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5 StR 443/08
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 29. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
-2-
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Oktober 2008
beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten P.
wird das Urteil des
Landgerichts Berlin vom 9. April 2008 nach § 349
Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit es diesen Angeklagten betrifft. Aufrechterhalten
bleiben die Feststellungen zum äußeren Tathergang und
zum natürlichen Vorsatz des Angeklagten P.
. Insoweit
wird dessen weitergehende Revision nach § 349 Abs. 2
StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und mit Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen richtet
sich der Angeklagte mit seiner Revision, die mit der Sachrüge den aus der
Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg hat.
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1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
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Der Angeklagte hatte den später Geschädigten für etwa zwei Monate
bei sich wohnen lassen, bevor dieser die Wohnung heimlich verließ und dem
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Angeklagten dabei Geld (30 Euro) und Rauschgift (Heroin im Wert von
50 Euro) stahl. Als der Angeklagte den Geschädigten kurze Zeit darauf, am
Freitag, dem 13. Juli 2007, auf der Straße traf, schlug er ihn mit seiner Tüte,
in der sich eine ca. ein Zentimeter dicke, hartkantige Kunststoffmappe befand, ins Gesicht. Er forderte den Geschädigten auf, ihm in seine Wohnung
zu folgen. Dem kam der Geschädigte aus Angst vor weiteren Schlägen nach.
In der Wohnung schlug und trat der Angeklagte auf den Geschädigten
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ein. An den Misshandlungen beteiligte sich auch der Mitangeklagte S.
, der sich bereits in der Wohnung befand. Während die Angeklagten abwechselnd vorübergehend die Wohnung verließen, war der Geschädigte bis
zum Eintreffen der Polizeibeamten am Sonntagabend daran gehindert, da
der Angeklagte P.
die Tür abschloss und den Schlüssel bei sich führte.
Während des Aufenthalts des Geschädigten in der Wohnung wurde er von
den Angeklagten vielfach misshandelt, wobei die Tatimpulse vom Angeklagten P.
ausgingen. So schlug er dem Geschädigten eine Bierflasche mit
Wucht gegen den Kopf, bewarf ihn mit Gegenständen und sperrte ihn in einen Schrank. Er schlug ihn immer wieder, auch mit einem Stuhlbein und einer Gardinenstange. Zudem zwang er ihn, einen verschmutzten Tisch,
Schuhsohlen und die Toilette abzulecken sowie Urin und Kot zu sich zu
nehmen. Der Angeklagte urinierte dem Geschädigten in den Mund und übergoss ihn mit Urin. Er zwang ihn, sich eine Bierflasche anal einzuführen, und
nahm dies mit seinem Handy auf. Er bestand darauf, dass der Geschädigte
ihn mit „Großmeister“ ansprach. Auch gab er ihm Sätze vor, die der Geschädigte nachsprechen musste, gelang dies nicht, schlug er ihn. Am Sonntag
schließlich übergoss er den Geschädigten mit einer brennbaren Flüssigkeit
und zündete seine Kleidung an. Der Angeklagte S.
konnte die Flam-
men löschen und verließ die Wohnung. Der Angeklagte P.
versuchte
erneut, den Pullover des Geschädigten in Brand zu stecken. Diesem gelang
es jedoch, den Pullover schnell auszuziehen.
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2. Die Beweiswürdigung zu den einzelnen Tatbeiträgen des Angeklag-
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ten weist keine Rechtsfehler auf. Soweit allerdings die sachverständig beratene Strafkammer eine relevante Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des
Angeklagten bei den Taten verneint hat, kann das Urteil keinen Bestand haben.
