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2023-03-06 15:36:57 +01:00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 6/15
Verkündet am:
7. Juni 2016
Bürk
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
Pechstein/International Skating Union
ZPO § 1025 Abs. 2, § 1032 Abs. 1; GWB § 19 Abs. 1; GG Art. 12; EMRK Art. 6 Abs. 1
a) Der Court of Arbitration for Sports (CAS) in Lausanne ist ein Schiedsgericht im Sinne von § 1025
Abs. 2, § 1032 Abs. 1 ZPO.
b) Ein nach dem "Ein-Platz-Prinzip" organisierter internationaler Sportverband ist hinsichtlich der Zulassung der Athleten zu den von ihm organisierten Sportwettbewerben marktbeherrschend.
c) Es stellt keinen Missbrauch der Marktmacht des Sportverbands dar, wenn er die Teilnahme eines
Athleten an einem Sportwettkampf von der Unterzeichnung einer Schiedsvereinbarung abhängig
macht, in der gemäß den Anti-Doping-Regeln der CAS als Schiedsgericht vorgesehen ist. Die Verfahrensordnung des CAS enthält ausreichende Garantien für die Wahrung der Rechte der Athleten, und
die Schiedssprüche des CAS unterliegen einer Kontrolle durch das schweizerische Bundesgericht.
d) Der Verfahrensordnung des CAS mangelt es auch nicht deshalb an ausreichenden Garantien für die
Wahrung der Rechte der Athleten, weil die Schiedsrichter von den Verfahrensbeteiligten aus einer geschlossenen Liste auszuwählen sind, die von einem Gremium aufgestellt wird, das mehrheitlich mit
Vertretern des Internationalen Olympischen Komitees, der nationalen Olympischen Komitees und der
internationalen Sportverbände besetzt ist. Sportverbände und Athleten stehen sich bei der Bekämpfung des Dopings grundsätzlich nicht als von gegensätzlichen Interessen geleitete "Lager" gegenüber.
e) Unter diesen Umständen ist die Schiedsvereinbarung auch nicht im Hinblick auf den Justizgewährungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 GG, das Grundrecht auf freie Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG
oder das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention unwirksam.
BGH, Urteil vom 7. Juni 2016 - KZR 6/15 - OLG München
LG München I
ECLI:DE:BGH:2016:070616UKZR6.15.0
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. März 2016 durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, die
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Dr. Raum sowie die Richter Prof.
Dr. Strohn und Dr. Deichfuß
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 2 wird das Teil-End- und TeilZwischenurteil
des
Kartellsenats
des
Oberlandesgerichts
München vom 15. Januar 2015 aufgehoben, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten zu 2 erkannt hat.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 26. Februar 2014 wird insgesamt zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist eine international erfolgreiche Eisschnellläuferin. Die am
Revisionsverfahren nicht beteiligte Beklagte zu 1 ist der deutsche nationale
Fachverband für Eisschnelllauf mit Sitz in München. Die Beklagte zu 2 ist der
internationale Fachverband International Skating Union (im Folgenden: ISU) mit
Sitz in der Schweiz. Beide Verbände sind nach dem "Ein-Platz-Prinzip" organisiert, d.h. es gibt nur einen deutschen und nur einen internationalen Verband,
die Wettkämpfe im Eisschnelllauf auf nationaler bzw. internationaler Ebene
veranstalten.
ECLI:DE:BGH:2016:070616UKZR6.15.0
-3-
2
Im Vorfeld der Eisschnelllauf-Weltmeisterschaften in Hamar (Norwegen)
am 7. und 8. Februar 2009 unterzeichnete die Klägerin am 2. Januar 2009 eine
von der Beklagten zu 2 vorformulierte Wettkampfmeldung. Ohne Unterzeichnung dieser Meldung wäre die Klägerin zum Wettkampf nicht zugelassen
worden. Mit der Wettkampfmeldung verpflichtete sich die Klägerin unter
anderem zur Einhaltung der Anti-Doping-Regeln der Beklagten zu 2. Außerdem
unterzeichnete sie eine Schiedsvereinbarung, die den Court of Arbitration for
Sport (im Folgenden: CAS) in Lausanne - unter Ausschluss des Rechtswegs zu
den ordentlichen Gerichten - als Schiedsgericht vorsah.
3
Bei den Weltmeisterschaften in Hamar wurden der Klägerin Blutproben
entnommen, die erhöhte Retikulozytenwerte aufwiesen. Die Beklagte zu 2 sah
dies als Beleg für Doping an. Ihre Disziplinarkommission entschied am 1. Juli
2009, die Klägerin rückwirkend zum 7. Februar 2009 wegen unerlaubten
Blutdopings für zwei Jahre zu sperren, die in den Wettkämpfen am 7. Februar
2009 erzielten Ergebnisse der Klägerin zu annullieren und die Punkte, Preise
und Medaillen der Klägerin abzuerkennen. Mit Schreiben vom 19. Juli 2009
teilte die Beklagte zu 1 der Klägerin mit, dass sie aufgrund dieser Sperre auch
von Trainingsmaßnahmen ausgeschlossen und ihr Status als Mitglied des
Kaders für die Olympischen Winterspiele 2010 ausgesetzt sei.
4
Die Klägerin und die Beklagte zu 1 legten gegen die Entscheidung der
Disziplinarkommission Berufung zum CAS ein. Dieser erließ am 29. September
2009 seine Verfahrensregeln für das konkrete Verfahren, in denen insbesondere seine Zuständigkeit festgestellt wurde. Diese Verfahrensregeln wurden
von den Parteien unterzeichnet. Die Berufungen wies der CAS mit Spruch vom
25. November 2009 weitgehend zurück, lediglich der Beginn der Sperre wurde
abweichend auf den 8. Februar 2009 festgesetzt.
-4-
5
Dagegen legte die Klägerin Beschwerde beim schweizerischen Bundesgericht ein, die mit Urteil vom 10. Februar 2010 zurückgewiesen wurde. Eine
Revision der Klägerin beim schweizerischen Bundesgericht wurde mit Urteil
vom 28. September 2010 zurückgewiesen.
6
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Feststellung der
Rechtswidrigkeit der Dopingsperre und die Verurteilung der Beklagten zum
Ersatz der ihr erwachsenen materiellen Schäden sowie zur Zahlung eines
angemessenen Schmerzensgeldes. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen
(LG München I, SchiedsVZ 2014, 100). Die Abweisung der Klage gegen die
Beklagte zu 1 nimmt die Klägerin hin, hinsichtlich der Klagabweisung gegen die
Beklagte zu 2 hat sie Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat mit TeilEnd- und Teil-Zwischenurteil (OLG München, WuW/E DE-R 4543) die Berufung
der Klägerin insoweit zurückgewiesen, als der gegen die Beklagte zu 2
gerichtete Klageantrag zu 1 - Feststellung der Rechtswidrigkeit der verhängten
Dopingsperre - abgewiesen worden ist. Hinsichtlich der weiteren Klageanträge
- Schadensersatz einschließlich Schmerzensgeld - hat das Berufungsgericht
festgestellt, dass die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage zulässig ist.
Hiergegen wendet sich die Beklagte zu 2 mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision, der die Klägerin entgegentritt.
Entscheidungsgründe:
7
A.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen
wie folgt begründet:
8
Die deutschen Gerichte seien für die Klage gegen die Beklagte zu 2
international zuständig. Diese Zuständigkeit ergebe sich aus Art. 6 Nr. 1 des
Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und
Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Okto-
-5-
ber 2007 (Lugano-Übereinkommen - LugÜ 2007). Die für eine Inanspruchnahme zusammen mit einer anderen juristischen Person vor den Gerichten des
Ortes, an dem diese andere juristische Person ihren Sitz habe, erforderliche
enge Beziehung liege vor, da die Klagen gegen die Beklagte zu 1 und die
Beklagte zu 2 auf derselben Sach- und Rechtslage beruhten. Ein missbräuchliches Verhalten der Klägerin dergestalt, dass sie die Beklagte zu 1 nur deshalb
verklagt habe, um eine Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Beklagte zu 2
zu begründen, sei nicht ersichtlich. Die internationale Zuständigkeit deutscher
Gerichte für die Klage gegen die Beklagte zu 2 bestehe auch nach Rechtskraft
der Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 1 fort.
