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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X ZR 82/02
vom
7. Januar 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
ja
ZPO § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Ob eine Rechtsfrage, deren Beantwortung die gegen eine Nichtzulassung der
Revision beschwerdeführende Partei für grundsätzlich hält, entscheidungserheblich ist, kann der Bundesgerichtshof im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nur auf der Grundlage der Erkenntnisse beurteilen, die ihm in diesem Verfahrensabschnitt zulässigerweise hierzu zur Verfügung stehen.
BGH, Beschl. v. 7. Januar 2003 - X ZR 82/02 - OLG Hamm
LG Münster
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis, die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin
Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck
am 7. Januar 2003
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem am
22. Januar 2002 verkündeten Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das
Beschwerdeverfahren
beträgt
1.032.075,70
Gründe:
I. Die Klägerin nimmt den beklagten Landschaftsverband auf Schadensersatz in Anspruch, weil er 1998 einen im Namen und für Rechnung der Bundesrepublik Deutschland als Auftraggeberin zu vergebenden und vergebenen
Auftrag auf Anweisung des Bundesministeriums für Verkehr nicht ihr, sondern
einem anderen Bieter erteilte. Die Klage und die Berufung der Klägerin sind
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erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch
gegenüber dem Beklagten wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten bei der
Ausschreibung (c.i.c.) verneint, weil der Beklagte nicht der öffentliche Auftraggeber habe sein sollen und er auch weder am Vertragsschluß ein unmittelbares
eigenes wirtschaftliches Interesse gehabt, noch die Vertragsverhandlungen
durch Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens beeinflußt
habe, wie es die Rechtsprechung für eine persönliche Haftung eines Vertreters
oder eines Verhandlungsgehilfen verlange. Auch einen deliktischen Schadensersatzanspruch hat das Berufungsgericht verneint, und zwar, weil der nicht
durch ein Organ des Beklagten ausgesprochene Zuschlag nicht auf einer eigenen Entscheidung von Mitarbeitern des Beklagten, sondern auf einer den Beklagten bindenden Weisung des Bundesverkehrsministeriums beruht habe und
daher nach § 831 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung
(a.F.) eine Haftung des Beklagten ausscheide. Das Berufungsgericht hat deshalb die in der Instanz streitig erörterte Frage offengelassen, ob der mit der
Klage gerügte Verstoß gegen vor dem 1. Januar 1999 zu beachtende Vergaberegeln überhaupt ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB a.F. betreffe, und die wegen dieser Rechtsfrage angeregte Zulassung der Revision
nicht ausgesprochen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Sie macht eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Sache geltend, die gegeben sei, weil das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, an
einer deliktischen Haftung des Beklagten fehle es jedenfalls wegen §§ 831, 89
BGB a.F.. Nach näher angegebenem tatsächlichen Vorbringen der Parteien in
den Tatsacheninstanzen, das vom Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt worden sei, könne der Entlastungsbeweis nach § 831 BGB a.F. nicht
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als erbracht angesehen werden. Deshalb stelle sich die Frage nach dem
Schutzgesetzcharakter von vor dem 1. Januar 1999 geltenden Vergabevorschriften, die in Rechtsprechung und Literatur umstritten, aber höchstrichterlich
nicht entschieden sei und höchstrichterlicher Klärung bedürfe, weil sie in einer
Vielzahl von Fällen entscheidende Bedeutung erlangen könne.
II. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. a) Im Rahmen dieses Rechtsmittels prüft der Bundesgerichtshof nur
den dargelegten Zulassungsgrund (BGH, Beschl. v. 23.07.2002 - VI ZR 91/02,
NJW 2002, 3334). Da hinsichtlich der Auffassung des Berufungsgerichts, der
geltend gemachte Schadensersatzanspruch bestehe - soweit er auf unerlaubte
Handlung (§ 823 Abs. 2 BGB a.F.) gestützt sei - deshalb nicht, weil die Voraussetzungen der haftungsrechtlichen Zuordnung nach den §§ 89, 831 BGB
a.F. nicht gegeben seien, ein Zulassungsgrund nicht dargelegt ist, hat der Senat im vorliegenden Verfahren hiervon auszugehen.
