Cyberlaywer/build/tfgpu-cyberlaywer/EndDokumente/ii_zr__17-04.pdf.txt

161 lines
6.3 KiB
Text
Raw Normal View History

2023-03-06 15:36:57 +01:00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
II ZR 17/04
Verkündet am:
21. November 2005
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
nein
BGB § 730
Bei einer zweigliedrigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bei der kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist, können die Gesellschafter Ausgleichsansprüche auch dann gegeneinander geltend machen, wenn Gesellschaftsverbindlichkeiten offen sind (vgl. BGHZ 26, 126, 133).
BGH, Versäumnisurteil vom 21. November 2005 - II ZR 17/04 - OLG Hamm
LG Paderborn
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 21. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Caliebe und
Dr. Reichart
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 27. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Hamm vom 4. Dezember 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 8. Zivilsenat des
Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung aus der Abrechnung gemeinsamer Geschäftstätigkeit in Anspruch.
2
Die Parteien beschlossen, Grundstücke im Gebiet "P.", die in
ihrem Miteigentum standen oder von ihnen zu Miteigentum erworben wurden,
gemeinsam zu erschließen und nach Parzellierung als Baugrundstücke zu veräußern. Der erzielte Gewinn sollte hälftig zwischen ihnen geteilt werden. Nach
-3-
Durchführung des Vorhabens stellte die Beklagte, die das Projekt "P." leitete,
schließlich eine "endgültige" Abrechnung auf, die - unter Kürzung der Ausgabenposition "Abwicklungsgebühr" um den der Klägerin bereits bei der Abrechnung eines anderen gemeinsamen Vorhabens (Projekt "A.") belasteten Teilbetrag - mit einem Guthaben der Klägerin in Höhe von 487,96 € endete. Die Klägerin, die ihren Zahlungsanspruch wegen der beim Projekt "A." zu Unrecht berücksichtigten - weil das Vorhaben "P." betreffenden - Kosten in der Berufungsinstanz als noch offenes Guthaben aus der Abrechnung des Projekts "A." dargestellt hat, beanstandet im Wesentlichen vier Positionen der Abrechnung und
verlangt - weil zu verteilendes Vermögen nicht mehr vorhanden ist - von der
Beklagten Zahlung von 53.802,78 €.
3
Das Landgericht hat den Zahlungsanspruch als nicht fällig angesehen
und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die gegen die Abweisung
des Zahlungsantrags gerichtete Berufung zurückgewiesen und dem in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag, die zwischen den Parteien streitigen
Rechnungsposten festzustellen, teilweise stattgegeben. Mit ihrer vom Senat
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter, das
sie nunmehr insgesamt auf das Projekt "P." stützt.
Entscheidungsgründe:
4
I. Über die Revision der Klägerin ist, da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht aber nicht auf der Säumnis,
sondern auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 81).
-4-
II. Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung des
5
angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
Das Berufungsgericht hat zur Abweisung des Zahlungsantrags im Wesentlichen ausgeführt:
7
Zwischen den Parteien habe hinsichtlich des Projekts "P." eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestanden. Der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben, der unmittelbar gegenüber ausgleichspflichtigen Gesellschaftern durchgesetzt werden könne, wenn kein Gesellschaftsvermögen vorhanden
sei, werde erst fällig, wenn die Schlussabrechnung von den Gesellschaftern
festgestellt und über ihren Inhalt Einigkeit erzielt worden sei. Dies sei angesichts des umfangreichen Streits der Parteien über zahlreiche Positionen der
Abrechnung nicht der Fall. Eine Auszahlung an die Klägerin komme auch nicht
ausnahmsweise in Betracht. Da noch Steuerforderungen auf die Gesellschaft
zukommen könnten, sei nämlich nicht unzweifelhaft, dass ein Auseinandersetzungsguthaben mindestens in Höhe der Klageforderung bestehe. Es könne
somit nur die Berechtigung einzelner Rechnungsposten durch Feststellungsklage geklärt werden.
III. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen
8
Punkten stand.
1. a) Mit Recht - und von der Revision unbeanstandet - hat das Beru-
9
fungsgericht allerdings angenommen, dass zwischen den Parteien bei
der
Durchführung
des
Projekts
"P."
eine
Gesellschaft
bürgerlichen
Rechts bestanden hat. Die Rechtsbeziehung der Parteien erschöpfte sich nicht
-5-
in der gemeinschaftlichen Berechtigung an den Grundstücken, sondern war
durch den gemeinsam verfolgten Zweck geprägt, die Grundstücke zu erschließen und gewinnbringend als Bauland zu veräußern (vgl. MünchKommBGB/
Ulmer 4. Aufl. Vor § 705 Rdn. 15).
10
b) Ebenso zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die
Klägerin den Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben unmittelbar gegen die Beklagte geltend machen kann (Sen.Urt. v. 5. Juli 2003 - II ZR 234/92,
ZIP 2003, 1307, 1309).
11
2. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist der Zahlungsanspruch fällig. Einer - von den Gesellschaftern festzustellenden - Auseinandersetzungsbilanz bedarf es hierzu nicht (Senat aaO). Der Fälligkeit des Zahlungsantrags steht insbesondere nicht die Erwägung entgegen, es könnten noch
Steuerforderungen gegen die Gesellschaft erhoben werden. Das Vorhandensein oder die Möglichkeit offener Gesellschaftsverbindlichkeiten schließen den
internen Ausgleich zwischen den Gesellschaftern nicht aus, wenn - wie hier kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist (Senat BGHZ 26, 126, 133;
Ulmer aaO § 730 Rdn. 62; Staudinger/Habermeier, BGB 2003 § 730 Rdn. 26;
Bamberger/Roth, BGB § 730 Rdn. 32).
12
3. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es
die Höhe eines etwaigen - von der Klägerin noch näher darzulegenden -
-6-
Zahlungsanspruchs klären kann. Bei der Zurückverweisung hat der Senat von
der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Goette
Kurzwelly
Caliebe
Kraemer
Reichart
Vorinstanzen:
LG Paderborn, Entscheidung vom 30.01.2003 - 7 O 107/02 OLG Hamm, Entscheidung vom 04.12.2003 - 27 U 77/03 -