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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 32/98
Verkündet am:
11. April 2000
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
-2-
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. April 2000 durch den Richter Dr. Jestaedt als Vorsitzenden,
die Richter Dr. Melullis, Scharen, Keukenschrijver und die Richterin Mühlens
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin und die Anschlußrevision der Beklagten wird das am 19. Dezember 1997 verkündete Urteil des
19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die H. T. GmbH (im folgenden: das H.) stand mit der Beklagten in langjährigen Geschäftsbeziehungen, in deren Rahmen die Beklagte das H. mit
Rohrdichtungen belieferte, die das H. u.a. zur Abdichtung der von ihm hergestellten Stahlbetonrohre verwendete.
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Im Juni 1994 beauftragte die Ho. AG das H. mit der Herstellung von
Stahlbetonvortriebsrohren für einen Abwasserkanal. Bereits zuvor hatte das H.
an die Beklagte eine Preisanfrage gerichtet sowie eine Skizze der zur Verlegung vorgesehenen Vortriebsrohre übersandt und dabei darauf hingewiesen,
daß die benötigten Dichtungen nach der DIN 4060 dem neuesten Stand entsprechen müßten und auf einen Druck von mindestens 2,0 bar zu bemessen
seien. In ihrem Antwortschreiben bestätigte die Beklagte, daß die dort näher
bezeichneten Dichtungen der DIN 4060 entsprächen und von ihr für einen inneren und äußeren Prüfdruck von 2,0 bar bemessen würden. Zugleich wies die
Beklagte darauf hin, daß sie einen Dichtigkeitsversuch für notwendig halte.
Dieser fand am 14. Juli 1994 auf dem Gelände des H. statt, allerdings
wurde lediglich der Innendruck der Dichtungen überprüft. Am folgenden Tage
bestellte das H. bei der Beklagten die Dichtungen für die Vortriebsrohre.
Bereits nach der Verlegung einer Rohrstrecke von 20 m stellte sich heraus, daß die Dichtungen verrutschten. Auf Vorschlag der Beklagten wurden die
Dichtungen beim weiteren Vortrieb zusätzlich verklebt. Bei einem Feldversuch
im März 1995 stellte der hinzugezogene Gutachter fest, daß die von ihm untersuchte Dichtung lediglich einem Wasseraußendruck von 0,7 bar standhielt.
Daraufhin wurde eine Teilstrecke des verlegten Abwasserkanals ausgetauscht.
Die Klägerin, der das H. sämtliche Ansprüche aus dem Vertrag mit der
Beklagten abgetreten hat, verlangt von der Beklagten im Wege des Schadensersatzes die Erstattung von Kosten in Höhe von 469.931,69 DM, die nach ihrem Vortrag unter anderem für die erforderliche Neuverlegung der Rohre entstanden seien.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat
die Klage dem Grunde nach zu einem Drittel für gerechtfertigt erklärt und im
übrigen die Klage abgewiesen und insoweit die Berufung zurückgewiesen. Mit
ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter. Die Beklagte
ist dem entgegengetreten. Mit ihrer Anschlußrevision begehrt die Beklagte die
Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Entscheidungsgründe:
Beide Rechtsmittel haben Erfolg; sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht. Es
nimmt an, daß das H. seine Ansprüche wirksam an die Klägerin abgetreten
habe. Dies wird von der Revision nicht angegriffen und läßt Rechtsfehler nicht
erkennen.
II. 1. Das Berufungsgericht hat den von dem H. und der Beklagten geschlossenen Vertrag als Werklieferungsvertrag gemäß § 651 Abs. 1 BGB angesehen, auf den Werkvertragsrecht anzuwenden sei, weil es sich bei den von
der Beklagten herzustellenden Dichtungen um nicht vertretbare Sachen handele. Auch dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
2. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Zedentin bejaht. Nach seiner Auffassung ergibt sich ein solcher Anspruch aber nicht
aus § 635 BGB. Es hat hierzu ausgeführt, aus dem Verrutschen der Dichtungen und dem Ergebnis des Feldversuchs ergebe sich nicht, daß die von der
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Beklagten zu erbringende Leistung, die es in der Herstellung und Lieferung der
Dichtungsringe gesehen hat, mangelhaft gewesen sei. Nach den Darlegungen
des gerichtlichen Sachverständigen seien die gelieferten Dichtungsringe “als
solche durchaus in Ordnung” gewesen. Die Problematik des Verrutschens der
Dichtungen bei höherem Außendruck sei nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen vielmehr auf eine fehlende Kammerung der Rohre zurückzuführen, die an den Rohren habe vorgenommen werden müssen. Diese
Maßnahme sei deshalb in den Verantwortungsbereich des Rohrherstellers,
also des H., gefallen.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen
Nachprüfung nicht stand.
Ein Sachmangel liegt nach § 633 Abs. 1 BGB vor, wenn das Werk entweder nicht die zugesicherten Eigenschaften hat oder mit Fehlern behaftet ist,
die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern.
Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen nicht seine Annahme,
die von der Beklagten hergestellten und gelieferten Rohrdichtungen seien
mangelfrei gewesen. Zwar hat das Berufungsgericht aus den Ausführungen
des gerichtlichen Sachverständigen Prof. B. und des sachverständigen Zeugen
Dipl.-Ing. K. entnommen, daß die gefertigten Dichtungen als solche durchaus
"in Ordnung" gewesen seien; denn Ursache für das Verrutschen der Dichtungen bei höherem Außendruck sei das Fehlen einer Kammerung der Rohre gewesen, was der Rohrhersteller zu verantworten habe. Damit hat das Berufungsgericht den Mangelbegriff nach § 633 Abs. 1 BGB aber nicht ausgeschöpft. Um feststellen zu können, ob die Beklagte ihren Hauptleistungspflich-
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ten voll genügt hat, hätte das Berufungsgericht prüfen müssen, ob die Beklagte
entsprechend der Behauptung der Klägerin eine Zusicherung dahin abgegeben
hat, daß die von ihr herzustellenden und zu liefernden Dichtungsringe im Zusammenwirken mit den aus der Skizze des H. ersichtlichen ungekammerten
Rohren einen Außendruck von 2,0 bar standhalten würden, und ob die Dichtungen zu dem gewöhnlichen oder zu dem nach dem zwischen dem H. und der
Beklagten geschlossenen Vertrag vorausgesetzten Gebrauch tauglich waren.
