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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 56/11
Verkündet am:
11. September 2012
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
VOB/B (2000) § 13 Nr. 5 Abs. 2
BGB §§ 199, 765
a) Das Recht des Auftraggebers auf Selbstbeseitigung eines Mangels entsteht
nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B, ebenso wie nach den § 634 Nr. 2, § 637 BGB,
mit fruchtlosem Fristablauf. Der Geltendmachung eines auf Geld gerichteten
Gewährleistungsanspruchs durch den Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer bedarf es dazu nicht.
b) In diesen Fällen entsteht damit auch der Anspruch des Auftraggebers aus
einer auf Zahlung gerichteten Gewährleistungsbürgschaft, wenn die in § 13
Nr. 5 Abs. 2 VOB/B genannten Voraussetzungen vorliegen, ohne dass ein
auf Gewährleistung gestützter Zahlungsanspruch geltend gemacht werden
muss.
-2c) Es widerspricht dem Schutzzweck des Rechtsinstituts der Verjährung, den
Beginn der Verjährungsfrist an eine Leistungsaufforderung des Gläubigers zu
knüpfen, da es dieser dann in der Hand hätte, den Verjährungsbeginn und
die Notwendigkeit verjährungshemmender Maßnahmen weitgehend beliebig
hinauszuzögern (Bestätigung des Senatsurteils vom 29. Januar 2008 - XI ZR
160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 24).
BGH, Urteil vom 11. September 2012 - XI ZR 56/11 - OLG Frankfurt/Main
LG Wiesbaden
-3-
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Juni 2012 durch den Richter Dr. Joeres als Vorsitzenden, die Richter
Dr. Grüneberg, Maihold und Pamp und die Richterin Dr. Menges
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. Januar 2011
aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der
10. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 5. Februar
2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger nimmt die beklagte Versicherung aus einer Gewährleistungsbürgschaft in Anspruch. Die Beklagte beruft sich auf Verjährung.
2
Der Kläger schloss mit der Me.
GmbH (im Folgenden:
Hauptschuldnerin) am 3. September 2001 einen Werkvertrag über Fassadenarbeiten am Neubau eines Hochhauses in M.
, für den die Geltung der Ver-
dingungsordnung für Bauleistungen, Teil B, in der damals geltenden Fassung
vom 30. Mai 2000 (im Folgenden: VOB/B) vereinbart wurde. Die Beklagte übernahm mit Urkunde vom 16. Oktober 2001 für die Hauptschuldnerin gegenüber
-4-
dem Kläger eine selbstschuldnerische Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft bis zu einer Gesamthöhe von 330.856 DM. Am 12. August
2002 wurde über das Vermögen der Hauptschuldnerin das Insolvenzverfahren
eröffnet. Deren Leistungen nahm der Kläger am 17. April 2003 ab und bezahlte
den Werklohn mit Ausnahme eines vereinbarten Gewährleistungseinbehalts.
3
Im August 2003 traten Schäden an der Fassade auf, von der im Laufe
des Sommers und Herbstes 2003 Teile auf den Gehsteig herabstürzten. Nach
Einholung eines Sachverständigengutachtens verlangte der Kläger mit Schreiben vom 27. Oktober 2003 von dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der
Hauptschuldnerin, die Fassade zum Schutz von Personen gegen herabfallende
Bruchstücke zu sichern. Dies lehnte der Insolvenzverwalter am 28. Oktober
2003 ab. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2003 kündigte der Kläger die Ersatzvornahme der Sicherungsmaßnahmen an und forderte den Insolvenzverwalter
auf, bis zum 28. November 2003 die Mängel an der Fassade zu beseitigen.
Nach fruchtlosem Ablauf der Frist leitete der Kläger im Dezember 2003 ein
selbstständiges Beweisverfahren ein. Er ließ in den Jahren 2003 und 2004 Sicherungsmaßnahmen durchführen und in den Jahren 2004 und 2005 die Mängel beseitigen. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2007 nahm er die Beklagte
wegen der Kosten von Sicherungsmaßnahmen und Mängelbeseitigung aus der
Gewährleistungsbürgschaft in Anspruch. Nach Aufforderung des Klägers verzichtete die Beklagte am 28. Dezember 2007 bis zum 31. Dezember 2008 auf
die Einrede der Verjährung, sofern Verjährung der Hauptschuld bzw. des Anspruchs aus der Bürgschaft nicht bereits eingetreten sein sollte.
4
Am 29. Dezember 2008 hat der Kläger den Erlass eines Mahnbescheids
beantragt, der der Beklagten am 13. Januar 2009 zugestellt worden ist. Mit der
Anspruchsbegründung hat der Kläger den geltend gemachten Zahlungsanspruch in Höhe von 132.851,03 € nebst Zinsen weiterverfolgt. Das Landgericht
-5-
hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben und die Revision zugelassen.
Entscheidungsgründe:
5
Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils (§ 563
Abs. 3 ZPO).
I.
