Cyberlaywer/build/tfgpu-cyberlaywer/EndDokumente/iii_zb__74-05.pdf.txt

238 lines
10 KiB
Text
Raw Normal View History

2023-03-06 15:36:57 +01:00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZB 74/05
vom
30. März 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO a.F. § 1027 Abs. 1 Satz 1; GenG § 17 Abs. 2; HGB a.F. § 6 Abs. 2
Die in dem Beitrittsgebiet nach dem Recht der DDR entstandenen - registrierten LPG waren nach der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands am
3. Oktober 1990 als (Voll-)Kaufleute kraft Rechtsform anzusehen.
BGH, Beschluss vom 30. März 2006 - III ZB 74/05 - OLG Brandenburg
- 2 -
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. März 2006 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und
Dr. Herrmann
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24. Mai 2005 wird als unzulässig verworfen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 13.000 €.
Gründe:
I.
Die
1
(LPG T) S.
G.
Landwirtschaftliche
Produktionsgenossenschaft
Tierproduktion
, die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin sowie die LPG T
und die LPG T R.
, die Rechtsvorgängerinnen der Antragstelle-
rinnen, schlossen am 4. März 1991 mit der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft Pflanzenproduktion (LPG P) H.
gleichlautende Verträge
"über die Teilung und den Zusammenschluss gemäß den Bestimmungen des
Landwirtschaftsanpassungsgesetzes vom 29.06.1990." In den Verträgen war
- 3 -
bestimmt, dass Vermögenswerte der LPG P H.
Teilungsplanes auf die LPG T S.
, G.
nach Maßgabe eines
und R.
(sowie zwei wei-
tere Genossenschaften) übertragen werden und die LPG T S.
bestimmte
nicht betriebsbezogen zugeordnete Vermögenswerte treuhänderisch für die
anderen LPG verwalten sollte. Weiter hieß es in dem Vertrag:
2
"Streitigkeiten aus diesem Vertrag werden durch ein im Streitfalle
zu bildendes Schiedsgericht gelöst. Dabei verständigen sich die
Vertragspartner über eine Person ihres Vertrauens, die in der Lage und bereit ist, den Vorsitz des Schiedsgerichts zu übernehmen.
Im Übrigen finden die Bestimmungen der Zivilprozessordnung
(§§ 1025 ff) Anwendung. Diese Regelung gilt auch im Falle gegenseitiger Ansprüche der aus der Teilung der LPG (P) hervorgehenden neuen Unternehmen untereinander."
3
Die Antragstellerinnen begehren von der Antragsgegnerin Auskunft über
die Treuhandverwaltung. Gestützt auf die vorgenannte Schiedsvereinbarung
haben sie bei dem Oberlandesgericht beantragt, für die Antragsgegnerin einen
Schiedsrichter zu bestellen. Die Antragsgegnerin hat dagegen beantragt, die
Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens festzustellen. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen und angekündigt, den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht i.R. P.
K.
als Schiedsrichter für die
Antragsgegnerin bestimmen zu wollen.
4
Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihren Antrag, die
Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens festzustellen, weiter.
II.
5
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
- 4 -
Die Rechtsbeschwerde ist zwar von Gesetzes wegen statthaft, soweit sie
6
die Entscheidung des Oberlandesgerichts (Absatz 1 des Tenors, Absatz II
Nr. 2-3 der Gründe) über den (einer Widerklage ähnlichen) Antrag der Antragsgegnerin, die Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens festzustellen
(§ 1032 Abs. 2 Alt. 2 ZPO), und dessen Kostenentscheidung angreift (§ 574
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1065 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1062 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2
ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist jedoch im Übrigen unzulässig, weil die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
7
1.
Nach Auffassung der Rechtsbeschwerde stellt sich die grundsätzliche
Frage (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), ob eine LPG als Kaufmann im Sinne der früheren HGB-Vorschriften anzusehen ist. Die entsprechende Auffassung des Oberlandesgerichts laufe dem Grundsatz zuwider, dass die sogenannten Formkaufleute (etwa nach § 17 Abs. 2 GenG) erst durch Eintragung in das Register die
Kaufmannseigenschaft erlangen. Dieser Grundsatz ist hier indes nicht verletzt.
