247 lines
12 KiB
Text
247 lines
12 KiB
Text
|
5 StR 294/00
|
|||
|
|
|||
|
BUNDESGERICHTSHOF
|
|||
|
BESCHLUSS
|
|||
|
vom 12. Dezember 2000
|
|||
|
in der Strafsache
|
|||
|
gegen
|
|||
|
|
|||
|
wegen Anstiftung zum versuchten Mord u. a.
|
|||
|
|
|||
|
-2-
|
|||
|
|
|||
|
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Dezember 2000
|
|||
|
beschlossen:
|
|||
|
|
|||
|
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
|
|||
|
Landgerichts Görlitz vom 20. Dezember 1999 nach § 349
|
|||
|
Abs. 4 StPO im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
|
|||
|
|
|||
|
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
|
|||
|
als unbegründet verworfen.
|
|||
|
|
|||
|
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
|
|||
|
Rechtsmittels, an das Landgericht Bautzen zurückverwiesen.
|
|||
|
|
|||
|
G r ü n d e
|
|||
|
|
|||
|
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen 13 von ihm im Zusammenhang mit der Geltendmachung einer Werklohnforderung
|
|||
|
|
|||
|
begangener
|
|||
|
|
|||
|
Straftaten, unter anderem wegen Anstiftung zum versuchten Mord und wegen versuchter räuberischer Erpressung, zu lebenslanger Freiheitsstrafe als
|
|||
|
Gesamtstrafe verurteilt. Daneben hat es die besondere Schwere der Schuld
|
|||
|
festgestellt. Die Revision des Angeklagten hat nur zum Strafausspruch Erfolg.
|
|||
|
|
|||
|
-3-
|
|||
|
|
|||
|
I.
|
|||
|
|
|||
|
Nach den Feststellungen des Landgerichts kam es zwischen dem Angeklagten und dem Geschäftsführer B
|
|||
|
folgenden A
|
|||
|
|
|||
|
der A
|
|||
|
|
|||
|
GmbH (im
|
|||
|
|
|||
|
) zu Meinungsverschiedenheiten über Restforderungen, die
|
|||
|
|
|||
|
der Angeklagte aus einem Generalunternehmervertrag für die Sanierung eines Mehrfamilienhauses geltend gemacht hatte. Um B
|
|||
|
beauftragte der Angeklagte 1996
|
|||
|
|
|||
|
M
|
|||
|
|
|||
|
einzuschüchtern,
|
|||
|
, von dem ihm be-
|
|||
|
|
|||
|
kannt war, daß dieser Anführer einer polnischen Bande war, die sich mit
|
|||
|
Schmuggel, Schutzgelderpressung und ähnlich schwerwiegenden Delikten
|
|||
|
befaßte, mit der Eintreibung seiner angeblichen Forderung; in Wirklichkeit
|
|||
|
standen ihm, wie er nach der Überzeugung des Landgerichts wußte, keinerlei Zahlungsansprüche zu. Im jeweiligen Einverständnis mit dem Angeklagten
|
|||
|
veranlaßte M
|
|||
|
|
|||
|
in der Folgezeit zahlreiche Drohungen, die B
|
|||
|
|
|||
|
entweder persönlich durch einen Mittelsmann überbracht wurden oder ihn
|
|||
|
telefonisch erreichten und die direkt oder indirekt auf die Forderungen des
|
|||
|
Angeklagten Bezug nahmen. Daneben ließ M
|
|||
|
|
|||
|
– ebenfalls im Auf-
|
|||
|
|
|||
|
trag des Angeklagten – drei Bombenanschläge auf Gebäude ausführen, die
|
|||
|
einen Bezug zur A
|
|||
|
|
|||
|
hatten. Obwohl die Bomben explodierten – in einem
|
|||
|
|
|||
|
Fall beim Versuch ihrer Entschärfung – kam nur in einem Fall ein Passant
|
|||
|
leicht zu Schaden, indem die Detonation bei ihm zu vorübergehenden Hörstörungen führte. Daneben bedrohte der Angeklagte B
|
|||
|
|
|||
|
auch selbst und
|
|||
|
|
|||
|
er veranlaßte über Dritte die Veröffentlichung eines von ihm verfaßten
|
|||
|
Schreibens in einer Tageszeitung, in dem Angehörigen und Geschäftspartnern der Firma A
|
|||
|
|
|||
|
mit weiteren Anschlägen gedroht wurde, falls sie ihre
|
|||
|
|
|||
|
Kontakte zu dieser Firma fortsetzen sollten.