b) Dann aber besteht wegen der Frage, ob bis zum Inkrafttreten der
Neuregelung des Vergaberechts im GWB am 1. Januar 1999 zu beachtende
Vergaberechtsregeln Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB a.F. waren, eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht. Grundsätzliche
Bedeutung kann einer Sache zukommen, wenn sie Rechtsfragen aufwirft, die in
einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten können, oder wenn andere
Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit deren Interessen in besonderem Maße berühren (BGH, Beschl. v. 01.10.2002 - XI ZR 71/02, ZIP
2002, 2148). Voraussetzung ist dabei nicht allein, daß eine klärungsbedürftige
Frage dieser Art überhaupt besteht (vgl. May, Die Revision, IV Rdn. 63); sie
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muß auch in dem anhängigen Rechtsstreit zu entscheiden sein (vgl. Zöller/
Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 543 Rdn. 11 m.w.N.), sie muß mit anderen Worten
entscheidungserheblich sein (Wenzel, NJW 2002, 3353, 3354. Denn auch
ein Revisionsgericht hat nicht die Aufgabe, abstrakte Rechtsfragen zu beantworten; auch ein Revisionsgericht kann nur wegen einer Streitfrage angerufen
werden, die sich im konkreten Rechtsstreit stellt. Der darin zum Ausdruck
kommende Grundsatz, daß sich wegen einer Rechtsfrage, deren abschließende Beantwortung durch eine übergeordnete Instanz zur Beseitigung bestehender Zweifel im Interesse der Rechtssicherheit liegen kann, diese Instanz mit
dem zugrundeliegenden Rechtsstreit sachlich nur zu befassen hat, wenn die
Beantwortung der Rechtsfrage im Hinblick auf die Entscheidung in diesem
Rechtsstreit notwendig ist, liegt auch der Rechtsprechung zur Zulässigkeit der
Anrufung des Großen Senats und der Vereinigten Großen Senate zugrunde.
Insoweit ist anerkannt, daß es auf die Rechtserheblichkeit der streitigen (vorgelegten) Rechtsfrage ankommt (BGH Vereinigte Große Senate, Beschl. v.
05.05.1994 - VGS 1-4/93, BGHZ 126, 63).
c) Ob eine Rechtsfrage, deren Beantwortung die gegen eine Nichtzulassung der Revision beschwerdeführende Partei für grundsätzlich hält, entscheidungserheblich ist, kann der Bundesgerichtshof im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nur auf der Grundlage der Erkenntnisse beurteilen, die ihm in diesem Verfahrensabschnitt zulässigerweise hierzu zur Verfügung stehen. Da der
Senat im derzeitigen Verfahrensstand - wie ausgeführt - davon auszugehen
hat, daß die Klage ohnehin abzuweisen ist, geht diese Erkenntnis hier jedoch
dahin, daß sich die als grundsätzlich angesehene Frage im vorliegenden Fall
nicht stellt.
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d) Hiernach reicht es für die Annahme grundsätzlicher Bedeutung einer
Rechtssache durch den Bundesgerichtshof nicht aus, daß im Falle der Zulassung der Revision wegen der in diesem Falle weiterreichenden Überprüfungsmöglichkeiten eine Rechtsfrage durchaus noch entscheidungserhebliche Bedeutung erlangen kann, die in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten oder deren Beantwortung wegen anderer Auswirkungen des Rechtsstreits
auf die Allgemeinheit deren Interessen in besonderem Maße berühren kann.
An dieser Auslegung von § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist der Senat nicht durch frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehindert, wonach eine Rechtssache auch dann grundsätzliche Bedeutung haben kann, wenn das Berufungsgericht die Rechtsfrage, deren Bedeutung über den Einzelfall hinausgeht und
deren Klärung im Interesse der Rechtseinheit und der Rechtsfortbildung für
wünschenswert erachtet wird, nicht zum Nachteil der aus anderen Gründen
unterlegenen Partei entschieden hat, wenn also die unterlegene Partei durch
die Behandlung dieser besonderen Rechtsfrage in der Begründung des angefochtenen Urteils nicht beschwert ist (BGH, Urt. v. 26.10.1953 - I ZR 114/52,
NJW 1954, 110). Denn diese Rechtsprechung betraf die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht, die hier nicht vorliegt und an die der Senat
nach § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO gebunden wäre. Es kann deshalb hier auch dahinstehen, ob für den seit dem 1. Januar 2002 geltenden Rechtszustand dieser
Rechtsprechung beigetreten werden könnte, insbesondere vor dem Hintergrund, daß es ein Anliegen der ZPO-Reform ist, die Letztentscheidungskompetenz grundsätzlich den Berufungsgerichten zuzuweisen und die Rechtskontrolle, die der Bundesgerichtshof als Revisionsgericht zu leisten hat, auf die
Fälle zu konzentrieren, in denen dies unbedingt nötig erscheint.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Melullis
Jestaedt
Mühlens
Scharen
Meier-Beck