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2023-03-06 15:36:57 +01:00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 273/11
Verkündet am:
9. April 2013
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 626 Abs. 2
a) Für die Kenntnis der für die Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages
maßgebenden Tatsachen, die die Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB in Lauf
setzt, kommt es auf den Wissensstand des zur Entscheidung über die fristlose
Kündigung berufenen und bereiten Gremiums der Gesellschaft an.
b) Die Befugnis, den Anstellungsvertrag zu kündigen, kann sowohl im Gesellschaftsvertrag als auch durch die Gesellschafter auf andere Personen übertragen werden.
c) Kenntnis liegt dann vor, wenn alles in Erfahrung gebracht worden ist, was als notwendige Grundlage für eine Entscheidung über Fortbestand oder Auflösung des
Dienstverhältnisses anzusehen ist. Kennenmüssen oder grobfahrlässige Unkenntnis genügt nicht.
BGH, Urteil vom 9. April 2013 - II ZR 273/11 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. April 2013 durch den Richter Dr. Strohn als Vorsitzenden, die Richterin
Dr. Reichart und die Richter Dr. Drescher, Born und Sunder
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24. November 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger war seit 21. Mai 2002 Geschäftsführer der beklagten GmbH.
Alleinige Gesellschafterin der Beklagten ist die S.
D.
kasse D.
mbH, deren alleinige Gesellschafterin die Stadtsparist. Der Geschäftsführeranstellungsvertrag des Klägers vom
-3-
14. Mai 2003 wurde mit einem Nachtrag vom 30. August 2006 bis zum
31. Dezember 2012 verlängert.
2
Bis zum 15. Juli 2003 war der Kläger auch Geschäftsführer der S.
D.
mbH. Als ihr Geschäftsführer hat der
Kläger Ende 2000 einen Beratervertrag mit dem
M.
Kommunalpolitiker
geschlossen, in dem diesem ein jährliches Beraterhonorar von
200.000 DM zugesagt worden war. Der Beratervertrag mit M.
ten der Stadtsparkasse K.
fang 2004 bat M.
wurde auf Bit-
im Jahre 2003 bis 23. Juni 2004 verlängert. An-
um eine Aufhebung des Vertrages, der die S.
D.
mbH mit Wirkung vom 31. Dezember 2003
in einem von ihren beiden Geschäftsführern unterschriebenen Schreiben vom
12. Februar 2004 zustimmte. In diesem Schreiben heißt es:
"Wir folgen gern Ihrem Vorschlag und stimmen hiermit einer Aufhebung des Vertrages mit Wirkung vom 31. Dezember 2003 zu. Wir bedanken uns für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und verbleiben mit freundlichen
Grüßen".
3
Am 1. Februar 2009 trat M.
von allen politischen Ämtern zurück. In
Presseberichten war die Vermutung geäußert worden, dass es sich bei dem
Beratervertrag mit ihm um einen Scheinvertrag gehandelt habe, der von dem
damaligen Vorstandsvorsitzenden der Stadtsparkasse K.
initiiert worden sei
und allein der Versorgung von M.
gedient habe. Eine Gegenleistung für das
vereinnahmte Honorar habe M.
nie erbracht. Strafrechtliche Ermittlungen
wurden wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung eingestellt.
4
Am
D.
16.
Februar
2009
beschloss
die
S.
mbH als Alleingesellschafterin der Beklagten die Abberufung des
-4-
Klägers als Geschäftsführer der Beklagten und die fristlose Kündigung des
Dienstvertrages aus wichtigem Grund, die dem Kläger am selben Tag erklärt
wurde.
5
Der Kläger hat beantragt, die Unwirksamkeit der Kündigung festzustellen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr
stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene
Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
6
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
7
I. Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. November 2011
- 14 U 27/11, juris) hat ausgeführt, die gegenüber dem Kläger ausgesprochene
außerordentliche fristlose Kündigung sei unwirksam, weil sie nicht innerhalb der
Frist gemäß § 626 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB erfolgt sei. Kenntnis der Geschäftsführer der Alleingesellschafterin der Beklagten, auf die es ankomme, habe bereits zum Zeitpunkt der von ihnen unterzeichneten Zustimmung zur Aufhebung
des Beratervertrages mit M.