6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7
Der Anspruch des Klägers sei nicht verjährt, da die Bürgschaftsforderung
im Jahr 2003 nicht entstanden sei. Der gegen einen Bürgen gerichtete Anspruch entstehe mit Fälligkeit der gesicherten Forderung, ohne dass es einer an
den Bürgen gerichteten Leistungsaufforderung bedürfe. Da eine Gewährleistungsbürgschaft nur Geldforderungen sichere, trete der Sicherungsfall erst ein,
wenn der Nachbesserungs- oder Nacherfüllungsanspruch in einen Geldanspruch übergegangen sei. Für weitergehende Inhalte der Sicherungsabrede
gebe der vorliegende Bauvertrag nichts her. Nach dem vor der Schuldrechtsmodernisierung geltenden werkvertraglichen Gewährleistungsmodell habe dem
Auftraggeber ein Anspruch auf Minderung oder Schadensersatz zugestanden,
wenn dem Werkunternehmer fruchtlos eine Frist für die Nachbesserung mit Ablehnungsandrohung gesetzt worden sei. Verzichte der Auftraggeber auf die Ablehnungsandrohung, komme es nach Fristablauf zu einem Schwebezustand.
-6-
Der Auftraggeber könne weiterhin Nachbesserung verlangen, der Unternehmer
sei allerdings gehindert, diese ohne Zustimmung des Auftraggebers durchzuführen. Weiter könne der Auftraggeber Anspruch auf Kostenvorschuss oder auf
Erstattung der Kosten einer Drittnachbesserung verlangen. In diesem Fall entstehe der von der Bürgschaft gesicherte Anspruch erst mit Geltendmachung der
Geldforderung. Das benachteilige den Bürgen nicht unangemessen, wenn er
eine unbefristete Bürgschaft übernommen habe. Außerdem sei nicht ersichtlich,
dass die Anspruchswahl des Auftraggebers zwangsläufig aus sachwidrigen
Gründen erst spät erfolgen werde. Zwar hänge damit die Durchsetzbarkeit einer
Gewährleistungsbürgschaft von Umständen ab, denen im Einzelfall keiner der
Vertragspartner besondere Bedeutung beigemessen habe. Das sei jedoch im
Interesse der Rechtssicherheit hinzunehmen.
8
Im Streitfall habe der Kläger gegenüber der Hauptschuldnerin keine Ablehnungsandrohung ausgesprochen, sodass es nach Ablauf der in dem Aufforderungsschreiben vom 29. Oktober 2003 gesetzten Frist zu dem dargestellten
Schwebezustand gekommen sei, den der Kläger nicht durch Geltendmachung
eines Geldanspruchs aufgelöst habe. Damit sei ein Anspruch auf Geldzahlung
im Jahr 2003 noch nicht entstanden.
II.
9
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht der Verjährungseinrede den Erfolg versagt, weil der Bürgschaftsanspruch im Jahr 2003 nicht im
Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden und deswegen die Verjährungsfrist nicht vor dem Verzicht der Beklagten auf die Einrede der Verjährung verstrichen sei.
-7-
10
1. Zutreffend und von der Revision unangegriffen ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB für die
streitige Bürgschaftsforderung die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB in
der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung maßgeblich ist, wenn - wie
hier - am 1. Januar 2002 die ursprünglich geltende dreißigjährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen war (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 2009 - XI ZR
181/08, WM 2010, 302 Rn. 25). Der Lauf dieser Verjährungsfrist begann nach
§ 199 Abs. 1 BGB nicht vor Ende des Jahres, in dem der von der Bürgschaft
gesicherte Gewährleistungsanspruch entstanden ist.
11
2. Im rechtlichen Ausgangspunkt nicht zu beanstanden ist weiter die Annahme des Berufungsgerichts, der Anspruch aus einer selbstschuldnerischen
Bürgschaft entstehe im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB grundsätzlich mit
Fälligkeit der gesicherten Hauptschuld. Nicht gefolgt werden kann jedoch der
Auffassung des Berufungsgerichts, die Hauptforderung auf Erstattung der Kosten für die Mängelbeseitigung sei nicht im Jahr 2003 entstanden, weil der Kläger bei der Fristsetzung zur Nachbesserung deren Ablehnung nicht angedroht
und einen dadurch bewirkten Schwebezustand nicht durch eine Zahlungsaufforderung aufgelöst habe.
12
a) Ein Anspruch ist nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB in dem Zeitpunkt entstanden, zu dem er erstmalig geltend gemacht und im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Dies setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs voraus, da erst von diesem Zeitpunkt an (§ 271 Abs. 1 Halbs. 1 BGB) der Gläubiger mit Erfolg die
Leistung fordern und gegebenenfalls den Ablauf der Verjährungsfrist durch Klageerhebung unterbinden kann (BGH, Urteile vom 17. Februar 1971 - VIII ZR
4/70, BGHZ 55, 340, 341 f., vom 18. Dezember 1980 - VII ZR 41/80, BGHZ 79,
-8-
176, 177 f., vom 23. Januar 2001 - X ZR 247/98, WM 2001, 687, 689 und vom
8. Juli 2008 - XI ZR 230/07, WM 2008, 1731 Rn. 17, jeweils mwN).
13
Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht weiter an, dass danach bei
Fehlen anderer Vereinbarungen der Parteien jedenfalls die Ansprüche aus einer - hier vorliegenden - selbstschuldnerischen Bürgschaft zugleich mit der gesicherten Forderung entstehen und es für den Beginn der Verjährungsfrist keiner Leistungsaufforderung bedarf (BGH, Urteile vom 29. Januar 2008 - XI ZR
160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 24, vom 8. Juli 2008 - XI ZR 230/07, WM 2008,
1731 Rn. 18, vom 11. März 2008 - XI ZR 81/07, juris Rn. 11, vom 23. September 2008 - XI ZR 395/07, WM 2008, 2165 Rn. 10 und vom 10. Februar 2011
- VII ZR 53/10, WM 2011, 541 Rn. 12).
