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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 40/10
vom
7. April 2011
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO § 295 Abs. 1 Nr. 3, § 292 Abs. 1 Satz 1 und 2
Sieht der Treuhänder im Fall eines abhängig beschäftigten Schuldners von der gesetzlich gebotenen Offenlegung der Abtretungsanzeige gegenüber dessen Arbeitgeber ab, hat er die vom Schuldner abzuführenden Beträge eigenverantwortlich zu berechnen und monatlich einzuziehen.
BGH, Beschluss vom 7. April 2011 - IX ZB 40/10 - LG Hamburg
AG Hamburg
-2-
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Vill,
Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring
am 7. April 2011
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der
26. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 21. Januar 2010
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Hamburg
zurückverwiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 10.297,48 € festgesetzt.
Gründe:
I.
1
Das am 23. November 2004 eröffnete vereinfachte Insolvenzverfahren
über das Vermögen des Schuldners wurde mit Beschluss vom 17. November
2008 aufgehoben. Der Schuldner ist seit Mai 2008 als Trainer einer EishockeyBundesligamannschaft beschäftigt. Statt seiner Arbeitgeberin die Abtretungserklärung des Schuldners anzuzeigen, vereinbarte der Treuhänder mit dem
Schuldner die Zahlung eines monatlichen Betrages in Höhe von 321,29 €, der
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dem vom Arbeitgeber abzuführenden pfändbaren Betrag entsprechen sollte. Mit
anwaltlichem Schreiben vom 8. September 2009 stellte die Gläubigerin den Antrag, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, weil dieser dem
Treuhänder verheimlicht habe, dass er neben seinem monatlichen Nettoeinkommen erhebliche geldwerte Sachleistungen sowie Prämienzahlungen für das
Erreichen von Play-Off-Runden erhalten habe. Außerdem könne er als Cheftrainer eines Eishockey-Bundesligavereins ein erheblich höheres jährliches Einkommen beziehen, als ihm tatsächlich gezahlt werde. Nach Eingang des Versagungsantrags führte der Treuhänder eine Nachberechnung der vom Schuldner abzuführenden Beträge durch, die eine Nachzahlung von mehr als 15.000 €
ergab, die der Schuldner entrichtete. Soweit der Schuldner geldwerte Vorteile
erhielt, gab der Treuhänder gegenüber dem Insolvenzgericht an, hierüber informiert worden zu sein. Der Schuldner habe ihm sämtliche erforderlichen Unterlagen vorgelegt.
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Das Insolvenzgericht hat den Versagungsantrag der Gläubigerin zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit ihrer
Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Antrag auf Versagung der
Restschuldbefreiung weiter.
II.
3
Die gemäß §§ 6, 7, 296 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie führt zur
Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das
Beschwerdegericht.
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1. Das Beschwerdegericht meint, die Antragstellerin verkenne, dass es
zur Erfüllung von Obliegenheiten nicht erforderlich sei, dass der Schuldner regelmäßig Zahlungen erbringe. Dieser könne selbst entscheiden, wann und in
welcher Höhe er Beträge an den Treuhänder abführe. Spätestens zum Ende
der Wohlverhaltensperiode müssten die gesamten ihm obliegenden Zahlungen
geleistet sein. Soweit die Gläubigerin vermute, dass der Schuldner mehr verdiene als dem Treuhänder mitgeteilt, gebe es dafür keine Anhaltspunkte. Der
Schuldner habe sich auf die Berechnung der pfändbaren Beträge durch den
Treuhänder verlassen können. Die geldwerten Leistungen seien dem Treuhänder bekannt gewesen. Dieser habe erklärt, durch den Schuldner immer unverzüglich unterrichtet worden zu sein. Es sei nicht ersichtlich, dass der Schuldner
diesem etwas verheimlicht habe.