vorgelegen. Das folge aus dem Schreiben vom
12. Februar 2004. Dieses Schreiben dokumentiere aus sich heraus eine Bestätigung und Billigung des Beratervertrages, die verdeutliche, dass die Unterzeichner bereits die wesentlichen Hintergründe kannten und sogar billigten. Andernfalls bleibe schlechthin unverständlich, wie sich die Geschäftsführer dazu
veranlasst gesehen haben könnten, eine nur teilweise rückwirkende Aufhebung
eines gänzlich unbekannten Beratervertrages zu bestätigen und M.
sogar
eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu attestieren. Selbst bei unterstelltem
-5-
Fortbestehen gewisser (Rest-) Unklarheiten über den Charakter des bereits auf
den ersten Blick höchst auffälligen und ungewöhnlichen Beratervertrages und
zumal eines solchen, bei dem es nach der Darstellung der Beklagten nie eine
Beratungstätigkeit gegeben haben soll, hätte jedenfalls Veranlassung bestanden, den sich akut aufdrängenden Seriositätsbedenken nachzugehen. Noch
etwa notwendige Ermittlungen seien mit gebotener Eile durchzuführen gewesen.
8
Die von der Beklagten weiter geltend gemachte Missachtung von Weisungen durch den Kläger im Rahmen der Aufklärungstätigkeit im Jahre 2009
trage die fristlose außerordentliche Kündigung nicht. Soweit die kündigungsrelevanten Umstände bereits im Jahre 2004 bekannt gewesen seien oder zu dieser Zeit jedenfalls die gebotenen Erkundigungen verabsäumt worden seien, sei
es schon im Ansatz verfehlt, etwaige Versäumnisse des Klägers bei der Aufdeckung eben dieser Vorgänge im Jahre 2009 für ein gleichsam wieder auflebendes Kündigungsrecht ins Feld zu führen. Dass dem Kläger darüber hinaus Verfehlungen bei der Aufklärung anzulasten wären, die für sich die ausgesprochene Kündigung tragen würden, sei nicht feststellbar.
9
Schließlich bestehe auch kein Kündigungsgrund in Bezug auf das Verhalten des Klägers bei der Verlängerung des Beratervertrages mit der
K.
GmbH bezüglich des Komplexes G.
.
10
II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
11
1. Im Ergebnis noch zutreffend hat es das Berufungsgericht für maßgebend erachtet, ob die Geschäftsführer der Alleingesellschafterin der Beklagten
schon im Februar 2004 Kenntnis von den möglichen Kündigungsgründen erlangt haben.
-6-
12
Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Für
die die Zweiwochenfrist in Lauf setzende Kenntnis im Sinn von § 626 Abs. 2
BGB kommt es allein auf den Wissensstand des zur Entscheidung über die
fristlose Kündigung berufenen und bereiten Gremiums der Gesellschaft an
(BGH, Urteil vom 10. September 2001 - II ZR 14/00, ZIP 2001, 1957, 1958; Urteil vom 10. Januar 2000 - II ZR 251/98, ZIP 2000, 508, 510; Urteil vom 15. Juni
1998 - II ZR 318/96, BGHZ 139, 89, 92). Kündigungsberechtigt ist bei der
GmbH grundsätzlich die Gesellschafterversammlung als das analog § 46 Nr. 5
GmbHG zuständige Organ. Wenn die Gesellschaft nur einen Gesellschafter
hat, kommt es auf dessen Kenntnis bzw. die Kenntnis des organschaftlichen
Vertreters des Alleingesellschafters an. Dieser kann jederzeit eine Universalversammlung nach § 51 Abs. 3 GmbHG abhalten und damit eine Kündigung
auch ohne Einberufung einer förmlichen Gesellschafterversammlung aussprechen (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2008 - II ZR 107/07, ZIP 2008, 2260 Rn. 13;
Beschluss vom 8. Januar 2007 - II ZR 267/05, ZIP 2007, 910 Rn. 7; Urteil vom
27. März 1995 - II ZR 140/93, ZIP 1995, 643, 645; Urteil vom 24. Februar 1954
- II ZR 88/53, BGHZ 12, 337, 339).
13
Allerdings kann die Befugnis, den Anstellungsvertrag zu kündigen, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sowohl im Gesellschaftsvertrag
als auch durch die Gesellschafter auf andere Personen übertragen werden
(BGH, Urteil vom 26. März 1984 - II ZR 120/83, BGHZ 91, 217, 218 f.). Davon
hat die Alleingesellschafterin hier Gebrauch gemacht und ein Vorstandsmitglied
der
Stadtsparkasse
D.
