Cyberlaywer/build/tfgpu-cyberlaywer/EndDokumente/viii_zr_360-11.pdf.txt

112 lines
6.5 KiB
Text
Raw Normal View History

2023-03-06 15:36:57 +01:00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZR 360/11
vom
16. Oktober 2012
in dem Rechtsstreit
-2-
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Oktober 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Hessel
und die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider
beschlossen:
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe:
I.
1
Der Beklagte war Mieter einer Wohnung der Klägerin in B.
S.
.
Neben der Kaltmiete von 166 € monatlich war ein Nebenkostenvorschuss vereinbart, der sich bis August 2009 auf monatlich 89 € zuzüglich 45 € für Heizung
und Warmwasser belief, so dass monatlich insgesamt 300 € zu zahlen waren
und vom Beklagten die gesamte Mietzeit über auch bezahlt wurden. Ab September 2009 erhöhte die Klägerin aufgrund einer zuvor erteilten und mit einer
Nebenkostennachzahlung endenden Jahresabrechnung für 2008 den zu zahlenden Heizkostenvorschuss um 20 € monatlich. Ferner erhöhte sie für die Zeit
ab Oktober 2010 die Nebenkostenvorauszahlungen um weitere 5 €. Der Beklagte hielt die Erhöhungen für unberechtigt und zahlte sie trotz Abmahnung
nicht.
2
Am 6. Oktober 2010 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis fristlos,
nachdem der Beklagte die Miete für Oktober 2010 bis zu diesem Tage nicht
gezahlt hatte. Hierbei stützte sie sich neben dem Rückstand mit der Miete für
Oktober, die erst am Folgetag bei der Klägerin einging, unter anderem auf die
seit September 2009 nicht gezahlten Erhöhungsbeträge der Heizkostenvoraus-
-3-
zahlungen. Das Amtsgericht hat der in der Hauptsache auf Räumung der Wohnung gerichteten Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage auch
unter Berücksichtigung einer während des Berufungsverfahrens ausgesprochenen weiteren Kündigung abgewiesen. Im Revisionsverfahren haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt,
nachdem der Beklagte inzwischen das Mietverhältnis seinerseits gekündigt und
die Mietwohnung geräumt hatte.
II.
3
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist nur noch über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch
Beschluss zu entscheiden (§ 91a Abs. 1 ZPO). Danach sind die Kosten des
Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben. Zwar wäre das Urteil des Berufungsgerichts auf die zulässige Revision der Klägerin voraussichtlich aufgehoben
worden. Ob die Klägerin bei streitiger Fortsetzung des Rechtsstreits mit ihrem
Räumungsbegehren (§ 546 Abs. 1 BGB) aber auch in einem wiedereröffneten
Berufungsverfahren obsiegt hätte, ist offen.
4
1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Beklagte seit
September 2009 zur Zahlung der erhöhten Nebenkostenvorauszahlungen verpflichtet gewesen sei. Es hat die dadurch bedingten Zahlungsrückstände aber
gleichwohl bei der Berechnung des für eine außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, § 569
Abs. 3 Nr. 1 BGB erforderlichen Rückstands außer Betracht gelassen. Denn es
hat § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB für anwendbar erachtet und gemeint, dass ein Vermieter bei einer einseitigen Betriebskostenerhöhung, die der Mieter für unberechtigt halte, auf die Nichtzahlung der Erhöhungsbeträge eine Kündigung erst
-4-
dann stützen könne, wenn er den Mieter erfolgreich auf Zahlung verklagt und
dieser binnen zwei Monaten nach rechtskräftiger Verurteilung nicht gezahlt habe. Dem hätte nicht gefolgt werden können.
5
Der Senat hat die Anwendbarkeit des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB auf eine
Fallgestaltung, die - wie hier - dadurch gekennzeichnet ist, dass bei Kündigungsausspruch eine Zahlungsklage nicht erhoben war, mittlerweile in seinem
Urteil vom 18. Juli 2012 (VIII ZR 1/11, WuM 2012, 497 Rn. 18 ff.) verneint, weil
bei einer Erhöhung von Betriebskostenvorauszahlungen (§ 560 Abs. 4 BGB) die
Schutzwirkung des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB sich nur auf die während eines Klageverfahrens aufgelaufenen Erhöhungsbeträge, nicht jedoch auf diejenigen aus
der Zeit vor Erhebung einer Zahlungsklage erstreckt und deshalb auch nicht für
Kündigungen einschlägig ist, die ohne vorausgegangene Zahlungsklage ausgesprochen werden. Danach hätte sich der Beklagte im Falle einer wirksamen
Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlungen bei Ausspruch der Kündigung vom
6. Oktober 2010 neben der gesamten Miete für Oktober 2010 auch mit dem
Erhöhungsbetrag für den Vormonat in Verzug befunden, so dass der in § 543
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB für eine erfolgreiche
Kündigung aus wichtigem Grund erforderliche Betrag von mehr als einer Monatsmiete zu diesem Zeitpunkt überschritten gewesen wäre.
6
2. Gleichwohl wäre der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif gewesen. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils ebenfalls entschieden
hat (zuletzt Senatsurteil vom 18. Juli 2012 - VIII ZR 1/11, aaO Rn. 21 mwN),
setzt eine Kündigung aus wichtigem Grund, die darauf gestützt ist, dass der
Mieter erhöhte Nebenkostenvorauszahlungen nicht geleistet hat, die Feststellung voraus, dass die zugrunde liegende Anpassung der Vorauszahlungen
(§ 560 Abs. 4 BGB) auf einer auch inhaltlich korrekten Abrechnung beruht hat.
Insoweit ist das Berufungsgericht zwar der Entscheidung des Amtsgerichts bei-
-5-
getreten, das keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Erhöhung der Nebenkosten gehabt und keine Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der vorgenommenen Erhöhungen gesehen hat. Dabei hat das Berufungsgericht jedoch übersehen, dass der Beklagte - worauf auch die Revisionserwiderung hinweist - jedenfalls im Berufungsrechtszug die Rechtmäßigkeit der den Erhöhungen zu
Grunde liegenden Betriebskostenabrechnungen unter Hinweis auf vorprozessual erhobene Beanstandungen bestritten hatte. Das Berufungsgericht hätte
deshalb - was dem Senat verschlossen gewesen wäre (vgl. BGH, Urteile vom
22. Mai 2012 - II ZR 233/10, WM 2012, 1620 Rn. 25; vom 22. Februar 2006
- IV ZR 56/05, BGHZ 166, 227 Rn. 12) - im wiedereröffneten Berufungsrechtszug die Berücksichtigungsfähigkeit des übergangenen Vorbringens am Maßstab des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO prüfen und sich bejahendenfalls sachlich mit den dann möglicherweise noch näher aufzuklärenden Beanstandungen
des Beklagten auseinander setzen müssen. Welchen Ausgang dies genommen
hätte, lässt sich nicht absehen.
Ball
Dr. Frellesen
Dr. Achilles
Dr. Hessel
Dr. Schneider
Vorinstanzen:
AG Herzberg am Harz, Entscheidung vom 01.03.2011 - 4 C 495/10 LG Göttingen, Entscheidung vom 23.11.2011 - 5 S 18/11 -