Cyberlaywer/build/tfgpu-cyberlaywer/EndDokumente/iii_zr_302-08.pdf.txt

458 lines
23 KiB
Text
Raw Normal View History

2023-03-06 15:36:57 +01:00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 302/08
Verkündet am:
5. November 2009
Kiefer
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 675
Zur Pflicht des Anlageberaters, die Wirtschaftspresse im Hinblick auf für die
von ihm vertriebenen Anlageprodukte relevante Pressemitteilungen zeitnah
durchzusehen.
BGH, Urteil vom 5. November 2009 - III ZR 302/08 - OLG Karlsruhe in Freiburg
LG Konstanz
- 2 -
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. November 2009 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Dr. Herrmann, Wöstmann, Hucke und Seiters
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Karlsruhe in Freiburg vom 13. November 2008
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht auf die Berufung der Beklagten zu 1 die Klage in Höhe des
vom Landgericht ausgeurteilten Betrags von 60.971,53 € nebst
Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. Dezember 2005, Zug um Zug
gegen Abtretung des Anspruchs des Klägers gegen die Insolvenzmasse der r.
und
Gesellschaft für Vermögensplanung
Finanzdienstleistungen
mbH,
,
, vertreten durch den Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Dr. D.
W.
,
,
B.
, abgewiesen
hat. Im Umfang der Aufhebung des Berufungsurteils wird die Berufung der Beklagten zu 1 gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 22. September 2006 zurückgewiesen. Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten der ersten Instanz haben der Kläger 76 %
und die Beklagte zu 1 24 % zu tragen. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 und 53 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 zu tragen. Die Beklagte zu 1
- 3 -
hat 47 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen. Im
Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Von den Kosten des Berufungsrechtszugs haben der Kläger 17 %
und die Beklagte zu 1 83 % zu tragen.
Von den Kosten des Revisionsrechtszugs haben der Kläger 12 %
und die Beklagte zu 1 88 % zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger macht aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau Schadenser-
1
satz wegen einer fehlerhaften Beratung in Zusammenhang mit der Zeichnung
einer Beteiligung an einer stillen Beteiligungsgesellschaft r.
(GbR) gel-
tend.
2
Mit sofort vollziehbarer Verfügung vom 25. November 1998 untersagte
das damalige Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen der r.
Gesell-
schaft für Vermögensplanung und Finanzdienstleistungen mbH mit Sitz in Berlin
gemäß § 37 KWG in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September
1998 (BGBl. I S. 2776) das weitere Betreiben von Einlagegeschäften auf der
Grundlage sogenannter stiller Gesellschaftsverträge und ordnete die Rückabwicklung der Einlagegeschäfte an. Das Bundesaufsichtsamt gab dies in einer
Pressemitteilung vom 4. Dezember 1998 bekannt. Am 7. Dezember 1998 wur-
- 4 -
de im Handelsblatt auf S. 23 in einer kleinen Meldung über sieben Zeilen unter
dem Titel "Bankenaufsicht geht gegen r.
vor" über die Untersagungs-
verfügung berichtet. Die Beklagte zu 1 bezog das Handelsblatt nicht und wertete dies auch nicht aus.
3
Am 10. Dezember 1998 kam es zu einem Beratungsgespräch bei der
Beklagten zu 1 mit dem Kläger und seiner Ehefrau. Aufgrund dieses Gesprächs
unterzeichnete die Ehefrau des Klägers auf Empfehlung des Beklagten zu 2,
des Geschäftsführers der Beklagten zu 1, eine Beitrittserklärung zu der "stillen
Beteiligungsgesellschaft r.
(GbR) Berlin" mit einem Beteiligungsbetrag
von 100.000 DM. Mit Schreiben vom 21. Dezember 1998 bestätigte die r.
GmbH der Ehefrau des Klägers den Eingang ihrer Beitrittserklärung und
übersandte ihr gleichzeitig ein gegengezeichnetes Rückkaufsangebot.
4
Nachdem die Ehefrau des Klägers durch ein Schreiben der r.
