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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 10/16
Verkündet am:
9. Mai 2017
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 311 Abs. 2
Bei einer Publikumspersonengesellschaft haftet ein mit einer eigenen Kapitaleinlage
beteiligter Treuhandkommanditist wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten bei
der Anbahnung des Aufnahmevertrags nicht nur gegenüber nach ihm eintretenden
Treugebern, sondern auch gegenüber nach ihm eintretenden Direktkommanditisten.
BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 - II ZR 10/16 - OLG München
LG München I
ECLI:DE:BGH:2017:090517UIIZR10.16.0
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Mai 2017 durch den Richter Prof. Dr. Drescher als Vorsitzenden, die
Richter Wöstmann, Born und Dr. Bernau sowie die Richterin Grüneberg
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des
8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom
26. November 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das
Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 4. Dezember 2003
als Direktkommanditistin mit einer Einlage von 35.000 € zuzüglich 3 % Agio an
der E.
P.
M.
GmbH & Co. KG II, einer zu einer Serie von
Filmfonds gehörenden Publikumsgesellschaft. Die Beklagte war Treuhandkommanditistin. Neben ihrer Tätigkeit für die Treugeber nahm sie auch Aufgaben für die Direktkommanditisten wahr. Sie leitete die auf ihr Treuhandander-
-3-
konto eingezahlten Kommanditeinlagen der Direktkommanditisten auf ein Sonderkonto der Fondsgesellschaft weiter.
2
Im Zusammenhang mit der Zeichnung schloss die Klägerin mit der Beklagten einen Verwaltungsvertrag. Nach dessen § 3.1 nahm die Beklagte sämtliche Rechte und Pflichten der Direktkommanditisten aus dem Gesellschaftsvertrag im fremden Namen wahr, soweit diese die Rechte und Pflichten nicht selbst
ausübten.
3
Die Beklagte wurde am 28. April 2004 als Kommanditistin mit einer Einlage in Höhe von 35.600 € in das Handelsregister eingetragen. Nach der Behauptung der Klägerin war die Beklagte bereits am 3. Dezember 2003 Gesellschafterin der Fondsgesellschaft mit einer eigenen Kapitaleinlage von 100 €.
4
Die Klägerin begehrt im Wesentlichen wegen Verletzung vorvertraglicher
Aufklärungspflichten die Zahlung von 17.438 € sowie die Feststellung der Freistellung von sämtlichen Verpflichtungen, die ihr durch die Zeichnung ihrer
Kommanditbeteiligung entstanden sind und noch entstehen werden, Zug um
Zug gegen Abtretung der Rechte an der Kommanditgesellschaft.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die
Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin verfolgt mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
6
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
-4-
7
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
8
Die Beklagte habe als Treuhandkommanditistin gegenüber der Klägerin
als Direktkommanditistin keine Aufklärungspflichten. Es fehle an einem solche
Aufklärungspflichten rechtfertigenden engen Verhältnis, wie es zwischen Treugeber und Treuhänder gegeben sei. Die Beklagte sei für die Klägerin durch
Entgegennahme und Weiterleitung der Einlage erst nach deren Beitritt tätig geworden. Die Aufgaben der Beklagten als Beteiligungsverwalterin seien der Begründung der Beteiligung begriffsnotwendig ebenfalls nachgelagert. Eine Pflicht
zur Aufklärung über Umstände, die für die vorgelagerte Entscheidung über das
„Ob“ der Beteiligung bedeutsam seien, könne daher aus der Anbahnung eines
Beteiligungsverwaltungsvertrags nicht hergeleitet werden. Die Beklagte hafte
der Klägerin deshalb auch nicht als Altgesellschafterin, obgleich sie unabhängig
vom Eintragungszeitpunkt im Handelsregister hierzu zu zählen sei.
9
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht
stand.
10
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen,
dass die Beklagte als Beteiligungsverwalterin oder als Einzahlungstreuhänderin
nicht verpflichtet ist, einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein richtiges
Bild über das Beteiligungsobjekt zu vermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 23. April
2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 25; Beschluss vom 29. Januar 2009
- III ZR 74/08, ZIP 2009, 1577 Rn. 8).
11
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt jedoch eine
Haftung der Beklagten aus Prospekthaftung im weiteren Sinne für die von der
Klägerin behaupteten Aufklärungspflichtverletzungen in Betracht, weil nach dem
für das Revisionsverfahren zu unterstellenden Vortrag der Klägerin davon aus-
-5-
zugehen ist, dass die Beklagte der E.
P.
M.
GmbH & Co.
KG II bereits vor der Klägerin mit einer eigenen Kapitaleinlage von 100 € beigetreten war. Bei einer Publikumspersonengesellschaft haftet ein mit einer eigenen Kapitaleinlage beteiligter Treuhandkommanditist wegen der Verletzung von
Aufklärungspflichten bei der Anbahnung des Aufnahmevertrags nicht nur gegenüber nach ihm eintretenden Treugebern, sondern auch gegenüber nach ihm
eintretenden Direktkommanditisten.
