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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 90/09
Verkündet am:
31. Mai 2011
Weber,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
-2-
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, den Richter
Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die Richter Dr. Ellenberger und
Dr. Matthias
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 8. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Braunschweig vom 12. Februar 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten über Ansprüche im Zusammenhang mit dem von
der Beklagten - einer Bausparkasse - finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung durch die Klägerseite.
2
Die Klägerseite erwarb im Herbst 1993 zu Steuersparzwecken eine Eigentumswohnung in dem Objekt
T.
in L.
. Der Kaufpreis
betrug 110.708 DM. Zur Finanzierung des Kaufs schloss die Klägerseite mit der
-3-
Beklagtenseite einen Darlehensvertrag über ein tilgungsfreies Vorausdarlehen
in Höhe von 132.000 DM sowie zwei Bausparverträge. Die Vermittlung der Eigentumswohnung und der Finanzierung erfolgte durch die H.
GmbH (H. GmbH), ein Unternehmen der H.
Gruppe (im Folgen-
den: H. Gruppe), die seit 1990 in großem Umfang Anlageobjekte vertrieb, die
die Beklagte in Zusammenarbeit mit verschiedenen Banken finanzierte. Insoweit unterzeichnete die Klägerseite unter anderem einen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, in welchem es heißt: "Ich erteile hiermit den Auftrag
mir das o. g. Objekt und die Finanzierung zu vermitteln. Der Auftrag soll durch
die in Punkt 4 und 5 der nachfolgenden Aufstellung benannte Firma zu den dort
genannten Gebührensätzen ausgeführt werden." Ausweislich Punkt 4 der Aufstellung sollte die H. GmbH eine Finanzierungsvermittlungsgebühr in Höhe von
2.640 DM (entspricht 2% des Darlehensbetrags) und ausweislich Punkt 5 eine
Courtage in Höhe von 3.819 DM (entspricht 3,45% des Kaufpreises) erhalten.
Die Darlehensvaluta wurde in der Folge ausgezahlt.
3
Mit der Klage verlangt die Klägerseite - gestützt auf einen Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung - die Rückabwicklung des kreditfinanzierten Kaufs der Eigentumswohnung. Sie begehrt
insbesondere die Rückzahlung geleisteter Zinsen und die Feststellung, dass
aus dem Darlehensvertrag ihr gegenüber keine Zahlungsansprüche bestehen,
Zug um Zug gegen Auflassung des Miteigentumsanteils, sowie die Feststellung,
dass die Beklagtenseite ihr sämtlichen Schaden zu ersetzen hat, der im Zusammenhang mit dem finanzierten Erwerb der Eigentumswohnung steht. Ihre
Ansprüche stützt die Klägerseite unter anderem darauf, dass sie durch den Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag arglistig über die Höhe der Vermittlungsprovisionen getäuscht worden sei. Die Beklagtenseite ist dem entgegen
getreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben.
-4-
4
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat
sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerseite ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
5
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit
für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Es könne offen bleiben, ob etwaige Schadensersatzansprüche der Kläger verjährt seien. Jedenfalls
liege kein vorvertragliches Aufklärungsverschulden der Beklagten vor und zwar
insbesondere kein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung über die Rentabilität des Anlageobjekts und über die Höhe der Vertriebsprovisionen. Eine Aufklärungspflicht über im Kaufpreis enthaltene Provisionen bestehe mangels Verpflichtung zur Aufklärung über den Wert des Kaufobjekts nicht; es sei nicht dargetan, dass der Beklagten bei Abschluss des Darlehensvertrags Vertriebsprovisionen bekannt gewesen seien, die sie zu der Annahme hätten veranlassen
müssen, es liege eine sittenwidrige Überteuerung der Eigentumswohnung - die
die Kläger ohnedies nicht schlüssig dargelegt hätten - vor. Auch eine arglistige
Täuschung über die Rentabilität des Anlageobjekts könne nicht festgestellt
werden. Die Kläger hätten schon nicht vorgetragen, zu welchem Mietzins die
Wohnung vermietet gewesen sei. Im Übrigen ergebe sich aus dem unstreitigen
Inhalt eines Gutachtens des Sachverständigen D.
