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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 41/08
vom
30. Oktober 2008
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZVG §§ 63, 78, 80
1. Von einem Einzelausgebot kann nur abgesehen werden, wenn die in § 63 Abs. 4
Satz 1 ZVG genannten Beteiligten hierauf verzichten; das gilt auch im Falle des §
63 Abs. 1 Satz 2 ZVG.
2. Der Verzicht auf eine Einzelausbietung setzt nach § 63 Abs. 4 Satz 2 ZVG ein
positives Tun mit eindeutigem Erklärungsgehalt voraus; der Verzicht ist stets zu
protokollieren (§§ 78, 80 ZVG).
BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - V ZB 41/08 - LG Wiesbaden
AG Bad Schwalbach
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 30. Oktober 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth
beschlossen:
Auf die Rechtbeschwerde der Schuldner werden die Beschlüsse
der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 14. Februar 2008 und des Amtsgerichts Bad Schwalbach vom 11. Oktober
2007 aufgehoben. Dem Meistbietenden wird der Zuschlag versagt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
126.000 €.
Gründe:
I.
1
Die Beteiligten zu 2 und 3 (Schuldner) sind Eigentümer des im Rubrum
näher bezeichneten Grundstücks, dessen Zwangsversteigerung angeordnet
worden ist. In dem Versteigerungstermin vom 10. August 2007 sind die Schuldner nicht zugegen gewesen; jedoch hat sich die Schuldnerin vertreten lassen. In
dem Versteigerungsprotokoll heißt es wörtlich:
„Nunmehr wurden die Beteiligten zu dem geringsten Gebot und den
Versteigerungsbedingungen gehört. <ohne Eintrag> beantragte, beide
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Bruchteile nur als Gesamtausgebot zuzulassen unter Verzicht auf Einzelausgebot. Anträge zu den Versteigerungsbedingungen und/oder Erklärungen zu dem geringsten Gebot wurden nicht abgegeben.
… Versteigerungsbedingungen, die von den gesetzlichen Vorschriften
abweichen, wurden wie folgt festgestellt: Es erfolgt Gesamtausgebot
beider Bruchteile unter Verzicht auf Einzelgebot.“
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Meistbietender ist der Beteiligte zu 4 geblieben. Ihm hat das Vollstreckungsgericht den Zuschlag erteilt. Die sofortige Beschwerde der Schuldner ist
erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchten sie die Versagung des Zuschlags erreichen.
II.
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Das Beschwerdegericht steht auf dem Standpunkt, Einzelausgebote seien entbehrlich, wenn das Vollstreckungsgericht von der Möglichkeit des § 63
Abs. 1 Satz 2 ZVG Gebrauch mache, die Versteigerungsobjekte gemeinsam
auszubieten (Gesamtausgebot). Die Vorschrift bezwecke eine Vereinfachung
und Beschleunigung des Verfahrens. Dieser Zweck könne nur erreicht werden,
wenn auf die Vornahme von Einzelausgeboten verzichtet werde. Davon abgesehen sei das Verhalten der in dem Versteigerungstermin anwesenden Schuldnerin als Verzicht auf die Ausbringung von Einzelausgeboten zu würdigen (§ 63
Abs. 4 ZVG). Zwar liege keine ausdrückliche Erklärung vor. Das Protokoll sei
jedoch auslegungsfähig. Da in diesem als Versteigerungsbedingung der Verzicht auf Einzelausgebote enthalten sei, müsse davon ausgegangen werden,
dass vorher entsprechende Erklärungen der Beteiligten abgegeben worden seien. Widerspruch sei jedenfalls nicht erhoben worden.
-4-
III.
4
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach
§ 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie
führt zur Versagung des Zuschlags (§ 100 i.V.m. § 83 Nr. 2 ZVG).
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1. Das Absehen von dem Einzelausgebot hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
6
a) Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 ZVG sind mehrere in demselben Verfahren
zu versteigernde Grundstücke einzeln auszubieten. Entsprechendes gilt nach
allgemeiner Auffassung bei der Versteigerung von Bruchteilseigentum (vgl. nur
OLG Jena, Rpfleger 2000, 509; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 63 Rdn 3.4), weil dieses vollstreckungsrechtlich wie ein Grundstück zu behandeln ist (vgl. § 864
Abs. 2 ZPO). Vor diesem Hintergrund hat das Vollstreckungsgericht zwar zu
Recht von der Möglichkeit des § 63 Abs. 1 Satz 2 ZVG Gebrauch gemacht, wonach Objekte, die mit einem einheitlichen Bauwerk überbaut sind, auch gemeinsam ausgeboten werden können. Daraus folgt jedoch nicht, dass das Vollstreckungsgericht von Einzelausgeboten hätte Abstand nehmen dürfen.