14
b) Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, ein
Geldanspruch sei nicht entstanden, weil der Kläger zwar Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt, nicht aber deren Ablehnung angedroht habe. Die VOB/B, deren
Geltung nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts im
Streitfall vereinbart wurde, verlangt in § 13 Nr. 5 Abs. 2 zur Begründung eines
Selbsteintrittsrechts des Auftraggebers neben der - vorliegend unstreitig erfolgten - Fristsetzung zur Nachbesserung keine Androhung des Auftraggebers, er
werde die Beseitigung des Mangels nach Fristablauf ablehnen. Abweichend
von der für die Wandelung und Minderung geltenden Regelung in § 634 Abs. 1
Satz 1 BGB aF (BGH, Urteile vom 16. September 1999 - VII ZR 456/98, BGHZ
142, 278, 281 und vom 8. Dezember 2010 - XI ZR 181/08, WM 2010, 302
Rn. 32) entsteht nach dem klaren Wortlaut von § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B das
Selbsteintrittsrecht des Auftraggebers bereits mit erfolglosem Ablauf der für die
Nachbesserung gesetzten Frist. Weitere Voraussetzungen bestehen nicht (KG
Berlin, MDR 1990, 339; Nikisch/Weick, VOB Teil B, 3. Aufl., § 13 Rn. 142; Wirth
in Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Aufl., B § 13 Nr. 5 Rn. 506; vgl. ders., VOB,
-9-
17. Aufl., VOB/B § 15 Abs. 5 Rn. 124 ff., 133). Insoweit entspricht § 13 Nr. 5
Abs. 2 VOB/B den im Rahmen eines BGB-Werkvertrages für das Recht der
Selbstvornahme geltenden § 633 Abs. 3 BGB aF bzw. § 634 Nr. 2 nF, § 637
BGB nF, die eine Ablehnungsandrohung des Auftraggebers ebenfalls nicht vorsehen (BGH, Urteil vom 27. Februar 2003 - VII ZR 338/01, BGHZ 154, 119,
122 f.). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitert damit die
Entstehung der Hauptforderung auf Erstattung von Mängelbeseitigungskosten
nicht daran, dass der Kläger die Ablehnung der Nachbesserung durch die
Hauptschuldnerin nicht angedroht hat.
15
3. Die Einstandspflicht der Beklagten aus der Bürgschaft setzt - anders
als die Revisionserwiderung meint - auch nicht voraus, dass der Kläger die
Hauptschuldnerin wegen der Kosten der Ersatzvornahme auf Zahlung in Anspruch nimmt. Der auf Geldzahlung gerichtete sekundäre Gewährleistungsanspruch des Auftraggebers entsteht vielmehr ohne Zahlungsaufforderung mit
Ablauf der im Aufforderungsschreiben - hier vom 29. Oktober 2003 - erfolglos
gesetzten Frist zur Mängelbeseitigung.
16
a) Bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung ist im Allgemeinen davon
auszugehen, dass der Bürge einer Gewährleistungsbürgschaft nur für das Erfüllungsinteresse und nicht für die gegenständliche Nachbesserung der Werkleistung haften soll (BGH, Urteile vom 13. September 2001 - VII ZR 467/00, BGHZ
148, 151, 154 und vom 28. September 2000 - VII ZR 460/97, WM 2000, 2373,
2375). Der Bürgschaftsfall tritt danach ein, wenn der Auftraggeber einen auf
Geld gerichteten Gewährleistungsanspruch erworben hat. Wie das Berufungsgericht von der Revision unangegriffen festgestellt hat, gilt im Streitfall nichts
anderes.
- 10 -
17
b) Der Zeitpunkt, zu dem ein auf Geld gerichteter Anspruch des Auftraggebers auf Vorschuss für eine Ersatzvornahme der Mangelbeseitigung oder auf
Erstattung der Kosten der Mangelbeseitigung fällig wird und damit den Bürgschaftsanspruch entstehen lässt, ist umstritten. Teilweise wird dafür die Erfüllung der tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen (vgl. § 633 Abs. 3 BGB
aF, § 637 BGB nF bzw. § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B) und die darauf beruhende
Möglichkeit einer Inanspruchnahme des Auftragnehmers für ausreichend erachtet (vgl. OLG Frankfurt/Main, OLGR Frankfurt 2008, 573, 574; Funke, BauR
2010, 969, 978; Groß, IBR 2009, 453; Klein/Klein/Koos, BauR 2009, 333, 338 f.;
Lubojanski, IBR 2004, 420; May, IBR 2007, 115; ders., BauR 2007, 187, 194 f.;
Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509, 519; Schmitz, ibr-online/IBR Reihe, Sicherheiten für die Bauvertragsparteien, Stand: 31.10.2011 Rn. 242; Vogel, jurisPRPrivBauR 6/2008 Anm. 4 D.; ders., EWiR 2006, 295, 296; Wellensiek, IBR
2007, 483; Wolff, IBR 2006, 93; ebenso wohl OLG Brandenburg, Urteil vom
14. Juni 2007 - 12 U 216/06, juris Rn. 31, 36; OLG Schleswig, Urteil vom
11. Juni 2009 - 5 U 148/08, juris Rn. 36; Drossart in Kuffer/Wirth, Handbuch des
Fachanwalts Bau- und Architektenrecht, 3. Aufl., V. Rn. 213 f.; Heiermann/
Mansfeld in Heiermann/Riedl/Rusam, 12. Aufl., VOB/B § 17 Rn. 62; offen gelassen bei Schulze-Hagen in Kniffka u.a., ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht 2012, Stand: 30.03.2012, § 634a BGB Rn. 262). Die Gegenansicht verlangt darüber hinaus die tatsächliche Geltendmachung eines - bezifferten - Zahlungsanspruchs, etwa als Vorschuss oder als Erstattung für die Kosten einer
Ersatzvornahme, durch den Auftraggeber (OLG Köln, WM 2006, 1248, 1249;
OLG Dresden, Beschluss vom 18. Oktober 2007 - 12 U 1498/07, juris Rn. 3 f.;
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - 13 U 106/09, juris Rn. 2;
Alfes, ibr-online 2006, 1103; Bräuer, NZBau 2007, 477, 479; Joussen, IBR
2007, 116; Motzke, juris-PrivBauR 2/2007 Anm. 5 C.; Nobbe in Schimansky/
Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 91 Rn. 323; Schulze-Hagen,
- 11 -
BauR 2007, 170, 184 f.; Thode, WuB I E 4.-3.06.; Trapp/Werner, BauR 2008,
1209, 1214 f.).
