Cyberlaywer/build/tfgpu-cyberlaywer/EndDokumente/i_zr_234-15.pdf.txt

453 lines
24 KiB
Text
Raw Normal View History

2023-03-06 15:36:57 +01:00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 234/15
Verkündet am:
21. September 2016
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Quecksilberhaltige Leuchtstofflampen
UWG § 3a; ElektroG aF § 5 Abs. 1 und 2; ElektroStoffV § 3 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 3
Satz 1, § 4 Abs. 1; Richtlinie 2002/95/EG Art. 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit
dem Anhang; Richtlinie 2011/65/EU Art. 4 Abs. 1 und 6 in Verbindung mit Anhang III; ZPO § 308 Abs. 1; Entscheidung 2002/747/EG der Kommission
a) Die in § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF und in § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 3
Abs. 1 Nr. 1 ElektroStoffV enthaltenen Stoffverbote stellen, soweit sie neben
abfallwirtschaftlichen Zielen auch dem Gesundheits- und Verbraucherschutz
dienen, Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG, § 4 Nr. 11
UWG aF dar.
b) An den Nachweis eines bei "Ausreißern" in Betracht kommenden Bagatellverstoßes wegen der Überschreitung der Grenzwerte für Quecksilber nach
§ 5 ElektroG aF und § 3 ElektroStoffV sind strenge Anforderungen zu stellen.
BGH, Urteil vom 21. September 2016 - I ZR 234/15 - OLG Celle
LG Stade
ECLI:DE:BGH:2016:210916UIZR234.15.0
-2-
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom
21. September
2016
durch
den
Vorsitzenden
Richter
Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und
die Richterin Dr. Schwonke
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 8. Oktober 2015 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Beklagte lässt Kompaktleuchtstofflampen (sogenannte Energiesparlampen) herstellen, die Quecksilber enthalten, und vertreibt diese Lampen in
Deutschland.
2
Die Klägerin ist die in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4
UKlaG eingetragene Deutsche Umwelthilfe e.V. Sie ließ im Jahr 2012 jeweils
drei Kompaktleuchtstofflampen aus zwei verschiedenen Serien des Sortiments
der Beklagten überprüfen. Das von der Klägerin beauftragte Labor stellte bei
einem Prüfkörper der einen Serie einen Quecksilbergehalt von 13 mg und bei
einem Prüfkörper der anderen Serie einen Quecksilbergehalt von 7,8 mg fest.
3
Die Klägerin ist der Ansicht, die Energiesparlampen der Beklagten enthielten mit einem Gehalt von 7,8 mg und 13 mg mehr Quecksilber als gesetzlich
-3-
zulässig. Sie nimmt die Beklagte nach erfolgloser Abmahnung auf Unterlassung
und Ersatz ihrer Abmahnkosten in Anspruch.
4
Die Klägerin hat vor dem Landgericht beantragt,
die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
einseitig gesockelte Kompaktleuchtstofflampen mit einer Leistung von bis zu
30 Watt mit einer Menge von mehr als 5 mg Quecksilber je Lampe zu vertreiben.
5
Darüber hinaus hat sie die Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von
121,71 € zuzüglich Zinsen begehrt.
6
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
7
In der Berufungsinstanz hat die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag
weiterverfolgt. Die Klägerin hat beantragt, die Berufung der Beklagten mit der
Maßgabe zurückzuweisen, dass es am Ende des Unterlassungsausspruchs
anstatt "zu vertreiben" heißt "in Verkehr zu bringen".
8
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass es an den vom Landgericht ausgeurteilten und entsprechend dem Antrag, den die Klägerin in zweiter Instanz gestellt hat, geänderten
Unterlassungstenor die Wendung ", soweit das in flüssiger oder fester Form in
die Leuchtstofflampen eingebrachte Quecksilber oder die QuecksilberAmalgam-Verbindung (homogener Werkstoff) mehr als 0,1 Gewichtsprozent
Quecksilber enthält" angefügt hat (OLG Celle, GRUR-RR 2016, 245 = WRP
2016, 119).