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Dass das Gesamtausgebot das Einzelausgebot nicht verdrängt, sondern
diesem nur als zusätzliche Versteigerungsmodalität zur Seite tritt (so die ganz
h.M., vgl. etwa OLG Jena, aaO; Hintzen, in: Dassler u.a., ZVG, 13. Aufl., § 63
Rdn. 12; Hornung, NJW 1999, 460, 464; Stöber, aaO, Rdn. 3.1; a.A. Fisch,
Rpfleger 2002, 637), legt schon der Wortlaut des § 63 Abs. 1 Satz 2 ZVG (…
können „auch“ gemeinsam ausgeboten werden …) nahe. Es ist zwar richtig,
dass mit der Einführung dieser Bestimmung eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens bezweckt wurde (BT-Drucks. 13/9438 S. 9). Dieser
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Zweck wird jedoch schon dadurch erreicht, dass der Rechtspfleger das Gesamtausgebot - anders als nach altem Recht - nunmehr von Amts wegen anordnen
kann. Vor allem aber gilt es zu bedenken, dass das vorrangige Anliegen aller
Versteigerungsmodalitäten darin besteht, ein möglichst hohes Meistgebot zu
erreichen (BGH, Beschl. v. 9. Mai 2003, IXa ZB 25/03, NJW-RR 2003,
1077,1078; Hintzen, aaO, Rdn. 11). Dabei räumt das Zwangsversteigerungsgesetz der Einzelausbietung insoweit einen Vorrang ein, als es davon ausgeht, bei
dieser Art der Versteigerung werde in der Regel das höchste Gebot erzielt
(BGH, Beschl. v. 9. Mai 2003, aaO; vgl. auch Senat, Beschl. v. 28. September
2006, NJW-RR 1007, 1139). Zwar wird bei einem Gesamtausgebot wirtschaftlich zusammengehörender Einheiten das Bietinteresse zunehmen. Das ändert
jedoch nichts daran, dass bei der der Regelung zugrunde liegenden typisierenden Betrachtung ein bestmöglicher Verwertungserlös regelmäßig nur unter Beibehaltung auch des Einzelausgebots zu erwarten ist. Folgerichtig tritt das Gesamtausgebot auch nach § 63 Abs. 2 Satz 1 ZVG neben das Einzelausgebot,
und folgerichtig unterbleibt das Einzelausgebot in allen Fällen nur dann, wenn
die in § 63 Abs. 4 Satz 1 ZVG genannten Beteiligten hierauf verzichten.
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b) Von einem solchen Verzicht geht das Beschwerdegericht zwar in einer
Hilfserwägung aus. Die Schuldner rügen indessen zu Recht, dass diese Annahme keinen Bestand haben kann.
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aa) Nach § 80 ZVG sind bei der Entscheidung über den Zuschlag nur
solche Vorgänge zu berücksichtigten, die aus dem Protokoll ersichtlich sind.
Dass die in dem Termin vertretene Schuldnerin den Verzicht auf das Einzelausgebot erklärt hätte, lässt sich dem Protokoll nicht entnehmen. Zwar kann
sich ein nicht ausdrücklich vermerkter Vorgang gleichwohl aus dem Zusammenhang des im Übrigen Protokollierten ergeben, wenn der protokollierte Vor-
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gang ohne den nicht protokollierten schlechterdings nicht denkbar ist - so kann
etwa aus der protokollierten Rückgabe einer Sicherheit geschlossen werden,
dass diese zuvor geleistet worden ist (vgl. Stöber, aaO, § 80 Rdn. 2.4). Vergleichbar liegt es hier jedoch nicht. Aus dem Umstand, dass die Bruchteile nach
den Versteigerungsbedingungen nicht auch einzeln ausgeboten werden sollten,
folgt alles andere als zwingend, dass zuvor Verzichtserklärungen im Sinne § 63
Abs. 4 Satz 1 ZVG abgegeben worden sind. Das Protokoll begründet keine
Vermutung dahin, dass die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer
protokollierten gerichtlichen Entscheidung vorgelegen haben. Es kommt daher
gar nicht mehr darauf an, dass unstreitig sein dürfte, dass der in dem Versteigerungstermin anwesende Vertreter der Schuldnerin eine Erklärung zur Einzelausbietung nicht abgegeben hat.
bb) Dass der Schuldnervertreter keinen Widerspruch erhoben hat, recht-
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fertigt keine andere Beurteilung. Der Verzicht auf Einzelausgebote ist nach § 63
Abs. 4 Satz 2 ZVG spätestens bis zur Abgabe von Geboten „zu erklären“. Gefordert ist damit ein positives Tun mit eindeutigem Erklärungsgehalt, das zudem
stets zu protokollieren ist (§§ 78, 80 ZVG); Schweigen steht dem nicht gleich
(vgl. auch Hintzen, aaO, § 63 Rdn. 7 u. 9; Stöber, aaO, § 63 ZVG Rdn. 2.1. u.
3.4).
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cc) Ob in Ausnahmefällen das Einzelausgebot auch ohne den Verzicht
anwesender Beteiligter unter dem Blickwinkel des Rechtsmissbrauchs unterbleiben kann (so etwa Hintzen, aaO, Rdn. 12 m.w.N.; offen gelassen von OLG
Jena, Rpfleger 2000, 509), braucht hier nicht entschieden zu werden. Besondere Umstände, die das Verhalten des Terminsvertreters der Schuldnerin als
rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich.
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12
2. Da nicht auszuschließen ist, dass bei einem Einzelausgebot ein höherer Versteigerungserlös erzielt worden wäre, ist der Zuschlag auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 84 ZVG zu versagen.
IV.
13
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Der Anwendung der
§§ 91 ff. ZPO steht grundsätzlich entgegen (vgl. dazu insbesondere Senat,
BGHZ 170, 378, 381 m.w.N.), dass sich die Beteiligten bei der Zuschlagsbeschwerde und in einem sich daran anschließenden Rechtsbeschwerdeverfah-
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ren in der Regel nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber
stehen.
Krüger
Klein
Czub
Stresemann
Roth
Vorinstanzen:
AG Bad Schwalbach, Entscheidung vom 11.10.2007 - 2 K 58/06 LG Wiesbaden, Entscheidung vom 14.02.2008 - 4 T 589/07 -