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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 122/00
Verkündet am:
11. Juli 2001
Heinekamp
Justizsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter
Terno,
den
Richter
Dr. Schlichting,
die
Richterin
Ambrosius, den Richter Wendt und die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die
mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2001
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats
des
Oberlandesgerichts
Düsseldorf
vom
7. April 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin beruft sich auf die Existenz eines eigenhändigen gemeinschaftlichen Testaments ihrer Eltern, das am Todestag ihres Vaters,
dem 13. Oktober 1989, in dem Krankenhaus errichtet worden sein soll, in
dem er verstorben ist. Sie kann dieses Testament nicht vorlegen. Nach
der Behauptung der Klägerin ist sie in diesem Testament neben den Beklagten, ihren Geschwistern, bindend als Schlußerbin nach dem letztver-
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sterbenden Elternteil eingesetzt worden. Die Eltern hatten im Jahre 1986
ein notarielles Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und bestimmt hatten, die Testierfreiheit des Überlebenden solle nicht beschränkt sein. Die Mutter der Parteien hat 1992 in
einem notariellen Testament allein die Beklagten zu ihren Erben berufen. Sie ist im Jahre 1996 gestorben.
In einem vorangegangenen Verfahren hatte die Klägerin beantragt,
den Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen,
über den Nachlaß der Mutter zu verfügen. Der Antrag wurde zurückgewiesen. Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin u.a. auf Feststellung
geklagt, zu einem Drittel Miterbin nach der Mutter zu sein. Die Vorinstanzen haben die von der Klägerin benannten Zeugen für die Existenz
eines Testaments vom 13. Oktober 1989 nicht vernommen, sondern sich
mit einer Würdigung der Vernehmungsprotokolle im einstweiligen Verfügungsverfahren begnügt; das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die
Berufung der Klägerin ist zurückgewiesen worden. Dagegen wendet sie
sich mit ihrer Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe den Beweis für
die Existenz eines weiteren Testaments vom 13. Oktober 1989 nicht er-
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bracht. Die bereits im einstweiligen Verfügungsverfahren gehörten Zeugen hätten nicht noch einmal vernommen werden müssen. Vor dem
Landgericht hätten die Parteien erklärt, sie seien bei der Beweisaufnahme im Verfügungsverfahren anwesend gewesen, hätten den Zeugen
Fragen stellen können und seien deshalb mit der Verwertung der im
Verfügungsverfahren erhobenen Beweise einverstanden. Daß die Klägerin später gemeint habe, die vernommenen Zeugen müßten noch einmal
gehört werden, stehe einer Würdigung der Vernehmungsprotokolle aus
dem Verfügungsverfahren nicht entgegen. Die dort wiedergegebenen
Aussagen des Bruders des Erblassers, er sei bei der Errichtung des angeblichen Testaments vom 13. Oktober 1989 anwesend gewesen, enthielten Unstimmigkeiten, die erhebliche Zweifel an ihrer Glaubhaftigkeit
aufkommen ließen. Auch bestünden Bedenken gegen seine Glaubwürdigkeit, weil er den angeblichen Erbteil der Klägerin gekauft habe und
daher am Ausgang des Rechtsstreits interessiert sei. Der frühere Ehemann der Beklagten zu 2) habe im Verfügungsverfahren ausgesagt, er
sei am 13. Oktober 1989 stets zusammen mit dem Bruder des Erblassers
in dessen Krankenzimmer gewesen; über ein Testament sei nicht gesprochen und insbesondere nichts schriftlich niedergelegt worden. Die
von der Klägerin vorgelegten Kopien von Schreiben ihrer Mutter sowie
einer Krankenschwester, die die Testamentserrichtung miterlebt haben
wolle, könnten nicht auf ihre Echtheit geprüft werden, weil die Originale
nicht zur Verfügung stünden; es bestehe der Verdacht von Fälschungen.
Soweit die Klägerin in das Wissen ihres Ehemannes und ihrer Töchter
stelle, daß ihre Mutter bei der Beerdigung des Vaters über das am
13. Oktober 1989 errichtete Testament und die darin vorgesehene
Schlußerbfolge der Klägerin zu gleichen Teilen neben den Beklagten
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gesprochen habe, könne davon ausgegangen werden, daß diese Zeugen
ihre entsprechenden Angaben im Verfügungsverfahren wiederholen würden. Auch damit sei in Anbetracht des übrigen Beweisergebnisses nicht
bewiesen, daß das von der Klägerin behauptete Testament jemals errichtet worden sei und den von ihr behaupteten Inhalt hatte.
2. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.
a) Sie führt zwar in erster Linie aus, daß die Beurteilung der
Glaubhaftigkeit sowie der Glaubwürdigkeit des nicht als Zeugen vernommenen Bruders des Erblassers rechtsfehlerhaft sei. Im Zusammenhang damit rügt die Revision aber auch, daß sich weder das Berufungsgericht noch das Landgericht einen persönlichen Eindruck von diesem
Zeugen verschafft haben.
Schon deshalb kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben.
Die Klägerin hat in ihrer Berufungsbegründung die Vernehmung "sämtlicher" Zeugen gefordert. Es ist nicht zulässig, im Hinblick auf die urkundenbeweisliche Verwertung von Vernehmungsprotokollen aus einem anderen Verfahren von der erneuten Vernehmung derselben Zeugen im
anhängigen Verfahren abzusehen, wenn die Vernehmung zum Zwecke
des unmittelbaren Beweises beantragt wird (BGH, Urteil vom 30. November 1999 - VI ZR 207/98 - NJW 2000, 1420 unter II 2 a m.w.N.). Daran können Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben im anderen
Verfahren sowie gegen die persönliche Glaubwürdigkeit des Zeugen
nichts ändern. Insoweit handelt es sich vielmehr um eine unzulässige
vorweggenommene Beweiswürdigung. Daß auch die Klägerin vor dem
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Landgericht erklärt hat, sie sei mit der Verwertung der im Verfügungsverfahren erhobenen Beweise einverstanden, rechtfertigt keine andere
Beurteilung. Diese Erklärung läßt sich nicht dahin auslegen, die Klägerin
habe auch im Fall eines ihr ungünstigen Urteils des Landgerichts für die
zweite Instanz auf die Vernehmung der Zeugen verzichtet.
b) Weiter rügt die Revision mit Recht, daß das Berufungsgericht
aus denselben Gründen den Ehemann und die Töchter der Klägerin über
die angeblichen Äußerungen der Mutter bei der Beerdigung des Vaters
hätte vernehmen müssen. Denn insoweit waren für die vom Berufungsgericht vorzunehmende Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses die Aussagen dieser bisher gerichtlich noch nicht vernommenen Zeugen im einzelnen sowie deren persönlicher Eindruck von Bedeutung.
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3. Auf die weiteren Rügen der Revision kommt es danach nicht
mehr an. Das Berufungsgericht wird nach Vernehmung der genannten
Zeugen prüfen müssen, ob und inwieweit weitere Beweiserhebungen
veranlaßt sind. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1
Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Terno
Dr. Schlichting
Wendt
Ambrosius
Dr. Kessal-Wulf