D.
bevollmächtigt,
die
S.
mbH in allen Angelegenheiten betreffend die Beklagte
zu vertreten und insbesondere Anstellungsverträge mit Geschäftsführern zu
beenden. Die Bevollmächtigung eines Vorstandsmitglieds der Muttergesell-
-7-
schaft führt aber nicht dazu, dass für den Beginn der Kündigungserklärungsfrist
allein die Kenntnis dieser Person maßgebend ist. Durch die Bevollmächtigung
wurde die Befugnis der Geschäftsführer, für die Alleingesellschafterin zu handeln und den Beschluss über die Beendigung des Anstellungsvertrages zu fassen, nicht verdrängt. Immerhin haben die Geschäftsführer ausweislich des Protokolls der Gesellschafterversammlung den der Kündigung zugrunde liegenden
Gesellschafterbeschluss gefasst und das Kündigungsschreiben unterzeichnet.
14
Mussten
D.
die
Geschäftsführer
der
S.
mbH darüber hinaus vor einer Beschlussfassung über die Beendi-
gung des Anstellungsvertrages mit dem Kläger die Zustimmung der Gesellschafterin, also der Stadtsparkasse D.
, einholen, begann zwar die
zweiwöchige Erklärungsfrist erst nach Eingang der Zustimmung zu laufen. In
diesem Fall ist allerdings die Kündigungsmöglichkeit verwirkt, wenn die Geschäftsführer der S.
D.
mbH sich nach
Kenntniserlangung nicht unverzüglich um die Zustimmung als Voraussetzung
einer Beschlussfassung bemühten. Wenn die Einberufung der Gesellschafterversammlung von den einberufungsberechtigten Mitgliedern unangemessen
verzögert wird, muss sich die Gesellschaft so behandeln lassen, als wäre die
Gesellschafterversammlung mit der zumutbaren Beschleunigung einberufen
worden (BGH, Urteil vom 15. Juni 1998 - II ZR 318/96, BGHZ 139, 89, 92 f.).
Dieser Grundsatz gilt auch, wenn der Beschlussfassung ein anderes überwindbares Hindernis wie die Zustimmung der Gesellschafter-Gesellschafterin entgegensteht.
15
2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber dem Schreiben vom
12. Februar 2004 eine Kenntnis der Geschäftsführer von den kündigungsrelevanten Tatsachen entnommen. Eine sichere und umfassende Kenntnis der für
-8-
die Kündigung maßgebenden Tatsachen liegt dann vor, wenn alles in Erfahrung
gebracht worden ist, was als notwendige Grundlage für eine Entscheidung über
Fortbestand oder Auflösung des Dienstverhältnisses anzusehen ist (BGH, Urteil
vom 24. November 1975 - II ZR 104/73, WM 1976, 77, 78). Kennenmüssen
oder grobfahrlässige Unkenntnis genügt nicht (vgl. BAG, NJW 2011, 2231,
2232; AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 mwN). Lediglich dann, wenn die
Tatsachen bereits im Wesentlichen bekannt sind und noch zusätzliche Ermittlungen erforderlich sind, wie etwa die Anhörung des Betroffenen bei einer Verdachtskündigung oder die Ermittlung von gegen eine Kündigung sprechenden
Tatsachen, sind diese zügig durchzuführen (BGH, Urteil vom 2. Juli 1984
- II ZR 16/84, ZIP 1984, 1113, 1114; Urteil vom 24. November 1975
- II ZR 104/73, WM 1976, 77, 78).
16
Dem Schreiben vom 12. Februar 2004 lässt sich die positive Kenntnis
der Geschäftsführer von den kündigungsrelevanten Tatsachen nicht entnehmen. Es beschränkt sich auf die Zustimmung zur Vertragsaufhebung und einen
Dank für die Zusammenarbeit. Daraus lässt sich nicht schließen, dass die Geschäftsführer Kenntnis vom Abschluss eines Scheinvertrages oder des behaupteten Kompetenzverstoßes hatten. Die Aufhebung des Beratervertrages auf
Bitte des Vertragspartners ist auch dann, wenn dieser in der Vergangenheit Beratungsleistungen erbracht hat, nichts Ungewöhnliches. Dass der Vertrag ohne
die erforderliche Zustimmung des Vorstands der Muttergesellschaft abgeschlossen wurde, folgt aus seiner Aufhebung nicht. Der floskelhafte Dank für
eine vertrauensvolle Zusammenarbeit lässt ebenfalls nicht erkennen, dass den
Geschäftsführern der Scheincharakter des Vertrages oder ein Kompetenzverstoß bei seinem Abschluss bekannt war.