, das dieser in einem
-5-
Parallelverfahren erstellt habe, dass zum Stichtag 28. September 1993 von einem erzielbaren Durchschnittsmietzins von 8,02 DM/qm auszugehen sei. Der
im Besuchsbericht ermittelte Mietpreis von 6,39 DM/qm könne daher auch unter
Berücksichtigung weiterer Kosten nicht als unrichtig angesehen werden.
II.
7
Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
8
1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen dieses einen aufklärungspflichtigen Wissensvorsprung der Beklagtenseite hinsichtlich der Rentabilität des Anlageobjekts verneint hat. Ob ein Anleger durch evident unrichtige Angaben des Vermittlers arglistig getäuscht worden ist, ist eine Frage der Würdigung des konkreten Einzelfalles, die jeweils dem Tatrichter obliegt und die deshalb in der Revisionsinstanz grundsätzlich nur beschränkt überprüft werden kann; zu prüfen ist
nur, ob die tatrichterliche Würdigung vertretbar ist, nicht gegen die Denkgesetze
verstößt und nicht auf verfahrenswidriger Tatsachenfeststellung beruht (vgl.
Senatsurteil vom 27. Mai 2008 - XI ZR 132/07, WM 2008, 1260 Rn. 21 mwN).
Solche Fehler sind dem Berufungsgericht nicht unterlaufen. Der von der Revision hervorgehobene Umstand, dass die Miete unter den Erwartungen geblieben
sei, genügt für sich nicht zur Darlegung einer arglistigen Täuschung (vgl. Senatsurteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346 Rn. 31). Vielmehr
ist die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, eine arglistige Täuschung über die Mieterträge stehe nicht fest, angesichts der von einem Sachverständigen ermittelten Durchschnittsmiete, die über der der Klägerseite versprochenen lag, vertretbar, verstößt nicht gegen die Denkgesetze und beruht
-6-
nicht auf verfahrenswidriger Tatsachenfeststellung (vgl. Senatsurteil vom 3. Juni
2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346 Rn. 18 mwN).
9
2. Erfolgreich ist die Revision hingegen, soweit sie geltend macht, das
Berufungsgericht habe mit der gegebenen Begründung einen Schadensersatzanspruch der Klägerseite wegen eines Aufklärungsverschuldens der Beklagtenseite nicht ablehnen dürfen. Zu Recht rügt die Revision, dass sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage eines möglichen Aufklärungsverschuldens im
Zusammenhang mit den im Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag ausgewiesenen Vertriebsprovisionen befasst hat.
10
a) Zwar muss das einen Immobilienerwerb finanzierende Kreditinstitut
den Darlehensnehmer grundsätzlich nicht von sich aus auf eine im Kaufpreis
enthaltene und an den Vertrieb gezahlte Provision hinweisen, sofern diese nicht
zu einer so wesentlichen Verschiebung des Verhältnisses zwischen Kaufpreis
und Verkehrswert der Immobilie beiträgt, dass das Kreditinstitut von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen musste
(st. Rspr., zuletzt Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96
Rn. 17 mwN).
11
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung der Finanzierungsbank aber auch dann
vor, wenn die Bank Kenntnis davon hat, dass der Kreditnehmer von seinem
Geschäftspartner oder durch den Fondsprospekt über das finanzierte Geschäft
arglistig getäuscht wurde (Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08,
BGHZ 186, 96 Rn. 20 mwN). Wie der erkennende Senat bereits mehrfach zu
ebenfalls die Beklagtenseite betreffenden vergleichbaren Fällen institutionalisierten Zusammenwirkens entschieden hat (vgl. Senatsurteile vom 20. März
2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876 Rn. 56 und vom 27. Mai 2008 - XI ZR
-7-
132/07, WM 2008, 1260 Rn. 26 mwN), wird die Kenntnis der Beklagten von einer solchen arglistigen Täuschung der Anleger durch den Vertrieb widerleglich
vermutet, wenn die Unrichtigkeit der Angaben zum Anlageobjekt objektiv evident ist.