9
Die zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2 getroffene Schiedsvereinbarung stehe dem Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht
entgegen. Die Schiedsvereinbarung sei nichtig, weil sie gegen zwingendes
Recht verstoße. Die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung beurteile sich
gemäß Art. 34 EGBGB nach deutschem Kartellrecht. Danach sei die Schiedsvereinbarung nach § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB aF nichtig. Die Beklagte zu 2
sei auf dem relevanten Markt der Zulassung zu Eisschnelllauf-Weltmeisterschaften Monopolistin und damit Normadressatin. Die Durchführung von
Sportveranstaltungen stelle eine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Mit der Wettkampfmeldung, die die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts unter Ausschluss
der staatlichen Gerichtsbarkeit vorsehe, habe sie Geschäftsbedingungen
gestellt. Dieser Beurteilung stehe das Internationale Übereinkommen gegen
Doping im Sport vom 19. Oktober 2005 nicht entgegen, das auf die Grundsätze
des Welt-Anti-Doping-Codes (im Folgenden: WADC) Bezug nehme, der eine
zwingende Zuständigkeit des CAS vorsehe. Es sei weder ersichtlich, dass das
Übereinkommen diese Detailregelung als Teil der Grundsätze ansehe, zu deren
Einhaltung sich die Signatarstaaten - darunter die Schweiz - verpflichtet hätten,
noch sei ersichtlich, dass die Schweiz eine gesetzliche Verpflichtung
geschaffen habe, die die Beklagte zu 2 verpflichtet hätte, eine Schiedsverein-
-6-
barung zugunsten des CAS zu treffen. Ob sich die Beklagte zu 2 aus anderen
als gesetzlichen Gründen, insbesondere zur Erhaltung ihrer Anerkennung durch
das Internationale Olympische Komitee, dazu veranlasst gesehen habe, eine
Schiedsvereinbarung zugunsten des CAS zu verlangen, sei für die kartellrechtliche Beurteilung ohne Belang.
10
Das Verlangen einer Schiedsvereinbarung durch den Ausrichter von
internationalen Sportwettkämpfen stelle nicht schlechthin einen Missbrauch von
Marktmacht dar. Insbesondere die Gewährleistung einheitlicher Zuständigkeiten
und Verfahrensgestaltungen in gleichgelagerten Fällen verhindere divergierende Entscheidungen und stelle einen sachgerechten Grund dar, Streitigkeiten
zwischen Athleten und Verbänden im Zusammenhang mit internationalen
Wettkämpfen einem einheitlichen Sportschiedsgericht zuzuweisen. Im vorliegenden Fall begründe das Verlangen nach Zustimmung zu der Schiedsvereinbarung jedoch einen Missbrauch von Marktmacht, da die Verbände einen
bestimmenden Einfluss auf die Auswahl der Personen hätten, die für ein
Verfahren vor dem CAS als Schiedsrichter in Betracht kämen. Eine sachliche
Rechtfertigung für dieses Verbandsübergewicht liege nicht vor. Der Grund
dafür, dass sich ein Athlet trotz des Verbandsübergewichts der Schiedsvereinbarung unterwerfe, liege allein in der Monopolstellung des Verbandes. Da der
Klägerin mit der Schiedsvereinbarung der Zugang zu den staatlichen Gerichten
und auf den gesetzlichen Richter entzogen werde, sei die für die Annahme
eines Missbrauchs von Marktmacht erforderliche Erheblichkeitsschwelle überschritten.
11
Der Würdigung als kartellrechtlichem Missbrauch stehe die Streichung
von § 1025 Abs. 2 ZPO aF, der eine Unwirksamkeit des Schiedsvertrages vorsah, wenn eine Partei ihre wirtschaftliche oder soziale Überlegenheit dazu
ausnutzte, den anderen Teil zu seinem Abschluss zu nötigen, nicht entgegen.
Die Aufhebung dieser Vorschrift sei vom Gesetzgeber damit begründet worden,
-7-
dass die Nichtigkeit des Schiedsvertrages angesichts der Tatsache, dass die
Schiedsgerichtsbarkeit einen der staatlichen Gerichtsbarkeit grundsätzlich
gleichwertigen Rechtsschutz biete, als zu weitgehende Rechtsfolge erscheine
und die Regelung in § 1034 Abs. 2 ZPO eine ausgewogene Zusammensetzung
des Schiedsgerichts sicherstelle. Diesen gesetzgeberischen Erwägungen komme jedoch für die kartellrechtliche Würdigung keine Bedeutung zu, da es für die
kartellrechtliche Missbrauchskontrolle typisch sei, dass einem marktbeherrschenden Unternehmen Verhaltensweisen untersagt würden, die anderen
Marktteilnehmern ohne weiteres gestattet wären.
12
Der Klägerin sei die Anrufung der staatlichen Gerichte nicht unter dem
Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens verwehrt. Sie habe sich zwar
vor dem CAS gegen die Doping-Sperre zur Wehr gesetzt. Selbst wenn damit
aber eine Anerkennung von dessen Zuständigkeit verbunden gewesen sein
sollte, könne diese nicht auf andere Streitigkeiten, insbesondere auf den Streit
über die hier geltend gemachten Schadensersatzansprüche, übertragen
werden. Außerdem sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Beklagte zu 2
darauf habe vertrauen dürfen, dass die Klägerin auch für andere Streitigkeiten
als diejenige über den Bestand der Doping-Sperre den CAS anrufen werde.
Schließlich habe die Unterzeichnung der Verfahrensordnung des CAS lediglich
dessen Zuständigkeit für die anhängige Streitigkeit über die Doping-Sperre,
nicht aber für weitere Verfahren begründen können.
13
Der Klagantrag zu 1 (Feststellung der Rechtswidrigkeit der Dopingsperre) sei unzulässig, da er nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet sei. Die weiteren Klaganträge (materieller Schadensersatz und
Schmerzensgeld) seien dagegen zulässig. Soweit sie zulässig sei, sei die Klage
nicht zur Entscheidung reif, insbesondere nicht wegen einer Rechtskraftwirkung
der Entscheidung des CAS unbegründet. Die Anerkennung des Schiedsspruchs
-8-
des CAS stelle wegen der Kartellrechtswidrigkeit der Schiedsvereinbarung
einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) dar.
14
B.
Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten
zu 2 ist erfolgreich und führt zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts. Die Klage ist, soweit über sie noch zu entscheiden ist,
unzulässig.
15
I.
Allerdings sind die deutschen Gerichte zur Entscheidung über die
Klage nach Art. 6 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 60 LugÜ 2007 international zuständig.
16
Nach Art. 6 Nr. 1 LugÜ 2007 sind die Gerichte eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates auch für Klagen gegen einen Beklagten zuständig, der seinen Sitz in einem anderen Vertragsstaat hat, wenn er zusammen mit einem im Gerichtsstaat ansässigen Beklagten verklagt wird und zwischen den Klagen eine so enge Beziehung besteht, dass eine gemeinsame
Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in
getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten. Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die gemeinsame Inanspruchnahme
der Beklagten zu 1 und zu 2 erfüllt.
17
1.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Aus-
legung von Art. 6 Nr. 1 LugÜ 2007 die Parallelvorschrift des Art. 8 Nr. 1
EuGVVO sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Union zu berücksichtigen (Beschluss vom 30. November 2009
- II ZR 55/09, WM 2010, 378). Danach liegt die erforderliche Konnexität der
Klagen vor, wenn bei derselben Sach- und Rechtslage die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht (EuGH, Urteil vom 11. April 2013
- C-645/11, NJW 2013, 1661, Rn. 43 - Sapir; Urteil vom 11. Oktober 2007
- C-98/06, Slg. 2007, I-8340, Rn. 40 - Freeport; BGH, Beschluss vom 30. No-
-9-
vember 2009 - II ZR 55/09, WM 2010, 378; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 6 EuGVVO, Rn. 19; Thomas/Putzo/
Hüßtege, ZPO, 36. Aufl., Art. 8 EuGVVO, Rn. 4). Hinsichtlich der in der Revisionsinstanz noch anhängigen Schadensersatzansprüche beruht die Klage gegen die Beklagte zu 2 auf dem Vorwurf der Klägerin, die gegen sie verhängte
Dopingsperre sei rechtswidrig gewesen. Der Vorwurf gegen die Beklagte zu 1
bestand darin, dass sie die von der Beklagten zu 2 verhängte Dopingsperre mit
Schreiben vom 19. Juli 2009 konkretisiert und in der Folgezeit umgesetzt habe.
Damit haben auch die gegen die Beklagte zu 1 geltend gemachten Ansprüche
ihre Grundlage in dem Vorwurf der Rechtswidrigkeit der verhängten Dopingsperre. Beide Klagen beruhen damit auf derselben Sach- und Rechtslage, zumal die Klägerin auch beide Beklagten als Gesamtschuldner in Anspruch genommen hat (vgl. Bergermann, Doping und Zivilrecht, 2002, S. 256; Grothe in
Festschrift für Hoffmann, 2011, S. 601, 614 f.; Classen, Rechtsschutz gegen
Verbandsmaßnahmen im Profisport, 2014, S. 38; Adolphsen in Adolphsen/
Nolte/Lehner/Gerlinger, Sportrecht in der Praxis, 2012, Rn. 1253 sowie zum
Vorliegen der Konnexität bei Gesamtschuldnerschaft Stadler in Musielak/Voit,
ZPO, 13. Aufl., Art. 8 EuGVVO, Rn. 3).
18
2.
Eine Zuständigkeitserschleichung dadurch, dass die Beklagte zu 1
nur deshalb verklagt worden ist, um die Beklagte zu 2 den für sie zuständigen
schweizerischen Gerichten zu entziehen, hat das Berufungsgericht zu Recht
verneint. Insbesondere kann ein Missbrauch von Art. 6 LugÜ 2007 nicht aus
einer vermeintlichen Unschlüssigkeit der Klage gegen die Beklagte zu 1 hergeleitet werden.
