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2023-03-06 15:36:57 +01:00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 12/08
Verkündet am:
22. März 2010
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
ADCOCOM
EGGmbHG § 3 Abs. 4; GmbHG §§ 19 Abs. 4, 30, 31, 56
a) Die in § 3 Abs. 4 EGGmbHG angeordnete rückwirkende Anwendung von § 19 Abs. 4
GmbHG i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung
von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026) begegnet keinen
durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
b) Die Anrechnung des Wertes der verdeckt eingelegten Sache auf die fortbestehende Bareinlageverpflichtung nach § 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG darf im Fall der verdeckten gemischten Sacheinlage nicht zu Lasten des übrigen Gesellschaftsvermögens gehen. Daher
ist vor einer Anrechnung von dem tatsächlichen Wert der eingelegten Sache der Betrag
abzuziehen, der von der Gesellschaft aus dem Gesellschaftsvermögen über den Nominalbetrag der Bareinlage hinaus als Gegenleistung (hier: Kaufpreis für Lizenzen) aufgewendet worden ist.
c) Bestand oder entsteht im Zeitpunkt einer verdeckten gemischten Sachkapitalerhöhung
eine Unterbilanz oder war die Gesellschaft sogar bilanziell überschuldet, können auf den
Teil der Gegenleistung der Gesellschaft, der den Nominalbetrag der Bareinlage übersteigt, §§ 30, 31 GmbHG Anwendung finden.
BGH, Urteil vom 22. März 2010 - II ZR 12/08 - OLG Celle
LG Hildesheim
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Dr. Strohn, Caliebe, Dr. Reichart und Bender
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Celle vom 9. Januar 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Beklagte war die Alleingesellschafterin der damals noch unter
H.
GmbH firmierenden AdCoCom GmbH (künftig: Schuldne-
rin). Sie beabsichtigte Anfang des Jahres 2003, ihren Geschäftsanteil im Zuge
eines "management buy-out" an die Geschäftsleitung der Schuldnerin zu veräußern, die ihrerseits die Schuldnerin mit Unterstützung der W.
mbH (künftig: W.
) weiterführen wollte.
-3-
2
Am 12. Februar 2003 stellte die W.
verschiedene Bedingungen für
eine Investition in die Schuldnerin. Am gleichen Tag fasste die Beklagte den
Beschluss, 3 Millionen € in die Kapitalrücklage der Schuldnerin einzuzahlen. In
einem "Letter of Intent" vom 14. Februar 2003 an die Schuldnerin, dessen Inhalt
im Wesentlichen den Forderungen der W.
entsprach und den sie zur
Grundlage ihres weiteren Vorgehens machte, führte die Beklagte unter anderem aus:
"…
3.
Zum Zwecke der Übertragung des Kaufobjektes [gemeint: zur Vorbereitung der Übernahme
des Geschäftsanteils an der Schuldnerin durch deren Geschäftsleitung] wird … [die Beklagte] folgende Maßnahmen treffen:
3.1 Ablösung der Bank-Darlehen der … [Schuldnerin] bei der D.
Bank und der C.
bank in H.
in Höhe von insgesamt Euro 2.556.459,40 durch ein von …
[der Beklagten] gewährtes Gesellschaftsdarlehen;
3.2 Aufstockung des Stammkapitals der … [Schuldnerin] auf 1.000.000,00 Euro (derzeit
260.758,86 Euro) durch … [die Beklagte];
3.3 Einzahlung von 3.000.000,00 Euro in die Kapitalrücklage durch … [die Beklagte];
3.4 Verkauf der Rechte an den Produkten für 3.990.000,00 Euro an … [die Schuldnerin];
3.5 Übernahme der laufenden Kosten der … [Schuldnerin] für die Monate Januar und Februar 2003 bis zu einer Höhe von 700.000,00 Euro.
Die Verrechnung erfolgt auf der Grundlage des bestehenden Dienstleistungsvertrages.
Der Dienstleistungsvertrag wird im gegenseitigen Einvernehmen zum 28.02.2003 beendet. Ab jenem Datum entstehen keinerlei weitere gegenseitige Verpflichtungen aus diesem Dienstleistungsvertrag.
Die Zahlung erfolgt innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungslegung;
3.6 Verkauf der Fertig- und Handelswaren, die das H.
Label tragen, am
18. Februar 2003 zum Transferpreis von 1.113.092,03 Euro gemäß der Auflistung in Anlage 1. Die Zahlung erfolgt innerhalb von 14 Tagen nach Lieferung und nach Beurkundung des Kaufvertrages;
-4-
3.7 … [die Beklagte] wird unmittelbar nach Inkrafttreten des Kaufvertrages auf folgende Forderungen verzichten:
Bestehendes Gesellschaftsdarlehen:
Gesellschaftsdarlehen gem. Ziff. 3.1:
Bestehende Forderungen gegenüber … [der Schuldnerin]:
Abzüglich Verbindlichkeiten von … [der Beklagten] gegenüber
… [der Schuldnerin]:
TOTAL
700.000,00 Euro
2.556.459,40 Euro
397.480,04 Euro
(459.940,14 Euro)
3.193.999,30 Euro
Bereits beglichene Forderungen und Verbindlichkeiten werden entsprechend verrechnet
… ."
Am 19. Februar 2003 zahlte die Beklagte auf ein debitorisches Konto der
3
Schuldnerin 739.241,14 € mit dem Verwendungszweck "Aufstockung Stammkapital auf 1 Mio." und weitere 3 Millionen € mit dem Verwendungszweck "Einzahlung in die Kapitalrücklage" ein. Am 20./21. Februar 2003 schlossen die Beklagte und die Schuldnerin einen Kaufvertrag über Sachen und Rechte der Beklagten (künftig: "Lizenzen") zu einem Nettokaufpreis von 3,99 Millionen €. Dieser Wert war Ende 2002 in einem Bewertungsgutachten im Auftrag der Beklagten von der P.
GmbH auf
der Grundlage der Reproduktionskosten ermittelt worden. Am 24. Februar 2003
fasste die Beklagte den Beschluss, das Stammkapital der Schuldnerin um
739.241,14 € auf 1 Million € zu erhöhen. Am gleichen Tag überwies die Schuldnerin der Beklagten 3,99 Millionen € mit dem Verwendungszweck "Kaufpreis
Lizenzen". Das Konto der Schuldnerin schloss am 24. Februar 2003 mit einem
Minus.