18
c) Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung an, dass der Anspruch des Auftraggebers aus einer Gewährleistungsbürgschaft entsteht, wenn
die Voraussetzungen des § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B vorliegen, ohne dass zusätzlich der Auftraggeber dem Auftragnehmer gegenüber einen auf Gewährleistung
gestützten Zahlungsanspruch geltend machen müsste.
19
aa) Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift setzt nämlich das Selbstbeseitigungsrecht des Auftraggebers, ebenso wie bei den § 634 Nr. 2, § 637 BGB,
lediglich den fruchtlosen Fristablauf voraus (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar
2003 - VII ZR 338/01, BGHZ 154, 119, 122; KG, MDR 1990, 339; Wirth in
Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Aufl., B § 13 Nr. 5 Rn. 506). Für die Auffassung,
die Entstehung eines auf Geld gerichteten Gewährleistungsanspruchs verlange
zudem die tatsächliche Inanspruchnahme des Unternehmers durch den Auftraggeber, findet sich weder im Wortlaut von § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B noch in
§ 633 BGB aF, § 634 Nr. 2 nF, § 637 BGB nF eine Stütze. Das dem Auftraggeber nach Fristablauf zustehende Wahlrecht hält somit nicht die Entstehung der
zueinander in einem Auswahlverhältnis stehenden Gewährleistungsrechte in
der Schwebe, sondern es setzt die Fälligkeit der zur Wahl stehenden Ansprüche voraus. Denn der Begriff der Fälligkeit beschreibt den Zeitpunkt, ab dem
der Gläubiger die Leistung fordern kann, nicht den Zeitpunkt, in dem der Gläubiger die Leistung tatsächlich fordert (BGH, Urteile vom 23. Januar 2001
- X ZR 247/98, WM 2001, 687, 689 und vom 8. Juli 2008 - XI ZR 230/07, WM
2008, 1731 Rn. 17; vgl. auch Bräuer, NZBau 2007, 477, 478).
- 12 -
20
bb) Entgegen der Revisionserwiderung begegnet es keinen Bedenken,
dass der Auftraggeber gleichzeitig fällige Ansprüche auf Nachbesserung und
auf (Vorschuss-)Zahlung hat. Vielmehr ist es Kennzeichen einer Anspruchskonkurrenz, dass mehrere fällige Ansprüche nebeneinander bestehen. Sind mithin
die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B erfüllt, kann der
Auftraggeber vom Auftragnehmer nach Fristablauf entweder Erstattung der
Kosten einer Drittnachbesserung und ggf. einen Kostenvorschuss hierfür verlangen oder auf Nachbesserung der Werkleistung bestehen. Lediglich der Auftragnehmer ist gehindert, ohne die Zustimmung des Auftraggebers die Nachbesserung durchzuführen, da dieser ab dem Ablauf der Nachbesserungsfrist
allein entscheiden kann, welche Ansprüche er gegen den Auftragnehmer geltend machen will (BGH, Urteil vom 27. Februar 2003 - VII ZR 338/01, BGHZ
154, 119, 122 mwN; vgl. Beck´scher VOB-Kommentar/Kohler, 2. Aufl.,
§ 13 Nr. 5 Rn. 101; Riedl/Mansfeld in Heiermann/Riedl/Rusam, 12. Aufl., VOB/B
§ 13 Rn. 125; Wirth in Ingenstau/Korbion, VOB, 17. Aufl., VOB/B § 13 Abs. 5
Rn. 120). Die Ausübung des Wahlrechts durch den Auftraggeber beantwortet
- worauf die Revision zutreffend hinweist - mithin nur die Frage, welchen der
bestehenden Gewährleistungsansprüche der Auftraggeber geltend machen will,
sie begründet jedoch nicht einen bis dahin nicht bestehenden Anspruch.
