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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Verkündet am:
19. Januar 2005
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
IV ZR 311/02
in dem Rechtsstreit
-2-
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung vom
19. Januar 2005
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 22. Juli 2002 wird
auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt im Wege der Feststellungsklage von der Beklagten eine höhere Zusatzrente mit Wirkung ab 1. Januar 2001.
Sie ist am 31. März 1939 geboren und war im öffentlichen Dienst
bei einem Dienstherrn beschäftigt, der an der beklagten Versorgungsanstalt beteiligt ist. Seit 1. Oktober 1999 bezieht die Klägerin eine Zusatzversorgungsrente von der Beklagten. Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a
Doppelbuchst. aa ihrer Satzung (im folgenden: VBLS) in der für die Berechnung der Rentenhöhe maßgebenden Fassung berücksichtigte die
Beklagte für den Faktor der gesamtversorgungsfähigen Zeit, von dem die
Höhe ihrer Zusatzrente abhängt, außer den Umlagemonaten, in denen
ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit Umlagezahlungen an die
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Beklagte für die Altersversorgung der bei ihm beschäftigten Klägerin beigetragen hat, darüber hinaus andere Zeiten, die (über die Umlagemonate
hinaus) der gesetzlichen Rente der Klägerin zugrunde liegen, nur zur
Hälfte (sog. Halbanrechnungsgrundsatz). Andererseits war nach der seinerzeit geltenden Satzung bei der Berechnung der Versorgungsrente
grundsätzlich von der vollen Höhe der jeweils gezahlten gesetzlichen
Rente auszugehen; diese wurde durch die von der Beklagten gewährte
Zusatzversorgung lediglich insoweit aufgestockt, wie die gesetzliche
Rente hinter der nach der Satzung berechneten Gesamtversorgung zurückblieb (§ 40 Abs. 1 VBLS a.F.). Das Bundesverfassungsgericht hat in
der Halbanrechnung von Vordienstzeiten bei voller Berücksichtigung der
gesetzlichen Rente einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen, der
nur bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne (VersR
2000, 835 = NJW 2000, 3341). Die Klägerin hat daher beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr ab 1. Januar 2001 eine Versorgungsrente für Versicherte auf der Grundlage einer auch sämtliche
Vordienstzeiten voll berücksichtigenden gesamtversorgungsfähigen Zeit
zu gewähren, bis eine neue, die Regelung der Vordienstzeiten ändernde
Satzung in Kraft trete.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
-4-
Entscheidungsgründe:
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts gehören Berechtigte,
die - wie die Klägerin - am 31. Dezember 2000 schon Renten von der
Beklagten bezogen haben, nicht zu dem Personenkreis, für den das
Bundesverfassungsgericht
die
streitige
Regelung
beanstandet
hat.
Selbst wenn man aber annehme, daß auch für diese Gruppe von Rentenberechtigten die Halbanrechnung unzulässig und die Satzung insoweit
unwirksam sei, könne die Klage keinen Erfolg haben. Denn es stehe eine
Grundentscheidung der beteiligten Sozialpartner in Frage, die jedenfalls
hier nicht vom Gericht im Wege ergänzender Auslegung eines lückenhaft
gewordenen Vertrages geschlossen werden könne. Die Beklagte könne
ihr Grundleistungsangebot nicht selbst gestalten, sondern müsse ein von
den Sozialpartnern ausgehandeltes Ergebnis umsetzen, das notwendig
kompromißhafte Züge trage und deshalb einer Auslegung unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit kaum zugänglich sei. Die mit der
Klage geforderte zusätzliche Leistung sei, wenn man ihre finanziellen
Auswirkungen auf die Beklagte abschätze, nicht etwa nur als Abrundung
ihres Angebots zu werten, sondern erschüttere die Beklagte in ihrer wirtschaftlichen Substanz. Deshalb müsse als mögliche Neuregelung auch in
Betracht gezogen werden, daß Vordienstzeiten bei der Berechnung der
von der Beklagten gezahlten Zusatzrente überhaupt nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht lag der Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung
-5-
der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 1. März 2002 vor, der
das bisherige Gesamtversorgungssystem der Beklagten durch ein an den
Grundsatz der Betriebstreue anknüpfendes Punktemodell ersetzt; Vordienstzeiten werden - abgesehen vom Bestandsschutz - nicht mehr berücksichtigt (vgl. Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, 37. Ergl. August 2002 Teil C Anl. 5). Im
Hinblick darauf hat das Berufungsgericht keinen Anlaß gesehen, die Satzung etwa wegen Untätigkeit der Sozialpartner ergänzend auszulegen.