4
Die Beklagte erfüllte auch die übrigen im "Letter of Intent" übernommenen Verpflichtungen gegenüber der Schuldnerin und veräußerte und übertrug
sodann am 4. März 2003 ihren Geschäftsanteil von 1 Million € für 1,00 € "mit
Wirkung zum 1. Januar 2003" an die Geschäftsleitung der Schuldnerin. Über
das Vermögen der Schuldnerin wurde auf Antrag vom 11. November 2004 am
-5-
1. Januar 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
5
Der Kläger hat die Beklagte auf nochmalige Leistung ihrer Einlage und
auf Erstattung der in die freie Kapitalrücklage geleisteten Zahlung nach §§ 30,
31 GmbHG, hilfsweise aus dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung in Höhe von insgesamt 3.739.241,41 € in Anspruch genommen. Er hat u.a. behauptet, die Schuldnerin sei Ende 2002 überschuldet und die Lizenzen seien wertlos
gewesen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat
die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe:
6
Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt unter Aufhebung des
angefochtenen
Urteils
zur
Zurückverweisung
der
Sache
an
das
Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
7
I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
8
Eine (nochmalige) Zahlung von 739.241,14 € könne der Kläger nach den
Grundsätzen der Kapitalaufbringung nicht beanspruchen, weil die gegenzurechnenden Leistungen der Beklagten zusammengenommen die Qualifikation
der Einlageleistung der Beklagten als verdeckte Sacheinlage ausschlössen. Die
-6-
Zahlung von weiteren 3 Millionen € sei keine Umgehung der Vorschriften über
die Kapitalaufbringung und auch keine eigenkapitalersetzende Leistung der Beklagten. Ansprüche des Klägers nach §§ 30, 31 GmbHG kämen nicht in Betracht, wobei der Vortrag des Klägers zu einer Überschuldung der Schuldnerin
bereits Ende 2002 nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen sei. Ansprüche aus
gesellschafterlicher Treuepflichtverletzung und aus Insolvenzanfechtung bestünden nicht.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
9
stand.
10
A. Rechtsfehlerhaft ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte
habe auf die am 24. Februar 2003 beschlossene Kapitalerhöhung die versprochene Bareinlage geleistet. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die Beklagte mit dem Beschluss und seiner Umsetzung in Gestalt der Einzahlung des
beschlossenen Erhöhungsbetrages ihr Vorhaben verdeckt hat, unter Umgehung
der Sacheinlagevorschriften die Lizenzen in die Schuldnerin einzubringen.
11
1. Eine verdeckte Sacheinlage liegt vor, wenn die gesetzlichen Regeln
für Sacheinlagen dadurch unterlaufen werden, dass zwar eine Bareinlage beschlossen/vereinbart wird, die Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung
von dem Einleger aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der
Einlage getroffenen Verwendungsabsprache einen Sachwert erhalten soll (Senat, BGHZ 182, 103 Tz. 10 - CASH POOL II; BGHZ 180, 38 Tz. 8 - QIVIVE;
BGHZ 175, 265 Tz. 10 - RHEINMÖVE; BGHZ 173, 145 Tz. 14 - LURGI I;
BGHZ 170, 47 Tz 11; BGHZ 166, 8 Tz. 11 - CASH POOL I; BGHZ 155, 329,
334; Sen.Urt. v. 1. Februar 2010 - II ZR 173/08, ZIP 2010, 423 Tz. 15, z.V.b. in
BGHZ - EUROBIKE; v. 11. Februar 2008 - II ZR 171/06, ZIP 2008, 643 Tz. 12).
-7-
Diese vom Senat entwickelte Definition der verdeckten Sacheinlage hat der
Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur
Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I
S. 2026) übernommen (Senat, BGHZ 180 aaO - QIVIVE; Sen.Urt. v. 1. Februar
2010 aaO; Bormann/Urlichs in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach
dem MoMiG 2008 S. 37, 39; Pentz, GmbHR 2009, 505, 507 f.). Bei einer EinPersonen-Gesellschaft tritt an die Stelle der Verwendungsabsprache ein entsprechendes Vorhaben des Alleingesellschafters (Sen.Urt. v. 11. Februar 2008
- II ZR 171/06, ZIP 2008, 643 Tz. 12; Pentz in Festschrift K. Schmidt 2009,
S. 1265, 1270 f.). Dass der für den eingelegten Gegenstand vereinbarte Preis
den Betrag der Einlageverpflichtung wesentlich übersteigt, ändert an der Anwendung der für Sacheinlagen geltenden Regelungen auf das gesamte
Rechtsgeschäft nichts, wenn eine kraft Parteivereinbarung unteilbare Leistung
in Rede steht (Senat, BGHZ 175 aaO Tz. 14 - RHEINMÖVE; BGHZ 173 aaO
Tz. 15 - LURGI I; BGHZ 170 aaO Tz. 17).
12
2. Gemessen daran lag hier eine verdeckte (gemischte) Sacheinlage vor.
13
a) Das Vorhaben der Beklagten im Zuge der Kapitalerhöhung war entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auf das verdeckte Einbringen einer
Sacheinlage gerichtet. Die Beklagte hat den wirtschaftlich einheitlichen Vorgang
einer Sacheinbringung in zwei rechtlich getrennte Geschäfte aufgeteilt, bei denen der Gesellschaft zwar formal Bargeld als Einlage zugeführt, dieses jedoch
im Zusammenhang mit einem zweiten Rechtsgeschäft gegen die Zuführung der
Lizenzen zurückgewährt wurde, die ihrerseits von vornherein als Sacheinlage in
die Gesellschaft eingebracht werden konnten und mussten.
-8-
14
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind schuldrechtliche
Absprachen zwischen dem Inferenten und der Gesellschaft über die Verwendung der Einlagemittel bei der Kapitalerhöhung unter dem Gesichtspunkt der
Kapitalaufbringung zwar grundsätzlich nicht verboten, aber dann schädlich,
wenn sie dazu bestimmt sind, die eingezahlten Mittel wieder an den Inferenten
zurückfließen zu lassen (Senat, BGHZ 171, 113 Tz. 10; BGHZ 153, 107, 110).
Die Feststellung eines schädlichen, auf einen Rückfluss gerichteten Vorhabens
unterliegt zwar tatrichterlicher Würdigung (Senat, BGHZ 166, 8 Tz. 13 ff.
- CASH POOL I; Sen.Urt. v. 11. Februar 2008 - II ZR 171/06, ZIP 2008, 643
Tz. 11; Sen.Beschl. v. 15. Oktober 2007 - II ZR 263/06, ZIP 2008, 1281 Tz. 4).
Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, insbesondere seine Auffassung, die Ausführungen der Beklagten im "Letter of Intent" vom 14. Februar
2003 bzw. der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Leistung der Einlage und dem Kaufvertrag über die Lizenzen und der damit verbundenen Rückführung des Einlagebetrages begründeten keinen Anhaltspunkt für eine verdeckte Sacheinlage, diese sei vielmehr im Hinblick auf die "Vorgänge in ihrer
aufeinander bezogenen Gesamtheit" ausgeschlossen, beruht jedoch, wie die
Revision zu Recht rügt, einerseits auf einer grundlegenden Verkennung der
Anforderungen der gefestigten Senatsrechtsprechung und zudem auf einer unvollständigen Würdigung des Sachvortrags des Klägers. Mit seiner Wertung hat
sich das Berufungsgericht nicht nur in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Senats gesetzt, wonach schon der hier gegebene enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Einzahlung des Einlagebetrages und dem Rückfluss des Geldes die Vermutung begründet, die (objektive) Umgehung der
Sachkapitalaufbringungsregeln sei von Anfang an in Aussicht genommen worden (Senat, BGHZ 175, 265 Tz. 13 - RHEINMÖVE; BGHZ 166, 8 Tz. 13
- CASH POOL I; BGHZ 153, 107, 109). Das Berufungsgericht hat vor allem verkannt, dass darüber hinaus bereits der Inhalt des "Letter of Intent" (s. hierzu
-9-
BGH, Urt. v. 2. Dezember 1999 - IX ZR 415/98, ZIP 2000, 72, 73), vor allem
aber der Umstand, dass ausweislich der von der Beklagten in Auftrag gegebenen gutachterlichen Stellungnahme der P.
GmbH vom 9. Dezember 2002 seitens der Beklagten zu diesem Zeitpunkt geplant war, die Lizenzen - damals im Rahmen der Veräußerung
der Mehrheitsbeteiligung der Beklagten - im Wege einer Sachkapitalerhöhung
in die Schuldnerin einzubringen, ein Vorhaben der Alleingesellschafterin im
Sinne einer verdeckten (gemischten) Sacheinlage eindeutig belegen.
15
b) Anders, als das Berufungsgericht gemeint hat, kann die verdeckte (gemischte) Sacheinlage und die daraus folgende Nichterfüllung der Bareinlageverpflichtung durch die Zahlung vom 19. Februar 2003 nicht wegen der weiteren im „Gesamtpaket“ versprochenen und zeitlich nach dem 24. Februar 2003
auch tatsächlich geleisteten Zahlungen der Beklagten verneint werden. Das
Berufungsgericht hat dabei nicht nur das auf eine verdeckte Sacheinlage gerichtete Vorhaben mit einer nachträglichen Tilgung der Bareinlagepflicht vermischt. Die Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben, entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung, auch nicht eine nachträgliche Erfüllung der Bareinlageverpflichtung.
16
Nach der Rechtsprechung des Senats ist zwar die nachträgliche Erfüllung der Einlageverbindlichkeit durch eine spätere Leistung möglich (Senat,
BGHZ 165, 113, 117; BGHZ 165, 352, 356 ff.; Sen.Urt. v. 12. Juni 2006
- II ZR 334/04, ZIP 2006, 1633 Tz. 13). Das setzt jedoch voraus, dass spätere
Zuflüsse sich objektiv eindeutig, mithin zweifelsfrei der fortbestehenden Einlageverpflichtung zuordnen lassen (Senat, BGHZ 166, 8 Tz. 24 - CASH POOL I;
Sen.Beschl. v. 15. Oktober 2007 - II ZR 263/06, ZIP 2008, 1281 Tz. 6; BGHZ
165, 113, 117). Das Gegenteil ist hier der Fall. Die späteren Zahlungen der Be-
- 10 -
klagten dienten aufgrund der mit ihnen verbundenen, vom Berufungsgericht
selbst festgestellten Tilgungsbestimmungen vielmehr eindeutig und zweifelsfrei
anderen Zwecken als der nachträglichen Erfüllung der Bareinlagepflicht.
17
3. Da das Berufungsgericht zu Unrecht das Vorliegen einer verdeckten
(gemischten) Sacheinlage verneint hat, kommt es nicht mehr darauf an, dass
das Berufungsurteil selbst bei zutreffender Ablehnung der verdeckten Sacheinlage der Aufhebung unterlegen hätte, weil das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, die von seinem Rechtsstandpunkt aus erforderliche Prüfung
der Wirksamkeit der Einzahlung vom 19. Februar 2003 auf ein debitorisches
Konto der Schuldnerin vor Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses - ebenfalls - fehlerhaft unterlassen hat.
18
B. Aufgrund des Rechtsfehlers der Verkennung einer verdeckten (gemischten) Sacheinlage unterliegt das Berufungsurteil in Höhe von 739.241,41 €
der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nicht selbst abschließend
in der Sache entscheiden, weil der Erfolg der Klage auf Zahlung der versprochenen Bareinlage nach § 19 Abs. 4 GmbHG i. d. F. des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)
vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026) von dem - vom Berufungsgericht nicht
festgestellten - Wert der verdeckt eingebrachten Lizenzen abhängt.
19
1. Nach § 56 Abs. 2, § 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG, § 3 Abs. 4 EGGmbHG
in der mit Inkrafttreten des MoMiG maßgeblichen Fassung ist auf die wegen
Umgehung der Sacheinlagevorschriften fortbestehende Bareinlagepflicht der
Beklagten (§ 19 Abs. 4 Satz 1, 3 GmbHG) der Wert der Lizenzen zu dem in
§ 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG bezeichneten Zeitpunkt anzurechnen. Die in § 3
- 11 -
Abs. 4 EGGmbHG angeordnete rückwirkende Anwendung des § 19 Abs. 4
GmbHG n.F. (Senat, BGHZ 179, 249 Tz. 21 - GUT BUSCHOW) bezieht sich
auch auf Kapitalerhöhungen (Habersack, GWR 2010, 107, 109).
20
2. Der Senat vermag nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass die in § 3
Abs. 4 GmbHG angeordnete rückwirkende Anwendung des § 19 Abs. 4
GmbHG gegen Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG und das verfassungsrechtliche
Rückwirkungsverbot verstößt.
21
a) § 3 Abs. 4 EGGmbHG berührt den Schutzbereich des Artikels 14
Abs. 1 Satz 1 GG. Eigentum im Sinne des Artikels 14 Abs. 1 GG ist sowohl das
dingliche Recht an einer Sache als auch eine Forderung (BVerfGE 112, 93,
107; 83, 201, 208 f.; 68, 193, 222). Unter den Schutz des Eigentumsgrundrechts fallen im Bereich des Privatrechts grundsätzlich alle vermögenswerten
Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet
sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher
Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf (BVerfGE 101, 239,
258; 83, 201, 209).
22
aa) In den Schutzbereich einbezogen sind damit Forderungen im Zusammenhang mit einer verdeckten Sacheinlage und das Eigentum bzw. die
Inhaberschaft an dem verdeckt eingebrachten Gegenstand.
23
bb) Von § 3 Abs. 4 EGGmbHG nicht berührt wird hingegen der aufschiebend bedingte prozessuale Erstattungsanspruch (§ 91 ZPO) der auf Leistung
der Bareinlage klagenden Gesellschaft im Falle der (ursprünglichen) Werthaltigkeit des verdeckt eingebrachten Gegenstands. Denn die Gesellschaft kann in
solchen Fällen weiter eine ihr günstige Kostenfolge dadurch erreichen, dass sie
- 12 -
den Rechtsstreit für erledigt erklärt (Bormann/Urlichs in Römermann/Wachter,
GmbH-Beratung nach dem MoMiG, 2008, S. 37, 42; Heckschen, Das MoMiG in
der notariellen Praxis Rdn. 103; Nagel/Meder, ZInsO 2009, 944, 951 f.; Pentz,
GmbHR 2009, 126, 130; s. zur verfassungsrechtlichen Unbeachtlichkeit dieser
"Nebenfolge" auch BVerfGE 72, 302, 327).