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2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
6
a) Die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Schuldner in der Wohlverhaltensphase die von ihm zu erbringenden Zahlungen an den Treuhänder leisten
muss, stellt sich nur für den Schuldner, der eine selbständige Tätigkeit ausübt
(§ 295 Abs. 2 InsO). Diesem obliegt es, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Ob er diese Zahlungen innerhalb bestimmter Zeiträume leisten muss, oder ob er lediglich dafür zu sorgen hat, dass am Ende der
Wohlverhaltensphase der Betrag zur Verfügung steht, den er insgesamt abzuführen hat (vgl. Pape in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl. § 17 Rn. 152 mwN), ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bislang nicht entschieden. Vorliegend geht es aber nicht um einen
wirtschaftlich selbständigen Schuldner. Vielmehr geht der Schuldner einer abhängigen Beschäftigung nach. Für ihn gilt § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Er darf dem
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Treuhänder keine von der Abtretungserklärung erfassten Bezüge verheimlichen.
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b) Nach § 292 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO ist der Treuhänder verpflichtet,
den zur Zahlung der Bezüge Verpflichteten über die Abtretung zu unterrichten
und die Beträge, die er durch die Abtretung erlangt, und sonstige Leistungen
des Schuldners oder Dritter von seinem Vermögen getrennt zu halten und einmal jährlich aufgrund des Schlussverzeichnisses an die Insolvenzgläubiger zu
verteilen.
8
aa) Von dieser Verpflichtung ist der Treuhänder abgewichen, indem er im
Einvernehmen mit dem Schuldner von der Vorlage der Abtretungserklärung bei
dessen Arbeitgeber abgesehen hat. Diese möglicherweise letztlich nicht unbedenkliche Vorgehensweise entbindet den Schuldner jedenfalls nicht davon, monatlich die Beträge an den Treuhänder abzuführen, die im Fall der Unterrichtung des Arbeitgebers von der Abtretungserklärung vom Arbeitgeber abzuführen gewesen wären. Den Treuhänder trifft daher die Pflicht, die vom Schuldner
monatlich abzuführenden Beträge anhand der jeweils zu aktualisierenden Angaben des Schuldners nach Maßgabe der §§ 850 ff ZPO zu ermitteln und vom
Schuldner einzufordern. Zahlungen zu beliebigen Zeitpunkten darf der Treuhänder dem Schuldner nicht gestatten.
9
bb) Dieser Pflicht hat der Treuhänder vorliegend nicht genügt. Hätte er
die vom Schuldner abzuführenden Beträge anstelle des Arbeitgebers des
Schuldners regelmäßig berechnet, wie es seine Aufgabe war, nachdem er die
Abtretungserklärung dem Arbeitgeber nicht vorgelegt hat, hätte sich nicht eine
Nachforderung von mehr als 15.000 € für den Zeitraum Mai 2008 bis April 2009
ergeben dürfen. Diese Nachforderung erfasst zudem nach den Feststellungen
- 6 -
des Beschwerdegerichts nicht einmal den vollen vom Schuldner abzuführenden
Betrag, weil der Treuhänder es unterlassen hat, die vom Arbeitgeber des
Schuldners zur Verfügung gestellten "geldwerten Leistungen" zu berechnen (zu
deren Berücksichtigung entsprechend § 850e Nr. 3 ZPO Wenzel, in Kübler/
Prütting/Bork, InsO § 287 Rn. 8; MünchKomm-InsO/Stephan, 2. Aufl. § 287
Rn. 37).
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c) Allerdings kann dem Schuldner die Restschuldbefreiung aufgrund der
fehlerhaften Verfahrensweise des Treuhänders nicht versagt werden, weil der
Schuldner die vom Treuhänder berechneten Beträge an den Treuhänder abgeführt hat. Insoweit ist es im Rahmen der Anwendung des § 295 Abs. 1 Nr. 3
InsO unerheblich, ob der Schuldner die nach der Gesetzeslage von ihm zu entrichtenden Beträge gezahlt hat. Nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO führt nur das
"Verheimlichen" von Bezügen, die von der Abtretungserklärung erfasst werden,
zur Versagung der Restschuldbefreiung. Berechnet der Treuhänder dagegen
die abzuführenden Beträge fehlerhaft, obwohl er durch den Schuldner zutreffend und vollständig informiert worden ist, hat das Zurückbleiben der Zahlungen
des Schuldners hinter den bei zutreffender Berechnung geschuldeten Beträge
für die Versagung der Restschuldbefreiung mangels Verletzung einer Obliegenheit des Schuldners keine Bedeutung. Soweit kein kollusives Zusammenwirken
vorliegt, können sich allenfalls Nachforderungsansprüche gegen den Schuldner
oder Schadensersatzansprüche gegen den Treuhänder bei pflichtwidriger Berechnung der vom Schuldner abzuführenden Beträge ergeben.
