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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI ZR 248/13
vom
28. Januar 2014
in dem Rechtsstreit
-2-
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Januar 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge, die
Richterin von Pentz und den Richter Offenloch
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil
des 22. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 18. April
2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 70.793,52 €
Gründe:
1
1. Die Klägerin begehrt von dem beklagten Sozialversicherungsträger die
Rückzahlung von Schadensersatzleistungen, die sie als einstandspflichtiger
Haftpflichtversicherer nach einem Verkehrsunfall vom 29. November 1996 erbrachte, bei dem die Versicherte S. der Beklagten verletzt worden war. Die von
S. im Jahr 2002 gegen die jetzige Klägerin erhobene Klage auf Ersatz weiteren
Schadens wies das Landgericht München mit Urteil vom 11. Januar 2007 ab,
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weil eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nur in einem Zeitraum von höchstens
acht Wochen nach dem Unfall vorgelegen habe. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung nahm S. am 15. Mai 2007 zurück. Mit Schreiben vom 1. Juli
2008 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die von ihr über den Zeitraum von
sechs bis acht Wochen ab dem Unfall hinaus berechneten und von der Klägerin
ersetzten Beträge zurückzuzahlen. Im Zuge der nachfolgend zwischen den Parteien geführten Korrespondenz erhob die Beklagte am 17. September 2008 die
Einrede der Verjährung. Am 31. Januar 2011 hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Mahnbescheid über 70.793,53 € erwirkt, in dem die Hauptforderung wie folgt bezeichnet ist: "Ungerechtfertigte Bereicherung gem. Schreiben
- 06.03.2009 vom 29.11.96 70.793,53 EUR". In diesem in Bezug genommenen
Schreiben heißt es u.a.: "Da die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit rechnerisch
am 24.01.1997 endete, bestand für maximal 14 Tage ein Anspruch Ihrerseits
gemäß § 119 SGB X. Nach unseren Berechnungen haben wir 70.793,52 EUR
ohne rechtlichen Grund an Sie geleistet." Nach erfolgtem Widerspruch der Beklagten macht die Klägerin geltend, die Beklagte habe ihrer Versicherten S. für
den Zeitraum vom 16. September 1997 bis zum 15. September 1999 Übergangsgeld in Höhe von 50.958,45 DM gezahlt und die Klägerin insoweit gemäß
§ 116 SGB X sowie hinsichtlich gezahlter Sozialversicherungsbeiträge gemäß
§ 119 SGB VII in Regress genommen. Sie, die Klägerin, habe an die Beklagte
in dem Zeitraum von März 2000 bis 23. Oktober 2002 ohne Rechtsgrund
70.793,52 € gezahlt. Demgegenüber macht die Beklagte geltend, die Klägerin
habe Zahlungen in Höhe von 70.847,45 € gezahlt, und zwar in dem Zeitraum
von Mai 1999 bis Ende 2002.
2
Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, weil die Klage
bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sei. Die Revision hat es nicht
zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbe-
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schwerde. Sie möchte ihr Begehren mit der Revision in vollem Umfang weiterverfolgen.
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2. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544
Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung
des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand und verletzt die Klägerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör.
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a) Die Nichtzulassungsbeschwerde macht mit Recht geltend, dass das
Berufungsgericht die Berufung nicht zurückweisen durfte, ohne der Klägerin
zuvor die von ihr im Termin zur mündlichen Verhandlung beantragte Schriftsatzfrist zu gewähren.
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aa) Ein Berufungsgericht muss in Erfüllung seiner prozessualen Fürsorgepflicht gemäß § 139 Abs. 4 ZPO Hinweise auf seiner Ansicht nach entscheidungserhebliche Umstände, die die betroffene Partei erkennbar für unerheblich
gehalten hat, grundsätzlich so frühzeitig vor der mündlichen Verhandlung erteilen, dass die Partei die Gelegenheit hat, ihre Prozessführung darauf einzurichten und schon für die anstehende mündliche Verhandlung ihren Vortrag zu ergänzen und die danach erforderlichen Beweise anzutreten. Erteilt es den Hinweis entgegen § 139 Abs. 4 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung, muss es
der betroffenen Partei genügend Gelegenheit zur Reaktion hierauf geben.
Wenn es offensichtlich ist, dass die Partei sich in der mündlichen Verhandlung
nicht abschließend erklären kann, so muss das Berufungsgericht - wenn es
nicht in das schriftliche Verfahren übergeht - auch ohne einen Antrag auf
Schriftsatznachlass die mündliche Verhandlung vertagen, um Gelegenheit zur
Stellungnahme zu geben. Erlässt das Berufungsgericht in diesem Fall ein Urteil,
ohne die Sache vertagt zu haben, verstößt es gegen den Anspruch der Partei
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auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG (BGH, Beschluss vom 4. Juli 2013
- VII ZR 192/11, BauR 2013, 1727 Rn. 7 mwN). So liegt der Fall hier.