24
b) § 3 Abs. 4 EGGmbHG stellt keine Enteignung dar, sondern greift im
Sinne einer Inhalts- und Schrankenbestimmung in das Eigentum der Gesellschaft und des Inferenten ein.
25
aa) Aus § 3 Abs. 4 EGGmbHG folgt keine Enteignung nach Artikel 14
Abs. 3 GG, sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Artikel 14
Abs. 1 Satz 2 GG. Enteignung ist der staatliche Zugriff auf das Eigentum des
Einzelnen. Ihrem Zweck nach ist sie auf die vollständige oder partielle Entziehung konkreter subjektiver, durch Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteter
Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet
(BVerfGE 101, 239, 259; 79, 174, 191, 52, 1, 27; Badenhop, ZInsO 2009, 793,
797). Demgegenüber geht es bei der Regelung des § 3 Abs. 4 EGGmbHG um
die rechtliche Korrektur von Erwerbsvorgängen mit dem Ziel, divergierende private Interessen zu einem Ausgleich zu bringen.
26
bb) Die mit § 3 Abs. 4 EGGmbHG verbundene Inhalts- und Schrankenbestimmung wirkt im Verhältnis zur Gesellschaft (1) und zum Inferenten (2).
27
(1) § 3 Abs. 4 EGGmbHG greift einerseits in die Einlageforderung der
Gesellschaft ein, indem er anordnet, dass bei verdeckten Sacheinlagen, die vor
dem 1. November 2008 vereinbart und durchgeführt worden sind und bei denen
über die - nach altem Recht infolge Unwirksamkeit der der Einbringung zugrun-
- 13 -
de liegenden Geschäfte bestehenden - Ansprüche noch nicht rechtskräftig entschieden oder eine wirksame Vereinbarung getroffen worden ist, der Wert der
Sacheinlage auf die Einlageforderung der Gesellschaft anzurechnen ist. Das
ergibt zwar nicht der Wortlaut des § 3 Abs. 4 EGGmbHG, folgt aber aus dem
Umstand, dass § 3 Abs. 4 EGGmbHG auf den gesamten § 19 Abs. 4 GmbHG
n.F. und damit auch auf § 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG Bezug nimmt (anders im
Sinne einer teleologischen verfassungskonformen Reduktion Badenhop,
ZInsO 2009, 793, 802; Heinze, GmbHR 2008, 1065, 1073; im Falle von Zwischenverfügungen zugunsten eines Dritten auch Pentz in Festschrift K. Schmidt
2009 S. 1265, 1284/1286).
28
Damit wird der Gesellschaft die nach altem Recht vor dem 1. November
2008 bestehende, durch Artikel 14 Abs. 1 GG geschützte Bareinlageforderung
im Umfang der Werthaltigkeit der eingebrachten Sacheinlage rückwirkend entzogen, wobei dahinstehen kann, wie die von § 19 Abs. 4 GmbHG n.F. angeordnete Anrechnung dogmatisch einzuordnen ist. Zudem vernichtet § 3 Abs. 4
EGGmbHG im Umfang der Anrechnung eine aus § 20 GmbHG resultierende
Zinsforderung (zur Rückwirkung des § 3 Abs. 4 EGGmbHG Goette, WPg 2008,
231, 234; Bormann/Urlichs in Römermann/Wachter, GmbH-Beratung nach dem
MoMiG, 2008 S. 37, 41; Fuchs, BB 2009, 170, 173; Heckschen, Das MoMiG in
der notariellen Praxis, 2009 Rdn. 100).
29
(2) § 3 Abs. 4 EGGmbHG ordnet andererseits auch die Wirksamkeit der
auf die Überlassung der verdeckten Sacheinlage gerichteten Verpflichtungsund Verfügungsgeschäfte ex tunc neu. Indem er deren Wirksamkeit anordnet,
greift er in bestehende Forderungen der Gesellschaft und (Eigentums-)Rechte
des Inferenten aus der Rückabwicklung der nach altem Recht unwirksamen
Rechtsgeschäfte ein. Nach seinem Wortlaut regelt § 3 Abs. 4 EGGmbHG zwar
- 14 -
(nur) die Rückwirkung der gesellschaftsrechtlichen Erfüllungswirkung der Einlageleistung. Der untrennbare Zusammenhang zwischen dem Schicksal der Einlageforderung und den die verdeckte Sacheinlage betreffenden Rechtsgeschäften erfordert es aber, § 3 Abs. 4 EGGmbHG entsprechend auszulegen, weil der
Gesellschafter sonst die durch Anrechnung "verbrauchte" Sacheinlage nach
§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative, § 985 BGB herausverlangen könnte (ebenso Nagel/Meder, ZInsO 2009, 944, 946 Fn. 18). Dass der Gesetzgeber Anrechnung und Wirksamkeit der auf die verdeckte Sacheinlage bezogenen Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäfte parallel behandelt sehen wollte, folgt zudem aus
der als vom Gesetzgeber übernommen zu behandelnden Begründung des
Rechtsausschusses zu dem parallel zu § 3 Abs. 4 EGGmbHG gestalteten § 20
Abs. 7 EGAktG (BT-Drucks. 16/13098, S. 42).
30
c) Die mit § 3 Abs. 4 EGGmbHG verbundene Inhalts- und Schrankenbestimmung ist gerechtfertigt.
31
aa) Allerdings genügt zur Rechtfertigung des § 3 Abs. 4 EGGmbHG nicht
allein die Behauptung, das bis zum Inkrafttreten des MoMiG geltende Recht sei
unklar oder verworren gewesen. Davon ging schon der Gesetzgeber des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften vom 4. Juli
1980 (BGBl. I S. 836) nicht aus (so richtig Badenhop, ZInsO 2009, 793, 796).