9
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
-4-
Entscheidungsgründe:
10
I. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten nur zu einem geringen Teil als begründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:
11
Das im Streitfall in Rede stehende Verbot folge aus § 8 Abs. 1 und 3
Nr. 3, § 4 Nr. 11 UWG (aF) in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF
und seit dem 9. Mai 2013 aus der inhaltlich damit übereinstimmenden Vorschrift
des § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroStoffV. Die in § 5
Abs. 2 ElektroG aF und in § 3 Abs. 3 Satz 1 ElektroStoffV enthaltenen Regelungen statuierten lediglich eine Ausnahme von dem im jeweils vorangehenden
Absatz 1 bestimmten Verbot. Die Ergänzung des Unterlassungstenors verstoße
nicht gegen § 308 Abs. 1 ZPO, weil damit nicht über einen anderen Streitgegenstand entschieden, sondern lediglich der von der Klägerin bestimmte Streitgegenstand eingeschränkt worden sei. Mit der in der Berufungsinstanz geänderten Fassung ihres Unterlassungsantrags habe die Klägerin dem Umstand
Rechnung getragen, dass das Inverkehrbringen nicht stoffverbotskonformer
Elektro- und Elektronikgeräte nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF und § 4
Abs. 1 ElektroStoffV verboten sei.
12
Das früher in § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF und nunmehr in § 4 Abs. 1 in
Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroStoffV enthaltene produktbezogene Absatzverbot stelle eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG
(aF) dar, die neben abfallwirtschaftlichen Zielen ausdrücklich auch dem Schutz
der Verbraucher vor schädlichen Stoffen diene. Gegen diese Marktverhaltensvorschriften habe die Beklagte durch den Vertrieb der zwei Energiesparlampen
mit dem Quecksilbergehalt von 7,8 mg und 13 mg verstoßen.
13
Nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme seien die sechs Energiesparlampen, die das von der Klägerin beauftragte Labor geprüft habe, von der Beklagten in Verkehr gebracht worden, hät-
-5-
ten die in ihnen enthaltenen Leuchtstoffkörper mehr als 0,1 Gewichtsprozent
Quecksilber je homogenem Werkstoff aufgewiesen und habe einer dieser
Leuchtstoffkörper 13 mg Quecksilber und ein weiterer 7,8 mg Quecksilber enthalten. Unerheblich sei, dass das Labor bei dieser Prüfung nicht das in der Entscheidung 2002/747/EG der Kommission vorgeschriebene Prüfverfahren mit
der Ermittlung des arithmetischen Mittels aus zehn Prüfkörpern unter Streichung des höchsten und des niedrigsten Werts durchgeführt, sondern jeweils
nur drei Prüfkörper untersucht habe, weil es hier nicht um eine Zulassung zum
Vertrieb gegangen sei, sondern um die Feststellung des Quecksilbergehalts der
einzelnen Leuchtstoffkörper. Das Verhalten der Beklagten sei spürbar im Sinne
von § 3 Abs. 1 UWG (aF). Dem stehe nicht entgegen, dass es sich nach dem
Vortrag der Beklagten bei den beiden Lampen mit den zu hohen Quecksilbergehaltswerten um "Ausreißer" gehandelt habe. Die in dieser Hinsicht darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe dazu keinen ausreichend substantiierten Vortrag gehalten. Von einem Ausreißer sei zudem nicht auszugehen, weil
nach den Prüfberichten zwei der sechs geprüften Lampen einen zu hohen
Quecksilbergehalt aufgewiesen hätten.
14
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten ist
zwar uneingeschränkt zulässig (dazu unter II 1), hat aber in der Sache keinen
Erfolg (dazu unter II 2 und 3).
15
1. Die Revision ist uneingeschränkt zulässig (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Die Formel des Berufungsurteils enthält keine Beschränkung der Zulassung des
Rechtsmittels. Eine entsprechende Beschränkung kann sich zwar auch aus den
Gründen der Entscheidung ergeben. Das muss jedoch zweifelsfrei geschehen;
die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision reicht nicht, um
von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen (BGH,
Urteil vom 18. März 2010 - I ZR 158/07, BGHZ 185, 11 Rn. 17 - Modulgerüst II;
Urteil vom 15. Mai 2014 - III ZR 368/13, NJW 2014, 2857 Rn. 11; Urteil vom
16. Dezember 2014 - EnZR 81/13, RdE 2015, 189 Rn. 9 = NVwZ-RR 2015, 331
-6-
- KWKG-Belastungsausgleich, jeweils mwN). Von einer nur beschränkten Revisionszulassung ist danach vorliegend nicht auszugehen. Eine Beschränkung
der Zulassung ist nur wirksam, wenn sie sich nicht - wie hier - auf eine bestimmte Rechtsfrage, sondern auf einen eindeutig abgrenzbaren Teil des Streitstoffs
bezieht, der gegebenenfalls einem Teilurteil (§ 301 ZPO), einem Grundurteil
(§ 304 ZPO) oder einem sonstigen Zwischenurteil (§ 303 ZPO) zugänglich ist
(vgl. BGH, Urteil vom 31. März 2016 - I ZR 86/13, GRUR 2016, 741 Rn. 7
= WRP 2016, 1004 - Himalaya Salz, mwN).