21
cc) Der von der Gewährleistungsbürgschaft gesicherte Geldanspruch
- hier aus § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B - entsteht, wenn die tatbestandlichen
Voraussetzungen des auf Geld gerichteten Gewährleistungsanspruchs vom
Auftraggeber
geschaffen
wurden
(Mansfeld
in
Heiermann/Riedl/Rusam,
12. Aufl., VOB/B § 13 Rn. 125; vgl. auch Senatsurteil vom 8. Dezember 2009
- XI ZR 181/08, WM 2010, 302 Rn. 28 zu einem Wandelungsanspruch). Ab diesem Zeitpunkt kann er vom Auftraggeber geltend gemacht und klageweise
durchgesetzt werden. Deswegen ist es entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung für die Entstehung dieses Geldanspruchs nicht erforderlich,
- 13 -
dass der endgültige Zahlungsanspruch oder ein Anspruch auf Vorschuss vom
Auftraggeber - teilweise - beziffert werden und damit Gegenstand einer Leistungsklage sein kann. Es genügt die Möglichkeit, Feststellungsklage zu erheben (BGH, Urteile vom 22. Februar 1979 - VII ZR 256/77, BGHZ 73, 363, 365,
vom 18. Dezember 1980 - VII ZR 41/80, BGHZ 79, 176, 178, vom 18. Juni 2009
- VII ZR 167/08, BGHZ 181, 310 Rn. 19 und vom 19. Juli 2010 - II ZR 57/09,
WM 2010, 1655 Rn. 8; vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., § 199 Rn. 3;
MünchKommBGB/Grothe, 6. Aufl., § 199 Rn. 4). Aus diesem Grund kommt es
auch nicht darauf an, ob - wie die Revisionserwiderung meint - der Kläger durch
einen vorrangigen Gewährleistungseinbehalt zunächst an der Erhebung einer
bezifferten Vorschussklage gehindert war.
22
dd) Das Entstehen der Bürgschaftsforderung hängt nicht davon ab, dass
die zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer getroffene Sicherungsabrede
eine Haftung des Bürgen vor Ausübung des Wahlrechts bzw. Bezifferung eines
Zahlungsanspruchs vorsieht (aA OLG Köln, WM 2006, 1248, 1249). Aus der
der Bürgschaftsbestellung zugrunde liegenden Sicherungsabrede ergibt sich
regelmäßig, in welchem Umfang die Bürgschaft vom Gläubiger in Anspruch genommen werden darf (vgl. auch BGH, Urteile vom 21. Januar 1993 - VII ZR
127/91, BGHZ 121, 168, 170 und vom 28. September 2000 - VII ZR 460/97,
WM 2000, 2373, 2374). Soweit der Gläubiger nach der Sicherungsabrede nicht
berechtigt ist, die vereinbarte Bürgschaft anzufordern, kann sich der Bürge aus
§ 768 Abs. 1 Satz 1 BGB auf eine entsprechende Einrede berufen (vgl. BGH,
Urteile vom 10. Februar 2000 - IX ZR 397/98, BGHZ 143, 381, 384 f. und vom
8. März 2001 - IX ZR 236/00, BGHZ 147, 99, 102). Danach beträfe der Einwand, der Gläubiger sei nach der konkreten Sicherungsabrede nicht berechtigt,
die Bürgschaft mit Entstehen der Hauptforderung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt anzufordern, hier jedenfalls nicht die Fälligkeit der Hauptforderung
und damit auch nicht den Bestand der Bürgschaftsverpflichtung (vgl. Münch-
- 14 -
KommBGB/Habersack, 5. Aufl., § 768 Rn. 2, 4). Ob der Bürge dem Auftraggeber aus der Sicherungsabrede eine solche zur Leistungsverweigerung berechtigende Einrede entgegenhalten kann, ist daher eine gegenüber der Anspruchsentstehung im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB nachgelagerte Frage
(vgl. May, BauR 2007, 187, 194 f.; Vogel, EWiR 2006, 295, 296).
23
d) Die von der Revisionserwiderung geforderte Anknüpfung des Beginns
der Verjährungsfrist für die Gewährleistungsbürgschaft an die Geltendmachung
eines bezifferten Zahlungsanspruchs durch den Auftraggeber widerspricht zudem dem Zweck der Verjährung der Bürgenverpflichtung.
24
aa) Das Rechtsinstitut der Verjährung dient dem Schutz des Schuldners
und der Herstellung des Rechtsfriedens nach Ablauf der Verjährungsfrist. Damit
ist es unvereinbar, den Beginn der Verjährungsfrist einseitig an eine Leistungsaufforderung des Gläubigers der Bürgschaftsforderung - hier ein Zahlungsverlangen des Auftraggebers an den Auftragnehmer - zu knüpfen, da es dieser
dann in der Hand hätte, den Verjährungsbeginn und die Notwendigkeit verjährungshemmender Maßnahmen weitgehend beliebig hinauszuzögern (vgl. dazu
BGH, Urteile vom 29. Januar 2008 - XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 24, vom
11. März 2008 - XI ZR 81/07, juris Rn. 11, vom 8. Juli 2008 - XI ZR 230/07, WM
2008, 1731 Rn. 28 und vom 18. Juni 2009 - VII ZR 167/08, BGHZ 181, 310
Rn. 15; siehe auch Bräuer, NZBau 2007, 477, 478).