Zwar wurde der im damaligen Regierungsentwurf enthaltene § 5 b Abs. 2
GmbHG-E, der im Wesentlichen mit § 27 Abs. 3 AktG in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom
30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2479) geltenden Fassung übereinstimmte und der mit
dem Hinweis begründet wurde, sein Gehalt entspreche "weitgehend […] der
Auslegung, die schon das GmbH-Gesetz erfahren" habe (BT-Drucks. 8/1347,
- 15 -
S. 30), nicht in das GmbH-Gesetz übernommen. Der Rechtsausschuss des
Bundestages, auf den die Streichung zurückging, begründete dies in seiner Beschlussempfehlung und seinem Bericht aber ausdrücklich damit, er sehe "kein
gesetzliches Regelungsbedürfnis, da sie [gemeint: die Neuregelungen] inhaltlich bereits weitgehend dem geltenden Recht" entsprächen (BT-Drucks. 8/3908,
S. 69 f.). Auf dieses Vorverständnis des Gesetzgebers nahm der Senat in seiner Grundsatzentscheidung vom 7. Juli 2003 zur analogen Anwendung des
§ 27 Abs. 3 AktG a.F. im GmbH-Recht ausdrücklich Bezug (BGHZ 155, 329,
338). Die Rechtslage war vor und nach der Grundsatzentscheidung des Senats
- wie vom Gesetzgeber 1980 richtig gesehen - eindeutig. Der Fall liegt damit
wesentlich anders als die Sachlage bei Inkrafttreten der §§ 1 und 2 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung beurkundungsrechtlicher Vorschriften vom
20. Februar 1980 (BGBl. I S. 157), mit dem der Gesetzgeber - vom Bundesverfassungsgericht gebilligt (BVerfGE 72, 302 ff.) - eine von großer Verunsicherung begleitete Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs korrigierte.
32
bb) Zur
verfassungsrechtlichen
Rechtfertigung
des
§3
Abs. 4
EGGmbHG genügt auch nicht der Hinweis, die Regelung sei am - großzügigeren - Maßstab einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung gemessen unbedenklich (so aber Wedemann, GmbHR 2008, 1131, 1133 Fn. 14; mit
diesem
Ansatz
sympathisierend
Bormann,
GmbHR 2007,
897,
900 f.;
Hein/Suchan/Geeb, DStR 2008, 2289, 2296; Nagel/Meder, ZInsO 2009, 944,
949). § 3 Abs. 4 EGGmbHG unterliegt der Prüfung am Maßstab von in das Eigentumsrecht eingreifenden Gesetzen, nicht am Maßstab einer Änderung der
Rechtsprechung
(richtig
Badenhop,
ZInsO 2009,
793,
796;
Felke,
GmbH-StB 2009, 17, 19; Pentz, GmbHR 2009, 505, 506). Selbst dann, wenn
- was nicht der Fall ist - die Prämisse zuträfe, dass die Kernaussagen über die
Behandlung verdeckter Sacheinlagen im Recht der GmbH "lediglich" auf der
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Entscheidung des Senats vom 7. Juli 2003 (BGHZ 155, 329 ff.) beruhten, käme
es doch nicht auf den geänderten Gegenstand (Rechtsprechung des Senats),
sondern ausschließlich auf die diese ändernde Maßnahme an (zutreffend
Badenhop, ZInsO 2009, 793, 796; Fuchs, BB 2009, 170, 174). Insoweit gilt für
die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 4 EGGmbHG derselbe
Maßstab wie für § 20 Abs. 7 EGAktG, der die identischen Rückwirkungsfolgen
für § 27 AktG anordnet. Im Übrigen schließen § 19 Abs. 4 GmbHG n.F. (hier in
Verbindung mit § 56 Abs. 2 GmbHG), § 3 Abs. 4 EGGmbHG nicht (lediglich)
eine bestimmte Interpretation fortbestehender Vorschriften durch die Rechtsprechung aus, sondern ändern rückwirkend die in § 19 Abs. 2 Satz 2 und
Abs. 5 GmbHG a.F. angeordnete gesetzliche Rechtsfolge in Bezug auf die Bareinlageverpflichtung (Felke, GmbH-StB 2009, 17, 19).
33
cc) § 3 Abs. 4 EGGmbHG entspricht dem Gebot eines gerechten Interessenausgleichs und damit den Kriterien einer zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmung sowohl im Verhältnis zur Gesellschaft als auch zum Inferenten.
34
(1) Der Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmende Gesetzgeber
genießt keine unbeschränkte Gestaltungsfreiheit (BVerfGE 101, 239, 259; 95,
64, 84). Vielmehr muss er bei der Verwirklichung seines Regelungsauftrags die
Anerkennung des Privateigentums in Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG beachten und
sich im Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen halten (BVerfGE 101,
239, 259; 74, 203, 214; 14, 263, 278). Er ist, wenn er von der Ermächtigung zur
Inhalts- und Schrankenbestimmung Gebrauch macht, insbesondere verpflichtet,
die Interessen der Beteiligten zu einem gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen (BVerfGE 101, 239, 259; 95, 48, 58). Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung steht mit der verfassungsrechtlichen
- 17 -
Vorstellung
eines
sozialgebundenen
Privateigentums
nicht
in
Einklang
(BVerfGE 101, 239, 259; 52, 1, 29).
35
(2) Diesen Anforderungen wird die Regelung des § 3 Abs. 4 EGGmbHG
gerecht. Indem § 3 Abs. 4 EGGmbHG Rechtsgeschäften Wirksamkeit verleiht,
deren fehlende rechtliche Anerkennung aus der Sicht der handelnden Personen
nicht ohne weiteres erkennbar war, schafft er Rechtssicherheit (so auch die Begründung zu § 20 Abs. 7 EGAktG n.F., BT-Drucks. 16/13098, S. 42). In dem
Umfang, in dem wegen der Werthaltigkeit der vom Inferenten eingebrachten
Sache zwar formelle, dem präventiven Gläubigerschutz dienende Vorschriften
über die Sachkapitalaufbringung oder -erhöhung verletzt sind, die Gesellschaft
aber den ihr versprochenen Vermögenswert zugewandt erhalten hat, musste
der Gesetzgeber dem Formverstoß gegen Sachgründungs- oder Sachkapitalerhöhungsvorschriften nicht weiterhin das ihm bis dahin beigelegte Gewicht
geben, sondern durfte für maßgeblich erachten, dass die Gesellschaft tatsächlich einen Vermögenswert erhalten hat. Wenn er entgegen der bisherigen
Rechtslage dem präventiven Schutz weniger Bedeutung beimessen und an den
Formalverstoß nicht mehr die Unwirksamkeitsfolge der der Einbringung zugrunde liegenden Geschäfte knüpfen, sondern - in Gestalt der Anrechnung - die tatsächliche Wertzuführung für entscheidend halten wollte, hat er damit seine
Gestaltungsbefugnis nicht überschritten.
36
dd) § 3 Abs. 4 EGGmbHG verletzt auch nicht das im Gewährleistungsbereich des Artikels 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigende Vertrauensschutzprinzip.
Er enthält insbesondere keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung.
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37
(1) § 3 Abs. 4 EGGmbHG beinhaltet eine verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässige unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung.