Das Oberlandesgericht hat die LPG auch zu Recht als Kaufleute qualifiziert.
Dabei ist die Frage der Kaufmannseigenschaft einer LPG, die zudem auslaufendes Recht betrifft, nicht klärungsbedürftig, da sie offenkundig zu bejahen ist.
8
a) Die Wirksamkeit der Schiedsklausel, die in Nr. 5.2 der gleich lautenden Verträge "über die Teilung und den Zusammenschluss gemäß den Bestimmungen des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes vom 29.06.1990" vom
4. März 1991 verabredet wurde, ist nach § 1027 ZPO a.F. zu beurteilen. Denn
diese Schiedsvereinbarung ist vor dem Inkrafttreten des SchiedsverfahrensNeuregelungsgesetzes am 1. Januar 1998 getroffen worden (vgl. Art. 4 § 1
Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 SchiedsVfG).
- 5 -
9
b) Gemäß § 1027 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F. muss der Schiedsvertrag ausdrücklich geschlossen werden und bedarf der Schriftform; andere Vereinbarungen als solche, die sich auf das schiedsgerichtliche Verfahren beziehen, darf
die Urkunde nicht enthalten. Daran mangelt es hier: Der vorgenannte Vertrag
vom 4. März 1991 enthält nicht nur Bestimmungen zum schiedsgerichtlichen
Verfahren, sondern regelt weiter - sogar vornehmlich - die Übertragung von
Vermögen von der LPG P H.
auf andere Genossenschaften gemäß Tei-
lungsplan.
10
c) Die Form des § 1027 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F. ist allerdings nicht vonnöten, wenn der Schiedsvertrag für beide Teile ein Handelsgeschäft war und
keine der Parteien zu den in § 4 HGB a.F. bezeichneten Gewerbetreibenden
gehörte (§ 1027 Abs. 2 ZPO a.F.). Einen solchen Fall hat das Oberlandesgericht zutreffend angenommen. Die in dem Beitrittsgebiet nach dem Recht der
DDR entstandenen - registrierten - LPG waren nach der Wiederherstellung der
staatlichen Einheit Deutschlands am 3. Oktober 1990 als (Voll-)Kaufleute anzusehen (§ 17 Abs. 2 GenG, § 6 Abs. 2 HGB a.F. analog; vgl. BezG Frankfurt
<Oder> DtZ 1992, 58 f).
11
aa) Bei den LPG handelte es sich um "sozialistische" landwirtschaftliche
Großbetriebe (vgl. § 1 Abs. 1 LPG-Gesetz vom 3. Juni 1959, GBl. I S. 577), die
nach den Grundsätzen der "genossenschaftlichen Demokratie und der sozialistischen Betriebswirtschaft" organisiert waren (vgl. § 1 Abs. 2 LPG-Gesetz vom
