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2023-03-06 15:36:57 +01:00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 192/02
Verkündet am:
31. März 2003
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO §§ 129, 130
Ein Rechtsanwalt, der einen bestimmenden Schriftsatz für einen anderen
Rechtsanwalt mit dem Zusatz "für Rechtsanwalt XY" unterzeichnet, übernimmt
mit seiner Unterschrift die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes.
Das gilt auch dann, wenn der Zusatz lautet "für Rechtsanwalt XY, nach Diktat
verreist".
BGH, Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 192/02 - Kammergericht
LG Berlin
-2-
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht
und die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Münke und Dr. Graf
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 29. April 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ausgleich von Sollsalden in Höhe
von 371.118,69 DM aus der Geschäftsverbindung der Parteien - die Beklagte
führte mit einem von der Klägerin gemieteten Binnenschiff Frachtaufträge aus in Anspruch.
Das Landgericht hat der Klage durch Versäumnisurteil im schriftlichen
Verfahren stattgegeben. Den rechtzeitigen Einspruch der Beklagten hat es
durch Urteil als unzulässig verworfen mit der Begründung, die Beklagte habe
trotz zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich erhobener
Rüge eine Prozeßvollmacht nicht vorgelegt. Mit ihrer Berufung hat die Beklagte
beanstandet, daß das Landgericht ihr nicht nach § 89 ZPO eine Frist zur Bei-
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bringung der Vollmacht gesetzt hat. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Mit
ihrer - zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag, die Berufung
der Beklagten "zurückzuweisen", weiter. Die Klägerin hält die Berufung für unzulässig, weil die Berufungsbegründung nicht von dem Prozeßbevollmächtigten
der
Beklagten,
Rechtsanwalt
E.,
unterzeichnet
wurde,
sondern
von
dem zwar inzwischen, seinerzeit aber noch nicht mit Rechtsanwalt E.
in einer Sozietät verbundenen, ebenfalls am Kammergericht zugelassenen
Rechtsanwalt H.-D. H., und zwar mit dem in Klammern gefaßten Zusatz "für
Rechtsanwalt E., nach Diktat verreist".
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat
die Berufung der Beklagten im Ergebnis mit Recht für zulässig erachtet.
I. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der Klammerzusatz für sich
allein genommen die Annahme einer wirksamen Unterschrift nicht rechtfertige.
Mit ihm würde zum Ausdruck gebracht, Rechtsanwalt E. habe den von
ihm zu verantwortenden Schriftsatz nicht mehr unterschreiben können, dem
Unterschriftserfordernis werde nur aus formalen Gründen genügt. Im vorliegenden Falle bestehe aber die Besonderheit, daß Rechtsanwalt E. dem
ebenfalls am Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt H. mit Schreiben
vom 17. Mai 2001 ausdrücklich für diesen Einzelfall eine Untervollmacht erteilt
gehabt habe. Damit habe dieser die Begründungsschrift nicht lediglich aus Gefälligkeit für Rechtsanwalt E.,
sondern
gerade
in Wahrnehmung
der
Untervollmacht und folglich in unmittelbarer Ausführung des Mandats der Be-
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klagten unterzeichnet. Ein solches Handeln bedeute, daß der Unterzeichner
damit auch die Verantwortung für den Inhalt der Erklärung übernommen habe.
Das hält revisionsrechtlicher Prüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
II. 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und vor
ihm schon des Reichsgerichts (vgl. RGZ 151, 82, 83; BGH, Beschl. v.
8. Februar 2001 - VII ZR 477/00, NJW 2001, 1581) muß die Berufungsbegründung als bestimmender Schriftsatz die Unterschrift des für sie verantwortlich
Zeichnenden tragen. Die Unterschrift ist zwingendes Wirksamkeitserfordernis.
Sie soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozeßhandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, den Schriftsatz zu verantworten und bei Gericht einzureichen. Für den Anwaltsprozeß bedeutet dies, daß die Berufungsbegründung von einem dazu bevollmächtigten
und bei dem Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfaßt, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben
sein muß. Eine nur "formelle Unterschrift", die erkennen läßt, daß eine eigenverantwortliche Prüfung nicht vorgenommen wurde oder daß der Unterschreibende sich vom Inhalt der schriftlichen Erklärung distanziert, genügt daher nicht
(vgl. Zöller/Greger, ZPO 23. Aufl. § 130 Rdn. 8, 16 m.w.N.).
2. Die mit dem Klammerzusatz versehene Unterschrift Rechtsanwalt
H.s erfüllt die Voraussetzungen einer wirksamen Unterzeichnung. Bereits der
erste Teil des Zusatzes "für
Rechtsanwalt
E."
macht
deutlich, daß
Rechtsanwalt H. als dessen Unterbevollmächtigter in Wahrnehmung des
Mandats der Beklagten und damit eigenverantwortlich handelte. Ein Rechtsanwalt, der "für" einen anderen Rechtsanwalt eine Berufung begründet, gibt zu
erkennen, daß er als Unterbevollmächtigter tätig wird (vgl. BAG, Urt. v. 22. Mai
-5-
1990 - 3 AZR 55/90, NJW 1990, 2706). Die Aussage des ersten Teils des Zusatzes wird durch dessen zweiten Teil auch keineswegs relativiert, wie das Berufungsgericht offenbar annimmt. "Nach Diktat verreist" ist lediglich die Erklärung dafür, daß Rechtsanwalt E. die - im übrigen unstreitig von den
D.
Korrespondenzanwälten
der
Beklagten
verfaßte -
Begründungs
schrift wegen seines Urlaubs nicht selbst unterzeichnen konnte; eine Einschränkung oder Zurücknahme der mit der ausdrücklich "für" Rechtsanwalt
E.
geleisteten
Unterschrift
verbundenen
Übernahme
der
Verantwor-
tung für den Inhalt des Schriftsatzes liegt darin nicht. Die Annahme, Rechtsanwalt H. habe sich von dem Inhalt der Berufungsbegründung distanzieren
wollen, scheidet aus. Für einen Rechtsanwalt versteht es sich im Zweifel von
selbst, daß er mit seiner Unterschrift die Verantwortung für den Inhalt eines bestimmenden Schriftsatzes übernimmt. Die Sachlage ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts derjenigen, daß ein Schriftsatz mit dem Zusatz
"i.A." unterzeichnet wird, der die Stellung des Unterschreibenden als die eines
bloßen Erklärungsboten kennzeichnet (BGH, Beschl. v. 5. November 1987
- V ZR 139/87, NJW 1988, 210), nicht vergleichbar.
Die Rüge der Revision, daß das Berufungsgericht für die Auslegung des
der Unterschrift Rechtsanwalt H.s beigefügten Zusatzes nicht auf Umstände
außerhalb des Schriftsatzes hätte abstellen dürfen, greift daher nicht durch.
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III. Das Berufungsurteil läßt auch im übrigen Rechtsfehler nicht erkennen
und erweist sich damit im Ergebnis als richtig.
Röhricht
Goette
Münke
Kurzwelly
Graf