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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 264/99
Verkündet am:
2. Juli 2001
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
GmbHG §§ 30, 31, 32 a und 32 b
Der durch den in der Krise der Gesellschaft erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag entstandene Nutzungsentschädigungsanspruch des Gesellschafters teilt das Schicksal
des bis dahin gestundeten Kaufpreisanspruchs und ist wie dieser als eigenkapitalersetzende Gesellschafterhilfe einzuordnen.
BGH, Urt. v. 2. Juli 2001 - II ZR 264/99 - OLG Dresden
LG Leipzig
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die
Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und Kraemer
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Dresden vom 29. Juli 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 5. November 1996 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der L.
B.
GmbH (L.B. GmbH). Deren Alleingesellschafterin ist die Beklagte. Diese verkaufte am 7. September 1992 ihrer Tochtergesellschaft ein ihr bereits eine
Woche zuvor zur Nutzung überlassenes Grundstück in L.
; der Kaufpreis
wurde gestundet und sollte in zehn gleichen Jahresraten von 51.780,-- DM beglichen werden. Bezahlt hat die spätere Gesamtvollstreckungsschuldnerin allerdings nur die beiden ersten Raten.
-3-
Am 19. Juni 1996 beschloß die Gesellschafterversammlung der L.B.
GmbH, Gesamtvollstreckungsantrag zu stellen. Mit an den Geschäftsführer
M.
der Beklagten gerichteten Schreiben vom folgenden Tage bestätigten die
Geschäftsführer M.
und S.
der L.B. GmbH, mit dem Rücktritt der Beklag-
ten vom Kaufvertrag einverstanden zu sein, da "aufgrund der gegenwärtigen
Wirtschaftslage auch weiterhin keine Möglichkeit einer Tilgung der fälligen und
rückständigen Raten sowie Zinsen" bestehe. Dementsprechend gehen die
Parteien übereinstimmend davon aus, daß der Grundstückskaufvertrag rückabzuwickeln ist. Der Kläger hat deswegen Rückzahlung der beiden Kaufpreisraten von insgesamt 103.560,-- DM verlangt, wogegen sich die Beklagte mit der
Hauptaufrechnung mit ihr nach ihrer Ansicht zustehenden Nutzungsentschädigungsansprüchen (monatlich 6.680,-- DM) verteidigt hat. Der Kläger hat diese
Aufrechnung deswegen für unberechtigt gehalten, weil die Gesamtvollstrekkungsschuldnerin, wie er mit Rücksicht auf die vielfältigen Kredithilfen der Beklagten näher dargelegt hat, sich seit langem in der Krise befunden und der
Nutzungsentschädigungsanspruch deswegen der Durchsetzungssperre nach
den Eigenkapitalersatzregeln unterlegen habe.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat
sie abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, der die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen will.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dessen
-4-
Annahme, die Beklagte habe mit dem Nutzungsentschädigungsanspruch wirksam gegen die unstreitig bestehende Rückzahlungsforderung des Klägers aufgerechnet, weil die Eigenkapitalersatzregeln unanwendbar seien, ist von
Rechtsirrtum beeinflußt.
Zugunsten des Klägers ist, nachdem das Berufungsgericht - von seinem
Standpunkt aus: folgerichtig - tatsächliche Feststellungen nicht getroffen, sondern lediglich unterstellt hat, daß die L.B. GmbH spätestens am 15. Mai 1996
in die in § 32 a Abs. 1 GmbHG beschriebene Krise geraten ist, auch für das
Revisionsverfahren vom Eingreifen der Eigenkapitalersatzregeln zumindest ab
diesem Zeitpunkt auszugehen. Als richtig zu unterstellen ist ferner, daß die
Beklagte, deren Geschäftsführer M.
zugleich Geschäftsführer der späteren
Gesamtvollstreckungsschuldnerin war, erst in dieser Situation den Rücktritt
vom Kaufvertrag erklärt hat.
Der durch den in der Krise erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag entstandene Nutzungsentschädigungsanspruch (§ 346 Satz 2 BGB) der Beklagten teilt
das Schicksal des bis dahin gestundeten Kaufpreisanspruchs und ist wie dieser als eigenkapitalersetzende Gesellschafterhilfe zu qualifizieren. Der Kaufpreisanspruch ist, soweit die weiteren Jahresraten fällig geworden waren,
durch Stehenlassen in der jedenfalls spätestens ab 15. Mai 1996 bestehenden
Krise in funktionales Eigenkapital mit der Folge umqualifiziert worden, daß die
Beklagte gehindert war, während der Dauer dieser Situation diese Raten selbst
und darauf entfallende Verzugszinsen einzufordern. Das Festhalten an dem
1992 geschlossenen Kaufvertrag führte außerdem zur Erstreckung der Wirkung der Eigenkapitalersatzregeln auch auf die weiteren Kaufpreisraten. Hätte
die Beklagte den Rücktritt vom Kaufvertrag nicht kurz vor dem Antrag auf Einleitung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gestellt, hätte sie ihren Kaufpreis-
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anspruch in dem Insolvenzverfahren nur als nachrangige Gläubigerin verfolgen
können, ohne für die unentgeltliche Überlassung des Grundstücks Ersatz fordern zu können. Könnte sie - wie das Berufungsgericht angenommen hat - diesen Konsequenzen ihres den "Todeskampf" (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG
15. Aufl. §§ 32 a, 32 b Rdn. 36) der L.B. GmbH verlängernden Verhaltens dadurch ausweichen, daß sie nach Eintritt der Krise, aber vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und dadurch einen
nicht den Eigenkapitalersatzregeln unterstehenden Nutzungsentschädigungsanspruch erwirbt, würde der Zweck der von der Rechtsprechung entwickelten
und der sog. Novellenregeln des Eigenkapitalersatzrechts verfehlt (arg. § 32 a
Abs. 3 Satz 1 GmbHG). Vielmehr muß sich die Beklagte an ihrem Verhalten
festhalten lassen, der L.B. GmbH unentgeltlich und nach Eintritt der Krise das
Grundstück auch ohne Bezahlung der fälligen Kaufpreisraten belassen zu haben.
Damit das Berufungsgericht die danach gebotenen tatsächlichen Feststellungen zu dem streitigen Vortrag der Parteien treffen kann, ob und wann
die L.B. GmbH in die Krise geraten und ob der Rücktritt vom Kaufvertrag vor
oder nach diesem Zeitpunkt erklärt worden ist, ist die Sache an die Vorinstanz
zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß nach dem Vorbringen des Klägers einiges dafür spricht, daß diese
Krise nicht erst überraschend am 15. Mai 1996 eingetreten ist, sondern daß sie
mit Rücksicht auf die verschiedenen Hilfeleistungen der Beklagten an die L.B.
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GmbH - neben der Stundung des Kaufpreises geht es um die Nichteinforderung des Mietzinses für ein zweites Grundstück und um die Gewährung von
Darlehen - bereits viel länger bestanden hat; bei der Überschuldungsprüfung
sind diese ggfs. als funktionales Eigenkapital einzustufenden Gesellschafterhilfen mangels qualifizierten Rangrücktritts zu passivieren (Sen.Urt. v.
8. Januar 2001 - II ZR 88/99, ZIP 2001, 235).
Röhricht
Hesselberger
Kurzwelly
Goette
Kraemer