19
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union
kann die Zuständigkeitsregel des Art. 8 Nr. 1 EuGVVO nicht so ausgelegt werden, dass es einem Kläger erlaubt wäre, eine Klage gegen mehrere Beklagte
allein zu dem Zweck zu erheben, einen von diesen der Zuständigkeit der Ge-
- 10 -
richte seines Wohnsitzes zu entziehen (EuGH, Urteil vom 13. Juli 2006
- C-103/05, Slg. 2006, I-6840, Rn. 32 - Reisch Montage; Urteil vom 27. September 1988 - 189/87, Slg. 1988, 5579, Rn. 9 - Kalfelis). Das Fehlen einer Zuständigkeitserschleichung stellt jedoch keine selbständig zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung dar, sondern ist im Rahmen der Abwägung, ob eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung erforderlich erscheint, zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 11. Oktober 2007 - C-98/06, Slg. 2007, I-8340,
Rn. 54 - Freeport; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 6 EuGVVO, Rn. 23; MünchKommZPO-Gottwald, 4. Aufl.,
Art. 6 EuGVVO, Rn. 14; für die Berücksichtigung als eigenständiger Prüfungspunkt Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., Art. 8 EuGVVO, Rn. 3).
20
Eine solche zu berücksichtigende Zuständigkeitserschleichung liegt nicht
allein deshalb vor, weil die Klage gegen den Erstbeklagten zum Zeitpunkt ihrer
Erhebung nach nationalem Recht bereits unzulässig war oder sich als unbegründet erwiesen hat (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Juli 2006 - C-103/05, Slg.
2006, I-6840, Rn. 31, 33 - Reisch Montage; für eine Begründung der Zuständigkeit nach Art. 6 Nr. 1 EuGVVO unabhängig von der Zulässigkeit oder Begründetheit der "Ankerklage" auch Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 6 EuGVVO, Rn. 8, 16; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 6 EuGVVO, Rn. 25; MünchKommZPO-Gottwald, 4. Aufl., Art. 6 EuGVVO, Rn. 6; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO,
36. Aufl., Art. 8 EuGVVO, Rn. 5; aA Wagner in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl.,
Art. 6 EuGVVO, Rn. 44 f.; differenzierend Stadler in Musielak/Voit, ZPO,
13. Aufl., Art. 8 EuGVVO, Rn. 5). Für diese Ansicht spricht insbesondere, dass
die praktische Wirksamkeit der Zuständigkeitsvorschrift des Art. 6 Nr. 1 LugÜ
2007 nicht mehr gewährleistet wäre, wenn bereits im Rahmen der Prüfung des
zuständigen Gerichts unter Umständen schwierige Fragen der Zulässigkeit oder
Begründetheit der "Ankerklage" geklärt werden müssten (vgl. Kropholler/von
Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 6 EuGVVO, Rn. 16). Damit
- 11 -
wäre auch die mit dieser Vorschrift bezweckte Rechtssicherheit beeinträchtigt
(vgl. EuGH, Urteil vom 13. Juli 2006 - C-103/05, Slg. 2006, I-6840, Rn. 25
- Reisch Montage). Etwas anderes mag gelten, wenn die Unschlüssigkeit der
"Ankerklage" auf der Hand liegt. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die Revision
stützt ihre gegenteilige Auffassung maßgeblich auf die Erwägung, dass die Beklagte zu 1 an der Verhängung der Dopingsperre, auf der sämtliche Schadenspositionen der Klägerin aufbauten, nicht beteiligt gewesen sei und sie damit
keine haftungsbegründende Handlung vorgenommen habe. Die Klägerin hat die
haftungsbegründende Handlung der Beklagten zu 1 indessen darin gesehen,
dass diese die von der Beklagten zu 2 verhängte Dopingsperre umgesetzt habe, obwohl ihr ein Ignorieren der Sperre möglich und zumutbar gewesen wäre.
Dies ist kein offensichtlich untauglicher Anknüpfungspunkt für eine Mitinanspruchnahme der Beklagten zu 1.
21
3.
Die einmal begründete internationale Zuständigkeit deutscher Ge-
richte für die Klage gegen die Beklagte zu 2 entfällt nach dem Grundsatz der
perpetuatio fori nicht durch die zwischenzeitlich rechtskräftige Abweisung der
Klage gegen die Beklagte zu 1 (EuGH, Urteil vom 5. Februar 2004 - C-18/02,
Slg. 2004, I-1441, Rn. 36 f. - DFDS Torline; Kropholler/von Hein, Europäisches
Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 6 EuGVVO, Rn. 14; Adolphsen in Adolphsen/
Nolte/Lehner/Gerlinger, Sportrecht in der Praxis, 2012, Rn. 1254; Schlosser in
Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Art. 8 EuGVVO, Rn. 3).
22
II.
Die Klage ist jedoch unzulässig, weil ihr die von der Beklagten zu
2 erhobene Einrede der Schiedsvereinbarung entgegensteht (§ 1032 Abs. 1
ZPO in Verbindung mit § 1025 Abs. 2 ZPO).
23
1.
Mit der Unterzeichnung der Wettkampfmeldung durch die Klägerin
auf Verlangen der Beklagten zu 2 haben die Parteien eine Schiedsvereinbarung
nach §§ 1025 ff. ZPO getroffen. Der CAS ist ein "echtes" Schiedsgericht im
Sinne der Zivilprozessordnung und nicht lediglich ein Verbandsgericht (vgl. zu
- 12 -
dieser Unterscheidung BGH, Urteil vom 28. November 1994 - II ZR 11/94,
BGHZ 128, 93, 108 f.; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 1025,
Rn. 11) oder eine sonstige Streitschlichtungsstelle.
24
a)
Die Stellung der rechtsprechenden Gewalt im Staatsgefüge und
ihr Verhältnis zum Bürger sind in ihren Grundzügen tragende Prinzipien der
deutschen Rechtsordnung (vgl. BVerfGE 2, 307, 320). Richterliche Tätigkeit
untersteht dem Gebot der Distanz und Neutralität (BVerfGE 21, 139, 145 f.; 42,
64, 78); es gehört zu ihrem Wesen, dass sie von nichtbeteiligten Dritten ausgeübt wird (st. Rspr., siehe etwa BVerfGE 3, 377, 381). Für die Schiedsgerichtsbarkeit, die ihrer Funktion und Wirkung nach materiell Rechtsprechung ist, besteht insoweit vom Grundsatz her keine Ausnahme. Dementsprechend liegt ein
"echtes" Schiedsgericht, mit dem der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten
wirksam ausgeschlossen werden kann, nur dann vor, wenn das zur Entscheidung berufene Schiedsgericht eine unabhängige und neutrale Instanz darstellt
(BGH, Urteil vom 15. Mai 1986 - III ZR 192/84, BGHZ 98, 70, 72; Beschluss
vom 27. Mai 2004 - III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 211 f.; Schlosser in Stein/
Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 1025, Rn. 11).
25
b)
Der CAS stellt eine solche unabhängige und neutrale Instanz dar.
Er ist, anders als ein Verbands- oder Vereinsgericht (vgl. dazu BGH, Beschluss
vom 27. Mai 2004 - III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 210 f.), nicht in einen bestimmten Verband oder Verein eingegliedert. Er ist von den ihn tragenden
Sportverbänden und Olympischen Komitees als Institution unabhängig (vgl.
schweizerisches Bundesgericht, Urteil vom 27. Mai 2003 - 4P.267-270/2002,
SchiedsVZ 2004, 208, 209 ff. - Danilova und Latsutina) und soll eine verbandsübergreifende einheitliche Rechtsprechung sicherstellen.
26
c)
Aus dem Verfahren der Erstellung der Schiedsrichterliste des CAS
kann kein strukturelles Ungleichgewicht hergeleitet werden, das die Unabhängigkeit und Neutralität des CAS in einem Maße beeinträchtigt, dass seine Stel-
- 13 -
lung als "echtes" Schiedsgericht in Frage stünde (im Ergebnis ebenso Görtz,
Anti-Doping-Maßnahmen im Hochleistungssport aus rechtlicher Sicht, 2012,
S. 219; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 1034, Rn. 13; aA Classen,
Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, 2014, S. 69 ff.; Orth,
SpuRt 2015, 230, 232; zweifelnd Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 79; Holla,
Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, 2006, S. 204).