16
2. Der Klägerin steht der begehrte Unterlassungsanspruch in dem vom
Berufungsgericht zuerkannten Umfang zu. Das Berufungsgericht hat mit der
Ergänzung des Unterlassungstenors nicht die durch § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO
gezogene Grenze überschritten (dazu II 2 a). Die Beklagte hat mit dem Vertrieb
der zwei Energiesparlampen mit einem Quecksilbergehalt von 7,8 mg und
13 mg gegen § 5 ElektroG aF und § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3
Satz 1 ElektroStoffV verstoßen und durfte diese daher nicht in Verkehr bringen
(dazu II 2 b). Die Bestimmungen sind Marktverhaltensregelungen im Sinne von
§ 4 Nr. 11 UWG aF und § 3a UWG, deren Verletzung einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG begründet (dazu II 2 c).
17
a) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe durch die Anfügung der
Wendung "…, soweit das in flüssiger oder fester Form in die Leuchtstofflampen
eingebrachte Quecksilber oder die Quecksilber-Amalgam-Verbindung (homogener Werkstoff) mehr als 0,1 Gewichtsprozent Quecksilber enthält" den Unterlassungstenor gegenüber dem Klagebegehren erweitert und deshalb gegen
§ 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. Das trifft nicht zu. Das Berufungsgericht hat den
Verbotstenor nicht erweitert, sondern eingeschränkt. Die Klägerin hat das Verbot von der Überschreitung der absoluten Grenze des Quecksilbergehalts von
5 mg je Lampe abhängig gemacht. Durch den vom Berufungsgericht in den Unterlassungstenor aufgenommenen Zusatz ist das Verbot neben der Überschreitung der absoluten Grenze von 5 mg Quecksilber zusätzlich von der Über-
-7-
schreitung einer relativen Grenze von mehr als 0,1 Gewichtsprozent Quecksilber abhängig.
18
b) Die Beklagte hat mit dem Vertrieb der zwei Energiesparlampen mit einem Quecksilbergehalt von 7,8 mg und 13 mg gegen die zu diesem Zeitpunkt
geltende Bestimmung des § 5 ElektroG aF verstoßen. Da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, muss das beanstandete Verhalten auch nach
dem zum Zeitpunkt der Revisionsentscheidung geltenden Recht noch wettbewerbswidrig sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 - I ZR 26/15,
GRUR 2016, 1076 Rn. 18 = WRP 2016, 1221 - LGA tested, mwN). Das ist vorliegend der Fall. Der Vertrieb von Energiesparlampen mit dem in Rede stehenden Quecksilbergehalt verstößt gegen die am 9. Mai 2013 in Kraft getretenen
Vorschriften des § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 und 3 ElektroStoffV.
19
aa) Sowohl nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ElektroG aF als auch nach
§ 4 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 und 3 ElektroStoffV dürfen Kompaktleuchtstofflampen
5 mg Quecksilbergehalt nicht überschreiten.
20
(1) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF war es verboten, neue Elektround Elektronikgeräte in Verkehr zu bringen, die mehr als 0,1 Gewichtsprozent
Quecksilber je homogenem Werkstoff enthielten. Gemäß § 5 Abs. 2 galt Abs. 1
nicht für die im Anhang der Richtlinie 2002/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 2003 zur Beschränkung der Verwendung
bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten in der jeweils
geltenden Fassung aufgeführten Verwendungszwecke. § 5 ElektroG aF diente
der Umsetzung der Richtlinie 2002/95/EG (vgl. Begründung der Bundesregierung zur Verordnung zur Beschränkung der Verwendung gefährlicher Stoffe in
Elektro- und Elektronikgeräten, BT-Drucks. 17/11836, S. 12) und ist daher richtlinienkonform auszulegen.
