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2023-03-06 15:36:57 +01:00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 534/14
vom
15. April 2015
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 d Nr. 1; FamFG §§ 7 Abs. 2 Nr. 1, 59 Abs. 1
a) Bei einer durch ein Behindertentestament auf den Betroffenen übertragenen
(Vor-)Erbschaft und gleichzeitiger Anordnung der Testamentsvollstreckung
wird der Testamentsvollstrecker durch die Festsetzung der Betreuervergütung aus dem Vermögen des Betroffenen nicht in eigenen Rechten unmittelbar betroffen.
b) Er ist deshalb weder an dem Vergütungsfestsetzungsverfahren zu beteiligen
noch steht ihm gegen die abschließende Festsetzungsentscheidung ein Beschwerderecht zu.
BGH, Beschluss vom 15. April 2015 - XII ZB 534/14 - LG Stuttgart
Notariat II Stuttgart-Zuffenhausen
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. April 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter,
Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer
des Landgerichts Stuttgart vom 2. Oktober 2014 wird auf Kosten
des Rechtsbeschwerdeführers mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des
Notariats II
Stuttgart-Zuffenhausen
- Betreuungsgericht -
vom
2. Juni 2014 und vom 3. Juni 2014 (Vergütungsfestsetzung) richtet,
verworfen und im Übrigen zurückgewiesen wird.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Beschwerdewert: 5.000 €
Gründe:
I.
1
Die
geistig
behinderte
Betroffene
ist
durch
Testament
vom
12. September 2001 zur alleinigen befreiten Vorerbin ihrer im Jahr 2008 verstorbenen Mutter bestimmt worden. Der Nachlass stellt derzeit ihr wesentliches
Vermögen dar. In dem Testament ordnete die Erblasserin eine Testamentsvollstreckung als Dauervollstreckung auf Lebenszeit der Betroffenen an und ernannte den Rechtsbeschwerdeführer zum Testamentsvollstrecker, der dieses
Amt bis heute ausübt.
-3-
2
Mit Beschluss vom 2. Juni 2014 hat das Betreuungsgericht eine Vergütung des Betreuers aus dem Vermögen der Betroffenen in Höhe von 198,00 €
sowie die Erstattung bereits von der Staatskasse verauslagter Betreuervergütungen aus dem Vermögen der Betroffenen in Höhe von 792,00 € festgesetzt.
Mit weiterem Beschluss vom 3. Juni 2014 hat das Betreuungsgericht eine Vergütung des Betreuers aus dem Vermögen der Betroffenen in Höhe von
330,00 € festgesetzt.
3
Gegen diese Beschlüsse hat der Rechtsbeschwerdeführer mit Schreiben
vom 10. Juni 2014 Beschwerde eingelegt und zugleich seine Hinzuziehung zu
dem Vergütungsverfahren als Beteiligter beantragt. Mit Beschluss vom 24. Juni
2014 hat das Betreuungsgericht den Antrag des Rechtsbeschwerdeführers auf
Verfahrensbeteiligung abgelehnt und dessen Beschwerden gegen die Beschlüsse vom 2. Juni 2014 und 3. Juni 2014 "zurückgewiesen". Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde,
mit der der Rechtsbeschwerdeführer weiter seine Verfahrensbeteiligung und
die Aufhebung der Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse anstrebt.
II.
4
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (vgl. auch Senatsbeschluss vom
5. Januar 2011 - XII ZB 152/10 - FamRZ 2011, 368 Rn. 2) und auch im Übrigen
zulässig. Die Rechtsbeschwerdebefugnis des Beschwerdeführers ergibt sich daraus, dass seine Erstbeschwerde gegen den Beschluss des Betreuungsgerichts
ohne Erfolg geblieben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 2014 - XII ZB
117/14 - FamRZ 2015, 249 Rn. 4 mwN).
-4-
5
Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Soweit sich der Rechtsbeschwerdeführer gegen die Festsetzung der Betreuervergütung wendet, ist sie mit
der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beschwerde gegen die entsprechenden
betreuungsgerichtlichen Beschlüsse vom 2. Juni 2014 und 3. Juni 2014 verworfen wird. Insoweit ist bereits die Erstbeschwerde unzulässig gewesen, weil dem
Rechtsbeschwerdeführer die Beschwerdebefugnis gefehlt hat.
1. Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass der Rechts-
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beschwerdeführer als Testamentsvollstrecker nicht am Verfahren zur Festsetzung der Betreuervergütung zu beteiligen ist.
a) Der Kreis der Personen, die in Betreuungssachen (§ 271 FamFG) von
7
Amts wegen oder auf Antrag am Verfahren beteiligt werden können, bestimmt
sich nach §§ 7 Abs. 3, 274 Abs. 4 FamFG. Als Testamentsvollstrecker wird der
Rechtsbeschwerdeführer von dieser abschließenden Regelung der KannBeteiligten (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 179) nicht erfasst.
b) Als Testamentsvollstrecker ist der Rechtsbeschwerdeführer auch nicht
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zwingend am Verfahren zu beteiligen. Nach § 274 Abs. 1 und 2 FamFG sind
nur der Betroffene, der Betreuer und der Vorsorgebevollmächtigte, soweit ihr
Aufgabenkreis betroffen ist, und der Verfahrenspfleger sogenannte MussBeteiligte in Betreuungssachen. Allerdings schließt die Regelung in § 274
Abs. 1 FamFG eine ergänzende Anwendung der allgemeinen Vorschrift in § 7
Abs. 2 FamFG nicht aus (Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 274 Rn. 1;
Prütting/Helms/Fröschle FamFG 3. Aufl. § 274 Rn. 2; BT-Drucks. 16/6308
S. 179).
aa) Nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG sind diejenigen als Beteiligte zum Ver-
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fahren hinzuzuziehen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen
wird.
Die
Vorschrift
knüpft
an
den
materiellen
Beteiligtenbegriff
an
-5-
(Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 7 Rn. 11) und entspricht damit inhaltlich den
Voraussetzungen für die Beschwerdeberechtigung in § 59 Abs. 1 FamFG.
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Eine Rechtsbeeinträchtigung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Entscheidungssatz des angefochtenen Beschlusses unmittelbar in ein dem Beschwerdeführer zustehendes Recht eingreift (Senatsbeschluss vom 19. Januar
2011 - XII ZB 326/10 - FamRZ 2011, 465 Rn. 9 mwN). Die angefochtene Entscheidung muss daher ein bestehendes Recht des Beschwerdeführers aufheben, beschränken, mindern, ungünstig beeinflussen oder gefährden, die Ausübung dieses Rechts stören oder dem Beschwerdeführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthalten oder erschweren (Senatsbeschluss
vom 8. Oktober 2014 - XII ZB 406/13 - FamRZ 2015, 42 Rn. 14 mwN). Eine
Beeinträchtigung lediglich wirtschaftlicher, rechtlicher oder sonstiger berechtigter Interessen genügt dagegen nicht (Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 59
Rn. 6).
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bb) Gemessen hieran hat das Beschwerdegericht eine unmittelbare Betroffenheit des Beschwerdeführers in eigenen Rechten durch die Entscheidungen im Verfahren zur Festsetzung der Betreuervergütung zu Recht verneint.
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(1) Die Aufgabe des Testamentsvollstreckers besteht darin, entsprechend dem Willen und unter Beachtung der Anordnungen des Erblassers
(§ 2216 Abs. 2 BGB) die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen (§ 2203 BGB) und den Nachlass zu verwalten (§ 2205 BGB).
Hierzu ist er regelmäßig mit umfassenden Befugnissen ausgestattet, die ihm
die Erfüllung der ihm anvertrauten Aufgabe ermöglichen (vgl. §§ 2205, 2206,
2207 BGB). In seiner Amtsführung ist der Testamentsvollstrecker unabhängig,
soweit nicht das Gesetz oder der Erblasser selbst ihm Bindungen auferlegt haben (vgl. BGHZ 25, 275, 279 = NJW 1957, 1916). Stets hat er jedoch den ausdrücklich geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Erblassers zu beachten
-6-
(vgl. MünchKommBGB/Zimmermann 6. Aufl. § 2203 Rn. 13). Denn innerhalb
der zwingenden gesetzlichen Schranken ist der Wille des Erblassers die oberste Norm für die Aufgaben und Befugnisse des Testamentsvollstreckers
(BayObLG NJW-RR 2000, 298, 300).
(2) In der so umschriebenen Rechtsstellung wird der Testamentsvollstre-
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cker durch die Festsetzung der Betreuervergütung aus dem Vermögen der Betroffenen nicht unmittelbar beeinträchtigt.
(a) Allerdings steht der Nachlass, der der Testamentsvollstreckung unter-
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fällt, nur dann für Vergütungsansprüche eines Betreuers des Erben zur Verfügung, wenn dies mit den vom Erblasser im Testament getroffenen Verwaltungsanordnungen zu vereinbaren ist, die vom Testamentsvollstrecker vollzogen werden müssen. Die durch ein Behindertentestament angeordnete
(Vor-)Erbschaft bei gleichzeitiger Anordnung der Testamentsvollstreckung führt
zu einer Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Erben gemäß § 2211
BGB. Demgemäß können sich die Gläubiger des Erben, die nicht zu den Nachlassgläubigern gehören, nicht an die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände halten, § 2214 BGB. Dies schließt
auch eine Verwertung des Nachlasses für die Betreuervergütung grundsätzlich
aus.