27
aa)
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts können gemäß
den im Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsvereinbarung gültigen Verfahrensregeln von 2004 (Statutes of the Bodies Working for the Settlement of
Sports-related Disputes, im Folgenden: Statuten, sowie den Procedural Rules,
im Folgenden: Verfahrensordnung) die den CAS anrufenden Parteien die
Schiedsrichter nur aus einer vom Internationalen Rat für die Sportschiedsgerichtsbarkeit (im Folgenden: ICAS) aufgestellten geschlossenen Schiedsrichterliste auswählen. Der ICAS setzt sich aus 20 Mitgliedern zusammen. Jeweils vier
dieser Mitglieder werden von den Internationalen Sportverbänden, zu denen die
Beklagte zu 2 zählt, von den Nationalen Olympischen Komitees und dem Internationalen Olympischen Komitee ernannt. Diese zwölf Mitglieder ernennen vier
Mitglieder "with a view to safeguarding the interests of the athletes" (mit Blick
auf die Wahrung der Interessen der Athleten). Diese 16 Mitglieder ernennen
schließlich vier weitere Mitglieder, die unabhängig von den Organisationen sind,
welche die anderen Mitglieder ernennen. Die Mitglieder des ICAS treffen ihre
Entscheidungen mit einfacher Mehrheit. Bei der Wahl der Schiedsrichter für den
CAS hat der ICAS eine Verteilung zu berücksichtigen, die der eigenen Besetzung entspricht: jeweils ein Fünftel der Schiedsrichter soll aus den von den Internationalen Sportverbänden, dem Internationalen Olympischen Komitee und
den Nationalen Olympischen Komitees vorgeschlagenen Personen gewählt
werden, ein weiteres Fünftel soll mit Blick auf die Wahrung der Interessen der
Athleten gewählt werden und ein Fünftel aus Personen, die unabhängig von
den für die Vorschläge der anderen Schiedsrichter verantwortlichen Personen
- 14 -
sind. Bei Berufungsverfahren vor dem CAS kann der Präsident der Berufungsabteilung, der durch einfache Mehrheit im ICAS gewählt wird, den Vorsitzenden
des für die konkrete Streitigkeit zuständigen Spruchkörpers bestimmen, wenn
sich die Streitparteien insoweit nicht einigen.
28
Das Berufungsgericht zieht hieraus die Schlussfolgerung, dass den Verbänden wegen des beim ICAS geltenden Mehrheitsprinzips aufgrund der zwölf
verbandsgebundenen Mitglieder ein Übergewicht zukomme, das es ihnen ermögliche, auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste Einfluss zu nehmen, zumal die Verbandsunabhängigkeit der weiteren acht Mitglieder im Hinblick auf ihre Wahl durch die zwölf verbandsgebundenen Mitglieder nicht gesichert sei. Dieses Einflussübergewicht begründe die Gefahr, dass die in die
Schiedsrichterliste aufgenommenen Personen mehrheitlich oder sogar vollständig den Verbänden näher stünden als den Athleten. Eine sachliche Rechtfertigung für dieses Verbandsübergewicht liege nicht vor. In Streitigkeiten zwischen
Verbänden und Athleten bestehe kein Gleichlauf der Interessen, diese stünden
sich vielmehr konträr gegenüber.
29
bb)
30
An der für die Einordnung als "echtes" Schiedsgericht erforderlichen hin-
Dem ist nicht zu folgen.
reichenden Unabhängigkeit fehlt es, wenn die Mitglieder des Spruchkörpers
allein oder überwiegend von einer Partei bestimmt werden oder wenn die
Streitbeteiligten keinen paritätischen Einfluss auf die Besetzung des Spruchkörpers haben (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2004 - III ZB 53/03, BGHZ 159, 207,
213 f.; Haas, ZVglRWiss 2015, 516, 517 f.; Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, 2014, S. 62 f.). Der Einfluss der Parteien auf
die Besetzung des den Streitfall entscheidenden Spruchkörpers des CAS ist
jedoch paritätisch. Denn beide Parteien können aus der (geschlossenen)
Schiedsrichterliste einen Schiedsrichter auswählen. Eine Schiedsrichterliste an
sich ist solange nicht zu beanstanden, als hierdurch nicht ein Übergewicht einer
- 15 -
Partei institutionalisiert wird (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 1034, Rn. 11)
oder das Gremium, das einen maßgeblichen Einfluss auf die Erstellung der
Schiedsrichterliste hat, einer der Parteien näher steht als der anderen, also
gleichsam einem bestimmten "Lager" zuzurechnen ist (vgl. Schlosser in Stein/
Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 1034, Rn. 10). Ein derartiges Übergewicht besteht hier
nicht.
31
Die Schiedsrichterliste manifestiert keine Institutionalisierung eines
Übergewichts eines bestimmten, an einem konkreten Verfahren beteiligten
Sportverbandes (hier der Beklagten zu 2) in dem Sinne, dass dieser direkten
Einfluss auf die Liste hätte nehmen können. Die Beklagte zu 2 hat lediglich insofern einen mittelbaren Einfluss auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste, als sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu den internationalen Sportverbänden zählt, die vier Mitglieder in den ICAS entsenden können.
Zudem soll ein Fünftel der Schiedsrichter aus den von den internationalen
Sportverbänden vorgeschlagenen Personen ernannt werden. Damit kommt einem internationalen Sportverband wie der Beklagten zu 2 ein gewisser Einfluss
auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste zu. Dieser Einfluss besteht
jedoch nicht in einem solchen Ausmaß, dass der Verband hierdurch einen bestimmenden Einfluss auf die Zusammensetzung der Schiedsrichterliste hätte.
Es ist nichts dafür festgestellt oder vorgetragen, dass die mindestens 150 Personen umfassende Schiedsrichterliste - tatsächlich sind es weit über 200 (vgl.
Haas, ZVglRWiss 2015, 516, 528) - nicht eine ausreichende Zahl neutraler, von
der Beklagten zu 2 unabhängiger Personen enthält (vgl. BGH, Urteil vom 7. Januar 1971 - VII ZR 160/69, BGHZ 55, 162, 175 f.; Pfeiffer, SchiedsVZ 2014,
161, 164; Öschütz, Anmerkung zur Entscheidung des schweizerischen Bundesgerichts im Fall Danilova und Latsutina, SchiedsVZ 2004, 211, 212).
- 16 -
32
Ein bestimmender Einfluss des konkret verfahrensbeteiligten Verbandes
kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass den Sportverbänden und den
Olympischen Komitees in ihrer Gesamtheit der maßgebliche Einfluss auf die
Zusammensetzung der Schiedsrichterliste zukommt. Ein Übergewicht des am
konkreten Verfahren beteiligten Verbandes gegenüber dem Athleten bei der
Schiedsrichterbestimmung ergäbe sich hieraus nur dann, wenn sich "Verbände"
und "Athleten" grundsätzlich als von gegensätzlichen Interessen geleitete Lager
gegenüberstünden, wie dies in anderen Bereichen, z.B. bei Arbeitgebern und
Arbeitnehmern, der Fall sein mag. "Verbände" und "Athleten" bilden jedoch keine derartig gegensätzlichen Lager. Im vorliegenden Fall standen sich zwar vor
dem CAS ein Verband, die Beklagte zu 2, und eine Athletin, die Klägerin, in
konträren Parteirollen gegenüber. Die übrigen Sportverbände können jedoch
nicht ohne weiteres der Seite der Beklagten zu 2 zugerechnet werden. Die
Sportverbände und die Olympischen Komitees sind vom Grunde her im Wettbewerb stehende Einheiten mit höchst unterschiedlichen Einzelinteressen (vgl.
Haas, ZVglRWiss 2015, 516, 528 ff.). Im Hinblick auf ihre Verpflichtung zur Umsetzung des WADC mögen sie zwar in Dopingfällen durchaus gleichgerichtete
Interessen vertreten. Diese Interessen decken sich jedoch grundsätzlich mit
den Interessen der Athleten an einem dopingfreien Sport. Zudem bestehen
über das gemeinsame Ziel eines dopingfreien Sports hinaus in konkreten Verfahren durchaus unterschiedliche Einzelinteressen der verschiedenen Verbände und der Athleten. Ein Verband mag - wie die Beklagte zu 1 - in einem Dopingverfahren seinen Athleten unterstützen, weil er von dessen Unschuld überzeugt ist. Ein anderer Verband mag - wie im Fall der Beklagten zu 2 - die von
seiner Disziplinarkommission verhängte Dopingsperre verteidigen. Auf Seiten
der Athleten wird ein des Dopings überführter Athlet für eine möglichst milde
Sanktionierung kämpfen, während andere, durch das Doping benachteiligte
Athleten möglicherweise dessen strenge Verurteilung befürworten werden.
- 17 -
33
Der Senat verkennt dabei nicht, dass gegebenenfalls gleichwohl das Interesse der "Verbandsseite" an einer effektiven Regeldurchsetzung und deren
öffentlicher Erkennbarkeit in Konflikt mit dem Interesse des betroffenen Athleten
an hohen Beweisanforderungen treten kann. Im Hinblick auf das von allen Verbänden und Athleten - bei im Einzelfall jedoch höchst unterschiedlichen Einzelinteressen - verfolgte Hauptziel eines dopingfreien Sports rechtfertigt auch
dies jedoch nicht die Annahme homogener "Lager", bestehend aus "den Verbänden" und "den Athleten", die es zuließe, einem einzelnen Sportverband wie
der Beklagten zu 2 die übrigen Verbände zuzurechnen und hieraus ein Übergewicht eines einzelnen Verfahrensbeteiligten bei der Zusammensetzung des
Schiedsgerichts herzuleiten.
