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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 230/09
vom
11. Oktober 2012
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO § 290 Abs. 2, § 300 Abs. 1
Ist über die Restschuldbefreiung im Hinblick auf das Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung bereits vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu entscheiden, kann
ein absonderungsberechtigter Gläubiger, dessen Forderung für den Ausfall zur Tabelle festgestellt ist, einen Versagungsantrag stellen, wenn er seinen Ausfall glaubhaft macht.
BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2012 - IX ZB 230/09 - LG Hamburg
AG Hamburg
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Vill, Raebel, die
Richterin Lohmann, die Richter Dr. Fischer und Dr. Pape
am 11. Oktober 2012
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der
so bezeichnete Beschluss der Zivilkammer 26 des Landgerichts
Hamburg vom 7. Oktober 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur Entscheidung - auch über die Kosten des
Rechtsmittelverfahrens - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
5.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
1
Mit Beschluss vom 15. April 2003 wurde über das Vermögen des
Schuldners, eines selbständig tätigen Architekten, das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu 2 zum Insolvenzverwalter bestimmt. Im Prüfungstermin am 19. Januar 2006 wurden hinsichtlich der weiteren Beteiligten
zu 1, einer S.
(im Folgenden: Gläubigerin), Forderungen aus Kreditver-
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bindlichkeiten in die Insolvenztabelle aufgenommen und mit dem Vermerk versehen, dass sie vom Verwalter für den Ausfall in voller Höhe festgestellt, vom
Schuldner allerdings bestritten sind. Das Insolvenzgericht beraumte für den
16. April 2009 eine Gläubigerversammlung "zur Anhörung der Gläubiger zu
dem Antrag des Schuldners auf Ankündigung der Restschuldbefreiung sowie
auf Erteilung der Restschuldbefreiung nach Ablauf der sechsjährigen Abtretungserklärung" an. Zugleich wurde darauf hingewiesen, eine gesonderte Anhörung nach § 300 InsO erfolge nicht mehr. In diesem Termin beantragte die
Gläubigerin, dem Schuldner gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO die Restschuldbefreiung zu versagen.
2
Das Insolvenzgericht hat den Versagungsantrag als unzulässig zurückgewiesen. Das Landgericht hat die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde
der Gläubigerin zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Antrag, die Restschuldbefreiung zu versagen, weiter.
II.
3
Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 4, 6 Abs. 1, § 7 aF, § 300 Abs. 3
Satz 2 InsO, Art. 103 f Satz 1 EGInsO statthaft und auch im Übrigen zulässig
(§ 4 InsO, § 574 Abs. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
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1. Der angegriffene Beschluss unterliegt der Aufhebung. Er weist, obwohl
die zuständige Einzelrichterin am selben Tag mit gesondertem Beschluss die
Sache der Kammer übertragen hatte, lediglich die Unterschrift dieser Richterin
auf; im Beschlussrubrum wird dagegen die Kammer in voller Besetzung aufgeführt. Da es sich mithin lediglich um einen Beschlussentwurf der Berichterstatte-
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rin handelt, fehlt es an einer richterlichen Entscheidung der zuständigen Kammer (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1997 - IX ZR 249/96, BGHZ 137, 49,
51 ff). Dem Nichtbeschluss kommt keine rechtliche Wirksamkeit zu, er ist unbeachtlich und zur Klarstellung ersatzlos aufzuheben (vgl. BGH, Urteil vom
23. Oktober 1997, aaO; vom 4. Februar 1999 - IX ZR 7/98, NJW 1999, 1192).
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2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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a) Der Beschlussentwurf, der in ZInsO 2009, 2163 veröffentlicht ist, hat
gemeint, weil die Versagung der Restschuldbefreiung im Schlusstermin beantragt werden müsse, sei möglicherweise die Anberaumung eines vorgezogenen
Anhörungstermins zur Stellung von Versagungsanträgen verfahrensfehlerhaft.
Jedenfalls sei die Gläubigerin nicht berechtigt, einen Versagungsantrag zu stellen. Als absonderungsberechtigte Gläubigerin sei sie nur antragsberechtigt,
wenn sie ihren Ausfall nachgewiesen hätte. Unbeachtlich sei, weshalb sie ihren
Ausfall nicht nachweisen oder beziffern könne.