38
Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige,
noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich
entwertet (BVerfGE 101, 239, 263). § 3 Abs. 4 EGGmbHG greift in gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen ein, indem er die von den Beteiligten gewollte, aber wegen der Unwirksamkeitsfolgen
des alten Rechts noch nicht gelungene Kapitalaufbringung oder -erhöhung neu
regelt. Bei der Bestimmung des verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabs
(Abgrenzung unechte - echte Rückwirkung) ist dabei nicht auf die in der Vergangenheit abgeschlossenen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte abzustellen, deren Wirksamkeit § 3 Abs. 4 EGGmbHG ebenso beeinflusst wie die
aus ihnen resultierenden Ansprüche. Abzustellen ist vielmehr im Sinne einer
Gesamtbetrachtung auf den einheitlichen Lebenssachverhalt der Kapitalaufbringung bzw. -erhöhung, der bis zur Einführung der Anrechnungslösung in den
von § 3 Abs. 4 EGGmbHG erfassten Fällen wegen der fehlenden Erfüllungswirkung der einzelnen Geschäfte nicht abgeschlossen war (so auch Bayer in
Lutter/Hommelhoff, GmbHG 17. Aufl. § 19 Rdn. 110; Seibt in Scholz, GmbHG
10. Aufl. § 3 EGGmbHG Rdn. 8).
39
(2) Der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des § 3 Abs. 4 EGGmbHG
als einer Regelung mit unechter Rückwirkung stehen der Grundsatz des Vertrauensschutzes und das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht entgegen.
40
(a) Zwar können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und
dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese
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Grenzen sind aber erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete
unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder
erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (BVerfGE 116, 96, 132; 101, 239,
263; 95, 64, 86). Bei Gesetzen mit unechter Rückwirkung bzw. tatbestandlicher
Rückanknüpfung wird den allgemeinen Grundsätzen des Vertrauensschutzes
und der Rechtssicherheit kein genereller Vorrang vor dem jeweils verfolgten
gesetzgeberischen Anliegen eingeräumt. Denn die Gewährung vollständigen
Schutzes zu Gunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den
dem Gemeinwohl verpflichteten demokratischen Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung in nicht mehr vertretbarer Weise zu
Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (BVerfGE 105, 17,
40). Es muss dem Gesetzgeber möglich sein, Normen, die auch in erheblichem
Umfang an in der Vergangenheit liegende Tatbestände anknüpfen, zu erlassen
und durch Änderung der künftigen Rechtsfolgen dieser Tatbestände auf veränderte Gegebenheiten zu reagieren (BVerfGE 76, 256, 348).
41
(b) Die dem Gesetzgeber bei der Anordnung einer unechten Rückwirkung gezogenen Grenzen sind hier eingehalten.
42
(aa) Durch die rückwirkende Anrechnung des Wertes der verdeckt eingebrachten Sache auf die Bareinlageforderung und durch die nachträgliche Anerkennung der auf das Einbringen der Sacheinlage bezogenen Rechtsgeschäfte wird keine Vertrauensinvestition nachteilig beeinflusst.
43
In Fällen, in denen die Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Verpflichtungs- und des dinglichen Erfüllungsgeschäfts weder von der Gesellschaft noch
von dem Inferenten erkannt worden ist, wird durch die rückwirkende Anerken-
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nung der Rechtsgeschäfte keine Vertrauensinvestition nachteilig beeinflusst,
sondern es werden die von den Beteiligten tatsächlich gewollte Rechtslage
bzw. die von ihnen als bereits eingetreten bewerteten Rechtsfolgen hergestellt.
Auch unter Geltung der neuen Rechtslage hätten sich die Gesellschafter und
der Inferent nicht anders verhalten (siehe zu einer vergleichbaren Konstellation
bzw. zu vergleichbaren Überlegungen die Entscheidung BVerfGE 72, 302 ff. zur
Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Heilungsvorschriften im Beurkundungsrecht).
44
Haben hingegen die Gesellschaft und der Inferent um die Unwirksamkeit
des von ihnen Gewollten gewusst, sind aber gleichwohl diesen Weg gegangen,
verdienen sie erst recht keinen Vertrauensschutz. Es besteht kein schützenswertes Vertrauen in das Scheitern des Gewollten (in diesem Sinne auch Seibt
aaO; Bayer aaO).
45
(bb) Die Anrechnungslösung ist auch geeignet und erforderlich, um das
vom Gesetzgeber erstrebte Ziel der Rechtssicherheit im Zusammenhang mit
den in der Vergangenheit streitträchtigen und zunehmend als überschießend
empfundenen Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage zu erreichen. Das
Bestandsinteresse des Inferenten, das Eigentum an einer verdeckt eingebrachten Sache oder die Inhaberschaft an einer verdeckt eingebrachten Forderung
zu behalten, ist nach dem Grundsatz widersprüchlichen Verhaltens nicht
schutzwürdig. Das Bestandsinteresse der Gesellschaft an einem ungeschmälerten Erhalt der Bareinlageforderung geht dem Interesse des Gesetzgebers an
einer Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten über die Werthaltigkeit des Gesellschaftsvermögens bei Gründung oder Kapitalerhöhung nicht vor. Das - schützenswerte - Bestandsinteresse der Gesellschaft am Erhalt ihres Vermögens ist
durch die Rechtsänderung nicht berührt, da die verdeckte Leistung nur in dem
Umfang angerechnet wird, in dem der Gesellschaft ursprünglich ein werthaltiger
- 21 -
Gegenstand zugeführt wurde. Bei - ganz oder teilweise - fehlender Werthaltigkeit der eingebrachten Sache besteht ihre Bareinlageforderung - ganz oder teilweise - fort. Mehr als den Schutz des Gesamtvermögens der Gesellschaft können auch ein Insolvenzverwalter und die hinter ihm stehende Gläubigergemeinschaft nicht beanspruchen, die keinen von dem der Gesellschaft abgelösten,
weiterreichenden Vertrauensschutz genießen. Ein das Bestandsinteresse der
Gesellschaft überwiegendes Bestandsinteresse kommt ihnen nicht zu.
46
C. Das Berufungsurteil unterliegt weiter der Aufhebung und Zurückverweisung (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO), soweit das Berufungsgericht die
Abweisung der Klage auf Zahlung von weiteren 3 Millionen € durch das Landgericht bestätigt hat. Auch insoweit ist die Sache mangels hinreichender Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zur Endentscheidung reif.
47
1. Noch richtig ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dem
Kläger gegen die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung ein
Anspruch auf Zahlung eines die übernommene Bareinlagepflicht in Höhe von
739.241,41 € übersteigenden Betrages von weiteren 3 Millionen € nicht zusteht.
Bei der Zahlung von 3 Millionen € handelte es sich um eine Zuzahlung der Beklagten im Sinne des § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB. Die Übernahme einer solchen
Zuzahlung steht der Übernahme einer Bareinlagepflicht auch dann nicht gleich,
wenn die Zuzahlung für die Einbringung einer verdeckten gemischten Sacheinlage verwendet wird, weil ansonsten die Grenze zwischen dem im Handelsregister zu verlautbarenden und deshalb im Interesse der Gesellschaftsgläubiger
besonderen Schutzvorschriften unterworfenen Stammkapital und den sonstigen
Leistungen der Gesellschafter verwischt würde (OLG München, ZIP 2007, 126,
129; dazu Sen.Beschl. v. 15. Oktober 2007 - II ZR 249/06, ZIP 2008, 26, 27; LG
Mainz, ZIP 1986, 1323, 1328; Haberstock, NZG 2008, 220). Die Regelungen
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über die Kapitalaufbringung sichern das im Handelsregister verlautbarte
Stammkapital. Nur im Umfang dieser Verlautbarung besteht ein schutzwürdiges
Interesse der Gläubiger der Gesellschaft an einer realen Kapitalaufbringung.