Das Berufungsgericht hat zwar in anderem Zusammenhang angenommen, daß
die Dichtungen nach dem Inhalt des Vertrages einem Außendruck von 2,0 bar
standzuhalten hatten. Auch hat es im Tatbestand seines Urteils festgestellt,
daß das H. einige Tage nach dem 31. Mai 1994 der Beklagten eine Skizze der
zur Verlegung vorgesehenen Vortriebsrohre übersandt hat und diese in Kenntnis der Skizze dem H. am 13. Juni 1994 erwidert hat, die Dichtung werde für
einen inneren und äußeren Prüfdruck von 2,0 bar bemessen sein. Das Berufungsgericht hat hieraus aber nicht den an sich naheliegenden Schluß gezogen, daß die Dichtungen vertragsgemäß bei den in der Skizze näher bezeichneten und dargestellten Rohren Verwendung finden und zur Abdichtung dieser
Rohre bei einem äußeren und inneren Druck von 2,0 bar tauglich sein sollten.
Da der Feldversuch unstreitig ergab, daß die Dichtungen lediglich einem Außendruck von 0,7 bar standhielten, reichten die bisherigen Feststellungen des
Berufungsgerichts jedenfalls nicht zu der Annahme aus, die Dichtungen seien
mangelfrei hergestellt und geliefert worden.
Mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen fehlt es an einer
Grundlage für eine Vertragsauslegung durch den Senat zur Bestimmung der
Leistungspflicht der Beklagten.
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3. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht verjährt ist, weil die Leistungen der Beklagten als Arbeiten an einem Bauwerk der fünfjährigen Verjährungsfrist nach § 638 BGB
unterfielen. Dies rügt die Anschlußrevision ohne Erfolg.
Wenn das Gesetz von Arbeiten "bei Bauwerken" spricht, so stellt es dabei auf die Mitwirkung an der Errichtung eines Bauwerkes ab. Es ist dazu nicht
erforderlich, daß dieser Beitrag auf der Baustelle erbracht wird (BGHZ 72, 206,
209). Die nach dem Werklieferungsvertrag von der Beklagten geschuldeten
Dichtungen verkörpern sich in dem Gesamtwerk, nämlich dem von dem H. hergestellten Rohrnetz. Entgegen der Auffassung der Anschlußrevision können
nicht nur planerische oder konstruktive Aufgaben Beiträge zur Errichtung eines
Bauwerkes darstellen, vielmehr ist eine Unterscheidung zwischen geistigen
und körperlichen Werken insoweit nicht gerechtfertigt (BGH, aaO, 210).
4. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen
als richtig. Das Berufungsgericht hat der Klägerin aus positiver Vertragsverletzung einen Schadensersatzanspruch zugesprochen, der dem Grunde nach zu
einem Drittel gerechtfertigt sei. Es hat die Beklagte als Fachunternehmen für
verpflichtet gehalten, den Besteller des Werkes darüber aufzuklären, ob das
bestellte Werk auch für den vorgesehenen Zweck tauglich ist und den Bedürfnissen des Bestellers entsprechen kann. Es hat jedoch ein erhebliches Mitverschulden des H. an der Schadensverursachung darin gesehen, daß dieses für
das vorliegende technisch nicht unkomplizierte Projekt keinen speziellen Planer beauftragt hat, der die Frage der Dichtigkeit problematisierte. Sollte sich
erweisen, daß die Beklagte ihrer Hauptleistungspflicht nicht genügt hat, weil
die gelieferten Dichtungen mangelhaft waren, wird sich die Frage eines mögli-
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chen Mitverschuldens des H. nach § 254 BGB und der Abwägung der Schadensursachen neu stellen.
5. Nachdem es die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen
hat, wird das Berufungsgericht die Vereinbarung der Vertragsparteien auszulegen haben. Es wird sodann erneut zu prüfen haben, ob ein Fehler im Sinne von
§ 633 Abs. 1 BGB vorlag, die Beklagte mithin eine vertragliche Hauptpflicht
verletzt hat. Kommt das Berufungsgericht bei seiner erneuten Prüfung zu dem
Ergebnis, daß die Beklagte eine vertragliche Hauptpflicht verletzt hat, weil das
von ihr geschuldete Werk fehlerhaft war, so kann auch gegenüber einem Anspruch aus § 635 BGB, sofern dessen weitere Voraussetzungen vorliegen,
unmittelbar § 254 BGB eingewandt werden, wenn Mängel durch den Besteller
mitverursacht worden sind (Staudinger/Peters, BGB, 13. Aufl., § 633 Rdn. 35;
Erman/Seiler, BGB, 9. Aufl., § 633 Rdn. 17; MünchKomm./Soergel, BGB,
3. Aufl., § 633 Rdn. 96). Dabei wird es unter Berücksichtigung des Parteivortrags die beiderseitigen Verursachungsbeiträge festzustellen und abzuwägen
haben.
Jestaedt
Melullis
Keukenschrijver
Scharen
Mühlens