34
d)
Im Übrigen gewährleisten die Statuten und die Verfahrensordnung
des CAS eine hinreichende individuelle Unabhängigkeit und Neutralität der
Schiedsrichter. Die Schiedsrichter müssen nach ihrer Ernennung eine Erklärung
unterzeichnen, dass sie ihre Funktion objektiv und unabhängig ausüben werden. Sie müssen von den Mitgliedern des ICAS personell verschieden sein und
eventuelle Umstände, die ihre Unabhängigkeit beeinträchtigen könnten, gegenüber den Parteien offenlegen. Außerdem haben die Parteien die Möglichkeit,
einen ihnen nicht unabhängig erscheinenden Schiedsrichter als befangen abzulehnen. Der Einwand der Klägerin, das Ablehnungsrecht sei von begrenztem
Wert, weil die Schiedsrichter nicht offenlegen müssten, ob und wie häufig sie in
der Vergangenheit bereits von einer Partei benannt worden seien, steht einer
Einordnung des CAS als "echtem" Schiedsgericht ebenso wenig entgegen wie
das Hinweisrecht des Generalsekretärs des CAS - der Schiedsspruch muss vor
Unterzeichnung dem Generalsekretär vorgelegt werden, der Berichtigungen der
Form vornehmen und die Aufmerksamkeit des Schiedsgerichts auf Grundsatzfragen ("fundamental issues of principle") lenken kann (vgl. zu hieraus resultierenden Bedenken an der sachlichen Unabhängigkeit des Schiedsgerichts im
Zusammenhang mit der ähnlichen Vorschrift des Art. 33 [entspricht Art. 27 aF]
- 18 -
der ICC-Schiedsordnung: Reiner/Jahnel in Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl., Art. 27 ICC, Rn. 8 ff.; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO,
22. Aufl., § 1036, Rn. 60 f.).
35
aa)
Der Regelung des § 1034 Abs. 2 ZPO, die bei inländischen
Schiedsgerichten für den Fall eines strukturellen Übergewichts einer Partei bei
der Zusammensetzung des Schiedsgerichts ein besonderes, fristgebundenes
Verfahren vorsieht, kann entnommen werden, dass nicht jedwede Beeinträchtigung der Unabhängigkeit und Neutralität des Schiedsgerichts zu einer Nichtanwendbarkeit der §§ 1025 ff. ZPO führt. Vielmehr scheidet eine Anwendung der
§§ 1025 ff. ZPO nur dann aus, wenn das Schiedsgericht satzungsmäßig nicht
als unabhängige und unparteiische Stelle organisiert ist oder das "Schiedsverfahren" auf ein Richten des Vereins oder Verbands in eigener Sache hinausläuft, mithin bloße Vereins- bzw. Verbandsgerichtsbarkeit vorgezeichnet ist
(BGH, Beschluss vom 27. Mai 2004 - III ZB 53/03, BGHZ 159, 207, 212 f.).
36
Damit korrespondiert die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu
ausländischen Schiedssprüchen, denen die Anerkennung nur dann versagt
wird, wenn die Verletzungen des Neutralitätsgebots mit den Grundsätzen richterlicher Amtsführung schlechthin unvereinbar sind, etwa weil sie aus der Sicht
eines unbefangenen Betrachters die konkrete Befürchtung rechtfertigen, dass
die Schiedsrichter nur Vollstrecker des Willens einer Partei sind, oder weil die
Schiedsrichter aus sachfremden Erwägungen die Belange einer Partei einseitig
fördern. Daraus folgt, dass sich der Verstoß gegen das Gebot überparteiischer
Rechtspflege im schiedsgerichtlichen Verfahren konkret ausgewirkt haben
muss, um einem ausländischen Schiedsspruch die Anerkennung zu versagen
(BGH, Urteil vom 15. Mai 1986 - III ZR 192/84, BGHZ 98, 70, 74 f.).
37
bb)
Ein solcher Fall liegt jedoch entsprechend den vorstehenden Aus-
führungen gerade nicht vor.
- 19 -
38
Dass ein Verband in der Regel öfter Gelegenheit hat, einen Schiedsrichter zu benennen, als der einzelne Athlet, liegt in der Natur der Sache und rechtfertigt es nicht, den von dem Verband benannten Schiedsrichter deshalb als
dessen Sachwalter anzusehen.
39
Auch aus dem Recht des Generalsekretärs des CAS, auf Grundsatzfragen hinzuweisen, ergibt sich jedenfalls grundsätzlich keine Beeinträchtigung der
Unabhängigkeit des Schiedsgerichts. Das Hinweisrecht dient vielmehr der Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung.
40
2.
Die Schiedsvereinbarung der Parteien vom 2. Januar 2009 erfasst
die mit der Klage geltend gemachten Schadensersatzansprüche.
41
Die Klägerin hat mit der Wettkampfmeldung vom 2. Januar 2009 die Satzung der Beklagten zu 2 anerkannt. Ausdrücklich Bezug genommen wird in der
Meldung auf Art. 26 der Satzung sowie auf die Entscheidungsbefugnis des CAS
für den Erlass von endgültigen und bindenden Schiedssprüchen betreffend die
Beklagte zu 2, ihre Mitglieder und alle Teilnehmer an Veranstaltungen der Beklagten zu 2 unter vollständigem Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
In Art. 26 der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Satzung der Beklagten zu 2
war die Zuständigkeit des CAS geregelt. Danach sollten unter anderem auch
Schadensersatzansprüche sowie andere Ansprüche gegen die Beklagte zu 2,
die anderenfalls Gegenstand eines Klageverfahrens vor einem Zivilgericht sein
könnten, der ausschließlichen Entscheidung durch den CAS unterfallen.
42
3.
Die Schiedsvereinbarung der Parteien ist wirksam.
43
a)
Die Vereinbarung ist am Maßstab des § 19 GWB aF zu messen.
44
Das Zustandekommen und die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung
beurteilen sich im Kollisionsfall nach den Regeln des deutschen Internationalen
Privatrechts (BGH, Urteil vom 3. Mai 2011 - XI ZR 373/08, NJW-RR 2011,
- 20 -
1350, Rn. 38). Nach den bis zum 17. Dezember 2009 geltenden und damit auf
die Schiedsvereinbarung vom 2. Januar 2009 anwendbaren Art. 27 ff. EGBGB
(vgl. BGH aaO) beurteilt sich die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung, unabhängig von dem auf die Vereinbarung anwendbaren Vertragsstatut, nach deutschem Kartellrecht. Nach Art. 34 EGBGB aF sind die vertraglich nicht abdingbaren Vorschriften des deutschen Rechts anzuwenden, die den Sachverhalt ohne
Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht international zwingend
regeln. Zu diesen Vorschriften gehören die kartellrechtlichen Bestimmungen
(MünchKommBGB-Martiny, 4. Aufl., Art. 34 EGBGB, Rn. 94; Palandt/Thorn,
BGB, 68. Aufl., Art. 34 EGBGB, Rn. 3). Insoweit regelt die kartellprivatrechtliche
Kollisionsnorm des § 130 Abs. 2 GWB (vgl. Rehbinder in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., § 130 GWB, Rn. 291), dass die Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf alle Wettbewerbsbeschränkungen Anwendung finden, die sich, wie im Fall des vorliegend in Rede stehenden Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gegenüber
einer in Deutschland ansässigen Person, im Geltungsbereich dieses Gesetzes
auswirken, auch wenn sie außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes
veranlasst worden sind (vgl. Tyrolt, Sportschiedsgerichtsbarkeit und zwingendes staatliches Recht, 2007, S. 44; aA Duve/Rösch, SchiedsVZ 2015, 69, 74).
45
b)
Die Beklagte zu 2 ist Normadressatin des § 19 GWB aF. Das Be-
rufungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass es sich beim Angebot von Sportveranstaltungen um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt und dass die Beklagte
zu 2 auf dem sachlich relevanten Markt der Durchführung von Weltmeisterschaften im Eisschnelllauf im Hinblick auf das Ein-Platz-Prinzip Monopolistin ist.
46
c)
Die Schiedsvereinbarung der Parteien ist wirksam. Sie verstößt
nicht gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot aus § 19 GWB in der auf
den Streitfall anzuwendenden bis zum 29. Juni 2013 geltenden Fassung (im
Folgenden: aF), was nach § 134 BGB zur Nichtigkeit führen würde.
- 21 -
47
Ob die Anwendbarkeit des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots ausgeschlossen ist, weil die Beklagte zu 2 bei der Schiedsvereinbarung nicht unternehmerisch gehandelt hat, sondern vielmehr verpflichtet ist, in Fällen, die im
Zusammenhang mit der Teilnahme an einer internationalen Sportveranstaltung
stehen, oder in Fällen, die internationale Spitzenathleten betreffen, Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen in Anti-Doping-Verfahren ausschließlich zum CAS
vorzusehen (Art. 13.2.1 in Verbindung mit Art. 23.2.2 WADC), kann dahinstehen. Denn jedenfalls stellt das Verhalten der Beklagten zu 2 bei einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der auf
die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen keinen Missbrauch ihrer marktbeherrschenden
Stellung dar.