21
Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2002/95/EG stellen die Mitgliedstaaten
sicher, dass ab dem 1. Juli 2006 neu in Verkehr gebrachte Elektro- und Elekt-
-8-
ronikgeräte kein Quecksilber enthalten. Nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie gilt
Abs. 1 nicht für die im Anhang aufgeführten Verwendungszwecke. Der Anhang
sieht in Nummer 1 die Verwendung von Quecksilber in Kompaktleuchtstofflampen vor. Nach Nummer 1 des Anhangs der Richtlinie 2002/95/EG sind von den
Anforderungen des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie ausgenommen Quecksilber in
Kompaktleuchtstofflampen in einer Höchstmenge von 5 mg je Lampe. Danach
sind von dem grundsätzlichen Verbot der Verwendung von Quecksilber in Elektro- und Elektronikgeräten nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2002/95/EG Kompaktleuchtstofflampen mit einem Quecksilbergehalt bis 5 mg je Lampe ausgenommen. Entsprechend ist § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ElektroG aF richtlinienkonform auszulegen. Danach gilt das in § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF aufgeführte Verbot nicht für die Verwendung von Quecksilber in Kompaktleuchtstofflampen in einer Höchstmenge von 5 mg je Lampe. Wird dieser Grenzwert
überschritten, ist das Produkt nicht mehr durch Art. 4 Abs. 2 vom Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2002/95/EG ausgenommen.
22
Die richtlinienkonforme Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung
mit Abs. 2 ElektroG aF hat daher zur Folge, dass für Kompaktleuchtstofflampen
an die Stelle des relativen Grenzwerts von 0,1 Gewichtsprozent die absolute
Grenze des Quecksilbergehalts von 5 mg je Lampe tritt, bei deren Überschreitung das Verbot des § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF greift.
23
(2) Nach § 4 Abs. 1 ElektroStoffV darf der Hersteller nur Elektro- und
Elektronikgeräte in Verkehr bringen, die die Anforderungen des § 3 Abs. 1 der
Verordnung erfüllen. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ElektroStoffV dürfen
Elektro- und Elektronikgeräte einschließlich Kabeln und Ersatzteilen nur in Verkehr gebracht werden, wenn die zulässigen Höchstkonzentrationen von
0,1 Gewichtsprozent je homogenem Werkstoff bei Quecksilber nicht überschritten werden. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 gilt Abs. 1 nicht für Verwendungszwecke,
die im Anhang III der Richtlinie 2011/65/EU des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 8. Juni 2011 zur Beschränkung der Verwendung bestimmter
-9-
gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten festgelegt sind. Die Vorschrift des § 3 ElektroStoffV dient der Umsetzung der Richtlinie 2011/65/EU
(vgl. Begründung der Bundesregierung zur Verordnung zur Beschränkung der
Verwendung gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, BT-Drucks.
17/11836, S. 12). Die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und 3 Satz 1 ElektroStoffV
sind daher ebenfalls richtlinienkonform auszulegen.
24
Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2011/65/EU stellen die Mitgliedstaaten
sicher, dass in Verkehr gebrachte Elektro- und Elektronikgeräte einschließlich
Kabeln und Ersatzteilen für die Reparatur, die Wiederverwendung, die Aktualisierung von Funktionen oder die Erweiterung des Leistungsvermögens keine
der in Anhang II aufgeführten Stoffe enthalten. In Anhang II der Richtlinie ist für
Quecksilber eine Höchstkonzentration von 0,1 Gewichtsprozent in homogenen
Werkstoffen vorgesehen. Davon sieht Art. 4 Abs. 6 der Richtlinie eine Ausnahme vor. Danach gilt Art. 4 Abs. 1 nicht für die im Anhang III aufgeführten Verwendungszwecke. Verwendungszweck in diesem Sinn ist die Verwendung von
Quecksilber in Leuchtstofflampen. Nach Anhang III Nr. 1 Buchst. a der Richtlinie sind von ihrem Art. 4 Abs. 1 ausgenommen Verwendungen von Quecksilber
in einseitig gesockelten (Kompakt-)Leuchtstofflampen für allgemeine Beleuchtungszwecke bis 30 Watt bis zum 31. Dezember 2011 mit einem Gehalt von
5 mg. Danach wurden der Gehalt bis zum 31. Dezember 2012 auf 3,5 mg und
nach dem 31. Dezember 2012 auf 2,5 mg Quecksilber je Brennstelle abgesenkt. Danach gilt für die Verwendung von Quecksilber in den näher bezeichneten Leuchtstofflampen der absolute Wert nach Art. 4 Abs. 6 in Verbindung mit
Anhang III. Wird dieser Wert überschritten, dürfen die Produkte nicht in Verkehr
gebracht werden. Entsprechend ist § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 und
3 ElektroStoffV richtlinienkonform auszulegen.
25
(3) Dass das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft zusätzlich auf die Grenze
von 0,1 Gewichtsprozent abgestellt hat, verhilft der Revision nicht zum Erfolg.