GmbH vom 13. November 2000 von der Untersagungsverfügung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen erfahren hatte und dabei gebeten worden
war, zur Abwendung einer sonst drohenden Insolvenz mit dem bereits investierten Geld eine neue Beteiligung einzugehen, wandte sie sich an den Geschäftsführer der Beklagten zu 1 mit der Bitte um Rat. Dieser empfahl ihr dringend, die
Beteiligung erneut zu unterzeichnen, da das Geld sonst verloren sei. Am
17. April 2001 wurde das Insolvenzverfahren über die Firma r.
GmbH
eröffnet.
5
Am 23. Oktober 2002 zahlte die Beklagte zu 1 10.000 € an den Kläger
und seine Ehefrau. Hintergrund der Zahlung waren Verhandlungen über ein
Darlehen, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob es zu einer endgültigen
Einigung kam. Nach dem Wortlaut des vom Kläger und seiner Ehefrau sowie
- 5 -
dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1 am 6. und 21. Februar 2003 unterschriebenen Darlehensvertrags sollte mit dieser Zahlung ein zinsloses, spätestens am 31. Dezember 2005 rückzahlbares Darlehen gewährt werden.
6
Das Landgericht hat der Klage gegen die Beklagte zu 1 in Höhe von
70.971,53 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit 25. Dezember 2005, Zug um Zug gegen Abtretung
des Anspruchs des Klägers gegen die Insolvenzmasse der r.
Gesell-
schaft für Vermögensplanung und Finanzdienstleistungen mbH, vertreten durch
den Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Dr. D.
W.
stattgegeben. Des
Weiteren hat es festgestellt, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, dem Kläger
alle aus der fehlerhaften Anlageberatung der Beklagten vom 10. Dezember
1998 hinsichtlich der Zeichnung des Anteils an der Stillen Beteiligungsgesellschaft r.
GbR noch entstehende Schäden zu ersetzen. Die weiterge-
hende Klage hat es abgewiesen.
7
Die von der Beklagten zu 1 eingelegte Berufung hat Erfolg gehabt. Das
Oberlandesgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen, ohne über die von der
Beklagten zu 1 im Berufungsrechtszug erklärte Aufrechnung hinsichtlich des
von ihr geltend gemachten Darlehenrückforderungsanspruchs in Höhe von
10.000 € zu entscheiden.
8
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen
Zahlungsanspruch weiter.
- 6 -
Entscheidungsgründe
9
Die Revision hat ganz überwiegend Erfolg.
I.
10
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klage unbegründet, da
dem Kläger keine Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Anteils an der stillen Beteiligungsgesellschaft r.
GbR durch die Zedentin zustünden. Es habe zwischen der
Ehefrau des Klägers und der Beklagten zu 1 ein Beratungsvertrag bestanden.
Eine mangelhafte Aufklärung über die Risiken der Anlage sei jedoch nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festzustellen. Insbesondere könne auch
keine Pflichtwidrigkeit darin gesehen werden, dass der Geschäftsführer der Beklagten zu 1 die Zedentin nicht über die im Handelsblatt veröffentlichte Untersagungsverfügung der Bundesanstalt für das Kreditwesen informiert habe. Ob
es zu den Pflichten eines Anlageberaters gehöre, ganz bestimmte Tageszeitungen, hier das Handelsblatt, zu lesen, könne dahingestellt bleiben. Eine
Pflichtverletzung sei jedoch deshalb zu verneinen, weil die Lektüre der kleinen
Meldung über das Vorgehen des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen
auf S. 23 des Handelsblattes durch die Beklagte zu 1 vor dem Beratungsgespräch bzw. dem später vollzogenen Beitritt nicht habe verlangt werden können. Der Abstand von drei Tagen zwischen dem Erscheinen des Artikels am
7. Dezember 1998 und der Beitrittsunterzeichnung am 10. Dezember 1998 sei
zu knapp, um eine Pflichtverletzung bejahen zu können. Eine Auswertung von
Tageszeitungen sei auch dann noch zeitnah und damit pflichtgemäß, wenn sie
nur einmal wöchentlich erfolge. Das gelte jedenfalls, soweit es sich nicht um die
- 7 -
wichtigsten täglichen Schlagzeilen, sondern um kleinere Meldungen wie den
hier auf S. 23 platzierten Artikel handele. Unerheblich sei, ob der Geschäftsführer der Beklagten zu 1 zehn andere Publikationen der Wirtschaftspresse gelesen habe, da nicht erwiesen sei, dass über die Untersagungsverfügung in diesen Publikationen berichtet worden sei. Eine Haftung des Beklagten könne
auch nicht auf das Vorliegen einer nach Zeichnung des Beitritts liegenden
Pflichtverletzung gestützt werden. Der Beklagte habe im Dezember 1998 keine
nachvertraglichen Pflichten verletzt, indem sie die Zedentin nicht noch rechtzeitig vor Einzahlung der Einlage auf die Unterlassungsverfügung hingewiesen
habe. Die Beklagte habe im Dezember noch keine positive Kenntnis von der
Untersagungsverfügung erlangt. Das aber sei Voraussetzung für eine nachwirkende Treuepflicht aus dem erfüllten Beratervertrag. Ob eine spätere Unterrichtung hätte erfolgen müssen, könne dahingestellt bleiben, da nicht festgestellt
werden könne, dass der Schadenseintritt zu dem Zeitpunkt noch hätte verhindert werden können.