7
b) Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
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aa) Die Annahme, die Anberaumung eines vorgezogenen Anhörungstermins zur Stellung von Versagungsanträgen erscheine als verfahrensfehlerhaft, ist unzutreffend. Der Senat hat inzwischen wiederholt ausgesprochen,
dass gemäß § 300 Abs. 1 InsO nach Ablauf von sechs Jahren nach Eröffnung
des Insolvenzverfahrens über den Antrag auf Restschuldbefreiung auch dann
zu entscheiden ist, wenn das Insolvenzverfahren noch nicht abschlussreif ist
(BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - IX ZB 247/08, BGHZ 183, 258
Rn. 14, 20, 28; vom 12. Mai 2011 - IX ZB 229/10, ZInsO 2011, 1126 Rn. 6 f;
vom 16. Februar 2012 - IX ZB 268/10 Rn. 6, nv). Da zu diesem Zeitpunkt noch
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kein Schlusstermin abgehalten werden kann, muss die Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Insolvenzverwalters oder Treuhänders und des Schuldners
in einer Form durchgeführt werden, die dem Schlusstermin entspricht. Dies
kann in einer Gläubigerversammlung oder gemäß § 5 Abs. 2 InsO im schriftlichen Verfahren erfolgen (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009, aaO Rn. 28;
vom 12. Mai 2011, aaO Rn. 7). Die Gläubiger können zwar hierbei nicht die
Versagungsgründe des § 296 InsO geltend machen, weil der Schuldner die Obliegenheiten des § 295 InsO nur in der Wohlverhaltensphase zu beachten hat.
Sie können sich aber auf die Versagungsgründe des § 290 InsO berufen (BGH,
Beschluss vom 3. Dezember 2009, aaO Rn. 23 f). Diesen Anforderungen entspricht die vom Insolvenzgericht anberaumte und durchgeführte Gläubigerversammlung vom 16. April 2009.
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bb) Zu Unrecht wurde davon ausgegangen, die Gläubigerin sei nicht befugt, einen Versagungsantrag zu stellen.
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(1) Versagungsanträge können nur diejenigen Gläubiger stellen, die Forderungen im Insolvenzverfahren angemeldet haben (BGH, Beschluss vom
22. Februar 2007 - IX ZB 120/05, ZVI 2007, 327 f; vom 8. Oktober 2009 - IX ZB
257/08, ZVI 2010, 30 Rn. 3; vom 10. August 2010 - IX ZB 127/10, NZI 2010,
865 Rn. 4). Erst die Teilnahme am Insolvenzverfahren begründet die Antragsberechtigung (vgl. Pape in Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht,
2. Aufl., Kap. 41 Rn. 21). Für einen absonderungsberechtigten Gläubiger gilt
grundsätzlich nichts anderes. Ein Absonderungsberechtigter, der seine persönliche Forderung nicht zumindest in Höhe des Ausfalls anmeldet, nimmt allerdings am Insolvenzverfahren nicht teil (BGH, Beschluss vom 17. März 2005
- IX ZB 214/04, ZVI 2005, 322, 324; MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl., § 52
Rn. 16). Die Gläubigerin hat dagegen ihre Forderung angemeldet; der Insol-
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venzverwalter hat die Forderung für den Fall des Ausfalls zur Tabelle festgestellt.
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(2) Ob der absonderungsberechtigte Gläubiger zusätzlich den Ausfall
nachzuweisen hat, wird im Schrifttum unterschiedlich beurteilt (befürwortend:
FK-InsO/Ahrens, 6. Aufl., § 290 Rn. 80; HK-InsO/Landfermann, 6. Aufl., § 290
Rn. 37; HmbKomm-InsO/Streck, 4. Aufl., § 290 Rn. 2; ablehnend: Nerlich/
Römermann, InsO, 2010, § 290 Rn. 7; Schmerbach in Haarmeyer/Wutzke/
Förster, InsO, 2. Aufl., § 290 Rn. 42; Schmidt, Privatinsolvenz, 3. Aufl., § 5
Rn. 67 jew. unter Bezugnahme auf AG Hamburg, ZInsO 2008, 983, 984). Für
die hier vorliegende Fallgestaltung, bei der über die Versagung der Restschuldbefreiung im Hinblick auf das Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung bereits
zu entscheiden ist, obwohl das Insolvenzverfahren noch nicht abschlussreif ist
(vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009, aaO; vom 12. Mai 2011, aaO;
vom 16. Februar 2012, aaO), kann jedenfalls auf den vollen Nachweis im Sinne
einer Bezifferung nicht abgestellt werden.
