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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 124/03
Verkündet am:
3. März 2004
Kirchgeßner,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
MiethöheRegG § 2;
BGB § 242 Cd
Zur Frage, ob ein Mieterhöhungsverfahren allein gegen den in der gemeinsam angemieteten Wohnung verbleibenden Mieter durchgeführt werden kann, wenn der aus
der Wohnung ausgezogene Ehegatte mit dem Vermieter seine Entlassung aus dem
Mietverhältnis vereinbart hat und nur der andere Ehegatte seitdem die Wohnung
nutzt und die Miete zahlt.
BGH, Urteil vom 3. März 2004 - VIII ZR 124/03 - LG Krefeld
AG Kempen
-2-
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. März 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter
Dr. Beyer, Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Wolst
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer
des Landgerichts Krefeld vom 26. März 2003 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Zustimmung zu einer Mieterhöhung.
Der Beklagte und seine frühere Ehefrau mieteten von der verstorbenen
Rechtsvorgängerin der Klägerin im Jahre 1992 eine Wohnung in K.
zu
einem Mietzins von 500,- DM zuzüglich Betriebskostenvorauszahlung. Nachdem die Eheleute sich getrennt hatten, zog die Ehefrau des Beklagten aus der
gemeinsam bewohnten Wohnung aus und kündigte das Mietverhältnis mit
Schreiben vom 11. Oktober 1995. Zudem vereinbarte sie mit der Klägerin, daß
das Mietverhältnis zwischen ihnen beendet sei. Der Beklagte bewohnte die
-3-
Mietwohnung im folgenden allein und zahlte die Miete. Die Ehe wurde im Jahre
2001 geschieden.
Mit Schreiben vom 28. April 1998, das allein an den Beklagten gerichtet
war, verlangte die Klägerin von dem Beklagten die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete auf 620,- DM zuzüglich Betriebskostenvorauszahlung ab 1. Juli
1998. Der Beklagte erteilte die Zustimmung nicht.
Das Amtsgericht hat der fristgemäß erhobenen Klage auf Zustimmung
zur Erhöhung des Mietzinses von 500,- DM (255,65 €) auf 620,- DM (317,- €) in
Höhe eines Betrags von monatlich 49,08 € auf 304,73 € ab dem 1. Juli 1998
stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung des Beklagten durch Versäumnisurteil zurückgewiesen und das Versäumnisurteil sodann aufrechterhalten. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte
seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Mieterhöhungsklage sei zulässig, da auf Beklagtenseite keine notwendige Streitgenossenschaft bestehe. Die Ehefrau des Beklagten sei im Zeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens bereits aus dem Mietverhältnis entlassen
gewesen. Hierzu habe es einer Zustimmung des Beklagten nicht bedurft. Der
Grundsatz der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses stehe dem nicht entgegen;
er sei kein Selbstzweck. Eine Aufspaltung des Mietverhältnisses müsse nur
dann verhindert werden, wenn einem der daran Beteiligten (wirtschaftliche oder
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rechtliche) Nachteile aus dem Ausscheiden eines anderen Beteiligten erwachsen könnten; es sei in jedem Einzelfalle zu untersuchen, ob und gegebenenfalls
welche Interessen einer Mietvertragspartei durch das Ausscheiden einer anderen Vertragspartei betroffen seien.
Im vorliegenden Falle habe keiner der Beteiligten ein schützenswertes
Interesse daran, daß die frühere Ehefrau des Beklagten formell in der Mieterstellung verbleibe. Die Klägerin habe durch die Entlassungserklärung auf die
Geltendmachung ihres an sich schützenswerten Interesses an einem weiteren
Schuldner verzichtet. Der Beklagte seinerseits habe keinen wirtschaftlichen
Vorteil, da ihm ein Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB gegen seine
frühere Ehefrau nicht zustehe, nachdem er die gemietete Ehewohnung mehr
als drei Jahre lang allein bewohnt habe.
Die Klage sei auch begründet. Das Mieterhöhungsverlangen sei dem
Beklagten innerhalb der Frist des § 2 Abs. 4 MHG zugegangen, wie die erstinstanzliche Beweisaufnahme ergeben habe; soweit der Beklagte den Zugang
weiterhin bestreite, erschüttere dies den erbrachten Beweis nicht.
II.
Dies hält der rechtlichen Überprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen.