II.
Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 60.971,53 €
11
nach §§ 398, 280 Abs. 1 Satz 1, § 675 BGB zu. Das Berufungsurteil hält insoweit den Angriffen der Revision nicht stand.
12
1.
Zwischen der Ehefrau des Klägers - der Zedentin - und der Beklagten
zu 1 bestand ein Beratungsvertrag. Diese tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts nimmt die Revision für sich günstig hin. Die Gegenrüge der Beklagten zu 1 bleibt dagegen ohne Erfolg.
- 8 -
Ein Anleger wird einen Anlageberater im Allgemeinen hinzuziehen, wenn
13
er selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat. Er erwartet dann
nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung. Häufig wünscht er eine auf seine persönlichen
Verhältnisse zugeschnittene Beratung (Senatsurteil vom 13. Mai 1993 - III ZR
25/92 - NJW-RR 1993, 1114). Zum Vertragsschluss reicht es aus, wenn der
Anleger die Dienste des Beraters in Anspruch nimmt und dieser mit seiner Tätigkeit beginnt (Senatsurteil vom 19. April 2007 - III ZR 75/06 - NJW-RR 2007,
1271, 1272 Rn. 10).
Ausgehend von der Einlassung des Geschäftsführers der Beklagten zu 1
14
in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ist die Würdigung des Berufungsgerichts, dass zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag zustande
gekommen ist, rechtlich nicht zu beanstanden. Sie verstößt weder gegen Denkoder Erfahrungssätze, noch beruht sie auf einer unzureichenden Berücksichtigung der vorgetragenen Tatsachen. Der Geschäftsführer hat selbst den Begriff
"Beratungsgespräch" für die Gespräche mit dem Kläger und seiner Ehefrau
verwandt und geschildert, dass sie sich Rat suchend an die Beklagte zu 1 gewandt haben, in welche Anlageformen ihr Geld investiert werden sollte. Der
Geschäftsführer der Beklagten zu 1 hat dann die verschiedenen in Frage kommenden Anlageformen wie Renten- und Aktienfonds mit dem Kläger und seiner
Ehefrau erörtert und damit die Beratungstätigkeit aufgenommen.
15
2.
Die Beklagte zu 1 hat ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag mit der
Zedentin, verletzt, weil sie diese nicht auf die Untersagungsverfügung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen hingewiesen hat.