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bb) Der Vorsitzende des in der Berufungsinstanz mit der Sache befassten Zivilsenats hat in der mündlichen Verhandlung am 18. April 2013 ausgeführt, dass die Klage mangels Aufschlüsselung der Gesamtforderung nicht gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt und daher unzulässig sein
dürfte. Ferner sei aus diesem Grund bislang im Rechtsstreit keine Hemmung
nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 1 BGB eingetreten. Des Weiteren sei eine
Hemmung nach § 203 BGB nicht anzunehmen, weil die Beklagte sich auf Verhandlungen schon nicht eingelassen, sondern stets den Anspruch zurückgewiesen habe. Schließlich sei zum geltend gemachten Anspruch nicht schlüssig
unter Beweisantritt das Fehlen eines Rechtsgrunds vorgetragen worden. Der
Prozessbevollmächtigte des Klägers hat hierzu eine Erklärungsfrist beantragt.
Diesem Antrag hat das Berufungsgericht nicht entsprochen, sondern am
Schluss der Sitzung das angegriffene Urteil verkündet.
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cc) Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung rechtlichen Gehörs.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klage unzulässig gewesen ist. Jedenfalls hätte die Klägerin, wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Erfolg geltend
macht, den vom Berufungsgericht für gegeben erachteten Mangel nach Erteilung des gerichtlichen Hinweises beheben können.
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(1) Wird ein einheitlicher Anspruch geltend gemacht, der sich aus mehreren Rechnungsposten zusammensetzt, bedarf es keiner Aufschlüsselung der
Rechnungsposten im Mahnbescheid. Die entsprechend notwendige Substantiierung kann im Laufe des Rechtsstreits beim Übergang in das streitige Verfahren nachgeholt werden (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 - VII ZR 155/11,
NJW 2013, 3509 Rn. 16). Nur wenn der im Mahnbescheid geltend gemachte
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Betrag mehrere, nicht auf einem einheitlichen Anspruch beruhende und deshalb
selbständige Einzelforderungen umfasst, bedarf es bereits einer Aufschlüsselung im Mahnbescheid, gegebenenfalls unter Bezugnahme auf Rechnungen
und sonstige Urkunden. In diesen Fällen kann eine Individualisierung nach Ablauf der Verjährungsfrist im anschließenden Streitverfahren nicht nachgeholt
werden (BGH, Urteile vom 17. November 2010 - VIII ZR 211/09, NJW 2011,
613 Rn. 11 und vom 21. Oktober 2008 - XI ZR 466/07, VersR 2010, 223
Rn. 18).
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(2) Nach diesen Grundsätzen war vorliegend eine nähere Aufschlüsselung der Forderung im Mahnbescheid für die Zulässigkeit der Klage nicht erforderlich. Die erforderliche Substantiierung hätte die Klägerin im Rechtsstreit
nachholen können. Wie die Nichtzulassungsbeschwerde geltend macht, hätte
die Klägerin, wenn ihr dazu nach der Erteilung des Hinweises durch das Berufungsgericht Gelegenheit gegeben worden wäre, vorgetragen, dass die von der
Beklagten im Einzelnen dargelegte Aufschlüsselung zutreffend sei und insgesamt 70.847,45 € gezahlt worden seien. (Der Nichtzulassungsbeschwerde sind
bei der Umrechnung der DM-Beträge in Euro-Beträge allerdings zwei Rechenfehler unterlaufen: Am 5. Mai 1999 sind nicht 788,08 €, sondern 842,01 € gezahlt worden. Die am 11. Juni 2001 erfolgte Zahlung belief sich umgerechnet
nicht auf 1.958,83 €, sondern auf 1.958,85 €). Hätte die Klägerin sich diesen
Vortrag der Beklagten zu Eigen gemacht, wäre die Klageforderung ausreichend
individualisiert gewesen. Die Klage hätte in diesem Fall nicht als unzulässig abgewiesen werden dürfen.
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b) Die Zurückweisung der Berufung erweist sich auch nicht deshalb als
zutreffend, weil das Berufungsgericht die Klageforderung für verjährt gehalten
und weiter gemeint hat, jedenfalls berufe sich die Beklagte mit Erfolg aus anderen Gründen darauf, die geforderte Leistung nach Eintritt der Verjährung zu
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verweigern, weil die Verjährung über den 31. Dezember 2010 hinaus nicht
durch Verhandlungen im Sinne von § 203 Satz 1 BGB gehemmt gewesen sei.
Die vom Berufungsgericht hilfsweise gemachten Ausführungen zur Begründetheit der Klage sind vom Revisionsgericht nicht zu beachten. Denn wenn das
Gericht - wie hier - eine Klage als unzulässig ansieht, darf es sie nicht daneben
oder stattdessen als unbegründet abweisen; die Ausführungen zur fehlenden
Begründetheit gelten in einem solchen Fall als nicht geschrieben (st. Rspr., vgl.
BGH, Urteile vom 25. November 1966 - V ZR 30/64, BGHZ 46, 281, 284 f.; vom
26. Januar 2006 - IX ZR 282/03, ZInsO 2006, 260, 261 mwN und vom 3. Juli
2009 - V ZR 58/08, RNotZ 2010, 133).
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3. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei
der gebotenen Berücksichtigung des von der Klägerin gegebenenfalls nachgeholten Vortrags zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre, war
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen. Dieses wird bei erneuter Befassung Gelegenheit haben,
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auch das weitere wechselseitige Vorbringen der Parteien in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen.
Galke
Diederichsen
von Pentz
Pauge
Offenloch
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 20.03.2012 - 9 O 327/11 KG Berlin, Entscheidung vom 18.04.2013 - 22 U 129/12 -