Durch die damit verbundene Einschränkung des Verbotsumfangs wird die Be-
- 10 -
klagte nicht beschwert. Auf die in diesem Zusammenhang zwischen den Parteien unterschiedlich beurteilte Frage, was bei Kompaktleuchtstofflampen homogene Werkstoffe sind, kommt es danach nicht an.
26
bb) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Feststellungen des
Berufungsgerichts, zwei der geprüften Leuchtstofflampen hätten einen 5 mg
übersteigenden Quecksilbergehalt aufgewiesen. Sie rügt, die Prüfung sei nicht
nach dem in der Entscheidung 2002/747/EG der Kommission vorgeschriebenen
Verfahren durch Prüfung von zehn Produkten, Streichung des höchsten und
niedrigsten Werts und Bildung des arithmetischen Mittels erfolgt. Das war auch
nicht erforderlich. Das Verfahren ist für die Feststellung der Einhaltung des
höchst zulässigen Quecksilbergehalts von Leuchtstofflampen nach den Richtlinien 2002/95/EG und 2011/65/EU nicht einschlägig. Die Entscheidung der
Kommission gilt für die Vergabe des EG-Umweltzeichens für Lampen. Nach
Art. 1 der Entscheidung der Kommission erhalten Lampen im Sinne des Art. 2
der Entscheidung das Umweltzeichen der Union, wenn sie den Umweltkriterien
im Anhang der Entscheidung entsprechen. Deshalb kommt es auch nicht darauf
an, dass im Streitfall nur jeweils drei Energiesparlampen und nicht jeweils zehn
Lampen der zwei verschiedenen Serien untersucht worden sind.
27
c) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte
mit dem von der Klägerin beanstandeten Verhalten wettbewerbswidrig im Sinne
von §§ 3, 3a UWG (§ 4 Nr. 11 UWG aF) in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1
und Abs. 2 ElektroG aF, § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 und
Abs. 3 ElektroStoffV gehandelt hat und dass die insoweit gemäß § 8 Abs. 3
Nr. 3 UWG klage- und anspruchsbefugte Klägerin die Beklagte daher gemäß
§ 8 Abs. 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch nehmen kann.
28
aa) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die in
§ 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF und nunmehr in § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 3
Abs. 1 Nr. 1 ElektroStoffV enthaltenen Stoffverbote Marktverhaltensregelungen
im Sinne von § 3a UWG, § 4 Nr. 11 UWG aF darstellen, weil sie neben abfall-
- 11 -
wirtschaftlichen Zielen auch dem Gesundheits- und Verbraucherschutz dienen
(vgl. Art. 1 der Richtlinie 2002/95/EG; Art. 1 der Richtlinie 2011/65/EU; Begründung
des
Regierungsentwurfs
der
Elektro-
und
Elektronikgeräte-Stoff-
Verordnung, BT-Drucks. 17/11836 S. 12; OLG Karlsruhe, BeckRS 2015, 03117
Rn. 59 bis 61; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2015, 244 f.; MünchKomm.UWG/
Schaffert, 2. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 303; Lustermann, NJW 2006, 3097, 3101;
Huppertz/Nusser, CR 2009, 625, 630 mwN; im Ergebnis ebenso Prelle in Prelle/
Thärichen/Versteyl, ElektroG, 2008, § 5 Rn. 35; aA Giesberts in Giesberts/Hilf,
ElektroG, 2. Aufl., § 5 Rn. 14a aE). Von Energiesparlampen, die Quecksilber
enthalten, gehen nicht nur im Zusammenhang mit deren Entsorgung, sondern
auch dann erhebliche Gesundheitsgefahren aus, wenn sie zerbrechen. Die Revision trägt selbst vor, dass nach Stichproben des Umweltbundesamts beim
Zerbrechen einer Energiesparlampe die Quecksilberbelastung um das Zwanzigfache des Richtwerts überschritten wird. Daraus folgt, dass von Energiesparlampen mit Quecksilber Gesundheitsgefahren ausgehen können. Entgegen der
Ansicht der Revision werden Qualität und Sicherheit der Leuchtstofflampen
aber nicht nur durch Regelungen gewährleistet, die auf deren Bruchsicherheit
und Lebensdauer abzielen, sondern auch dadurch, dass für die Verwendung
von Quecksilber für entsprechende Zwecke niedrige Grenzwerte eingeführt und
durch die Hersteller auch eingehalten werden. Es liegt auf der Hand, dass die
Gesundheit des Verbrauchers beim Zerbrechen einer quecksilberhaltigen
Leuchtstofflampe gefährdet und möglicherweise auch beeinträchtigt wird und
diese Gefahr umso höher ist, je höher der Quecksilbergehalt der Lampe ist.