1. Zutreffend geht die Revision davon aus, daß ein Mieterhöhungsverfahren, das vorliegend den Voraussetzungen des § 2 MHG unterliegt, da das Mieterhöhungsverlangen vom 28. April 1998 vor dem 1. September 2001 zugegangen ist (Art. 229 § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB), nicht gegen einen von mehreren
Mietern allein durchgeführt werden kann. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 MHG ist der
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Zustimmungsanspruch nach Absatz 1 "dem Mieter" gegenüber geltend zu machen. Hat eine Personenmehrheit eine Sache gemietet, sind gegenüber dem
Mieter abzugebende Erklärungen an alle Mitmieter zu richten; dies folgt aus der
Einheitlichkeit des Mietverhältnisses und daraus, daß alle Mitmieter gemeinschaftlich die Mieterseite des bestehenden Mietverhältnisses bilden (Senat,
Rechtsentscheid vom 10. September 1997, BGHZ 136, 314, 323 betreffend § 2
MHG; vgl. auch Senatsurteil BGHZ 144, 370, 379 betreffend die Kündigung eines Leasingvertrags). Erhebt der Vermieter Klage auf Zustimmung zu einer Erhöhung des Mietzinses bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete, ist ein Fall der
notwendigen Streitgenossenschaft nach § 62 Abs. 1, 2. Alt. ZPO gegeben,
wenn mehrere Personen Mieter sind, da diese die Zustimmung nur gemeinschaftlich erteilen können (KG, NJW-RR 1986, 439, 440; Fischer in Bub/Treier,
Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., VIII Rdnr. 56; Sternel,
Mietrecht, 3. Aufl., I Rdnr. 15; Palandt/Weidenkaff, BGB, 63. Aufl., § 558 b
Rdnr. 7; Staudinger/Emmerich (2003), § 558 a Rdnr. 6; Stein/Jonas/Bork, ZPO,
21. Aufl., § 62 Rdnr. 20). Die nur gegen einen Streitgenossen erhobene Klage
ist grundsätzlich als unzulässig abzuweisen (BGHZ 36, 187, 191; BGHZ 92,
351, 353; BGH, Urteil vom 26. Oktober 1990 - V ZR 105/89, NJW-RR 1991, 333
= WM 1991, 239 unter II 1 b; Bork, aaO, Rdnr. 25 m.w.Nachw.). Hiervon ist
auch das Berufungsgericht ausgegangen.
2. Es kann offenbleiben, ob die frühere Ehefrau des Beklagten wirksam
aus dem Mietverhältnis entlassen wurde, wie das Landgericht angenommen
hat. Die Revision bleibt ohne Erfolg, da dem Beklagten gegenüber dem Mieterhöhungsverlangen der Klägerin die Berufung darauf verwehrt ist, er sei nicht
Alleinmieter der Wohnung (§ 242 BGB).
a) Nach überwiegender Auffassung, die die Revision sich zu eigen
macht, bedarf ein zwischen Vermieter und einem Mitmieter geschlossener Auf-
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hebungsvertrag zu seiner Wirksamkeit auch der Zustimmung des in der Wohnung verbleibenden Mieters (BayObLG, WuM 1983, 107, 108; OLG Koblenz,
NJW 1984, 244; LG Heidelberg, WuM 1993, 342; Blank in Schmidt-Futterer,
Mietrecht, 8. Aufl., Vor § 535 Rdnr. 230; Börstinghaus in Schmidt-Futterer, aaO,
Vor
§ 558
Rdnr. 48;
MünchKommBGB/Voelskow,
3. Aufl.,
§§ 535,
536
Rdnr. 12; Staudinger/Emmerich, aaO, Vorbem zu § 535 Rdnr. 79, 87, vgl. andererseits
jedoch
aaO,
§ 558 a
Rdnr. 7;
Sternel,
aaO,
III
Rdnr.
338;
Palandt/Heinrichs, aaO, § 311 Rdnr. 7). Tatsachen, die darauf schließen lassen, daß der Beklagte seine Zustimmung zu der mit der Klägerin vereinbarten
Entlassung seiner Ehefrau aus dem Mietverhältnis - gegebenenfalls im Wege
schlüssigen Verhaltens - erteilt hat, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Nach anderer Auffassung ist die Zustimmung des in der Wohnung
verbleibenden Mieters im Außenverhältnis zwischen Mieter- und Vermieterseite
nicht Wirksamkeitsvoraussetzung, sondern lediglich Voraussetzung einer Enthaftung
im
Innenverhältnis
der
früheren
Mitmieter
untereinander
(Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts,
8. Aufl., Rdnr. 1022; nicht eindeutig Kloster-Harz/M. Schmid, Ehewohnung
- Partnerwohnung - Wohngemeinschaften, 1999, Rdnr. 2054). Hiernach wäre
die frühere Ehefrau des Beklagten aus dem Mietverhältnis entlassen worden.
b) Einer Entscheidung dieser Streitfrage bedarf es nicht. Der Beklagte
kann sich gegenüber dem Mieterhöhungsverlangen der Klägerin nicht darauf
berufen, daß er der Entlassung seiner früheren Ehefrau aus dem Mietverhältnis
nicht zugestimmt hat. Sein Beharren auf dem von ihm angenommenen Zustimmungserfordernis stellt sich unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu
und Glauben (§ 242 BGB) als unzulässige Rechtsausübung dar. Eine
Rechtsausübung ist - auch ohne daß die Voraussetzungen des § 226 BGB vorliegen - mißbräuchlich, wenn sie beachtliche Interessen eines anderen verletzt,
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ihr aber kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt (BGH, Urteil vom
24. Februar 1994 - IX ZR 120/93, NJW 1994, 1351 = WM 1994, 623 unter II 2
m.w.Nachw.; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. November 1999 - VII ZR 22/99, WM
2000, 182 = NJW-RR 2000, 1220 unter II 2 c; Palandt/Heinrichs, aaO, § 242
Rdnr. 50; MünchKommBGB/Roth, 4. Aufl., § 242 Rdnr. 537 f., 551 ff.).