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d) Die Gläubigerin macht aber mit Recht geltend, das Beschwerdegericht
habe ihren Vortrag zum Verheimlichen von Bezügen übergangen. Es hat sich
nicht damit auseinandergesetzt, dass der Treuhänder danach trotz regelmäßiger Erhöhung der Nettobezüge des Schuldners auf bis zu 5.138,56 € ab Januar
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2009 noch im Juni 2009 von einem Nettogehalt von 3.800 € ausgegangen ist
und eine Nachberechnung der vom Schuldner abzuführenden Beträge erst im
Oktober 2009 vorgenommen hat, nachdem der Versagungsantrag der Gläubigerin bereits gestellt worden war. Wäre es zutreffend, dass der Schuldner den
Treuhänder entsprechend seinen Verpflichtungen aus § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO
tatsächlich fortlaufend zeitnah über seine erhöhten Nettobezüge unterrichtet
hat, wäre das Schreiben des Treuhänders vom Juni 2009 - gleiches gilt für das
Schreiben des Treuhänders vom 6. April 2009 - und die erst im Oktober 2009
erfolgte Nachberechnung nicht zu erklären. Wann die Unterrichtung des Treuhänders über die erhöhten Nettobezüge tatsächlich erfolgt ist, hat das Beschwerdegericht nicht ermittelt.
III.
Die Entscheidung der Vorinstanz ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist
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noch nicht zur Endentscheidung reif und muss zurückverwiesen werden, § 577
Abs. 4 Satz 1 ZPO. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes
hin:
13
Eine Versagung der Restschuldbefreiung aufgrund des Antrags der
Gläubigerin vom 8. September 2009 kommt dann in Betracht, wenn der
Schuldner dem Treuhänder entgegen § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO die von der
Gläubigerin unwiderlegt dargestellten Leistungen seines Arbeitgebers einschließlich der geldwerten Sachleistungen und der jeweiligen Erhöhungen des
Nettoeinkommens verheimlicht, d.h. nicht in einem engen zeitlichen Zusammenhang zu dem jeweiligen Bezugszeitpunkt von sich mitgeteilt hat (vgl. Pape,
aaO Rn. 145 f), was hier schon im Hinblick auf die gewählte Vorgehensweise
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erforderlich war. Der Treuhänder wird dazu unter Angabe des jeweiligen Datums mitzuteilen haben, wann der Schuldner ihm die Bezüge tatsächlich angezeigt hat.
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Sollte sich erweisen, dass der Schuldner die Bezüge nicht in dem durch
§ 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorgegebenen engen zeitlichen Zusammenhang mitgeteilt hat, wird das Beschwerdegericht weiter zu beachten haben, dass eine Heilung der dann vorliegenden Obliegenheitsverletzung des Schuldners nur in Betracht kommt, wenn dieser die ihm obliegende Anzeige nachgeholt hat, bevor
sein Verhalten aufgedeckt und ein Versagungsantrag gestellt worden ist (BGH,
Beschluss vom 17. Juli 2008 - IX ZB 183/07, ZInsO 2008, 920 Rn. 13; vom
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22. Oktober 2009 - IX ZB 9/09, juris Rn. 8; vom 18. Februar 2010 - IX ZB
211/09, ZInsO 2010, 684 Rn. 6; vom 3. Februar 2011 - IX ZB 99/09, ZInsO
2011, 447 Rn. 2).
Vill
Gehrlein
Grupp
Pape
Möhring
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 15.12.2009 - 68c IK 314/04 LG Hamburg, Entscheidung vom 21.01.2010 - 326 T 2/10 -