29
bb) Das im Streitfall maßgebliche Recht ist nach der als wettbewerbswidrig beanstandeten Verhaltensweise der Beklagten durch das Zweite Gesetz zur
Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb geändert worden.
Danach ist die Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG aF nunmehr inhaltsgleich in § 3a
UWG enthalten und ist diese neue Bestimmung um die Spürbarkeitsschwelle
nach § 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 UWG aF ergänzt worden, ohne dass sich für den
Tatbestand des Rechtsbruchs dadurch in der Sache etwas geändert hat (vgl.
- 12 -
BGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - I ZR 61/14, GRUR 2016, 516 Rn. 11 = WRP
2016, 581 - Wir helfen im Trauerfall).
30
cc) Der Anwendung der § 3a UWG, § 4 Nr. 11 UWG aF steht im Streitfall
nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/EG, die nach ihrem Artikel 4 in ihrem Anwendungsbereich zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt hat, keinen diesen nationalen Bestimmungen vergleichbaren
Unlauterkeitstatbestand kennt. Nach Art. 3 Abs. 3 und Erwägungsgrund 9
Satz 2 und 3 der Richtlinie 2005/29/EG lässt diese Richtlinie die Vorschriften
der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten in Bezug auf Gesundheits- und
Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom
18. Juni 2015 - I ZR 26/14, GRUR 2016, 213 Rn. 20 = WRP 2016, 193
- Zuweisung von Verschreibungen, mwN). Bei den im Streitfall in Rede stehenden Bestimmungen des Elektro- und Elektronikgesetzes aF, der Elektro- und
Elektronikgeräte-Stoff-Verordnung und den diesen Bestimmungen zugrunde
liegenden Richtlinienbestimmungen handelt es sich um entsprechende Regelungen.
31
dd) Das Berufungsgericht ist weiterhin mit Recht davon ausgegangen,
dass der Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG aF (§ 3 UWG) auch dann erfüllt wäre,
wenn es sich bei den zwei Lampen mit dem zu hohen Quecksilbergehalt um
"Ausreißer" handeln würde (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2005 - I ZR 10/03,
GRUR 2006, 82 Rn. 22 = WRP 2006, 79 - Betonstahl). An den Nachweis eines
daher allenfalls in Betracht zu ziehenden Bagatellverstoßes, für das der Verletzer die Darlegungs- und Beweislast trägt, sind strenge Anforderungen zu stellen
(vgl. MünchKomm.UWG/Sosnitza aaO § 3 Rn. 103 und 107; Großkomm.UWG/
Peukert, 2. Aufl., § 3 Rn. 447, jeweils mwN). Dies gilt umso mehr deshalb, weil
Verstöße gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroG aF und § 4 Abs. 1 in Verbindung mit
§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroStoffV wegen des mit diesen Bestimmungen bezweckten Schutzes der Gesundheit der Verbraucher regelmäßig geeignet sind, die
Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen (vgl. BGH, GRUR 2016,
- 13 -
213 Rn. 20 - Zuweisung von Verschreibungen, mwN). Das Berufungsgericht hat
den Vortrag der Beklagten daher in dieser Hinsicht mit Recht als nicht hinreichend substantiiert angesehen.
32
3. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten folgt aus § 12 Abs. 1
Satz 2 UWG.
33
III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach
Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober
1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.; Urteil
vom 1. Oktober 2015 - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 - Doc Generici,
mwN). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht zweifelsfrei zu beantworten ist.
- 14 -
34
IV. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Büscher
Schaffert
Löffler
Kirchhoff
Schwonke
Vorinstanzen:
LG Stade, Entscheidung vom 13.12.2012 - 8 O 112/12 OLG Celle, Entscheidung vom 08.10.2015 - 13 U 15/13 -