25
bb) Die danach früher eintretende Notwendigkeit, die Verjährung hemmende Maßnahmen zu ergreifen, erhöht das Haftungsrisiko des Gewährleistungsbürgen nicht zwangsläufig (so aber Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 185;
Thode, WuB I E 4. - 3.06). Zur Hemmung der Verjährung genügt die Erhebung
einer unbezifferten Feststellungsklage. Wegen § 286 Abs. 1 und 4 BGB fällt die
Gefahr, der Bürge könnte frühzeitig in Verzug geraten (so Schlößer, NJW 2006,
- 15 -
645, 647 f.; Schulze-Hagen, BauR 2007, 170, 186), nicht ins Gewicht (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 2008 - XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 25;
Hohmann, WM 2004, 757, 760), zumal der Gläubiger Informationen zur Hauptschuld, die der Bürge mit zumutbaren Anstrengungen nicht erlangen kann, mitzuteilen hat (BGH, Urteil vom 10. Februar 2010 - VII ZR 53/10, WM 2011, 541
Rn. 16 f.). Einer frühzeitigen Inanspruchnahme zur Anspruchssicherung kann
der Gewährleistungsbürge schließlich dadurch entgehen, dass er - wie im
Streitfall die Beklagte - für einen bestimmten Zeitraum auf die Erhebung der
Verjährungseinrede verzichtet.
26
cc) Der Hinweis der Revisionserwiderung, damit könne die nach der
Schuldrechtsreform der dreijährigen Regelverjährung unterliegende Bürgschaftsforderung vor den gesicherten Gewährleistungsansprüchen verjähren,
trifft zwar zu. Dies beruht jedoch auf dem getrennten Schicksal beider Forderungen und stellt weder eine spezifische Folge des Verjährungsbeginns von
Bürgschaftsforderungen mit Fälligkeit der gesicherten Forderung noch eine Besonderheit des Werkvertragsrechts dar (vgl. Senatsurteil vom 23. September
2008 - XI ZR 395/07, WM 2008, 2165 Rn. 10). Ebenso beruht auf gesetzgeberischer Entscheidung, dass der Auftraggeber Unterschiede in den Verjährungsfristen dazu nutzen kann, die Fälligkeit der Bürgschaftsverpflichtung durch die
späte Geltendmachung von Gewährleistungsrechten zu verzögern (vgl.
Schmitz/Vogel, ZfIR 2002, 509, 519 f.). Zu verschiedenen Zeitpunkten ablaufende Verjährungsfristen von Hauptforderung und Bürgschaft werden in § 768
BGB hingenommen und liefern keine Rechtfertigung, die Verjährung der Bürgenhaftung dadurch zu erschweren, dass erst die Geltendmachung eines dem
Auftraggeber gegen den Auftragnehmer zustehenden Geldanspruchs zur Entstehung der gesicherten Hauptforderung und damit zum Beginn der Verjährungsfrist führen soll (vgl. auch Trapp/Werner, BauR 2008, 1209, 1213 f.).
- 16 -
27
4. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ergibt sich aus
dem von den Parteien geschlossenen Bürgschaftsvertrag nichts anderes. Dieser kann vom Revisionsgericht ausgelegt werden, weil weitere tatsächliche
Feststellungen nicht erforderlich sind und dadurch der Rechtsstreit zu einer abschließenden Entscheidung geführt wird (vgl. BGH, Urteile vom 21. September
1994 - XII ZR 77/93, BGHZ 127, 138, 142 und vom 8. Juli 2008 - XI ZR 230/07,
WM 2008, 1731 Rn. 25; jeweils mwN). Zudem handelt es sich bei der Bürgschaftsurkunde um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305
Abs. 1 BGB, die über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung
finden und die der Senat deshalb selbst auslegen kann (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 28 mwN).
28
a) Den Parteien des Bürgschaftsvertrags steht es frei, statt des Entstehens der Hauptforderung deren Geltendmachung als Fälligkeitsvoraussetzung
der Bürgschaft zu vereinbaren (Senatsurteile vom 29. Januar 2008 - XI ZR
160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 25, vom 11. März 2008 - XI ZR 81/07, juris Rn. 12
und vom 8. Juli 2008 - XI ZR 230/07, WM 2008, 1731 Rn. 24 ff.; vgl. auch BGH,
Urteil vom 18. Dezember 1980 - VII ZR 41/80, BGHZ 79, 176, 178 f.). Eine solche Vereinbarung haben die Parteien weder ausdrücklich noch in schlüssiger
Weise getroffen. Der Wortlaut der formularmäßigen Bürgschaftsurkunde vom
16. Oktober 2001 liefert dafür keinen Anhalt.
29
b) Eine von den gesetzlichen Regelungen abweichende Vereinbarung
der Parteien zur Fälligkeit der Bürgschaft ergibt sich auch nicht aus einer ergänzenden Vertragsauslegung. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist durch die im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung erfolgte Neugestaltung der Verjährungsregelung keine verdeckte Regelungslücke entstanden,
die die Parteien zwar nicht erkannt haben, die sie aber geschlossen hätten,
wenn ihnen die Lücke bekannt gewesen wäre (vgl. BGH, Urteile vom
- 17 -
21. September 1994 - XII ZR 77/93, BGHZ 127, 138, 142 und vom 24. November 1998 - X ZR 21/97, NJW-RR 1999, 923, 924; jeweils mwN). Vielmehr sind
die Folgen der neuen Verjährungsvorschriften für bestehende Rechtsverhältnisse in Übergangsvorschriften detailliert geregelt (vgl. Art. 229 § 6 EGBGB).