a) Im Anschluss an den Sachverständigen hat das Landgericht hierzu
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ausgeführt, dass der Angeklagte seit mehreren Jahren an einer paranoidhalluzinatorischen Psychose leide. Die Symptome dieser Störung, wie akustische Halluzinationen, Denk- und Affektstörungen sowie eine verzerrte
Wahrnehmung, machten sich aber nicht durchgehend bemerkbar. Im Hinblick auf seine Krankheit verfolge der Angeklagte ein System der „doppelten
Buchführung“, wobei er die psychotischen Symptome abschirme und sich
nach außen realitätsgerecht verhalte. Die Störung habe sich auf die Taten
nicht ausgewirkt, er sei in der Lage gewesen, „entsprechende Symptome zu
unterdrücken“. Die Taten wiesen wegen des vorhergegangenen Diebstahls
durch den Geschädigten auf eine „realitätsgerechte und nachvollziehbare
Tatmotivation“. Einige Verhaltensweisen seien zwar auffällig; „ausreichender
Ausdruck seiner Psychose“ seien sie allerdings nicht. Schließlich versuche
der Angeklagte auch nicht, sein Verhalten wahnhaft zu rechtfertigen, was
aber bei einer psychotischen Beeinträchtigung bei den Taten zu erwarten
wäre.
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b) Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Kontrolle nicht stand
(BGHSt 49, 347, 356). Angesichts der Diagnose einer krankhaften seelischen Störung und des von Größenideen geprägten, sich hinsichtlich der
Demütigungen steigernden, teils außergewöhnlichen, von Sadismus geprägten Tatbildes hätte es einer eingehenden Prüfung und Erörterung der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB bedurft. So wären zunächst Darlegungen
dazu erforderlich gewesen, aufgrund welcher Kriterien eine Beeinträchtigung
des Angeklagten bei den Taten durch die krankhafte seelische Störung anzunehmen oder zu verneinen ist. Ohne dies ist die sachverständige Stellung-
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nahme, es gebe zwar Auffälligkeiten, aber diese reichten nicht aus, der sich
die Strafkammer ohne weitere eigene Erörterungen angeschlossen hat, nicht
nachvollziehbar. Eine nähere Auseinandersetzung wäre auch hinsichtlich der
Feststellung, der Angeklagte habe Symptome unterdrücken können, erforderlich gewesen. So ergibt sich weder, wie sich diese Symptome ausgewirkt,
noch, aufgrund welcher Umstände der Sachverständige von der Beherrschbarkeit derselben durch den Angeklagten ausgegangen ist.
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Von einer solchen Darstellung war das Landgericht auch nicht etwa im
Hinblick auf den „realen Bezug“ für die Auswahl des Opfers befreit. Denn
dies nimmt den Verlauf der Tat, insbesondere die sich steigernde Gewalt und
die zunehmende Demütigung des Opfers nicht hinreichend in den Blick.
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Bedenken begegnet darüber hinaus, dass das Fehlen von krankheitsbedingten Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit mit dem Verteidigungsverhalten des Angeklagten begründet wird. Geht die Strafkammer einerseits
noch davon aus, dass der Angeklagte wegen seines „Systems der doppelten
Buchführung“ psychotische Symptome krankheitsbedingt nicht offenbare,
knüpft sie andererseits an das Ausbleiben einer solchen Offenbarung ein
Beweisanzeichen gegen eine psychotische Beeinflussung.
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3. Das neue Tatgericht wird unter Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen die Schuldfähigkeit des Angeklagten umfassend neu zu prüfen
haben. § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO wird dabei zu beachten sein. Sollte es erneut eine Strafe gegen den Angeklagten verhängen, wird zu prüfen sein, inwieweit eine Gesamtstrafe mit der Freiheitsstrafe von sechs Monaten aus
dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 7. September 2007 zu
bilden ist. Eine zwischenzeitliche Vollstreckung dieser Strafe hätte unberücksichtigt zu bleiben, da grundsätzlich nach Aufhebung einer Gesamtstrafe in
der erneuten Verhandlung die Gesamtstrafbildung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1
StGB nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten
Verhandlung zu erfolgen hat, damit dem Revisionsführer ein erlangter
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Rechtsvorteil durch nachträgliche Gesamtstrafbildung nicht durch sein
Rechtsmittel genommen wird (BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Erledigung 1
und 2). Ob jedoch die Voraussetzungen für die Bildung einer Gesamtstrafe
vorliegen, kann der Senat nicht beurteilen, da für die der Verurteilung vom
7. September 2007 zugrunde liegende Tat der Begehungszeitpunkt nicht
mitgeteilt wird. Wäre diese vor der Verurteilung vom 24. Juli 2006 begangen
worden, käme dieser Verurteilung Zäsurwirkung zu und schiede eine Gesamtstrafbildung aus.
Basdorf
Raum
Schaal
Brause
Dölp