2. Dem ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 26. November 2003 (IV ZR 186/02 - VersR
2004, 183) entschieden hat.
a) Am 19. September 2002 hat die Beklagte ihre Satzung mit Wirkung ab 1. Januar 2001 geändert. Nach der Übergangsregelung in § 75
Abs. 2 der Neufassung werden die nach bisherigem Satzungsrecht gezahlten Versorgungsrenten grundsätzlich als Besitzstandsrenten weitergezahlt und entsprechend § 39 der Neufassung vom Jahr 2002 an jährlich zum 1. Juli um 1% erhöht. Die von der Klägerin geforderte volle Anrechnung der Vordienstzeiten ist nach wie vor nicht vorgesehen.
b) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom
22. März 2000, auf den sich die Klägerin stützt, die Verfassungsbeschwerde einer 1921 geborenen Rentnerin, die seit Anfang 1983 Leistungen von der Beklagten erhielt und im Ausgangsverfahren erfolglos
deren Erhöhung wegen Unwirksamkeit von Satzungsbestimmungen verlangt hatte, nicht zur Entscheidung angenommen. Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die volle Berücksichtigung ihrer Sozialversiche-
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rungsrente bei der Bestimmung der Höhe der Zusatzversorgung einerseits, aber die nur halbe Berücksichtigung von Zeiten vor Aufnahme ihrer
Tätigkeit im öffentlichen Dienst bei der Bemessung der gesamtversorgungsfähigen Zeit andererseits gewandt hatte, hat das Bundesverfassungsgericht die Regelung in § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS a.F. zwar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG beanstandet,
eine Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin aber "(noch)
nicht" festgestellt. Die Ungleichbehandlung sei zwar gravierend, halte
sich derzeit jedoch noch im Rahmen einer zulässigen Generalisierung.
Der Satzungsgeber sei wegen der hochkomplizierten Materie zu gewissen Vereinfachungen gezwungen. Dabei dürfe er Ungleichbehandlungen
in Kauf nehmen, solange davon nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von
Personen betroffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht
sehr intensiv sei. Das treffe auf die Rentnergeneration der Beschwerdeführerin zu, wie das Bundesverfassungsgericht feststellt. Für die jüngeren Versichertengenerationen sei ein bruchloser Verlauf der Erwerbsbiographie im öffentlichen Dienst angesichts stark gestiegener Teilzeitarbeit
und einer stärkeren Diskontinuität des Erwerbslebens allerdings nicht
mehr in hinreichender Weise typisch. Angesichts dieser Entwicklung
könne die Benachteiligung der Rentner durch volle Anrechnung der in
Vordienstzeiten erworbenen Rentenansprüche bei nur hälftiger Berücksichtigung dieses Teils ihrer Lebensarbeitszeit im Rahmen der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit nicht länger als bis zum
Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt sei
die Beklagte durch die Entscheidung BVerfGE 98, 365 = VersR 1999,
600 ohnehin zu einer grundlegenden Änderung ihrer Satzung gezwungen.
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c) Dieser Beschluß des Bundesverfassungsgerichts mag bei den
Rentenempfängern der Beklagten die Erwartung geweckt haben, ihnen
stehe vom Jahr 2001 an eine höhere Rente zu, wie sie sich bei voller Berücksichtigung der Vordienstzeiten aus der früher geltenden Fassung der
VBLS ergeben würde. Die Klägerin des vorliegenden Verfahrens gehört
jedoch nicht zu jenen jüngeren Versichertengenerationen, für die die angegriffene Halbanrechnung nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr hinnehmbar ist (vgl. dazu Senat, Urteil vom 26. November 2003 - IV ZR 186/02 - VersR 2004, 183 ff.). Das Bundesverfassungsgericht hat die Halbanrechnung trotz verfassungsrechtlicher Bedenken noch als zulässige Typisierung und Generalisierung im Rahmen
einer komplizierten Materie angesehen, weil ein bruchloser Verlauf der
Erwerbsbiographie im öffentlichen Dienst erst für die jüngeren Versichertengenerationen nicht mehr hinreichend typisch sei. Bis zum Ablauf des
Jahres 2000 könne die Halbanrechnung aber noch hingenommen werden. Mithin ist das Bundesverfassungsgericht davon ausgegangen, daß
alle Versicherten, die vor Ablauf des Jahres 2000 Rentner bei der Beklagten geworden sind, noch zu denjenigen Generationen zählen, für die
ein bruchloser Verlauf der (bei Rentenbeginn abgeschlossenen) Erwerbsbiographie als typisch angesehen werden kann. Soweit die Versicherten im Revisionsverfahren diese Annahme des Bundesverfassungsgerichts mittels statistischen Materials und unter Berufung auf ein einzuholendes Sachverständigengutachten in Zweifel gezogen haben, ist dies
in bezug auf die rein wertende Abgrenzung der Versichertengenerationen durch das Bundesverfassungsgericht unerheblich. Die Klägerin bezieht bereits seit einem vor Ablauf des Jahres 2000 liegenden Zeitpunkt
eine Zusatzrente von der Beklagten. Für sie und für die Generation, der
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sie angehört, ist die Halbanrechnung der Vordienstzeiten also noch hinzunehmen.