2. Juli 1982, GBl. I S. 443, § 1 Abs. 2 Satz 2 LPG-Gesetz vom 3. Juni 1959).
Die LPG waren bei dem Rat des Kreises zu registrieren; mit der Registrierung
wurden sie - in der Form der LPG (P) oder der LPG (T) - "rechtsfähig und juristische Person" (vgl. § 8 Abs. 2, § 9 Abs. 1 LPG-Gesetz vom 2. Juli 1982;
s. auch Schweizer, Das Recht der landwirtschaftlichen Betriebe nach dem
- 6 -
Landwirtschaftsanpassungsgesetz 2. Aufl. 1994 Rn. 115; ders. in: Kimme, Offene Vermögensfragen <Stand 4/94> Vor § 1 LwAnpG Rn. 18). Im Zuge der
politischen Wende im Oktober 1989 erfolgten verschiedene gesetzgeberische
Maßnahmen, um die - rechtlich verordnete - Genossenschaftlichkeit in der DDR
aus ihren staatlichen Bindungen zu befreien (vgl. im Einzelnen Beuthien, GenG
14. Aufl. 2004 Einleitung Anmerkung III 2 b). Das Landwirtschaftsanpassungsgesetz vom 29. Juni 1990 (GBl. I S. 642 im Folgenden: LwAnpG 1990) ermöglichte neben der Teilung und dem Zusammenschluss von LPG die Umwandlung
einer LPG durch Formwechsel in eine eingetragene Genossenschaft; auf die
Umwandlung waren die Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes anwendbar
(vgl. § 27 LwAnpG 1990). Ab dem 1. Januar 1992 sollten die LPG (spätestens)
kraft Gesetzes in eingetragene Genossenschaften "im Aufbau" umgewandelt
sein (vgl. § 69 Abs. 3 Satz 1 LwAnpG 1990; s. auch - zugleich zu den abändernden Maßgaben des Einigungsvertrages und den Novellierungen des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes - Schweizer in: Kimme aaO Rn. 26 ff). Der Gesetzgeber des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes sah die LPG mithin in
nächster Nähe zur eingetragenen Genossenschaft des Genossenschaftsgesetzes. Ihre innere Struktur entsprach auch, nachdem sie nicht mehr staatlicher
Zwangsverband waren, in etwa derjenigen der eingetragenen Genossenschaften. Der Sache nach waren die (von den staatlichen Bindungen befreiten) LPG
Absatzgenossenschaften (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GenG; Beuthien aaO § 1 Rn. 43
a.E.). Wie diese (vgl. § 17 Abs. 2 GenG) waren sie als Kaufmann im Sinne des
HGB (a.F.) anzusehen.
12
bb) Dem steht nicht, wie die Rechtsbeschwerde meint, entgegen, dass
die LPG nur dann (Form-)Kaufmann gewesen wären, wenn sie diese
Eigenschaft durch Eintragung im Register erlangt hätten. Die LPG entstanden
als juristische Person mit ihrer Registrierung als LPG (P) oder LPG (T) durch
- 7 -
den Rat des Kreises (vgl. § 8 Abs. 2, § 9 Abs. 1 LPG-Gesetz vom 2. Juli 1982;
s. ferner zur Entstehung einer eingetragenen Genossenschaft § 13 GenG). Entsprechend der Rechtslage bei der eingetragenen Genossenschaft (vgl. § 17
Abs. 2 GenG, § 6 Abs. 2 HGB a.F.; Beuthien aaO § 17 Rn. 4; Bauer, Genossenschafts-Handbuch <Stand VII.02> § 13 GenG Rn. 1) war jedenfalls die registrierte und durch das Landwirtschaftsanpassungsgesetz und andere Gesetze
umgestaltete LPG als Kaufmann kraft Rechtsform aufzufassen; ihr wuchs mit
der Registrierung analog §§ 13, 17 Abs. 2 GenG, § 6 Abs. 2 HGB a.F. von Gesetzes wegen die Eigenschaft als (Voll-)Kaufmann zu, ohne dass es auf den
Gegenstand des Unternehmens angekommen wäre (vgl. - zum Formkaufmann - MünchKommHGB/Bokelmann 1. Aufl. 1996 § 6 Rn. 9).
13
cc) Hier liegt es ebenso. Die Parteien waren bei Abschluss der Verträge
vom 4. März 1991 unstreitig nach DDR-Recht registrierte LPG; sie gelten daher
entsprechend § 17 Abs. 2 GenG, § 6 Abs. 2 HGB a.F. als Kaufleute und es wird
vermutet, dass die von ihnen vorgenommenen Rechtsgeschäfte, also auch die
Verträge vom 4. März 1991, zum Betriebe ihres Handelsgewerbes gehörten
(vgl. § 343 Abs. 1 a.F., § 344 Abs. 1 HGB; Bauer aaO <Stand VII.86> § 17
GenG Rn. 8; Müller, GenG 2. Aufl. 1991 § 17 Rn. 13). Die in diesen Verträgen
getroffene Schiedsvereinbarung bedurfte nicht der Form des § 1027 Abs. 1
Satz 1 ZPO a.F.
- 8 -
14
2.
Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Rechtsbeschwerde
(§ 574 Abs. 2 ZPO) ergeben sich auch nicht aus den in der Rechtsbeschwerdebegründung weiter aufgeworfenen Fragen. Insoweit wird von einer Begründung
gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Schlick
Streck
Galke
Kapsa
Herrmann
Vorinstanz:
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 24.05.2005 - 11 SchH 1/05 -