48
Dabei kann offen bleiben, ob das Verlangen nach Abschluss der
Schiedsvereinbarung durch die Beklagte zu 2 an § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB aF
(Konditionenmissbrauch) oder an der Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB aF
zu messen ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 6. November 2013 - KZR 58/11,
BGHZ 199, 1, Rn. 65 - VBL-Gegenwert; Fuchs/Möschel in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., § 19 GWB, Rn. 254, 256; offen gelassen
von BGH, Beschluss vom 6. November 1984 - KVR 13/83, WuW/E BGH 2103,
2107 - Favorit; Nothdurft in Langen/Bunte, Kartellrecht, 12. Aufl., § 19 GWB,
Rn. 144). Die sowohl im Rahmen des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB aF wie auch im
Rahmen des § 19 Abs. 1 GWB aF erforderliche Interessenabwägung ergibt,
dass ein missbräuchliches Verhalten der Beklagten zu 2 nicht vorliegt. Das Verlangen nach einer Schiedsvereinbarung, die den CAS als Schiedsgericht vorsieht, ist jedenfalls durch sachliche Gründe gerechtfertigt und widerspricht nicht
den allgemeinen gesetzlichen Wertentscheidungen. Insbesondere steht dieses
Verlangen nicht im Widerspruch zu dem Anspruch der Klägerin auf Justizgewährung, zu ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und zu ihren
- 22 -
Rechten aus Art. 6 EMRK. Damit scheidet auch eine Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung nach § 138 BGB aus.
49
aa)
Im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung ist auf Seiten
der Klägerin vornehmlich deren Interesse an einer Entscheidung durch ein unabhängiges (Schieds-)Gericht in einem fairen Verfahren zu berücksichtigen, auf
Seiten der Beklagten zu 2 vornehmlich das Interesse der Sportverbände an einer funktionierenden weltweiten Sportschiedsgerichtsbarkeit. Beide Gesichtspunkte betreffen jedoch nicht nur das Interesse einer Seite. Nur eine unabhängige und faire Sportschiedsgerichtsbarkeit kann weltweite Anerkennung erwarten, und jedem den fairen Wettkampf suchenden Sportler muss daran gelegen
sein, dass mutmaßliche Verstöße gegen die Anti-Doping-Regeln auf internationaler Ebene nach einheitlichen Maßstäben und unter Gleichbehandlung der
betroffenen Sportler aus unterschiedlichen Ländern aufgeklärt und sanktioniert
werden.
50
Dass dem Kampf gegen Doping weltweit eine überragende Bedeutung
zukommt, ist zwischen den Parteien nicht streitig und steht außer Frage. In diesem Rahmen kommt einer einheitlichen Schiedsgerichtsbarkeit die Funktion zu,
die Anti-Doping-Regeln des WADC wirksam und nach einheitlicher Spruchpraxis durchzusetzen. Diese Aufgabe den einzelstaatlichen Gerichten zu überlassen, würde die Erreichung des mit der internationalen Sportschiedsgerichtsbarkeit angestrebten Ziels ernsthaft gefährden. Eine Regelung, die bei Aufrechterhaltung der internationalen Sportschiedsgerichtsbarkeit die Schwächen bei der
Bestellung unabhängiger Schiedsrichter und dem sonstigen Verfahren, die sich
aus dem maßgeblichen Einfluss der internationalen Sportverbände und der
Olympischen Komitees ergeben, völlig vermeiden könnte, ist nicht ersichtlich.
Weitergehende Bedenken gegen das Verfahren des CAS haben in der Vergangenheit - unter anderem aufgrund der Rechtsprechung des schweizerischen
Bundesgerichts - bereits zu Änderungen dieses Verfahrens geführt (Öschütz,
- 23 -
SchiedsVZ 2004, 211 f.). In der gegenwärtigen Form stellen die Statuten des
CAS eine noch hinnehmbare Ausgestaltung des Verfahrens bei der Bestellung
der Schiedsrichter dar.
51
bb)
Das Verlangen der Beklagten zu 2 nach Abschluss der Schieds-
vereinbarung steht nicht im Widerspruch zu den Grundrechten der Klägerin. Es
berührt zwar diese Grundrechte. Das allein führt aber noch nicht dazu, dass die
Interessen der Klägerin im Rahmen der Abwägung nach § 19 GWB aF stets
vorrangig zu behandeln wären (vgl. für das Grundrecht auf Eigentum BGH, Beschluss vom 4. März 2008 - KVR 21/07, BGHZ 176, 1, Rn. 38 f. - Soda-Club II),
zumal auch auf Seiten der Beklagten zu 2 Grundrechte betroffen sind.
52
Der Justizgewährungsanspruch, der aus dem Rechtsstaatsprinzip in
Verbindung mit den Grundrechten, insbesondere mit Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitet wird, garantiert den Zugang zu Gerichten, die in staatlicher Trägerschaft stehen und mit unabhängigen Richtern besetzt sind (vgl. BVerfGE 107, 395, 406 f.;
117, 71, 121 f.; 122, 248, 270 f.; Uhle in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band V, 2013, § 129, Rn. 29; Papier in Isensee/Kirchhof, Handbuch des
Staatsrechts, 3. Aufl., Band VIII, § 176, Rn. 12). Auf diesen Zugang zu staatlichen Gerichten kann jedoch zugunsten einer Schiedsgerichtsbarkeit verzichtet
werden, sofern die Unterwerfung der Parteien unter die Schiedsvereinbarung
und der damit verbundene Verzicht auf die Entscheidung eines staatlichen
Rechtsprechungsorgans freiwillig erfolgt ist (BGH, Urteil vom 3. April 2000
- II ZR 373/98, BGHZ 144, 146, 148 f. - Körbuch; Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl.,
vor § 1025, Rn. 4; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl., Einleitung, Rn. 10; Uhle in Merten/Papier aaO, § 129, Rn. 29; Papier in Isensee/Kirchhof aaO, § 176, Rn. 13; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl., Rn. 240).
53
(1)
Die Klägerin hat sich der Schiedsvereinbarung freiwillig und damit
wirksam unterworfen (im Ergebnis ebenso Adolphsen, in Adolphsen/Nolte/
- 24 -
Lehner/Gerlinger, Sportrecht in der Praxis, 2012, Rn. 1151 f.; Görtz, AntiDoping-Maßnahmen im Hochleistungssport aus rechtlicher Sicht, 2012, S. 241
f.; Duve/Rösch, SchiedsVZ 2014, 216, 222 ff.; aA Orth, SpuRt 2015, 230, 231;
Monheim SpuRt 2014, 90, 91; Classen, Rechtsschutz gegen Verbandsmaßnahmen im Profisport, 2014, S. 87 ff.; Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 80;
Bleistein-Degenhart, NJW 2015, 1353, 1355; Bergermann, Doping und Zivilrecht, 2002, S. 141 f., 281; zweifelnd Maihold, SpuRt 2013, 95, 96).
54
Ein unfreiwilliger Verzicht auf die Grundrechtsausübung liegt dann vor,
wenn physische oder psychische Gewalt, z.B. durch Drohung mit einem empfindlichen Übel (vgl. BVerfG NJW 1982, 375 zum Lügendetektor), ausgeübt
wird, wenn der Verzichtende getäuscht wird, wenn er sich der Tragweite und
Bedeutung seiner Erklärung nicht bewusst ist (Merten in Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte, Band III, 2009, § 73, Rn. 38, 21; Stern, Das Staatsrecht
der Bundesrepublik Deutschland, Band III/2, 1994, S. 914; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis aaO, Rn. 241) oder wenn es gar an der (bewussten) Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung fehlt (vgl. hierzu BGH,
Urteil vom 3. April 2000 - II ZR 373/98, BGHZ 144, 146 - Körbuch). Ist der Verzicht auf grundrechtlich geschützte Rechtspositionen in einer vertraglichen Vereinbarung enthalten, ist diese das maßgebliche rechtliche Instrument zur Verwirklichung freien und eigenverantwortlichen Handelns in Beziehung zu anderen. Die Vertragspartner bestimmen damit selbst, wie ihre individuellen Interessen zueinander in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Freiheitsausübung und wechselseitige Bindung finden so ihre Konkretisierung. Der zum
Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lässt deshalb
in der Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten Interessenausgleich schließen, den der Staat grundsätzlich zu respektieren hat (vgl.
BVerfGE 103, 89, 100; BVerfG, NJW 2011, 1339, Rn. 34). Im Falle einer vertraglichen Vereinbarung liegt daher vom Grundsatz her die erforderliche Freiwilligkeit vor.
- 25 -
55
So verhält es sich auch hier. Um in Ausübung ihres Berufes an den Eisschnelllauf-Weltmeisterschaften in Hamar (Norwegen) teilnehmen zu können,
unterzeichnete die Klägerin am 2. Januar 2009 die Wettkampfmeldung der Beklagten zu 2. Es ist nicht festgestellt oder vorgetragen, dass sie hierzu durch
eine widerrechtliche Drohung oder Täuschung oder gar durch physischen
Zwang veranlasst worden wäre. Dass sie nach ihrem Vortrag die in der Wettkampfmeldung enthaltene Schiedsvereinbarung, also eine der Vertragsbedingungen, nicht gewollt hat, steht einer freiwilligen Vertragsunterzeichnung nicht
entgegen. Eine vertragliche Vereinbarung setzt gerade voraus, dass die Vertragspartner, jedenfalls wenn sie gegensätzliche Interessen vertreten, eigene
Positionen aufgeben und Vertragsbedingungen akzeptieren, die nicht dem eigenen Willen, sondern dem des Vertragspartners entspringen. Dies ist solange
nicht zu beanstanden, wie die vertragliche Vereinbarung einen sachgerechten
Interessenausgleich herstellt. Hat jedoch einer der Vertragspartner ein so starkes Übergewicht, dass er vertragliche Regelungen faktisch einseitig setzen
kann, bewirkt dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung. Wenn bei
einer solchen Sachlage über grundrechtlich verbürgte Positionen verfügt wird,
müssen staatliche Regelungen ausgleichend eingreifen, um den Grundrechtsschutz zu sichern (BVerfGE 81, 242, 255; 89, 214, 232; 103, 89, 100 f.).