30
Ebenso rechtfertigt der fehlende Gleichlauf zwischen der Verjährungsfrist
der Gewährleistungsansprüche, die die Parteien mit 60 Monaten vereinbart haben, und der dreijährigen Regelverjährung nach § 195 BGB, die für die Bürgschaftsverpflichtung gilt, keine ergänzende Vertragsauslegung (vgl. Schulze/
Hagen in Kniffka u.a., ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht 2012, Stand:
30.03.2012, § 634a BGB Rn. 262; aA OLG Karlsruhe, WM 2008, 631; Joussen
in Ingenstau/Korbion, VOB, 17. Aufl., VOB/B § 17 Abs. 4 Rn. 107). Auch in Fällen, in denen die Verjährungsfrist der gesicherten Schuld über die regelmäßige
Verjährungsfrist von drei Jahren hinausreicht, hat der Bürgschaftsgläubiger ausreichend Gelegenheit, verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen (vgl.
OLG Frankfurt/Main, OLGR Frankfurt 2008, 573, 574; OLG Brandenburg, Urteil
vom 14. Juni 2007 - 12 U 216/06, juris Rn. 37 ff.). Dies belastet ihn nicht unbillig, da er im Einzelfall zusätzlich durch den nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hinausgeschobenen Fristbeginn geschützt wird (Senatsurteil vom 28. Februar
2012 - XI ZR 192/11, WM 2012, 688 Rn. 18 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom
18. Juni 2009 - VII ZR 167/08, BGHZ 181, 310 Rn. 17).
31
5. Danach entstand die gegen die Beklagte gerichtete Bürgschaftsforderung des Klägers mit Ablauf der in dem Aufforderungsschreiben vom 29. Oktober 2003 gegenüber dem Insolvenzverwalter der Hauptschuldnerin gesetzten
Nachbesserungsfrist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) lagen zu diesem Zeitpunkt ebenfalls vor, da der Kläger Kenntnis von der Beklagten als Schuldnerin
der Bürgschaftsverpflichtung und ebenso von den Umständen hatte, die sowohl
- 18 -
die Fälligkeit des auf Geld gerichteten Gewährleistungsanspruchs als auch der
Bürgschaftsverpflichtung begründeten. Nach dem unstreitigen Sachverhalt waren ihm insbesondere die Mängel der Fassade bekannt. Er hatte zur Ursachenklärung noch vor dem an die Auftragnehmerin gerichteten Aufforderungsschreiben ein Sachverständigengutachten eingeholt. Damit war der Kläger
- anders als die Revisionserwiderung meint - auch zur ordnungsgemäßen Geltendmachung dieses Baumangels in einem Klageverfahren in der Lage, da dies
keine vorprozessuale Klärung der Mangelursachen erfordert, sondern eine objektive Beschreibung der Mangelerscheinungen ausreicht (vgl. BGH, Beschluss
vom 24. November 2005 - VII ZB 76/05, NJW-RR 2006, 212 Rn. 18; BGH, Urteil vom 17. Januar 2002 - VII ZR 488/00, NZBau 2002, 335, 336).
32
Nichts anderes würden gelten, wenn - wovon das Berufungsgericht nicht
ausgeht - in der Klageforderung Ansprüche auf Schadensersatz enthalten sein
sollten, da diese vor der Fristsetzung zur Nachbesserung mit Eintritt des Schadens an der Fassade im Sommer und Herbst 2003 entstanden wären.
III.
33
Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als
richtig (§ 561 ZPO). Anders als die Revisionserwiderung meint, war es dem
Kläger nicht unzumutbar, in unverjährter Zeit die Verjährung hemmende Maßnahmen einzuleiten.
34
1. Der Verjährungsbeginn setzt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen voraus.
Es ist nicht erforderlich, dass der Anspruchsberechtigte aus den ihm bekannten
Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Kenntnis liegt damit vor,
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wenn dem Forderungsinhaber die Erhebung einer Klage, sei es auch nur in der
Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos
möglich ist (BGH, Urteile vom 6. Mai 1993 - III ZR 2/92, BGHZ 122, 317, 324 f.,
vom 2. April 1998 - III ZR 309/96, BGHZ 138, 247, 252, vom 11. Januar 2007
- III ZR 302/05, BGHZ 170, 260 Rn. 28, vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM
2008, 1346 Rn. 27 und vom 23. September 2008 - XI ZR 262/07, WM 2008,
2155 Rn. 15).
35
Rechtsunkenntnis kann allerdings ausnahmsweise bei zweifelhafter oder
unübersichtlicher Rechtslage den Verjährungsbeginn hinausschieben (BGH,
Urteile vom 25. Februar 1999 - IX ZR 30/98, WM 1999, 974, 975, vom 14. Juli
2010 - IV ZR 208/09, WM 2010, 1708 Rn. 20, vom 23. September 2008 - XI ZR
262/07, WM 2008, 2155 Rn. 15 und vom 15. Juni 2010 - XI ZR 309/09, WM
2010, 1399 Rn. 12). Ob eine für den Beginn der Verjährung hinreichende
Kenntnis vorhanden ist, ist zwar im Wesentlichen eine Tatfrage, wird aber auch
durch den der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegenden Begriff der
Zumutbarkeit der Klageerhebung geprägt (BGH, Urteile vom 6. Mai 1993
- III ZR 2/92, BGHZ 122, 317, 326, vom 2. April 1998 - III ZR 309/96, BGHZ
138, 247, 253, vom 23. September 2008 - XI ZR 262/07, WM 2008, 2155
Rn. 17 und vom 15. Juni 2010 - XI ZR 309/09, WM 2010, 1399 Rn. 13).
