruch 11 unter Schutz gestellten Pellets führen
kann, begründet für sich die Schutzfähigkeit der Pellets nicht, weil ein schutzfähiges Herstellungsverfahren, das zu einem bekannten Erzeugnis führt, die
Schutzfähigkeit des Erzeugnisses nicht an sich, sondern allenfalls nach § 9
Satz 2 Nr. 3 PatG im Weg des durch das geschützte Verfahren vermittelten
Schutzes für das Verfahrenserzeugnis begründen, nicht aber zur Rechtsbeständigkeit des angegriffenen Erzeugnispatents führen kann.
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a) Die Sachmerkmale der Merkmalsgruppe (1’) des verteidigten Patentanspruchs 11 sind allesamt schon bei den Carotinoidpräparaten nach der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 65 193 (Anlage K1) verwirklicht. Eine kontinuierliche Mischung, die notwendig zu einer homogenen kolloiddispersen Lösung führt, ist z.B. im Beispiel 3 dieser europäischen Patentanmeldung (S. 13 Z. 8) ausdrücklich beschrieben. Die kolloid-disperse Lösung ist
auf S. 4 Z. 15 der Beschreibung und in verschiedenen Ausführungsbeispielen
ausdrücklich angesprochen. Ob es zu einer Auskristallisation kommen kann,
hängt nach der überzeugenden Darstellung des gerichtlichen Sachverständigen, die sich der Senat zu eigen macht, einmal von gewählten Trocknungsverfahren und zum anderen von der Verfahrensführung bei diesem Verfahren ab.
Damit ist es nach diesem Vorbild möglich, eine Auskristallisation zu erreichen,
auch wenn die Trocknung hier vorzugsweise durch Sprühtrocknung erfolgen
soll (Anlage K1, Beschr. S. 7 Z. 29 - 31), so dass nach den Ausführungen des
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gerichtlichen Sachverständigen im Regelfall nicht mit einem Auskristallisieren
zu rechnen ist. Dass es sich bei den in Anlage 1 genannten Wirkstoffen Carotinoide und Retinoide um solche handelt, die im Sinn des Streitpatents eine in
vivo schlechte Resorbierbarkeit aufweisen, folgt schon daraus, dass β-Carotin
und Retinol in der Beschreibung des Streitpatents ausdrücklich als "im Falle
der Erfindung geeignete[r] Arzneistoffe" benannt werden (Beschr. S. 12 Z. 43,
S. 13 Z. 39/40). β-Carotin wird in Anlage K1 als besonders bevorzugt benannt
(Anlage K1, Beschr. S. 5 Z. 16). Die Teilchengröße liegt hier bei weniger als
0,5 Mikrometern (500 nm) oder sogar unter 300 nm und damit in dem Bereich,
den auch das Streitpatent beansprucht (Anlage K1, Patentansprüche 1 und 6).
Als quellbares Kolloid wird auch hier Gelatine benannt (Anlage K1, Beschr. S. 5
Z. 33), die je nach Wahl gelartig erstarren kann (Anlage K1, Beschr. S. 7
Z. 19 - 21).
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Auch die Anlage K19 beschreibt die Überführung des grobkristallinen
Ausgangsmaterials von Carotinoiden (u.a. β-Carotin) in einen mikrodispersen
Zustand, die Überführung in ein kolloidales Hydrosol, die Herstellung eines vorübergehenden Hochtemperatursolutzustands des Carotinoids in einem mit
Wasser mischbaren Lösungsmittel verbunden mit anschließender schneller
wässriger Fällung in Anwesenheit eines stabilisierenden Polymerkolloids, und
nimmt damit die Sachmerkmale des verteidigten Patentanspruchs 11 ebenfalls
vorweg.
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b) Wie der gerichtliche Sachverständige zur Überzeugung des Senats
ausgeführt hat, führen die Verfahrensschritte nach den Verfahrensansprüchen
nicht dazu, dass die durch sie erhaltenen Pellets besondere, sie in unterscheidbarer Weise von den Präparaten nach Anlage K1 abgrenzende Merkmale aufweisen. Insbesondere folgt der Senat der Bekundung des gerichtlichen
Sachverständigen, dass der Endzustand des Pellets sowohl von der Ausgestal-
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tung der Matrix wie von der Trocknung abhängt. Da hier über den Ausschluss
der Gefriertrocknung hinaus aber keine verbindlichen Vorgaben gemacht werden, kann das geschützte Verfahren auch nicht zu besonderen Sacheigenschaften führen. Auch die Beklagte hat nicht dargetan, welche konkreten, über
das Merkmal 1’ hinausgehenden Sacheigenschaften den beanspruchten
Pellets durch das Verfahren nach Patentanspruch 1 aufgeprägt werden sollen.
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2. Hinsichtlich der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 11
rückbezogenen Unteransprüche, Verwendungsansprüche und Mittelansprüche
12 bis 36 sind Gesichtspunkte, die dazu führen könnten, dass diese anders als
Patentanspruch 11 allein oder in Verbindung mit Patentanspruch 11 einen erfinderischen Gehalt aufweisen könnten, nicht ersichtlich geworden; die Beklagte hat diesbezüglich auch nichts geltend gemacht. Damit ist der Senat davon
überzeugt, dass sie das Schicksal des verteidigten Patentanspruchs 11 zu teilen haben.
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m.
§§ 91, 92, 97, 100 Abs. 1, 269 Abs. 4 Satz 2 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 14.7.1981
- VI ZR 35/79, MDR 1981, 928). Der Senat hat dabei zugrunde gelegt, dass der
Anteil, zu dem das Streitpatent im Nichtigkeitsverfahren Bestand hat, mit etwa
einem Viertel angenommen werden kann.
Scharen
Keukenschrijver
Meier-Beck
Mühlens
Asendorf
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 14.10.2003 - 3 Ni 11/02 (EU) -