-9-
17
Dass
nach
dem
Schreiben
D.
den
Geschäftsführern
der
S.
mbH die Existenz des Beratervertrages
bekannt war, genügt nicht, um die Erklärungsfrist in Lauf zu setzen. Die Kenntnis von der Existenz eines Beratungsvertrages mit M.
ist nicht alles, was als
Grundlage für eine Entscheidung über den Fortbestand oder die Auflösung des
Dienstverhältnisses benötigt wird. Den Geschäftsführern musste aus Anlass der
Zustimmung zur Vertragsaufhebung und des Dankes für die Zusammenarbeit
noch nicht einmal der Inhalt der Vertragsurkunde bekannt werden. Das Berufungsgericht hat auch nicht dargelegt, dass aus den schriftlichen Vereinbarungen zwischen M.
und der S.
zu erkennen sei, dass M.
D.
mbH
keine Beratungsleistungen erbringen sollte sowie
die Zustimmung des Vorstands der Stadtsparkasse D.
zum Vertrags-
schluss erforderlich war und fehlte. Eine Pflicht zur Ermittlung der für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen bestand entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aus Anlass der Vertragsaufhebung nicht, da eine fahrlässige Unkenntnis der maßgeblichen Tatsachen nicht genügt, um die Erklärungsfrist auszulösen.
18
3. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.
19
Etwaige Pflichtverletzungen des Klägers im Rahmen seiner Tätigkeit als
Geschäftsführer der S.
D.
mbH können
auch eine Kündigung seines Anstellungsvertrages als Geschäftsführer der Beklagten als einer anderen Konzerngesellschaft rechtfertigen.
20
Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung fehlt ein Kündigungsgrund nicht deshalb, weil der dem Kläger vorgeworfene Kompetenzverstoß jedenfalls wegen der Zustimmung des Vorstandsvorsitzenden der Stadtsparkasse
D.
in einem milderen Licht erscheint.
- 10 -
21
a) Allein auf den Kompetenzverstoß kommt es schon deshalb nicht an,
weil der Kündigung nicht nur der Vorwurf zugrunde liegt, der Kläger habe den
Beratungsvertrag ohne eine erforderliche Zustimmung der Alleingesellschafterin, der Stadtsparkasse D.
, abgeschlossen, sondern vor allem der Vor-
wurf, der Kläger habe einen Vertrag ohne Gegenleistung abgeschlossen, weil
die Zahlungen der Versorgung von M.
dienen sollten und dieser keine Bera-
tungsleistungen erbringen sollte. Das Landgericht hat die Kündigung zudem
auch darauf gestützt, dass der Kläger jedenfalls nach dem Scheitern des V. Fonds, für den nach dem Vortrag des Klägers der Beratungsvertrag abgeschlossen sein sollte, Anfang 2001 den Vertrag trotz einer jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit nicht gekündigt hat. Beide Vorwürfe, mit denen sich die Revisionserwiderung nicht befasst und zu denen das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, sind geeignet, einen Kündigungsgrund abzugeben.
22
b) Auch der vorgeworfene Kompetenzverstoß vermag grundsätzlich eine
Kündigung
zu
rechtfertigen
(vgl.
BGH,
Urteil
vom
25. Februar
1991
- II ZR 76/90, ZIP 1991, 509, 510; Urteil vom 28. Juni 1993 - II ZR 119/92, NJWRR 1993, 1123, 1124). Die Zustimmungsbedürftigkeit wegen des Abschlusses
eines Dienstvertrages, die die Gesellschaft zu Leistungen über einer bestimmten Höhe verpflichtete, entfiel entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht schon deshalb, weil die Stadtsparkasse K.
sparkasse D.
ihrerseits der Stadt-
das Beratungshonorar erstatten sollte. Gegenüber M.
war allein die Stadtsparkasse D.
verpflichtet. Wenn - wie die Beklagte
vorträgt - der Beratungsvertrag lediglich der Versorgung von M.
dienen soll-
te und er keine Beratungsleistungen erbringen sollte, begingen die zuständigen
Mitarbeiter der Stadtsparkasse K.
mit der Zusage der Kostenübernahme zu-
dem eine Straftat (§ 266 StGB), so dass die Stadtsparkasse K. nicht zur Leistung verpflichtet war (§ 134 BGB).
- 11 -
23
Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung scheidet ein Kompetenzverstoß auch nicht deshalb von vorneherein aus, weil der Kläger den Vertrag auf Weisung des Vorstandsvorsitzenden der Stadtsparkasse D.
abgeschlossen hat. Darin lag die nach der Geschäftsordnung der S.