56
Im Streitfall war die Entscheidung der Klägerin allerdings fremdbestimmt.
Die Beklagte zu 2 hat im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Eisschnelllauf-Weltmeisterschaften ein Monopol. Die Klägerin war zur Ausübung ihres
Berufes darauf angewiesen, an solchen Weltmeisterschaften teilzunehmen. Die
Beklagte zu 2 war daher faktisch in der Lage, der Klägerin die Bedingungen der
Wettkampfteilnahme vorzugeben. Dabei ist im Hinblick auf die in Art. 13.2.1 in
Verbindung mit Art. 23.2.2 WADC enthaltene Verpflichtung der Beklagten zu 2,
den CAS als Schiedsgericht vorzusehen, davon auszugehen, dass die Klägerin
ohne Unterzeichnung auch der Schiedsvereinbarung nicht zum Wettkampf zugelassen worden wäre.
- 26 -
57
Zur Sicherung des Grundrechtsschutzes sind in Fällen einer derartigen
Fremdbestimmung insbesondere die zivilrechtlichen Generalklauseln (§§ 138,
242, 307, 315 BGB), zu denen auch § 19 GWB aF gerechnet werden kann (vgl.
Nothdurft in Langen/Bunte aaO, § 19 GWB, Rn. 2), heranzuziehen. Bei deren
Konkretisierung und Anwendung sind die Grundrechte zu beachten (BVerfGE
81, 242, 255 f.; 89, 214, 232 ff.; 115, 51, 66 ff.), und die kollidierenden Grundrechtspositionen sind in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen,
dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (BVerfGE
89, 214, 232).
58
Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 19 GWB aF, insbesondere
der Abwägung der betroffenen Grundrechtspositionen, ist auf Seiten der Klägerin zu berücksichtigen, dass neben ihrem Anspruch auf Justizgewährung auch
ihr Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) tangiert wird. Das
Grundrecht der Berufsfreiheit schützt neben der Berufswahl und -aufnahme
auch die Berufsausübung (vgl. grundlegend BVerfGE 7, 377 ff.). Mit der Vorgabe der Beklagten zu 2, dass die zur Berufsausübung als Berufssportler erforderliche Teilnahme an Wettkämpfen nur nach Unterzeichnung einer Wettkampfmeldung möglich ist, in der unter anderem eine Schiedsvereinbarung zugunsten
des CAS enthalten ist, wird die freie Berufsausübung eingeschränkt. Kommt die
Klägerin dieser Vorgabe nicht nach, weil sie z.B. die Unterzeichnung der
Schiedsvereinbarung vermeiden will, wird ihr die Berufsausübung faktisch unmöglich gemacht.
59
(2)
Andererseits erfolgt durch den Zwang zur Schiedsgerichtsbarkeit
eine verfahrensrechtliche Absicherung der gleichfalls verfassungsrechtlich gewährleisteten Verbandsautonomie der Beklagten zu 2 (Art. 9 Abs. 1 GG). Sportfachverbände wie die Beklagte zu 2 fördern den Sport allgemein und insbesondere ihre Sportart, indem sie die Voraussetzungen für einen organisierten
Sportbetrieb schaffen. Hierfür ist es elementar, dass die Regelwerke gegenüber
- 27 -
den Sportlern in ihrer Gesamtheit gelten und flächendeckend nach einheitlichen
Maßstäben durchgesetzt werden (vgl. Görtz, Anti-Doping-Maßnahmen im
Hochleistungssport aus rechtlicher Sicht, 2012, S. 243). Es ist daher allgemein
anerkannt, dass insbesondere im Bereich des internationalen Sports Schiedsvereinbarungen zugunsten eines bestimmten Schiedsgerichts erforderlich sind,
um ein einheitliches Vorgehen hinsichtlich der sportrechtlichen Regeln zu gewährleisten. Gerade im Bereich des Dopings ist die einheitliche Anwendung der
Anti-Doping-Regeln der Verbände und des WADC zwingend erforderlich, um
einen fairen internationalen sportlichen Wettbewerb der Athleten zu ermöglichen. Zudem vermag ein einheitliches Sportschiedsgericht zur Rechtsfortbildung im Rahmen des internationalen Sportrechts beizutragen. Zu den weiteren
Vorteilen einer internationalen Sportschiedsgerichtsbarkeit gegenüber staatlichen Gerichten zählen darüber hinaus die besondere Fachkunde der Schiedsrichter, die im Hinblick auf termingebundene Sportereignisse insbesondere
auch für den von einem Verfahren betroffenen Sportler besonders bedeutsame
Schnelligkeit der Entscheidungsfindung sowie die internationale Anerkennung
und Vollstreckung von Schiedssprüchen (vgl. BT-Drucks. 18/4898, S. 38;
Adolphsen in Adolphsen/Nolte/Lehner/Gerlinger, Sportrecht in der Praxis, 2012,
Rn. 1030 ff.; Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport,
2006, S. 30 ff.; Heermann, SchiedsVZ 2014, 66, 75; Duve/Rösch, SchiedsVZ
2014, 216, 223 f. sowie SchiedsVZ 2015, 69, 77; Orth, SpuRt 2015, 230).
60
Auf Seiten der Beklagten zu 2 ist weiter zu berücksichtigen, dass diese
ihrerseits im Hinblick auf Art. 13.2.1 in Verbindung mit Art. 23.2.2 WADC faktisch gezwungen ist, Schiedsvereinbarungen zu treffen, die den CAS als
Schiedsgericht vorsehen. Die Grundsätze des WADC sind infolge der Ratifizierung des Internationalen Übereinkommens gegen Doping im Sport vom 19. Oktober 2005 (BGBl. II 2007, S. 354) durch die Bunderepublik Deutschland völkerrechtlich verbindliches Vertragsrecht (vgl. Görtz, Anti-Doping-Maßnahmen im
Hochleistungssport aus rechtlicher Sicht, 2012, S. 85). Zudem macht das Inter-
- 28 -
nationale Olympische Komitee, seiner Verpflichtung aus Art. 20.1.2 WADC folgend, die Anerkennung der Internationalen Sportverbände von der Einhaltung
der Regelungen des WADC abhängig.
61
(3)
Die Abwägung dieser Rechte und Interessen führt zu dem Ergeb-
nis, dass die Beklagte zu 2 mit ihrem Verlangen, die von ihr vorgegebene
Schiedsvereinbarung abzuschließen, ihre Marktmacht nicht im Sinne des § 19
GWB aF missbraucht hat.
62
Maßgeblich hierfür ist zum einen, dass die bereits genannten Vorteile einer Sportschiedsgerichtsbarkeit nicht nur für die Verbände, sondern gerade
auch für die Athleten gelten, da diese zur (gegebenenfalls beruflichen) Ausübung ihres Sports darauf angewiesen sind, dass faire Wettkampfbedingungen
herrschen. Dazu gehört insbesondere eine einheitliche Anwendung der AntiDoping-Regeln, die derzeit nur durch den CAS als weltweit anerkanntes Sportschiedsgericht gewährleistet werden kann. Um auf der anderen Seite die
Grundrechte der Klägerin auf Justizgewährung und Berufsfreiheit möglichst
weitgehend wirksam werden zu lassen, dürfen die Anforderungen an die Unabhängigkeit und Neutralität des CAS allerdings nicht zu gering angesetzt werden.
Wie bereits ausgeführt, enthält im Falle des CAS die Schiedsrichterliste grundsätzlich eine ausreichende Anzahl unabhängiger und neutraler Personen und
kommt insbesondere der Beklagten zu 2 als Verfahrensgegnerin kein institutionalisiertes Übergewicht bei der Zusammenstellung der Schiedsrichterliste und
Besetzung des Schiedsgerichts zu. Bei konkreten Bedenken gegen die Unabhängigkeit und Neutralität des Schiedsgerichts war die Klägerin zudem nicht
rechtlos gestellt. Vielmehr sehen die Statuten und die Verfahrensordnung des
CAS entsprechende Befangenheitsregelungen vor. Weiterhin besteht die von
der Klägerin auch genutzte Möglichkeit, Schiedssprüche des CAS in bestimmtem Umfang von den staatlichen Gerichten der Schweiz überprüfen zu lassen.
Diese dem deutschen Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO ähnliche Rechts-
- 29 -
schutzmöglichkeit (vgl. Tyrolt, Sportschiedsgerichtsbarkeit und zwingendes
staatliches Recht, 2007, S. 104) darf nach der Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts in der Schiedsvereinbarung nicht ausgeschlossen werden (schweizerisches Bundesgericht, Urteil vom 22. März 2007 - 4P.172/2006,
SchiedsVZ 2007, 330, 332 f. - Cañas). Ein darüber hinausgehender Anspruch
auf Entscheidung gerade durch ein deutsches staatliches Gericht besteht nicht.