Das gilt, wenn - wie hier - die Leistung als eine solche im Sinne des § 272
Abs. 2 Nr. 4 HGB gekennzeichnet ist, unabhängig davon, auf welchen Konten
der Gesellschaft diese Zuzahlungen verbucht werden.
48
2. Auch auf der Grundlage des nunmehr geltenden Rechts hat aber die
- schon nach altem Recht rechtsfehlerhaft begründete - Annahme des Berufungsgerichts keinen Bestand, dem Kläger stehe gegen die Beklagte kein Anspruch aus §§ 30, 31 GmbHG auf Zahlung von weiteren 3 Millionen € zu. Vielmehr gebietet der Grundsatz des Kapitalschutzes der Gesellschaft die Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG auf den den Nominalwert der Kapitalerhöhung
übersteigenden Teil des Kaufpreises für die Lizenzen (3,99 Millionen € ./. der
auf die Kapitalerhöhung entfallenden 739.241,14 € = 3.250.758,86 €, davon
vom Kläger eingeklagt 3 Millionen €), den die Schuldnerin über den Betrag der
Einlageleistung hinaus aus ihrem übrigen Vermögen an die Beklagte ausgezahlt hat. Insofern gilt auf der Grundlage des neuen Rechts nichts anderes als
bei Austauschgeschäften zwischen Gesellschaft und Gesellschafter.
49
a) Da die die Sacheinlage verdeckenden Rechtsgeschäfte nach § 19
Abs. 4 Satz 2 GmbHG nicht mehr unwirksam sind mit der Folge, dass die den
Kapitalschutz der Gesellschaft - bislang - gewährleistenden Vorschriften der
§§ 812, 818 BGB nicht mehr eingreifen, muss zur Vermeidung einer sonst eintretenden Schutzlücke für das Gesellschaftsvermögen auf die Anwendung der
für eine ins Leben getretene GmbH selbstverständlich geltenden §§ 30, 31
GmbHG zurückgegriffen werden. Eine solche Schutzlücke besteht dann, wenn
bei einer Unterbilanz oder gar bilanziellen Überschuldung der Gesellschaft das
- 23 -
Gesellschaftsvermögen im Zusammenhang mit der verdeckten Sacheinlage
- weiter - dadurch gemindert wird, dass der Wert der eingelegten Sache nicht
nur die Bareinlageforderung im Wege der Anrechnung nicht deckt (s. unten III,
1), sondern auch der dafür aus dem Gesellschaftsvermögen zusätzlich erbrachten Gegenleistung (hier: 3.250.758,86 €) wertmäßig (ganz oder teilweise) nicht
entspricht. In diesem Fall hat der Inferent durch die an ihn erbrachte Gegenleistung der Gesellschaft zulasten des Gesellschaftsvermögens und damit zulasten
der Gesellschaftsgläubiger einen Vorteil erlangt, den er nicht mehr nach §§ 812,
818 BGB - bei Erfüllung der Voraussetzungen dieser Vorschriften - aber nach
§§ 30, 31 GmbHG in das Gesellschaftsvermögen zurückerstatten muss (in diesem Sinne schon Senat, BGHZ 68, 191, 198 unter Bezugnahme auf BGHZ 60,
324, 331).
50
b) Der Prüfung eines Anspruchs des Klägers aus §§ 30, 31 GmbHG
steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers zu
einer Überschuldung der Schuldnerin Ende 2002 nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen hat.
51
aa) Auf den zu Unrecht zurückgewiesenen Vortrag kam es im Zeitpunkt
der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht an, weil auf der Grundlage des
damals geltenden Rechts Ansprüche aus §§ 30, 31 GmbHG neben Ansprüchen
des Klägers aus §§ 812, 818 BGB nicht in Betracht kamen (Senat, BGHZ 174,
370 Tz. 10 f.; BGHZ 173, 145 Tz. 20 - LURGI I; BGHZ 165, 113, 118).
52
bb) Unabhängig davon ist - auch - in diesem Zusammenhang die neue
Rechtslage in den Blick zu nehmen. Ist - wie hier - eine während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderung bei der Entscheidung zu berücksichtigen, sind neue Tatsachen, die aufgrund des veränderten Rechts entschei-
- 24 -
dungserheblich geworden sind, sogar im Revisionsrechtszug zu beachten
(BGH, Urt. v. 3. Dezember 2009 - III ZR 73/09, juris Tz. 12 m.w.Nachw.). Nichts
anderes gilt dann aber für in der Berufungsinstanz vorgetragene Tatsachen, die
erst durch die Rechtsänderung erheblich werden.
53
c) Das die Klageabweisung i.H.v. 3 Millionen € bestätigende Berufungsurteil hat keinen Bestand. In der Zahlung des den Nominalwert der Kapitalerhöhung übersteigenden Teils des Kaufpreises an die Beklagte lag, da revisionsrechtlich sowohl von einer bilanziellen Überschuldung der Schuldnerin im Zeitpunkt der Zahlung des Kaufpreises als auch von der Wertlosigkeit der Lizenzen
auszugehen ist, eine Leistung, die gegen das Auszahlungsverbot des § 30
Abs. 1 GmbHG verstieß. Nach § 30 Abs. 1 GmbHG darf das zur Erhaltung des
Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden. Nach Sinn und Zweck der Kapitalerhaltungsregeln
gilt dieses Auszahlungsverbot erst recht, wenn eine Leistung an die Gesellschafter zur bilanziellen Überschuldung führt oder eine bilanzielle Überschuldung vergrößert (Senat, BGHZ 60, 324, 331; Urt. v. 5. Februar 1990
- II ZR 114/89, ZIP 1990, 451, 453; Goette, Die GmbH 2. Aufl. § 3 Rdn. 18).
54
III. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562,
563 Abs. 1 ZPO), damit es - ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien
und Beweiserhebung - die nunmehr noch erforderlichen Feststellungen treffen
kann.
55
Für die weitere Behandlung der Sache durch das Berufungsgericht weist
der Senat auf Folgendes hin:
- 25 -
56
1. Nach §§ 19 Abs. 4, 56 Abs. 2 GmbHG ist der Wert der verdeckt eingebrachten Sache - hier der Wert der verdeckt eingebrachten Lizenzen - auf die
Forderung des Klägers gegen die Beklagte anzurechnen. Das Berufungsgericht
wird zum Wert der eingebrachten Lizenzen Feststellungen zu treffen haben, die
sich - jedenfalls soweit es um die Anrechnung nach § 19 Abs. 4 GmbHG geht auf den Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung zur Eintragung in das
Handelsregister oder - falls später - auf den Zeitpunkt der Überlassung zu beziehen haben.