12
a) Die Prospekthaftung im weiteren Sinne ist ein Anwendungsfall der
Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241
Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB (ständige Rechtsprechung, siehe etwa BGH, Urteil
vom 21. Juni 2016 - II ZR 331/14, ZIP 2016, 1478 Rn. 12; Urteil vom 9. Juli
2013
- II ZR 9/12,
ZIP 2013,
1616
Rn. 26;
Urteil vom
23. April 2012
- II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 9 sowie BGH, Urteil vom 16. März 2017
- III ZR 489/16, ZIP 2017, 715 Rn. 17). Danach obliegen dem, der selbst oder
durch einen Verhandlungsgehilfen einen Vertragsschluss anbahnt, Schutz- und
Aufklärungspflichten gegenüber seinem Verhandlungspartner, bei deren Verletzung er auf Schadensersatz haftet. Abgesehen etwa von dem Sonderfall des
§ 311 Abs. 3 BGB, in dem auch ein Dritter haften kann, wenn er in besonderem
Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, trifft die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen
abschließen will (BGH, Urteil vom 16. März 2017 - III ZR 489/16, ZIP 2017, 715
Rn. 17; Urteil vom 21. Juni 2016 - II ZR 331/14, ZIP 2016, 1478 Rn. 12; Urteil
vom 9. Juli 2013 - II ZR 9/12, ZIP 2013, 1616 Rn. 26 f.; Urteil vom 23. April
2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rn. 23). Das sind bei einem Beitritt zu einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich die schon zuvor beigetretenen Gesellschafter. Denn der Aufnahmevertrag wird bei einer Personengesellschaft
zwischen dem neu eintretenden Gesellschafter und den Altgesellschaftern geschlossen (BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 - II ZR 331/14, ZIP 2016, 1478
-6-
Rn. 12; Urteil vom 9. Juli 2013 - II ZR 9/12, ZIP 2013, 1616 Rn. 27; Urteil vom
23. April 2012 - II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 9; Urteil vom 1. März 2011
- II ZR 16/10, ZIP 2011, 957 Rn. 7 mwN).
13
b) Da Anknüpfungspunkt für die Aufklärungspflichten die Anbahnung des
Aufnahmevertrags ist, haftet ein mit einer eigenen Kapitaleinlage beteiligter
Treuhandkommanditist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht
nur gegenüber den neu eintretenden Treugebern, sondern auch gegenüber den
neu eintretenden Direktkommanditisten, mit denen der Treuhandkommanditist
den Aufnahmevertrag schließt. Die an die Anbahnung eines Vertragsschlusses
anknüpfenden Schutz- und Aufklärungspflichten treffen grundsätzlich denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen abschließen will. Gegenüber einem
beitrittswilligen Neugesellschafter haftet daher nur der bereits vor diesem beigetretene Altgesellschafter. Der hierfür maßgebliche, Schutzpflichten begründende Zeitpunkt ist regelmäßig der Abschluss des Aufnahmevertrags des Altgesellschafters (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2011 - II ZR 16/10, ZIP 2011, 957 Rn. 7
mwN). Auf die für die Erlangung der Gesellschafterstellung lediglich deklaratorische Eintragung in das Handelsregister kommt es nicht an.
14
Das Berufungsgericht hat zwar ausgeführt, die Beklagte sei zu den Altgesellschaftern zu zählen. Es ist indes nicht ersichtlich, ob das Berufungsgericht damit hat zum Ausdruck bringen wollen, die Beklagte habe ihren Aufnahmevertrag vor der Klägerin geschlossen. Das kann jedoch dahinstehen. Denn
nach dem für das Revisionsverfahren zu unterstellenden Vortrag der Klägerin
ist davon auszugehen, dass die Beklagte der E.
P.
M.
GmbH & Co. KG II bereits vor der Klägerin mit einer eigenen Kapitaleinlage von
100 € beigetreten war.
-7-
15
III. Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen
Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
16
Bei einer Publikumspersonengesellschaft - wie hier - ist eine Haftung
wegen Verschuldens bei Vertragsschluss insoweit ausgeschlossen, als sie sich
gegen Altgesellschafter richten würde, die nach der Gründung der Gesellschaft
rein kapitalistisch als Anleger beigetreten sind (BGH, Urteil vom 21. Juni 2016
- II ZR 331/14, ZIP 2016, 1478 Rn. 12; Urteil vom 9. Juli 2013 - II ZR 9/12,
ZIP 2013, 1616 Rn. 28).
17
Die Beklagte fällt nicht unter diese Ausnahme. Anders als rein kapitalistische Anleger verfolgte die Beklagte nicht ausschließlich Anlageinteressen.
Vielmehr war sie als Treuhänderin in das Organisationsgefüge der Fondsgesellschaft eingebunden und erhielt für ihre Dienste eine jährliche Vergütung in
Höhe von maximal 0,1 % des Kommanditkapitals.
-8-
18
IV. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die
Sache ist, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat
- von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - keine Feststellungen zum Zeitpunkt des Beitritts der Beklagten und zu den von der Klägerin behaupteten Aufklärungsmängeln getroffen. Der Senat weist darauf hin, dass die Beklagte zum
Zeitpunkt ihres Beitritts eine sekundäre Darlegungslast trifft.
Drescher
Wöstmann
Bernau
Born
Grüneberg
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 30.12.2014 - 22 O 8246/14 OLG München, Entscheidung vom 26.11.2015 - 8 U 516/15 -