D.
mbH erforderliche Zustimmung der Ge-
sellschafterin nicht, wenn der Vorstandsvorsitzende seinerseits die Zustimmung
des Gesamtvorstands einholen musste und für den Kläger evident war, dass
diese Zustimmung fehlte. Dann missbrauchte der Vorstandsvorsitzende seine
Vertretungsmacht für die Stadtsparkasse. Die Evidenz eines Verstoßes für den
Kläger ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil der damalige Mitgeschäftsführer B.
intern bei der S.
D.
mbH dafür
zuständig war, auf die Einhaltung der Geschäftsordnung zu achten, und keine
Bedenken anmeldete.
24
Die Kündigung wegen eines Kompetenzverstoßes ist nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht ausgeschlossen, weil er
wegen der Mitwirkung des Vorstandsvorsitzenden und des Mitgeschäftsführers
des Klägers in einem milderen Licht zu betrachten ist. Besondere Umstände
können im einzelnen Fall allerdings dazu führen, dass ein Kompetenzverstoß in
milderem Licht erscheint und kein Kündigungsgrund ist (vgl. BGH, Beschluss
vom 4. Mai 2009 - II ZR 169/07, ZIP 2009, 2195 Rn. 12; Beschluss vom
10. Dezember 2007 - II ZR 289/06, ZIP 2008, 694 Rn. 2). Ob ein bestimmtes
Verhalten als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung zu werten
ist, hat aber in erster Linie der Tatrichter zu entscheiden (BGH, Urteil vom
9. März 1992 - II ZR 102/91, ZIP 1992, 539 f.). Da das Berufungsgericht zu dem
behaupteten Kompetenzverstoß bisher - von seinem Rechtsstandpunkt aus
folgerichtig - keine Feststellungen getroffen hat, kann der Senat die nach § 626
Abs. 1 BGB erforderliche Abwägung nicht nachholen. In die Abwägung, ob es
- 12 -
dem Dienstherrn nicht zugemutet werden kann, den Dienstverpflichteten weiter
zu beschäftigen, sind alle für die Vertragsparteien maßgebenden Umstände
einzubeziehen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1995 - II ZR 130/94,
WM 1995, 2064, 2065 mwN).
25
III. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist
(§ 563 Abs. 1 ZPO).
26
Der Kläger hat u.a. bestritten, dass der Beratervertrag nur zum Schein
und zur Versorgung von M.
abgeschlossen wurde, dass nach dem Schei-
tern des V. -Fonds keine Beratungsleistungen mehr in Anspruch genommen
wurden und dass für ihn erkennbar war, dass der Vorstandsvorsitzende nicht
ohne Zustimmung des Gesamtvorstands der Sparkasse D.
handeln
durfte und gehandelt hat. Das Berufungsgericht wird sich auch mit der Behauptung des Klägers auseinanderzusetzen haben, die Geschäftsführer der
S-Kapitalbeteiligungsgesellschaft Düsseldorf mbH hätten den Scheincharakter
des Vertrages bereits vor der rückwirkenden Aufhebung des Beratervertrages
gekannt. Insoweit weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Beklagte die
Beweislast dafür trägt, dass die Erklärungsfrist eingehalten ist (BGH, Urteil vom
2. Juni 1997 - II ZR 101/96, GmbHR 1997, 998, 999; Urteil vom 2. Juli 1984
- II ZR 16/84, ZIP 1984, 1113, 1114).
27
Die Zurückweisung gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, sich
mit den Einwänden der Revision gegen die Verneinung der weiteren, auf das
Verhalten des Klägers im Jahr 2009 gestützten Kündigungsgründe im Rahmen
der Aufklärung der Umstände, die zum Abschluss des Beratervertrages führten,
und zu dem Komplex G.
Beratervertrag K.
GmbH auseinan-
derzusetzen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts müssen ältere
- 13 -
Vorgänge, aus denen wegen Ablaufs der Erklärungsfrist kein Kündigungsrecht
mehr hergeleitet werden kann, bei der Gesamtwürdigung nicht außer Betracht
bleiben. Sie können vielmehr zur Unterstützung anderer Kündigungsgründe
herangezogen werden, wenn wenigstens ein noch nicht erledigter Vorfall von
nicht unerheblichem Gewicht vorhanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1992
- II ZR 102/91, ZIP 1992, 539, 540).
Strohn
Reichart
Born
Drescher
Sunder
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 02.11.2010 - 35 O 28/09 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 24.11.2011 - I-14 U 27/11 -