- 9 -
16
a) Bei einem Beratungsvertrag ist der Anlageberater zu mehr als nur zu
einer Plausibilitätsprüfung verpflichtet. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich
die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die
jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Ein Anlageberater ist deshalb gehalten, eine Anlage, die er empfehlen will,
mit üblichem kritischem Sachverstand zu prüfen, oder den Anleger auf ein diesbezügliches Unterlassen hinzuweisen. Ein Anlageberater, der sich in Bezug auf
eine bestimmte Anlageentscheidung als kompetent geriert, hat sich aktuelle
Informationen über das Anlageobjekt zu verschaffen, das er empfehlen will. Dazu gehört auch die Auswertung vorhandener Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse. Bei einer privaten Anleihe muss danach über zeitnahe und gehäufte negative Berichte in der Börsenzeitung, der Financial Times Deutschland, dem Handelsblatt und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unterrichtet
werden (Senatsurteil vom 5. März 2009 - III ZR 302/07 - NJW-RR 2009, 687,
688 Rn. 13 f m.w.N.). Zur Erfüllung der Informationspflichten des Anlageberaters über die von ihm empfohlene Anlage gehört es grundsätzlich nicht, sämtliche Publikationsorgane vorzuhalten, in denen Artikel über die angebotene Anlage erscheinen können. Vielmehr kann der Anlageberater selbst entscheiden,
welche Auswahl er trifft, solange er nur über ausreichende Informationsquellen
verfügt (Senatsurteil vom 5. März 2009 aaO. Rn. 15; BGH, Urteil vom 7. Oktober 2008 - XI ZR 89/07 - NJW 2008, 3700, 3702 Rn. 26). Nicht beeinflusst wird
die Frage der Pflichtverletzung durch eine unterlassene Aufklärung über mitteilungspflichtige Pressemitteilungen dadurch, ob sie auf einem Organisationsmangel beruht, weil z.B. das auszuwertende Presseerzeugnis gar nicht bezogen wird, oder die Weitergabe der Information an den Anleger schlicht vergessen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 - XI ZR 12/93 - NJW 1993, 2433,
2434 insoweit in BGHZ 123, 126 nicht abgedruckt).
- 10 -
17
b) Die Beklagte zu 1 hat ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag mit der
Ehefrau des Klägers verletzt, denn sie hat sie weder darauf hingewiesen, dass
nach einer Meldung im Handelsblatt vom 7. Dezember 1998 eine Anlage in den
Fonds r.
nicht mehr möglich war, weil diesem die Entgegennahme von
Anlagegeldern untersagt worden war, noch, dass sie die gebotene Auswertung
der Wirtschaftspresse und hier insbesondere des Handelsblatts im Hinblick auf
den Fonds r.
nicht vorgenommen hat. Das Berufungsgericht hat zwar
offen gelassen, ob die Beklagte zu 1 die Pflicht zur Auswertung des Handelsblatts hatte. Diese Frage ist jedoch zu bejahen. Wie ausgeführt gehört das
Handelsblatt zu den von der Rechtsprechung besonders hervorgehobenen vier
führenden Organen der Wirtschaftspresse, die bei der gebotenen Auswertung
von Presseberichten vorrangig zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteil vom
5. März 2009 aaO Rn. 14; BGH, Urteil vom 7. Oktober 2008 aaO Rn. 25). Ob
das bedeutet, dass jedes dieser Organe zum "minimalen Pflichtenprogramm"
gehört (so Arendts, Die Haftung für fehlerhafte Anlageberatung, S. 37; Lang,
Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungen, S. 240 f; einschränkend
Vortmann WuB I G 1. - 7.95 S. 608: sicherlich Handelsblatt und Börsenzeitung),
mag dahinstehen. Aber jedenfalls die Lektüre des Handelsblatts ist für jeden
Anlageberater unverzichtbar. Denn das Handelsblatt bietet als werktäglich erscheinende Zeitung mit spezieller Ausrichtung auf Wirtschaftsfragen und einem
diesbezüglich breiten Informationsspektrum in ganz besonderem Maße die Gewähr, aktuell über wichtige und für die Anlageberatung relevante Nachrichten
informiert zu werden.
