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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 461/00
Verkündet am:
24. Januar 2002
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
HOAI §§ 68, 69 Abs. 7, 22 Abs. 1
Für die Frage, ob mehrere Anlagen im Sinne von § 69 Abs. 7 in Verbindung mit § 22
Abs. 1 HOAI vorliegen, kommt es darauf an, ob die Anlagenteile nach funktionellen
und technischen Kriterien zu einer Einheit zusammengefaßt sind. Nicht entscheidend ist, ob die Leistung für mehrere Gebäude erfolgt.
BGH, Urteil vom 24. Januar 2002 - VII ZR 461/00 - KG
LG Berlin
-2-
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Prof. Dr. Thode, Hausmann, Dr. Kuffer und Prof. Dr. Kniffka
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats
des Kammergerichts vom 30. Oktober 2000 im Kostenpunkt und
insoweit aufgehoben, als die Berufung gegen das der Klage in
Höhe von 31.205,69 DM stattgebende Urteil der 28. Zivilkammer
des Landgerichts Berlin vom 2. Juni 1999 zurückgewiesen worden
ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin erbrachte für den Beklagten Ingenieurleistungen der technischen Gebäudeausrüstung für die Sanierung einer Villa sowie eines Wirtschaftsgebäudes nebst Musikpavillon, Kegelpavillon, Gewächshaus, Bootshaus und Außenanlagen. Die Klägerin verlangt Vergütung in der Weise, daß
sie das Honorar für die Villa einerseits und das Wirtschaftsgebäude einschließlich aller Nebengebäude andererseits ermittelte. Der Beklagte hat im
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Prozeß den - infolge der Degression der Honorartabelle geringeren - Vergütungsanteil, der sich bei einer einheitlichen Abrechnung der Leistungen für alle
Gebäude des Komplexes ergeben würde, anerkannt; gegen ihn ist insoweit ein
mittlerweile rechtskräftiges Teilanerkenntnisurteil ergangen. Durch Schlußurteil
hat das Landgericht der Klägerin auf der Grundlage ihrer Berechnung die weitergehende Honorarforderung in Höhe von 31.205,69 DM zuerkannt. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit seiner zugelassenen Revision
verfolgt er seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat die nach Villa einerseits und Wirtschafts- und
Nebengebäuden andererseits getrennte Honorarabrechnung der Klägerin für
die technische Gebäudeausrüstung gebilligt. Zwar gebiete es die Verweisung
in § 69 Abs. 7 HOAI, den Begriff "Gebäude" in § 22 Abs. 1 HOAI durch den Begriff "Anlagen" im Sinne des § 68 HOAI zu ersetzen. Das könne jedoch nicht
zur Folge haben, daß die wirtschaftliche und funktionale Selbständigkeit einer
Anlage der technischen Gebäudeausrüstung losgelöst von den ausgestatteten
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Gebäuden zu beurteilen sei. Der in § 68 HOAI verwendete Begriff "Anlage"
müsse vielmehr dem Begriff "Gebäude" folgen. Daraus ergebe sich, daß auch
der Sonderfachmann seine Leistungen getrennt abrechnen dürfe, wenn er Anlagen für real selbständige Gebäude mit verschiedenen Funktionen geplant
habe. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die von der Klägerin
geplanten haustechnischen Anlagen jeweils in sich geschlossene Funktionsund Versorgungseinheiten darstellten, komme es nicht an. Die von dem Beklagten behauptete Vernetzung der für die unterschiedlichen Gebäude geplanten Anlagen durch Stromkabel, Wasserleitungen und ähnliche Verbindungen reiche für eine Zusammenfassung der anrechenbaren Kosten zum Zwecke
der Gebührenbemessung nicht aus.
II.
Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten stand.
Das Berufungsgericht hat die §§ 69 Abs. 7, 22 Abs. 1 HOAI nicht zutreffend
angewandt, indem es die Zulässigkeit getrennter Abrechnungen durch den Ingenieur allein davon abhängig gemacht hat, daß sich dessen Leistungen auf
mehrere real selbständige Gebäude mit verschiedenen Funktionen beziehen.
