Cyberlaywer/build/tfgpu-cyberlaywer/EndDokumente/ii_zr_192-05.pdf.txt

170 lines
8.2 KiB
Text
Raw Normal View History

2023-03-06 15:36:57 +01:00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 192/05
Verkündet am:
23. Oktober 2006
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
_____________________
BGB § 730
Ist in einer zweigliedrigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts kein zu liquidierendes Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden, können Ausgleichsansprüche unmittelbar gegen den ausgleichspflichtigen Gesellschafter geltend gemacht werden, ohne dass es einer - von den Gesellschaftern festgestellten Auseinandersetzungsbilanz bedarf. Streitpunkte über die Richtigkeit der Auseinandersetzungsrechnung sind in diesem Prozess zu entscheiden.
BGH, Urteil vom 23. Oktober 2006 - II ZR 192/05 - OLG München - Zivilsenate in
Augsburg LG Memmingen
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 23. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 27. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts München - Zivilsenate in Augsburg - vom
8. Juni 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin macht mit der Klage - nunmehr unstreitige - Werklohnforderungen aus verschiedenen Bauvorhaben in Höhe von 34.769,50 € geltend, die
Beklagte rechnet mit einer Saldoforderung aus der Abrechnung einer Arbeitsgemeinschaft auf.
2
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden: Klägerin) und die
Beklagte gründeten mit Vertrag vom 11. September 1995 eine bauwirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft (im Folgenden: ARGE), um gemeinsam einen Auftrag
der zuständigen Autobahndirektion zur Erneuerung und Verstärkung der Fahr-
-3-
bahndecke auf einem Teilabschnitt der BAB A 6 Heilbronn - Nürnberg durchzuführen. Die Arbeiten wurden 1995 abgenommen, im Jahr 2001 wurde die
Schlusszahlung an die ARGE geleistet. Die Klägerin, in deren - vertraglich festgelegte - Zuständigkeit als kaufmännische Geschäftsführerin die Aufstellung der
Schlussbilanz fiel, kam dieser Verpflichtung zunächst nicht nach. Schließlich
erstellten beide Parteien unterschiedliche Abrechnungen und legten im Verlauf
des Rechtsstreits inhaltlich abweichende Schlussbilanzen vor. Nach der Rechnung der Klägerin ergab sich zu Gunsten der Beklagten ein Saldo in einer dem
noch vorhandenen Bankguthaben der ARGE nahezu entsprechenden Höhe; die
Beklagte errechnete für sich ein - die Klageforderung erheblich übersteigendes - Auseinandersetzungsguthaben. Mit diesem hat sie gegen die Klageforderung aufgerechnet und mit der Widerklage von der Klägerin Zustimmung zur
Auszahlung des Bankguthabens verlangt.
3
Das Landgericht hat der Klage (34.769,15 €) stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zum
Ausgleich des - nach ihrer Schlussbilanz - der Beklagten noch zustehenden
Betrages das vorhandene Bankguthaben der ARGE an die Beklagte überwiesen. Die sich - nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Widerklageforderung - gegen ihre Verurteilung richtende
Berufung der Beklagten blieb
erfolglos. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer - vom erkennenden Senat zugelassenen - Revision.
-4-
Entscheidungsgründe:
4
Die Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
5
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
6
Die Beklagte dürfe gegen die Klageforderung nicht aufrechnen, weil die
von ihr geltend gemachte Forderung aus der Auseinandersetzung der ARGE
nicht fällig sei. Der Anspruch eines Gesellschafters auf das Auseinandersetzungsguthaben werde erst fällig, wenn die Schlussabrechnung von den Gesellschaftern festgestellt und über ihren Inhalt Einigkeit erzielt sei. Dies sei angesichts der offensichtlichen Uneinigkeit der Parteien über die in die Bilanz einzustellenden Positionen nicht der Fall. Im Übrigen stünden der Fälligkeit eines
Auseinandersetzungsanspruchs der Beklagten auch die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien entgegen.