Vielmehr werden durch die deutsche Rechtsordnung sowohl ausländische Urteile als auch ausländische Schiedssprüche bei Vorliegen der entsprechenden
Voraussetzungen (§ 328 ZPO bzw. Art. V UNÜ) anerkannt.
63
Weiter zu berücksichtigen ist der gesetzgeberische Wille, in Fällen der
vorliegenden Art den wirksamen Abschluss einer Schiedsvereinbarung zu ermöglichen. § 1025 Abs. 2 ZPO sah in seiner bis 31. Dezember 1997 geltenden
Fassung vor, dass ein Schiedsvertrag dann unwirksam ist, wenn eine Partei
ihre wirtschaftliche oder soziale Überlegenheit dazu ausgenutzt hat, den anderen Teil zu seinem Abschluss oder zur Annahme von Bestimmungen zu nötigen, die ihr im Verfahren, insbesondere hinsichtlich der Ernennung oder Ablehnung der Schiedsrichter, ein Übergewicht über den anderen Teil einräumen.
Der Gesetzgeber hat diese Regelung gestrichen, weil seiner Auffassung nach
die Rechtsfolge der Nichtigkeit des Schiedsvertrages im Fall der Ausnutzung
der wirtschaftlichen oder sozialen Überlegenheit einer Partei angesichts der
Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes in der Schiedsgerichtsbarkeit zu weitgehend war (BT-Drucks. 13/5274, S. 34). Diese Einschätzung wird mit § 11 des
am 10. Dezember 2015 verabschiedeten Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport (BGBl. I 2015, S. 2210) bekräftigt, der auch für Fälle der vorliegenden Art die Möglichkeit des Abschlusses einer Schiedsvereinbarung vorsieht. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/4898, S. 38 f.) wird klargestellt, dass die von den Sportverbänden vorgegebenen Schiedsvereinbarungen
nach Auffassung des Gesetzgebers nicht wegen unfreiwilliger Unterzeichnung
unwirksam sind. Darüber hinaus hat der deutsche Gesetzgeber das Internatio-
- 30 -
nale Übereinkommen gegen Doping im Sport vom 19. Oktober 2005 (BGBl. II
2007, S. 354) ratifiziert, das in seinem Art. 4 Abs. 1 auf die Regelungen des
WADC Bezug nimmt und die Signatarstaaten zu dessen Einhaltung verpflichtet.
Dabei sehen, wie bereits dargelegt, Art. 13.2.1 in Verbindung mit Art. 23.2.2
WADC Schiedsvereinbarungen vor, die gerade den CAS als Schiedsgericht
bestimmen.
64
cc)
Einer Schiedsvereinbarung, die den CAS als Schiedsgericht vor-
sieht, stehen auch die Rechte der Klägerin aus Art. 6 EMRK nicht entgegen.
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Art. 6 Abs. 1 EMRK sieht vor, dass jede Person das Recht hat, dass
Streitigkeiten über zivilrechtliche Ansprüche von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt werden. Genauso wie der
grundgesetzliche Justizgewährungsanspruch ist auch dieses Recht auf Zugang
zu staatlichen Gerichten allerdings verzichtbar. Insbesondere kann die Zuständigkeit staatlicher Gerichte in Schiedsvereinbarungen ausgeschlossen werden,
wenn die Schiedsvereinbarung freiwillig, erlaubt und eindeutig ist, das Schiedsverfahren entsprechend den Garantien in Art. 6 EMRK ausgestaltet ist und die
Aufhebung von Schiedssprüchen bei Verfahrensmängeln durch staatliche Gerichte möglich ist (EGMR, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 1643/06, Rn. 48 - Suda
./. République Tchèque; Meyer in Karpenstein/Mayer, EMRK, 2. Aufl., Art. 6,
Rn. 59). Diese Voraussetzungen sind entsprechend den vorstehenden Ausführungen zu bb) erfüllt. Dabei führt auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Tatsache, dass die Klägerin zur
Ausübung ihres Berufes darauf angewiesen war, die von der Beklagten zu 2
vorgegebene Wettkampfmeldung zu unterzeichnen, nicht zu einer unfreiwilligen
und damit konventionswidrigen Schiedsvereinbarung (vgl. EKMR, Urteil vom
5. März 1962 - 1197/61, X ./. Bundesrepublik Deutschland; Matscher in Festschrift Nagel 1987, S. 227, 238; im Ergebnis ebenso Pfeiffer, SchiedsVZ 2014,
- 31 -
161, 165; aA Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 80 f.; offen Niedermaier,
SchiedsVZ 2014, 280, 283).
66
dd)
Aus dem kartellrechtlichen Missbrauchsverbot nach Art. 102
AEUV kann eine Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung der Parteien gleichfalls nicht hergeleitet werden. Die Interessenabwägung ergibt wie im Rahmen
des § 19 GWB aF, dass eine missbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagte zu 2 nicht vorliegt.
67
ee)
Schließlich folgt eine Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung
auch nicht aus schweizerischem Recht.
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(1)
Die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung ist, abgesehen von ver-
traglich nicht abdingbaren Vorschriften im Sinne von Art. 34 EGBGB aF, wie
etwa den kartellrechtlichen Vorschriften, nach schweizerischem materiellem
Recht zu überprüfen. Wie bereits dargelegt, ergibt sich das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare materielle Recht aus Art. 27 ff. EGBGB aF. Da die Parteien keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen haben, unterliegt der Vertrag
gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB aF dem Recht des Staates, mit dem er die
engsten Verbindungen aufweist. Nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB aF wird
vermutet, dass der Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist,
in dem die Partei, die die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder, wenn es
sich um eine Gesellschaft, einen Verein oder eine juristische Person handelt,
ihre Hauptverwaltung hat. Dabei wird bei Schiedsvereinbarungen der Schiedsort als maßgebliches Anknüpfungsmerkmal angesehen, um festzustellen, mit
welchem Staat der Vertrag die engsten Verbindungen aufweist (MünchKommZPO-Münch, 4. Aufl., § 1029, Rn. 37; Tyrolt, Sportschiedsgerichtsbarkeit und
zwingendes staatliches Recht, 2007, S. 43, Fn. 90; im Ergebnis ebenso Heermann, SchiedsVZ 2015, 78, 83; Pfeiffer, SchiedsVZ 2014, 161, 163; aA hinsichtlich des Anknüpfungspunktes, im Ergebnis jedoch gleich Zöller/Geimer,
- 32 -
ZPO, 31. Aufl., § 1029, Rn. 15, 107 ff.; Tyrolt aaO, S. 43; Bergermann, Doping
und Zivilrecht, 2002, S. 272; Voit in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 1029, Rn.
28; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 1025, Rn. 9 und § 1029, Rn.
108).
69
(2)
Anders als vom Landgericht angenommen, ist die Schiedsverein-
barung nicht deshalb nach schweizerischem Recht unwirksam, weil sie von der
Klägerin unter dem faktischen Zwang, dass anderenfalls eine Berufsausübung
nicht möglich wäre, unterzeichnet wurde.
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Ausländisches Recht ist von deutschen Gerichten so anzuwenden, wie
es die Gerichte des ausländischen Staates auslegen und anwenden (BGH, Urteil vom 14. Januar 2014 - II ZR 192/13, NJW 2014, 1244, Rn. 15). Aus der
Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts zur Frage der "Freiwilligkeit" von Schiedsvereinbarungen zugunsten des CAS, die Berufssportlern von
den Sportverbänden vorgegeben werden, ergibt sich, dass ein Berufssportler
die Schiedsvereinbarung zwar nur gezwungenermaßen zur Ausübung seines
Berufes unterschreiben wird, die Schiedsvereinbarung jedoch gleichwohl wirksam
ist
(schweizerisches
Bundesgericht,
Urteil
vom
22. März
2007
- 4P.172/2006, SchiedsVZ 2007, 330, 332 f. - Cañas). Das schweizerische
Bundesgericht führt dazu aus, dass lediglich ein im Vorfeld erklärter Rechtsmittelverzicht in Bezug auf Schiedssprüche unwirksam sei, da der Athlet angesichts des strukturellen Ungleichgewichts nicht freiwillig auf Rechtsmittel verzichtet habe. Insoweit bestehe zumindest ein theoretischer Widerspruch in der
Behandlung der Schiedsvereinbarung und des Rechtsmittelverzichts. Dieser sei
jedoch gerechtfertigt durch die rasche Erledigung von Streitigkeiten durch spezialisierte Schiedsgerichte, die über genügende Garantien der Unabhängigkeit
und Unparteiischkeit verfügen. Das "Wohlwollen", mit dem der freiwillige Charakter der Schiedsvereinbarung überprüft werde, finde seinen Ausgleich in der
Beibehaltung der Rechtsmittel. Danach ist die vorliegende Schiedsvereinbarung
- 33 -
der Parteien, die Rechtsmittel zu den staatlichen schweizerischen Gerichten
nicht ausschließt, auch nach schweizerischem Recht wirksam.
71
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Limperg
Meier-Beck
Strohn
Raum
Deichfuß
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 26.02.2014 - 37 O 28331/12 OLG München, Entscheidung vom 15.01.2015 - U 1110/14 Kart -