18
c) Die Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 kann im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht deshalb verneint werden, weil sie
zum Zeitpunkt des Beratungsgesprächs am 10. Dezember 1998 noch keine
Kenntnis vom hier maßgeblichen Artikel im Handelsblatt vom 7. Dezember
- 11 -
1998 hätte haben müssen. Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts reicht eine Kenntnisnahme der Informationen des Handelsblatts erst nach
einer Woche nicht aus. Ob die Durchsicht dieser Zeitung noch am Erscheinungstag erforderlich ist, kann hier dahinstehen. Jedenfalls nach Ablauf von
drei Tagen war hier eine solche geboten. Im Allgemeinen kann der Anleger erwarten, dass sich sein Berater aktuelle Informationen über das Anlageprodukt
beschafft und zeitnah Berichte in der Wirtschaftspresse zur Kenntnis nimmt
(vgl. Senatsurteil 5. März 2009 aaO Rn. 14; BGH, Urteil vom 7. Oktober 2008
aaO Rn. 25). Dabei ist weiter im Blick zu behalten, dass gerade die Finanzmärkte auf relevante Informationen unmittelbar reagieren und deshalb der Aktualität der Informationen besondere Bedeutung zukommt. Darüber hinaus ist,
wovon das Berufungsgericht ebenfalls ausgeht, die Erscheinungsweise des jeweiligen Presseorgans mit in die Beurteilung einzubeziehen. Regelmäßig darf
davon ausgegangen werden, dass ein Presseorgan seinen Informationsgehalt
in einer Ausgabe auf sein Erscheinungsintervall abgestimmt hat, so dass es
grundsätzlich zumutbar ist, innerhalb des Erscheinungsintervalls die jeweilige
Zeitschrift bzw. Zeitung zu lesen. Dabei sammeln sich, was nicht außer Acht
gelassen werden darf, bei Tageszeitungen schon nach wenigen Tagen eine
solche Fülle von Informationen an, dass diese nur noch eingeschränkt zur
Kenntnis genommen werden können. Deshalb ist für werktäglich erscheinende
Presseerzeugnisse unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Anlegers im Hinblick auf eine Beratung aufgrund aktueller Informationen jedenfalls
eine Kenntnisnahme nach Ablauf von drei Tagen nicht mehr pflichtgemäß. Dem
Anlageberater wird durch diese engen zeitlichen Vorgaben nicht Unzumutbares
abverlangt. Es versteht sich, dass er die jeweiligen Presseorgane nicht vollständig lesen muss. Es reicht vielmehr aus, diese auf relevante Artikel zu den
von ihm angebotenen Anlageprodukten durchzusehen und nur diese Nachrichten vollständig auszuwerten
- 12 -
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Beklagte zu 1 das
19
Handelsblatt vom 7. Dezember 1998 (Montag) spätestens am 9. Dezember
1998 hätte durchsehen müssen. Dann hätte sie am 10. Dezember 1998 die Information über die Untersagungsverfügung des Bundesaufsichtsamtes für das
Kreditwesen gehabt und hätte von der Anlage in den Fonds r.
abraten
müssen. Diese Unterlassung hat sie zu vertreten.
d) Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1 ist eine Pflichtverletzung
20
wegen unzureichender Auswertung der Wirtschaftspresse auch nicht deshalb
zu verneinen, weil - was revisionsrechtlich zu ihren Gunsten zu unterstellen ist die Pressemitteilung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen nur im
Handelsblatt veröffentlicht worden ist. Vergeblich verweist die Beklagte zu 1 auf
die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach nur "gehäufte negative
Berichte" in allgemein anerkannten Publikationen der Wirtschaftspresse zu entsprechenden Hinweispflichten führen (vgl. Senatsurteil vom 5. März 2009 aaO
S. 688 Rn. 14 und BGH, Urteil vom 7. Oktober 2008 aaO S. 3702 Rn. 26). Den
genannten Entscheidungen lagen Fallgestaltungen zu Grunde, in denen in den
Presseberichten im Wesentlichen Werturteile über die Renditeaussicht und Risiken der jeweiligen Anlage abgegeben wurden. Wenn es - wie hier - darum
geht, dass der Anlagegesellschaft durch die zuständige Aufsichtsbehörde ihr
"Kerngeschäft" untersagt worden ist, ist eine Aufklärung in jedem Fall geboten,
auch wenn die betreffende Mitteilung nur in einem der führenden Presseorgane
erscheint.
21
3.
Die Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 ist für den Schaden kausal ge-
worden, da eine Anlage in den Fonds bei Kenntnis von dem Artikel unterblieben
wäre. Dafür besteht eine auf die Lebenserfahrung gegründete Vermutung
- 13 -
(st. Rspr. vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 9. April 2009 - III ZR 89/08 - juris
Rn. 8 m.w.N.). Dem steht auch nicht entgegen, dass die Ehefrau des Klägers
später - nach Bekanntwerden der Untersagungsverfügung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen - die Zeichnung der Anlage wiederholt hat. Zu
dem Zeitpunkt war dies dadurch motiviert, den drohenden Kapitalverlust durch
Insolvenz der r.