12
Ein solcher Fall ist nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden
Sachverhalt im Hinblick auf die Vertriebsprovisionen gegeben. Die Klägerseite
hat sich zur Begründung eines Aufklärungsverschuldens der Beklagtenseite
nämlich unter Beweisantritt auch darauf berufen, durch den Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag sei bei ihr gezielt der unrichtige Eindruck erweckt
worden, dass für die Vermittlung von Erwerb und Finanzierung der Eigentumswohnung lediglich die dort ausdrücklich ausgewiesenen und keine weiteren
Vertriebsprovisionen zu zahlen seien, obwohl tatsächlich im Einvernehmen zwischen Vertrieb und Beklagtenseite wesentlich höhere Vertriebsprovisionen an
die Vermittler geflossen seien.
13
Danach ist eine arglistige Täuschung der Klägerseite über die Höhe der
Vertriebsprovisionen dargetan, über die die Beklagtenseite sie hätte aufklären
müssen. Wie der erkennende Senat in seinem nach Erlass des Berufungsurteils
ergangenen Urteil vom 29. Juni 2010 (XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist der formularmäßige Objekt- und
Finanzierungsvermittlungsauftrag, der auch im Streitfall unstreitig zum Einsatz
gekommen ist, angesichts des darin enthaltenen formularmäßigen Hinweises,
der Auftrag solle durch die in Punkt 4 und 5 der nachfolgenden Aufstellung benannte Vermittlungsgesellschaft zu den dort im Einzelnen genannten Gebührensätzen ausgeführt werden, unter Berücksichtigung der Unklarheitenregel des
§ 5 AGBG (jetzt § 305c Abs. 2 BGB) dahin auszulegen, dass es sich bei den als
Finanzierungsvermittlungsgebühr und Courtage bezeichneten Provisionen um
die Gesamtprovisionen handelt, zu denen die Vermittlungsgesellschaft den Auf-
-8-
trag insgesamt ausführen sollte (Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08,
BGHZ 186, 96 Rn. 28 ff.). Dies war aber nach dem unter Beweis gestellten
Vorbringen der Klägerseite eine bewusste Fehlinformation, da tatsächlich wesentlich höhere Provisionen an die Vermittler gezahlt werden sollten und wurden.
14
Das Berufungsgericht, das die nach dem Senatsurteil vom 29. Juni 2010
gebotene Auslegung des formularmäßigen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrages und das sich daraus möglicherweise ergebende Aufklärungsverschulden der Beklagtenseite bei Abfassung seines Urteils noch nicht berücksichtigen konnte, hat den Sachverhalt unter diesem Gesichtspunkt noch
nicht geprüft und die für einen entsprechenden Schadensersatzanspruch erforderlichen weiteren Feststellungen noch nicht getroffen.
III.
15
Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die
Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1
ZPO).
-9-
16
Dieses wird, nachdem die Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag erhalten haben, nach Maßgabe des Senatsurteils vom 29. Juni 2010
(XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 ff.) die erforderlichen Feststellungen zum Bestehen eines etwaigen Schadensersatzanspruchs wegen Aufklärungsverschuldens
im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung der Klägerseite durch den
Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag zu treffen haben.
Wiechers
Joeres
Ellenberger
Mayen
Matthias
Vorinstanzen:
LG Göttingen, Entscheidung vom 12.06.2006 - 2 O 1052/05 OLG Braunschweig, Entscheidung vom 12.02.2009 - 8 U 162/06 -