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Der Erbe hat einen durchsetzbaren Anspruch darauf, dass der Testamentsvollstrecker die vom Erblasser getroffenen Verwaltungsanordnungen
i.S.d. § 2216 Abs. 2 BGB umsetzt. Dieser Anspruch, der sich in diesem Zusammenhang auf die Freigabe der zu entrichtenden Betreuervergütung richtet,
gehört zum Vermögen der Betroffenen i.S.v. § 90 SGB XII. Daher ist durch
Auslegung der an den Testamentsvollstrecker adressierten Verwaltungsanordnungen zu ermitteln, ob der Erblasser auch Vergütungsansprüche des Betreuers ausschließen wollte (vgl. Senatsbeschluss vom 27. März 2013 - XII ZB
-7-
679/11 - FamRZ 2013, 874 Rn. 22 f.). Stehen die im Testament getroffenen
Verwaltungsanordnungen an den Testamentsvollstrecker einer Entnahme der
Betreuervergütung aus dem Nachlass entgegen, ist der Erbe mittellos i.S.d.
§§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 d Nr. 1 BGB und der Betreuer kann seine Vergütung nur aus der Staatskasse verlangen.
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(b) Gleichwohl lässt sich ein Recht auf Verfahrensbeteiligung auch nicht
mit der Erwägung des Beschwerdeführers begründen, dass er als Testamentsvollstrecker sonst keinen Einfluss auf die vom Gericht im Vergütungsverfahren
vorzunehmende Auslegung der letztwilligen Verfügung habe. Zwar können Erkenntnisse, über die der Testamentsvollstrecker verfügt, zur Feststellung des
wirklichen oder mutmaßlichen Willens des Erblassers hilfreich sein. Ein Beteiligungsrecht nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG lässt sich daraus jedoch nicht herleiten. Denn die Auslegung des Testaments im Vergütungsverfahren ist für den
Testamentsvollstrecker nicht bindend. Vielmehr ist es ihm unbenommen, bei
Zweifeln an der Auslegung einer letztwilligen Verfügung gegenüber dem Erben
oder sonstigen Anspruchstellern vor dem Prozessgericht eine entsprechende
Feststellungsklage (§ 256 ZPO) zu erheben (MünchKommBGB/Zimmermann
6. Aufl. § 2202 Rn. 25 mwN) oder sich, gestützt auf § 2214 BGB, gegen die
Zwangsvollstreckung in den von der Testamentsvollstreckung erfassten Nachlass zu wenden (Palandt/Weidlich BGB 74. Aufl. § 2214 Rn. 2).
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2. Dem Beschwerdeführer steht auch keine Beschwerdeberechtigung
gegen die Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse i.S.v. § 59 Abs. 1 FamFG zu.
Zwar kommt es hierfür nicht darauf an, ob und inwieweit der Beschwerdeführer
verfahrensrechtlich als Beteiligter anzusehen ist (BGH Beschluss vom 24. April
2013 - IV ZB 42/12 - FamRZ 2013, 1035 Rn. 20 mwN). Der Begriff der Rechtsbeeinträchtigung in § 59 Abs. 1 FamFG ist jedoch inhaltsgleich mit dem Begriff
der unmittelbaren Rechtsbetroffenheit in § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Deshalb führt
die fehlende unmittelbare Rechtsbetroffenheit, die einer Verfahrensbeteiligung
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des Beschwerdeführers entgegensteht, auch dazu, dass es ihm an der Beschwerdebefugnis gegen die in diesem Verfahren ergangenen Entscheidungen
mangelt. Da sich eine Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers auch nicht
aus § 303 FamFG ergibt, weil der Testamentsvollstrecker nicht zu dem in dieser Vorschrift genannten Personenkreis zählt, hätte das Beschwerdegericht die
Erstbeschwerde des Beschwerdeführers gegen die Vergütungsfestsetzungsbeschlüsse als unzulässig verwerfen müssen. Dies ist vom Senat nachzuholen.
Dose
Klinkhammer
Botur
Günter
Guhling
Vorinstanzen:
Notariat Stuttgart-Zuffenhausen, Entscheidung vom 24.07.2014 - II VG 8326/62 LG Stuttgart, Entscheidung vom 02.10.2014 - 19 T 317/14 -