Jedenfalls in diesem Zusammenhang erweist sich die vom Berufungsgericht vorgenommene Interessenabwägung als zutreffend. Der Vermieter, der
einen Aufhebungsvertrag mit einem Mitmieter schließt, hat ein erkennbares Interesse daran, sich hinsichtlich der weiteren Gestaltung des Mietverhältnisses
nur noch an den Mieter zu halten, der aus seiner Sicht noch Vertragspartei ist.
Soweit der Vermieter Zustimmungsverlangen auf Erhöhung des Mietzinses,
Kündigungen und andere Gestaltungserklärungen weiterhin auch an den aus
seiner Sicht aus dem Mietverhältnis entlassenen Mieter richten müßte, stünde
er zum einen insbesondere dann vor erheblichen praktischen Erschwernissen,
wenn der Mieter unbekannten Aufenthalts ist; zum anderen wäre der Vermieter,
da seine Erklärungen der Aufhebungsvereinbarung zuwiderliefen, zu einem widersprüchlichen Verhalten gezwungen. Auf der anderen Seite ist es für den in
der Wohnung verbleibenden Mieter im Außenverhältnis ohne Bedeutung, ob
eine weitere Person Mietpartei ist, da er auch als Gesamtschuldner gegenüber
dem Vermieter die ganze Leistung schuldet (§ 421 BGB); sein Interesse an der
Erhaltung einer weiteren Vertragspartei beschränkt sich auf eventuelle Ausgleichsansprüche im Innenverhältnis der Mieter.
Unter Berücksichtigung dieser Interessenlage kann es nicht im Belieben
des in der Wohnung verbleibenden Mieters stehen, durch Verweigerung der
Zustimmung - folgt man der vorstehend unter a) dargestellten, überwiegend
vertretenen Auffassung - eine Entlassung des Mitmieters aus dem Mietverhältnis zu verhindern. Im vorliegenden Fall ist ein schutzwürdiges Interesse des
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Beklagten daran, sich auf die Mieterstellung seiner früheren Ehefrau zu berufen, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das Zusammenleben der Ehepartner ist auf Dauer beendet, ohne daß die Ehefrau die Absicht oder - da sie
sich mit dem Vermieter auf eine Aufhebung des Mietverhältnisses geeinigt hatte - die rechtliche Möglichkeit hatte, die Wohnung wieder mit zu nutzen. Der
Beklagte hat seit dem Auszug seiner Ehefrau spätestens im Oktober 1995 bis
zum Zugang des Mieterhöhungsverlangens vom 28. April 1998 die Wohnung
allein bewohnt und seitdem die Miete allein gezahlt. Er hatte damit seit etwa
zweieinhalb Jahren die Stellung eines Alleinmieters. Insoweit hat der Beklagte
auch nicht vorgetragen, gegen seine frühere Ehefrau Ausgleichsansprüche aus
dem Mietverhältnis geltend gemacht zu haben, wobei offenbleiben kann, ob
dies im Verhältnis zur Klägerin eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte.
Der Beklagte hat sich im übrigen selbst gegenüber der Klägerin darauf berufen,
daß er die gemieteten Räume allein bewohnt, indem er in einem weiteren Verfahren gegenüber den seit 1995 erteilten Nebenkostenabrechnungen eingewandt hat, seine Ehefrau und sein Sohn seien nach ihrem Auszug nicht mehr
bei den den Abrechnungen zugrundeliegenden Personenzahlen zu berücksichtigen.
Angesichts dieser Umstände stellt sich die Berufung auf die formale
Rechtsposition eines Zustimmungserfordernisses als unzulässige Rechtsausübung dar. Der Beklagte muß sich gegenüber dem Mieterhöhungsverlangen
der Klägerin so behandeln lassen, als habe er die Zustimmung zu einer Entlassung seiner Ehefrau aus dem Mietverhältnis, soweit erforderlich, erteilt. Das
Mieterhöhungsverlangen konnte daher wirksam an den Beklagten allein gerichtet und die Klage allein gegen ihn erhoben werden.
-9-
3. Soweit das Berufungsgericht die Klage nach § 2 MHG als begründet
angesehen hat, erhebt die Revision keine Beanstandungen; Rechtsfehler sind
auch im übrigen nicht ersichtlich.
Dr. Deppert
Dr. Beyer
Wiechers
Dr. Leimert
Dr. Wolst