GmbH zu vermeiden, und auf diese Weise den Anla-
gebetrag zu retten. Daraus kann daher nicht der Schluss gezogen werden, die
Ehefrau des Klägers hätte sich auch im Dezember 1998 durch die Pressemitteilung nicht von einer Anlage in den Fonds abhalten lassen.
22
4.
Der Ehefrau des Klägers ist ein Schaden in Höhe von 70.971,53 € ent-
standen, der sich aus dem Anlagebetrag von 51.129,19 € und entgangenen
anderweitig erzielbaren Gewinn von 19.842,34 € zusammensetzt. Den Anlagebetrag hätte sie nach den Feststellungen des Landgerichts zu durchschnittlich
5 % p.a. anlegen können in der Zeit vom 10. Dezember 1998 bis zum 12. September 2006. Diese Feststellung ist von der Beklagten zu 1 im Berufungsverfahren nicht angegriffen worden. Ihre nunmehrige Gegenrüge, mit der sie geltend macht, eine Rendite von (ursprünglich vom Kläger mit der Klageschrift geltend gemachten) 6,75 % p.a. sei nicht mit einer sicheren Anlage zu erzielen,
stellt die Feststellung des Landgerichts nicht in Frage.
23
5.
Der Anspruch des Klägers ist jedoch in Höhe von 10.000 € untergegan-
gen aufgrund der Aufrechnung der Beklagten zu 1 mit einem gegen den Kläger
und dessen Ehefrau als Gesamtschuldner bestehenden Rückzahlungsanspruch
in dieser Höhe. Dahingestellt bleiben kann hier, ob dieser Betrag als Darlehensrückzahlung geschuldet war - was die Beklagte zu 1 geltend macht - oder aus
ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BGB, weil eine
- 14 -
Einigung über ein Darlehen nicht zustande gekommen ist - was der Kläger einwendet.
24
Im letzteren Fall steht dem Anspruch entgegen der Auffassung des Klägers nicht § 814 1. Alt. BGB entgegen, weil die Beklagte zu 1 in Kenntnis der
Nichtschuld gezahlt habe. Nach eigenem Vortrag des Klägers standen die Parteien über die Gewährung eines Darlehens in Verhandlung. In diesem Zusammenhang erfolgte die Zahlung. § 814 1. Alt. BGB greift nicht ein, wenn die Leistung - wie hier - zwar in Kenntnis des Umstandes, dass noch kein wirksamer
Vertrag geschlossen worden ist, aber in der beiderseitigen Erwartung erbracht
wird, er werde zukünftig zustandekommen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1999
- V ZR 167/98 - NJW 1999, 2892, 2893; Urteil vom 26. Oktober 1979 - V ZR
88/77 - NJW 1980, 451; BGHZ 72, 202, 205; Staudinger/Lorenz, BGB, Neubearbeitung 2007, § 814 Rn. 9).
25
Unerheblich ist auch der vom Kläger erhobene Verjährungseinwand, da
selbst bei inzwischen eingetretener Verjährung die Aufrechnung der Beklagten
zu 1 nach § 215 BGB nicht ausgeschlossen ist, weil die Aufrechnungslage bereits mit Fälligkeit der Rückforderung der Beklagten zu 1 und damit in unverjährter Zeit eingetreten war.
26
Der Berücksichtung der erst im Berufungsverfahren geltend gemachten
Aufrechnung steht nicht § 533 ZPO entgegen, da der Kläger sich rügelos eingelassen und damit seine Einwilligung erklärt hat (vgl. BGHZ 21, 13, 18), und die
der Prüfung zugrunde liegenden Tatsachen zwischen den Parteien unstreitig
sind, so dass sie bei der Verhandlung und Entscheidung ohnehin zugrunde zu
legen sind.
- 15 -
27
6.
Das Berufungsurteil ist nach allem gemäß § 562 ZPO teilweise aufzuhe-
ben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Sache zur Endentscheidung reif ist. Eine weitere Sachaufklärung ist durch das Berufungsgericht nicht zu erwarten.
Schlick
Herrmann
Hucke
Wöstmann
Seiters
Vorinstanzen:
LG Konstanz, Entscheidung vom 22.12.2006 - 2 O 83/06 OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 13.11.2008 - 9 U 137/08 -