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(a) Der nach § 190 Abs. 1 InsO zu führende Nachweis des Ausfalls im
Rahmen der Schlussverteilung, mithin zu einem Zeitpunkt, in dem das Insolvenzverfahren abschlussreif ist, setzt die Verwertung des Haftungsgegenstandes (Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 190 Rn. 7) oder zumindest den Nachweis,
dass ein erfolgloser Verwertungsversuch unternommen wurde (MünchKommInsO/Ganter, aaO Rn. 35; Uhlenbruck/Brinkmann, aaO, § 52 Rn. 18), voraus.
Regelmäßig wird die Verwertung bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen (vgl.
HK-InsO/Lohmann, aaO § 52 Rn. 5) und damit eine genaue Bezifferung des
Ausfalls möglich sein.
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(b) Handelt es sich dagegen um der Schlussverteilung vorausgehende
Verfahrensabschnitte, findet im Hinblick auf die vielfach noch ausstehende
Durchführung der Verwertung dieser Maßstab keine Anwendung. Geht es um
Abschlagsverteilungen (§ 190 Abs. 2 InsO) oder um das Stimmrecht im Planverfahren (§ 237 Abs. 1 Satz 1 InsO), so genügt die Glaubhaftmachung (HKInsO/Lohmann, aaO Rn. 6). Erst recht gilt dies, wenn der absonderungsberechtigte Gläubiger einen Insolvenzantrag stellt und diesen mit einem möglichen
Ausfall begründet. Nur dann, wenn der Ausfall nicht glaubhaft gemacht wird,
fehlt dem Antrag das Rechtsschutzinteresse (vgl. BGH, Beschluss vom
29. November 2007 - IX ZB 12/07, ZIP 2008, 281 Rn. 12; HK-InsO/Lohmann,
aaO).
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(c) Für die vorliegende Fallgestaltung ist ebenfalls kennzeichnend, dass
das Insolvenzverfahren noch nicht abschlussreif ist und mithin ein Schlusstermin (§ 197 InsO) nicht anberaumt werden kann. Auch hier ist es dem absonderungsberechtigten Insolvenzgläubiger regelmäßig nicht möglich, den vollen
Nachweis des Ausfalls zu führen. Es genügt daher auch hier, den Ausfall
glaubhaft zu machen.
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Im gegenwärtigen Verfahrensabschnitt ist das Zwangsversteigerungsverfahren noch nicht abgeschlossen. Die Gläubigerin hat im Beschwerdeverfahren
vorgebracht, dass das bislang abgegebene Meistgebot deutlich unter der
Summe der für sie in der Tabelle festgestellten Forderungen liegen wird. Diesem Vortrag muss nachgegangen werden.
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(3) Auch ist es nicht erheblich, dass der Schuldner die zur Tabelle festgestellten Forderungen bestritten hat. Für die Beurteilung der Berechtigung eines Gläubigers, einen Versagungsantrag zu stellen, ist dies ohne Belang.
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Der Widerspruch eines Schuldners gegen eine vom Insolvenzgläubiger
zur Tabelle angemeldeten Forderung berührt die Stellung des Insolvenzgläubigers im Insolvenzverfahren nicht. Dies folgt aus § 178 Abs. 1 InsO (vgl. FKInsO/Ahrens, aaO Rn. 81). Restschuldbefreiungsverfahren und Insolvenzverfahren sind eng miteinander verbunden, insbesondere, wenn die Versagung der
Restschuldbefreiung bereits während des Insolvenzverfahrens nach Ablauf der
Abtretungsfrist oder im Schlusstermin nach § 290 InsO erfolgen sollte. Da der
Gesetzgeber die Entscheidung, ob dem Schuldner die Wohltat der Restschuldbefreiung gewährt werden soll, davon abhängig gemacht hat, dass die Insolvenzgläubiger keine begründeten Versagungsanträge stellen, muss entscheidend auf die Gemeinschaft der Insolvenzgläubiger abgestellt werden, wozu
auch der absonderungsberechtigte Gläubiger gehört. Der nachinsolvenzlichen
Wirkung des Schuldnerwiderspruchs, etwa nach § 201 InsO, kann hierbei keine
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Bedeutung zukommen, insbesondere keine den Versagungsantrag hindernde
Wirkung (so aber FK-InsO/Ahrens, aaO).
Vill
Raebel
Fischer
Lohmann
Pape
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 04.05.2009 - 67e IN 346/02 LG Hamburg, Entscheidung vom 07.10.2009 - 326 T 45/09 -