7
II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
1. Im Ausgangspunkt noch zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass nach Auflösung der ARGE - einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts - ein Zahlungsanspruch grundsätzlich nur hinsichtlich des Saldos
der abschließenden Auseinandersetzungsrechnung geltend gemacht werden
kann (st.Rspr. z.B. Sen.Urt. v. 24. Oktober 1994 - II ZR 231/93, ZIP 1994, 1846;
v. 10. Mai 1993 - II ZR 111/92, ZIP 1993, 919 f.). Das Berufungsgericht hat
Feststellungen zu den Einwendungen der Beklagten gegen die - von der Klägerin aufgestellte - Schlussbilanz nicht getroffen. Für das Revisionsverfahren ist
-5-
deshalb zu unterstellen, dass sich das von der Beklagten ermittelte, die Klageforderung übersteigende Auseinandersetzungsguthaben zu ihren Gunsten ergibt.
9
2. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist der Anspruch der
Beklagten auf Auszahlung dieses Auseinandersetzungsguthabens fällig.
10
a) Nach der Rechtsprechung des Senats bedarf es zur Geltendmachung
des Auseinandersetzungsguthabens einer - von den Gesellschaftern festgestellten - Auseinandersetzungsbilanz nicht, wenn kein zu liquidierendes Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist (Sen.Urt. v. 5. Juli 1993 - II ZR 234/92,
ZIP 1993, 1307, 1309; v. 21. November 2005 - II ZR 17/04, ZIP 2006, 232
Tz. 10 f.). Aus den von beiden Parteien vorgelegten Schlussbilanzen geht hervor, dass die ARGE - nach Auszahlung des zu ihren Gunsten noch vorhandenen Bankguthabens an die Beklagte - nicht über weiteres Gesellschaftsvermögen verfügt. In diesem Fall kann der Gesellschafter, der für sich ein Guthaben
beansprucht, dieses ausnahmsweise unmittelbar gegen den ausgleichspflichtigen Gesellschafter geltend machen; Streitpunkte über die Richtigkeit der
Schlussrechnung sind in diesem Prozess zu entscheiden (Sen.Urt. v. 5. Juli
1993 aaO; v. 21. November 2005 aaO).
11
b) Von diesen Grundsätzen Abweichendes ist - entgegen der Ansicht des
Berufungsgerichts - in § 8.6 Satz 5 bis 7 des - nach der Vereinbarung der Parteien maßgeblichen - (Muster-) Arbeitsgemeinschaftsvertrags der Deutschen
Bauindustrie, Fassung 1987, nicht geregelt. Diese Klausel behandelt allein die
Fragen, wie nach Abwicklung aller Geschäftsvorfälle der ARGE zu verfahren,
dass eine Schlussbilanz zu erstellen ist und in welcher Form und Frist Einwendungen gegen diese erhoben werden können, trifft aber über die Fälligkeit des
-6-
Auseinandersetzungsanspruchs keine eigenständige Aussage (vgl. auch
Mielicki/Burchardt in Burchardt/Pfülb, ARGE-Kommentar 4. Aufl. § 8 Rdn. 102).
12
3. Das Berufungsurteil kann auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten werden (§ 561 ZPO).
13
Die Beklagte ist mit ihren Einwendungen gegen die Schlussbilanz der
Klägerin nicht nach § 8.6 Satz 7 des (Muster-) Arbeitsgemeinschaftsvertrags
ausgeschlossen, weil sie es - wie die Revisionserwiderung geltend macht - versäumt habe, diese innerhalb der in § 8.6 Satz 6 des Mustervertrags vorgesehenen Frist von drei Monaten vorzubringen. Aus den tatrichterlich einwandfrei getroffenen und von der Revisionserwiderung nicht angegriffenen Feststellungen
des Berufungsgerichts ergibt sich das Gegenteil.
14
4. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es
die Höhe eines etwaigen - von der Beklagten auf der Grundlage der Schlussbilanz der Klägerin noch näher darzulegenden - Zahlungsanspruchs klären kann.
Dabei ist es an seine - unter dem Blickpunkt der übereinstimmenden Erledigungserklärung - nach § 91 a ZPO getroffene Teilkostenentscheidung gebunden (Sen.Urt. v. 18. April 2005 - II ZR 55/03, ZIP 2005, 1368 m.w.Nachw.).
-7-
15
Der - von der Klägerin angeregte, auch ohne Antrag mögliche - Erlass
eines Vorbehaltsurteils (§ 302 ZPO) zu Gunsten der Klägerin kommt jedenfalls
auf Grund der hier gegebenen Umstände in dritter Instanz nicht in Betracht.
Goette
Kraemer
Caliebe
Strohn
Reichart
Vorinstanzen:
LG Memmingen, Entscheidung vom 29.12.2004 - 1 HO 969/03 OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 08.06.2005 - 27 U 68/05 -