|
|||
|
|
|||
|
II.
|
|||
|
|
|||
|
1. Die vom Beschwerdeführer erhobenen Verfahrensrügen sind teils
|
|||
|
unzulässig, teils unbegründet; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführun-
|
|||
|
|
|||
|
-4-
|
|||
|
|
|||
|
gen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 10. November 2000 verwiesen.
|
|||
|
|
|||
|
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge hat
|
|||
|
zum Schuldspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler
|
|||
|
aufgedeckt; sie führt jedoch zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.
|
|||
|
|
|||
|
a) Entgegen der Auffassung der Revision ist für sämtliche Bombenanschläge ein bedingter Tötungsvorsatz sowohl bei den unmittelbar handelnden unbekannten Haupttätern als auch beim Angeklagten hinreichend belegt.
|
|||
|
Nach den – auch von der Revision nicht in Zweifel gezogenen – Feststellungen des Landgerichts hätte die Sprengkraft einer jeden Bombe ausgereicht,
|
|||
|
einen in unmittelbarer Nähe des Sprengsatzes befindlichen Menschen zu
|
|||
|
töten. Um gleichwohl ernsthaft und nicht nur vage darauf vertrauen zu können, daß kein Mensch getötet würde (vgl. insoweit BGHSt 7, 363 ff.; BGHR
|
|||
|
StGB § 15 – Vorsatz, bedingter 1, 2, 7), hätten die Täter besondere Vorkehrungen treffen müssen, die eine Anwesenheit von Menschen am Tatort zum
|
|||
|
Explosionszeitpunkt verhinderten. Nach den getroffenen Feststellungen liegt
|
|||
|
ein solches Verhalten der Täter jedoch derart fern, daß es keiner gesonderten Erörterung bedurfte: In Fall 4 der Urteilsgründe stolperte der Zeuge B
|
|||
|
um 18.40 Uhr über eine Bombe, nachdem diese zehn bis zwanzig Minuten zuvor unmittelbar vor seinen Büroräumen unter der Fußmatte abgelegt
|
|||
|
worden war. Da die Täter bei dieser auffälligen Art der Plazierung mit der
|
|||
|
baldigen Entdeckung des Sprengsatzes rechnen mußten, liegt es gänzlich
|
|||
|
fern, daß sie den in Form eines Quarzweckers eingebauten Zeitzünder auf
|
|||
|
eine nächtliche Uhrzeit eingestellt hätten, um sicher zu gehen, daß bei der
|
|||
|
beabsichtigten Explosion zwar Sach-, aber keine Personenschäden angerichtet würden. In den Fällen 3 und 9 wurden die Sprengsätze im Eingangsbereich von Häusern abgelegt. Dort explodierten sie in Fall 3 um 22.45 Uhr,
|
|||
|
in Fall 9 zu einem vom Landgericht nicht näher bezeichneten Zeitpunkt, als
|
|||
|
sich zumindest eine Person in der näheren Umgebung des Hauses aufhielt.
|
|||
|
Da beide Sprengsätze mit Ausnahme der verwendeten Batterien “baugleich”
|
|||
|
|
|||
|
-5-
|
|||
|
|
|||
|
mit der in Fall 4 verwendeten Bombe waren (UA 39, 43) und jene mit einem
|
|||
|
Zeitzünder versehen war, ist ausgeschlossen, daß die Täter in den Fällen 3
|
|||
|
und 9 die Bomben jeweils mittels Funkzünder gezielt zu einem Zeitpunkt gezündet haben, als sich nach ihrer Beobachtung keine Menschen in unmittelbarer Umgebung der Sprengkörper aufhielten.
|
|||
|
|
|||
|
Für seine Überzeugung, daß auch der Angeklagte mit der Möglichkeit,
|
|||
|
daß durch die Bombenlegungen Menschen getötet würden, einverstanden
|
|||
|
war, hat das Landgericht – unter anderem – zutreffend auf Gespräche des
|
|||
|
Angeklagten mit dem Zeugen Y
|
|||
|
|
|||
|
(UA 89, 100) abgestellt.