Die Unterscheidung, die das Bundesverfassungsgericht zwischen
der Rentnergeneration der dortigen Beschwerdeführerin einerseits und
den jüngeren Versichertengenerationen andererseits trifft, verlöre ihren
Sinn, wenn auch Personen, die vor dem Stichtag schon Rentner bei der
Beklagten waren, nach dem Stichtag als Angehörige der jüngeren Versichertengeneration hätten gelten sollen. Daß auch die Beschwerdeführerin (und nicht nur die am Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
nicht beteiligten jüngeren Versichertengenerationen) vom Stichtag an einen Anspruch auf Änderung der sie benachteiligenden, gegen Art. 3
Abs. 1 GG verstoßenden Satzungsbestimmungen gehabt hätte, ist nicht
ersichtlich.
d) Der Senat folgt dem Bundesverfassungsgericht darin, daß die
Anwendung des § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS
a.F. bei der Berechnung der Versorgungsrente für solche Versicherte,
die - wie die Klägerin - bis zum 31. Dezember 2000 rentenberechtigt geworden sind, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Auch ein Verstoß
gegen die §§ 9 AGBG, 307 BGB liegt nicht vor. Dabei kann auf sich beruhen, ob den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur Ungleichbehandlung der von der Halbanrechnung betroffenen Versichertengruppe trotz der Kritik der Beklagten in jedem Punkte zu folgen ist
(vgl. auch Hebler, ZTR 2000, 337 ff.). Denn mit dem Bundesverfassungsgericht ist der Senat der Auffassung, daß - ist mit der Halbanrechnung eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Versicherten verbunden, die ihr ganzes Berufsleben im öffentlichen Dienst verbracht ha-
-9-
ben - sich die Ungleichbehandlung jedenfalls im Rahmen einer zulässigen Typisierung und Generalisierung einer komplizierten, eine sehr große Gruppe von Versicherten betreffenden Materie hielt. Diese Ungleichbehandlung hat ein Versicherter, der bis zum Ablauf des Jahres 2000
Zusatzrentenempfänger geworden ist, nicht zuletzt auch im Interesse der
Erhaltung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Versorgungsträgers
hinzunehmen, selbst wenn für die Zukunft eine andere, eine die Ungleichbehandlung für zukünftige Rentenempfänger vermeidende Regelung zu treffen ist.
e) Die Klägerin wird auch gegenüber Versicherten, deren Rente
sich nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Neufassung der VBLS richtet,
nicht in rechtlich erheblicher Weise benachteiligt. Das Niveau der von
der Beklagten in Zukunft aufgrund ihrer neuen Satzung zu leistenden
Renten ist generell niedriger als bisher; den Berechtigten wird daneben
eine ergänzende Altersvorsorge angeboten, die aus eigenen Beiträgen
aufgebaut werden muß. Daß die Klägerin trotz der dynamisierten Besitzstandsrente, die sie nach § 75 Abs. 2 VBLS n.F. erhält, wirtschaftlich im
Ergebnis schlechter stehe als Berechtigte, deren Rente nach neuem
Satzungsrecht ohne Rücksicht auf Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes berechnet wird, ist weder dargetan noch ersichtlich. Der
in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten vom Bundesverfassungsgericht gesehene Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist für die Zukunft
ausgeräumt. Im Hinblick darauf stehen Rentenempfängern alten Rechts
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wie der Klägerin über die Wahrung ihres Besitzstandes hinaus auch nach
dem 31. Dezember 2000 keine weitergehenden Ansprüche aus Gründen
der Gleichbehandlung zu.
Terno
Dr. Schlichting
Wendt
Seiffert
Dr. Kessal-Wulf