36
2. Nach diesen Grundsätzen waren mit Ablauf der vom Kläger für die
Nachbesserung gesetzten Frist die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erfüllt. Das Berufungsgericht hat
dazu auf Grundlage seiner Auffassung konsequent keine Feststellungen getroffen. Nach Auffassung des Senats war es dem Kläger nicht unzumutbar, binnen
der nachfolgenden drei Kalenderjahre die Verjährung hemmende Maßnahmen
zu ergreifen.
- 20 -
37
a) Es trifft zwar zu, dass bis zum Urteil des erkennenden Senats vom
29. Januar 2008 (XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 22 ff.) umstritten war, ob
der Anspruch aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft mit Fälligkeit der gesicherten Forderung oder erst nach einer zusätzlichen Leistungsaufforderung
des Gläubigers entsteht. Dasselbe gilt, wie oben näher dargestellt, für die hier
entschiedene Frage, ob eine Bürgschaft, die einen auf Geld gerichteten Gewährleistungsanspruch nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B sichert, erst mit dessen
Geltendmachung entsteht. Jedoch war es dem Kläger wegen dieser Rechtsunsicherheit nicht unzumutbar, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, die die Verjährung gehemmt hätten. Anders als in Fällen, in denen die umstrittene Rechtsfrage die Person des richtigen Anspruchsgegners (vgl. BGH, Urteil vom
25. Februar 1999 - IX ZR 30/98, WM 1999, 974, 975; vgl. dazu auch Bitter/
Alles, NJW 2011, 2081, 2083 f.) oder das Bestehen eines Anspruchs betrifft
(vgl. Senatsurteile vom 23. September 2008 - XI ZR 262/07, WM 2008, 2155
Rn. 19 und vom 7. Dezember 2010 - XI ZR 348/09, NJW 2011, 1278 Rn. 21),
musste der Kläger nicht zwischen sich gegenseitig ausschließenden Wegen der
Rechtsverfolgung wählen und war damit auch nicht zwangsläufig mit einem
- möglicherweise unzumutbaren - Kostenrisiko belastet. Denn aus Sicht des
Klägers war nach dem Meinungsstreit in Rechtsprechung und Literatur lediglich
unsicher, ob er die Verjährung hemmende Maßnahmen bereits innerhalb von
drei auf die Fristsetzung zur Nachbesserung folgenden Kalenderjahren ergreifen musste oder den Beginn der Verjährungsfrist dadurch hinausschieben konnte, dass er von einer - bezifferten - Geltendmachung seiner Ansprüche zunächst absah. In jedem Fall stand ihm danach der Weg offen, in den ersten drei
Kalenderjahren nach Fristsetzung durch Inanspruchnahme der Beklagten als
Bürgin eine Hemmung der Verjährung herbeizuführen. Dass ihm dies aus besonderen Gründen unzumutbar gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
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38
b) Dass ein Oberlandesgericht (OLG Köln, WM 2006, 1248, 1249 f.) in
einer vergleichbaren Fallgestaltung die vorsorglich von einem Auftraggeber gegen den Gewährleistungsbürgen erhobene Feststellungsklage mangels Rechtsschutzbedürfnis abgewiesen hat, beruht auf dem hinzunehmenden allgemeinen
Risiko, dass die Rechtslage in den Tatsacheninstanzen unterschiedlich gesehen wird (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2008 - III ZR 132/08, WM 2009,
566 Rn. 14). Ohnehin hätte der Kläger die Hemmung der Verjährung ebenso
durch eine Klage gegen die Bürgin auf Vorschuss für die Ersatzvornahme zur
Mangelbeseitigung oder auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten herbeiführen
können.
39
c) Nach Ablauf der Frist zur Nachbesserung stand für den Kläger nicht
infrage, dass er die Verjährung seiner Bürgschaftsansprüche jedenfalls durch
Klageerhebung in den ersten drei Kalenderjahren nach Fristsetzung zur Mangelbeseitigung hemmen konnte. Wenn der Kläger diesen unabhängig vom vorliegenden Meinungsstreit in Rechtsprechung und Literatur eröffneten Weg nicht
einschlägt, um vermeintliche andere Rechte zu wahren oder wirtschaftliche Vorteile zu nutzen, so hindert dies den Verjährungsbeginn nicht (vgl. Senat, Urteil
vom 20. Januar 2009 - XI ZR 504/07, WM 2009, 506 Rn. 49).
- 22 -
IV.
40
Das angefochtene Urteil war demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
Da keine weiteren Feststellungen zu treffen waren, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Berufung des Klägers gegen das landgerichtliche Urteil zurückweisen.
Joeres
Grüneberg
Pamp
Maihold
Menges
Vorinstanzen:
LG Wiesbaden, Entscheidung vom 05.02.2010 - 10 O 67/09 OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 04.01.2011 - 8 U 47/10 -