57
Sollte das Berufungsgericht nach Beweiserhebung die Überzeugung gewinnen, dass die Lizenzen zwar nicht, wie vom Kläger behauptet, wertlos sind,
aber einen dem Kaufpreis entsprechenden Wert von 3,99 Millionen € nicht erreichen, wird es zu berücksichtigen haben, dass die Anrechnung nach §§ 19
Abs. 4, 56 Abs. 2 GmbHG wegen des Grundsatzes der realen Kapitalaufbringung nicht zulasten des übrigen Gesellschaftsvermögens der Schuldnerin gehen darf. Das bedeutet, dass vor einer Anrechnung von dem ermittelten tatsächlichen Wert der Lizenzen der Betrag abzuziehen ist, der von der Schuldnerin über den Nominalwert der Bareinlage hinaus als Kaufpreis für die Lizenzen
entrichtet wurde, hier also der Betrag von 3.250.758,86 € (s. dazu Bayer in
Lutter/Hommelhoff, GmbHG 17. Aufl. § 19 Rdn. 77; Veil in Scholz, GmbHG
10. Aufl. § 19 Nachtrag MoMiG Rdn. 33 ff., 45 ff. m.w.Nachw.; Veil/Werner,
GmbHR 2009, 729, 735; Bormann/Urlichs in Römermann/Wachter, GmbHBeratung nach dem MoMiG, 2008 S. 37, 40; Bormann/Kauka/Ockelmann,
Handbuch
GmbH-Recht
Kap. 4
Rdn. 217 ff.;
a.A.
Hueck/Fastrich
in
Baumbach/Hueck, GmbHG 19. Aufl. 2010 § 19 Rdn. 56). Eine Anrechnung auf
die Bareinlageforderung findet erst dann statt, wenn und soweit die Lizenzen
einen höheren Wert haben als den die Bareinlageforderung übersteigenden
Kaufpreisanteil, hier also den Betrag von 3.250.758,86 €.
- 26 -
58
2. Bei der Prüfung von Ansprüchen des Klägers nach §§ 30, 31 GmbHG
wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass als verbotene Auszahlung
im Sinne von § 30 Abs. 1 GmbHG lediglich der den Nominalwert der Kapitalerhöhung
übersteigende
Teil
des
Kaufpreises
für
die
Lizenzen
von
3.250.758,86 € in Betracht kommt. Der von der Beklagten im Vorgriff auf die
verdeckte Sachkapitalerhöhung an die Schuldnerin geleistete Betrag von
739.241,14 € hat insoweit außer Betracht zu bleiben. Würde man dies anders
sehen, müsste der Inferent - die übrigen Voraussetzungen der §§ 30, 31
GmbHG insoweit als erfüllt unterstellt - die Einlageforderung im Ergebnis zweimal leisten. Dieses der früheren Rechtslage wirtschaftlich entsprechende, als
unbefriedigend und überschießend empfundene Ergebnis wollte der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 19 Abs. 4 GmbHG gerade beseitigen. Ansprüche nach §§ 30, 31 GmbHG kommen deshalb nur insoweit in Betracht, als der
Kläger weitere 3 Millionen € geltend macht.
59
Ob und in welchem Umfang der Kläger die Beklagte aus §§ 30, 31
GmbHG auf Zahlung in Anspruch nehmen kann, hängt einerseits von dem vom
Berufungsgericht zu ermittelnden Wert der Lizenzen und andererseits von dem
vom Berufungsgericht aufzuklärenden Ausmaß einer durch die Auszahlung
verursachten oder vertieften bilanziellen Überschuldung der Schuldnerin ab.
60
a) Sollte das Berufungsgericht einen Wert der Lizenzen in Höhe von
3,99 Millionen € ermitteln, scheiden Ansprüche des Klägers aus §§ 30, 31
GmbHG aus, weil dann - bezogen auf die unter dem Gesichtspunkt der Kapitalerhaltung potentiell schädliche Teilauszahlung in Höhe von 3.250.758,86 € lediglich ein bilanzneutraler Aktiventausch vorgelegen hat (Senat, BGHZ 179,
71 Tz. 12 - MPS). Nichts anderes gilt, wenn das Berufungsgericht einen Wert
- 27 -
von weniger als 3,99 Mio. €, aber mehr als 3.250.758,86 € feststellt. Dann besteht in Höhe der Differenz der Bareinlageanspruch fort. Für einen Ausgleich
nach §§ 30, 31 GmbHG besteht insoweit kein Bedürfnis.
61
Sollte das Berufungsgericht einen Wert der Lizenzen ermitteln, der den
unter dem Gesichtspunkt der Kapitalerhaltung potentiell schädlichen Kaufpreisanteil von 3.250.758,86 € unterschreitet, wird es - den Nachweis der sonstigen
Voraussetzungen der §§ 30, 31 GmbHG als geführt unterstellt - aufgrund der
bei Austauschgeschäften grundsätzlich - auch im Umfang der nur teilweisen
Wertäquivalenz - gebotenen bilanziellen Betrachtungsweise (in diese Richtung
bereits Sen.Urt. v. 15. Juni 1992 - II ZR 88/91, ZIP 1992, 1152, 1154; Goette,
Die GmbH 2. Aufl. § 3 Rdn. 31; K. Schmidt, GesR 4. Aufl. § 37 III 2 c a.E.
S. 1139 f.; Westermann in Scholz, GmbHG 10. Aufl. § 31 Rdn. 2; anders
Roth/Altmeppen, GmbHG 6. Aufl. § 30 Rdn. 84 mit § 31 Rdn. 10) den ermittelten tatsächlichen Wert der Lizenzen von dem Betrag i.H.v. 3.250.758,86 € abzuziehen haben. Nur in Höhe dieser Differenz kann eine schädliche Auszahlung
im Sinne von § 30 Abs. 1 GmbHG vorliegen.
62
b) In jedem Fall kann der Kläger von der Beklagten nach §§ 30, 31
GmbHG nicht mehr verlangen als die Beseitigung der bilanziellen Überschuldung zuzüglich eines dem verlautbarten Stammkapital nach dem Stand vor der
Kapitalerhöhung entsprechenden Betrages.
- 28 -
63
3. Sollte das Berufungsgericht Ansprüche des Klägers aus Kapitalaufbringung bzw. Kapitalerhaltung erneut verneinen, wird es aufgrund der ergänzend getroffenen Feststellungen die Berechtigung der Klageforderung erneut
unter dem vom Kläger weiter geltend gemachten Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung zu prüfen haben.
Goette
Strohn
Reichart
Caliebe
Bender
Vorinstanzen:
LG Hildesheim, Entscheidung vom 29.05.2007 - 10 O 130/06 OLG Celle, Entscheidung vom 09.01.2008 - 9 U 117/07 -