1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß aufgrund der
Verweisung in § 69 Abs. 7 HOAI der Begriff des "Gebäudes" in § 22 HOAI
durch "Anlage" zu ersetzen ist. Unmittelbarer Anwendungsbereich des § 22
HOAI sind Leistungen bei "Gebäuden, Freianlagen und raumbildenden Ausbauten". Die §§ 68 ff HOAI beziehen sich dagegen auf Leistungen bei Anlagen
der Technischen Ausrüstung. Ein sinnvoller Anwendungsbereich für eine ent-
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sprechende Anwendung des § 22 HOAI ergibt sich nur, wenn man den Begriff
"Gebäude" durch denjenigen der "Anlage" ersetzt.
2. Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß weder das
Vorhandensein einheitlicher Hausanschlüsse noch die Vernetzung verschiedener Gebäude durch Stromkabel, Wasserleitungen oder ähnliche Verbindungen
hinreichende Bedingungen für die Annahme einer einheitlichen Anlage sind.
Ob für einen Gebäudekomplex ein einheitlicher Anschluß oder mehrere verschiedene installiert werden, wird von dem jeweiligen Versorgungsunternehmen bestimmt (vgl. etwa § 10 Abs. 2 AVBWasserV) und ist in erster Linie für
dessen Abrechnungsverhältnis zu dem Kunden von Bedeutung. Auch das bloße Vorhandensein von verbindenden Leitungen vermag für sich genommen
verschiedene Anlagen nicht zu einem einheitlichen Ganzen zusammenzuführen.
3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, daß das Vorhandensein verschiedener Gebäude unterschiedlicher Funktion die Annahme einer einheitlichen Anlage der technischen Gebäudeausrüstung im Sinne des § 68 HOAI
ausschließe, trifft nicht zu.
a) Durch das Trennungsprinzip in § 22 Abs. 1 HOAI soll erreicht werden,
daß ein Architekt, der aufgrund eines Auftrags mehrere Gebäude für einen
Vertragspartner plant, bei der Abrechnung nicht schlechter gestellt wird, als
wenn er dieselben Leistungen für verschiedene Bauherrn erbringen würde.
Daraus läßt sich als Maßstab für die Beurteilung der Einheitlichkeit ableiten,
daß mehrere Gebäude dann vorliegen, wenn diese verschiedenen Funktionen
zu dienen bestimmt sind und sie vor allem unter Aufrechterhaltung ihrer Funktionsfähigkeit je für sich genommen betrieben werden könnten (zum Kriterium
der selbständigen Funktionsfähigkeit vgl. etwa OLG Hamm NJW-RR 1990,
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522,
523;
OLG
München
BauR 1991,
650,
651;
OLG
Düsseldorf
NJW-RR 1996, 535).
b) Übertragen auf den Bereich der technischen Gebäudeausrüstung bedeutet dies, daß mehrere Anlagen dann vorliegen, wenn sie getrennt an das
öffentliche Netz angeschlossen und allein betrieben werden könnten (vgl. Rusam, HOAI-Praxis bei Ingenieurleistungen, 5. Aufl., § 69 Rdn. 8.3). Dagegen
kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die Leistungen für mehrere Gebäude erbracht worden sind. Das zeigt sich schon daran, daß eine einheitliche
Anlage wie etwa eine Heizungsanlage nicht deshalb honorarrechtlich in mehrere Anlagen aufgeteilt werden kann, weil sie mehrere Gebäude versorgt. Umgekehrt ist auch einleuchtend, daß mehrere Anlagen in einem Gebäude honorarrechtlich nicht als eine Anlage eingeordnet werden können, wenn sie verschiedenen Funktionen zu dienen bestimmt sind. Für die Beurteilung des Honorars
eines Ingenieurs ist somit entscheidend, ob die Anlagenteile nach funktionellen
und technischen Kriterien zu einer Einheit zusammengefaßt sind.
III.
Das Berufungsurteil war aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung unter Berücksichtigung dieser Grundsätze zurückzuverweisen.
Ullmann
Thode
Kuffer
Hausmann
Kniffka