|
|||
|
|
|||
|
b) Die Beweiswürdigung ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als
|
|||
|
das Landgericht einen auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Erpressungsvorsatz des Angeklagten grundsätzlich bejaht hat. Nachdem der Angeklagte das Sanierungsobjekt im “Rohbauzustand” zurückgelassen hatte, stellt
|
|||
|
es keinen Rechtsfehler dar, wenn sich das Landgericht die Überzeugung gebildet hat, daß dem Angeklagten für seine Teilleistungen kein Betrag zustand, der den für eine schlüsselfertige Gesamtsanierung nach Reduzierung
|
|||
|
(UA 30) vereinbarten Pauschalpreis nur geringfügig unterschritt, und daß der
|
|||
|
Angeklagte dies wußte oder doch zumindest für möglich hielt. Die jeweiligen
|
|||
|
Schuldsprüche sind damit rechtsfehlerfrei.
|
|||
|
|
|||
|
Die Ausführungen, mit denen das Landgericht begründet, der Angeklagte habe in Kenntnis des Fehlens jeglicher Ansprüche versucht,
|
|||
|
800.000 DM von dem Zeugen B
|
|||
|
|
|||
|
zu erpressen, halten dagegen rechtli-
|
|||
|
|
|||
|
cher Überprüfung nicht stand. Auch wenn die vom Angeklagten bis zur Kündigung des Vertrages durch die A
|
|||
|
|
|||
|
erbrachten Leistungen offensichtlich
|
|||
|
|
|||
|
nicht der vom Angeklagten erhobenen Restforderung von knapp 600.000 DM
|
|||
|
entsprachen, steht doch andererseits nicht fest, daß bereits sämtliche Leistungen des Angeklagten durch Abschlagszahlungen abgegolten waren. Waren noch Forderungen des Angeklagte offen, so mögen diesen aufrechenbare Schadensersatzforderungen der A
|
|||
|
|
|||
|
in mindestens gleicher Höhe ge-
|
|||
|
|
|||
|
-6-
|
|||
|
|
|||
|
genübergestanden haben, so daß der Angeklagte im Ergebnis keine Ansprüche mehr gegen die A
|
|||
|
|
|||
|
hatte. Da er jedoch “in völliger Fehleinschätzung
|
|||
|
|
|||
|
seiner eigenen Leistungsfähigkeit” im Geschäftsgebaren des Zeugen B
|
|||
|
|
|||
|
,
|
|||
|
|
|||
|
insbesondere in dessen schlechter Zahlungsmoral die Hauptursache für das
|
|||
|
Scheitern der beiderseitigen Zusammenarbeit sah, versteht sich nicht von
|
|||
|
selbst, daß dem Angeklagten das Fehlen jeglicher Zahlungsansprüche auch
|
|||
|
bewußt war. Hätte er – wenn auch irrig – geglaubt, jedenfalls einen Teilbetrag der in der “Schlußrechnung” erhobenen Gesamtforderung zurecht zu
|
|||
|
beanspruchen, wäre dies bei der Strafzumessung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen gewesen.
|
|||
|
|
|||
|
Ferner ist das Landgericht insoweit von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen, als es dem Angeklagten die Geltendmachung von
|
|||
|
800.000 DM angelastet hat. Zwar war nach den Urteilsfeststellungen im Gespräch zwischen dem Angeklagten und M
|
|||
|
|
|||
|
von diesem Betrag die
|
|||
|
|
|||
|
Rede; er ist jedoch, wie die Revision mit Recht hervorhebt, von dem Zeugen
|
|||
|
B
|
|||
|
|
|||
|
bei keinem Erpressungsversuch verlangt worden. Vielmehr ist bei
|
|||
|
|
|||
|
sämtlichen Drohungen, mit denen der Zeuge B
|
|||
|
|
|||
|
zur Zahlung veranlaßt
|
|||
|
|
|||
|
werden sollte, jeweils direkt oder indirekt auf den vom Angeklagten in seiner
|
|||
|
“Schlußrechnung” geltend gemachten Betrag Bezug genommen worden.
|
|||
|
|
|||
|
c) Bedenken begegnet die Strafzumessung des Landgerichts auch in
|
|||
|
Bezug auf die bei den versuchten Tötungsdelikten versagte Strafrahmenverschiebung, die zur Verhängung von drei lebenslangen Einzelfreiheitsstrafen
|
|||
|
geführt hat.
|
|||
|
|
|||
|
Die rechtsfehlerfreie Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB verlangt eine
|
|||
|
Gesamtschau, die neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im
|
|||
|
weitesten Sinne und dabei insbesondere die versuchsbezogenen Gesichtspunkte einbezieht, wie Nähe zur Tatvollendung, Gefährlichkeit des Versuchs
|
|||
|
und eingesetzte kriminelle Energie (vgl. BGHSt 16, 351, 353; 35, 347, 355 f.;
|
|||
|
BGHR StGB § 23 Abs. 2 – Strafrahmenverschiebung 1, 2, 4, 8, 9 und 11).
|
|||
|
|
|||
|
-7-
|
|||
|
|
|||
|
Eine sorgfältige Abwägung dieser Umstände, auch soweit sie für den Täter
|
|||
|
sprechen, ist namentlich dann geboten, wenn von der Entschließung über die
|
|||
|
versuchsbedingte Milderung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe
|
|||
|
abhängt (BGHR StGB § 23 Abs. 2 – Strafrahmenverschiebung 8 und 12
|
|||
|
m.w.N.).
|
|||
|
|
|||
|
Das Landgericht war sich dieser Erfordernisse im Grundsatz bewußt,
|
|||
|
hat sie aber nicht in allen Belangen hinreichend berücksichtigt. So hat es auf
|
|||
|
die – abstrakt zweifellos vorhandene – Gefährlichkeit der drei Sprengstoffanschläge hingewiesen, dabei aber nicht gewertet, daß eine konkrete Lebensgefahr in keinem Fall bestanden hat. Da Personen bei den vom Angeklagten
|
|||
|
veranlaßten Anschlägen entweder überhaupt nicht oder nur verhältnismäßig
|
|||
|
geringfügig zu Schaden gekommen sind, lag die Vollendung der Taten – anders als in Fällen, in denen Menschen schwerwiegende Gesundheitsschäden
|
|||
|
erlitten haben oder ihr Leben nur durch Notoperationen gerettet werden
|
|||
|
konnte (vgl. BGHR StGB § 23 Abs. 2 – Strafrahmenverschiebung 8) – nicht
|
|||
|
ganz nah. Zudem sind die ausgebliebenen Personenschäden zwar letztlich
|
|||
|
dem Zufall zu verdanken, jedoch war die von den Sprengsätzen ausgehende
|
|||
|
Gefahr durch deren jeweilige Konstruktion zumindest eingeschränkt. Bei
|
|||
|
sämtlichen Taten war der Sprengstoff so dosiert, daß die Explosion nur für
|
|||
|
einen in unmittelbarer Nähe befindlichen Menschen lebensbedrohlich war.
|
|||
|
Dieser Umstand läßt Schlüsse auf eine geringere kriminelle Intensität des
|
|||
|
dem Angeklagten als Anstifter zuzurechnenden Verhaltens der Haupttäter
|
|||
|
zu, die das Landgericht unbeachtet gelassen hat.
|
|||
|
|
|||
|
d) Angesichts dieser Wertungsfehler kann die Verhängung lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe, zumal unter Bejahung der besonderen Schwere
|
|||
|
der Schuld, auch unter Berücksichtigung der gesamten Vorgehensweise des
|
|||
|
Angeklagten, die zum einen geprägt war durch seine Verbitterung über den
|
|||
|
gescheiterten beruflichen Neubeginn, zum anderen durch erheblich straferschwerende Umstände, wie die Einbindung einer kriminellen Organisation in
|
|||
|
seine Straftaten und die Gefährdung und Verunsicherung einer Vielzahl an
|
|||
|
|
|||
|
-8-
|
|||
|
|
|||
|
seinem persönlichen Schicksal völlig unbeteiligter Personen, nicht bestehen
|
|||
|
bleiben.
|
|||
|
|
|||
|
Der Senat hebt den gesamten Strafausspruch auf, um den neuen
|
|||
|
Tatrichter die Möglichkeit einer umfassenden Neufestsetzung der Strafen zu
|
|||
|
geben.
|
|||
|
|
|||
|
Angesichts der stets ergebnislos auf dieselbe Forderung gerichteten
|
|||
|
Nötigungs- und Erpressungsversuche wird sich anbieten, das Verfahren in
|
|||
|
Anwendung von §§ 154, 154a StPO auf die Aburteilung der drei Sprengstoffanschläge zu beschränken. Soweit es dabei auf den vom Angeklagten
|
|||
|
zu Unrecht angestrebten Vermögensvorteil ankommt, wird dieser unter Bedacht auf den Zweifelsgrundsatz im Wege der Schätzung zu ermitteln sein.
|
|||
|
|
|||
|
Harms
|
|||
|
|
|||
|
Basdorf
|
|||
|
Raum
|
|||
|
|
|||
|
Tepperwien
|
|||
|
Brause
|
|||
|
|
|||
|
|