136 lines
6.4 KiB
Text
136 lines
6.4 KiB
Text
|
5 StR 240/01
|
|||
|
|
|||
|
BUNDESGERICHTSHOF
|
|||
|
IM NAMEN DES VOLKES
|
|||
|
URTEIL
|
|||
|
vom 10. Juli 2001
|
|||
|
in der Strafsache
|
|||
|
gegen
|
|||
|
|
|||
|
wegen sexueller Nötigung u. a.
|
|||
|
|
|||
|
-2-
|
|||
|
|
|||
|
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Juli 2001, an der teilgenommen haben:
|
|||
|
|
|||
|
Vorsitzende Richterin Harms,
|
|||
|
|
|||
|
Richter Basdorf,
|
|||
|
Richterin Dr. Tepperwien,
|
|||
|
Richter Dr. Raum,
|
|||
|
Richter Dr. Brause
|
|||
|
|
|||
|
als beisitzende Richter,
|
|||
|
|
|||
|
Richterin am Landgericht
|
|||
|
|
|||
|
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
|
|||
|
|
|||
|
Rechtsanwältin
|
|||
|
|
|||
|
als Verteidigerin,
|
|||
|
|
|||
|
Justizangestellte
|
|||
|
|
|||
|
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
|
|||
|
|
|||
|
-3-
|
|||
|
|
|||
|
für Recht erkannt:
|
|||
|
|
|||
|
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. Januar 2001 wird verworfen.
|
|||
|
|
|||
|
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die
|
|||
|
den Nebenklägerinnen hierdurch entstandenen notwendigen
|
|||
|
Auslagen zu tragen.
|
|||
|
|
|||
|
– Von Rechts wegen –
|
|||
|
|
|||
|
Gründe
|
|||
|
|
|||
|
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in
|
|||
|
zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu vier
|
|||
|
Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
|
|||
|
|
|||
|
1. Am 20. August 2000 überfiel der 22jährige unbestrafte Angeklagte
|
|||
|
nachts kurz nach 23 Uhr in Berlin-Hellersdorf auf dunkler Straße im Abstand
|
|||
|
von zehn Minuten zwei junge Frauen. Der Angeklagte war beträchtlich alkoholisiert mit höchstens 2,42 ‰ und infolgedessen möglicherweise in seiner
|
|||
|
Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. An die 17jährige
|
|||
|
|
|||
|
S
|
|||
|
|
|||
|
trat er von hinten heran, hielt ihr Mund und Augen zu, brachte sie zu Boden
|
|||
|
und berührte die sich heftig wehrende junge Frau kräftig und nachhaltig über
|
|||
|
der Kleidung im Schambereich. Er versuchte, sie am Tragriemen ihres
|
|||
|
Rucksacks ins Gebüsch zu ziehen. Sie konnte durch Preisgabe des Rucksacks entfliehen. Kurz danach umfaßte der Angeklagte von hinten den Hals
|
|||
|
|
|||
|
-4-
|
|||
|
|
|||
|
der 15jährigen
|
|||
|
|
|||
|
N
|
|||
|
|
|||
|
, hielt ihr den Mund zu, brachte sie zu Boden, öff-
|
|||
|
|
|||
|
nete ihre Hose und berührte sie unter der Kleidung am Unterleib und an der
|
|||
|
Brust. Der Angeklagte entfernte sich, als eine Frau, die sein Vorgehen bemerkt hatte, Einhalt gebot.
|
|||
|
|
|||
|
2. Der Schuldspruch ist rechtsfehlerfrei. Auch im ersten Fall überschreitet die sexualbezogene Handlung des Angeklagten die Erheblichkeitsschwelle des § 184c Nr. 1 StGB.
|
|||
|
|
|||
|
Die Überprüfung des Strafausspruchs ergibt gleichfalls keinen
|
|||
|
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Zwar sind die Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren und drei Monaten im ersten und von drei Jahren
|
|||
|
und drei Monaten im zweiten Fall ebenso wie die Gesamtstrafe hoch. Die
|
|||
|
Sanktionierung überschreitet gleichwohl noch nicht eindeutig das Maß des
|
|||
|
Schuldangemessenen, so daß nicht etwa ein Rechtsfehler allein im Blick auf
|
|||
|
die Strafhöhe festzustellen ist. Die Strafzumessungsgründe im angefochtenen Urteil sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
|
|||
|
|
|||
|
a) Die Strafrahmenwahl des Landgerichts, das minder schwere Fälle
|
|||
|
(§ 177 Abs. 5 StGB) abgelehnt und den Strafrahmen des § 177 Abs. 1
|
|||
|
(i.V.m. § 52 Abs. 2) StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert hat, ist
|
|||
|
rechtsfehlerfrei begründet.
|
|||
|
|
|||
|
Das Landgericht hat die – identische – Begründung für Strafrahmenwahl und allgemeine Strafzumessung zusammengefaßt. Dieser sachgerechte Aufbau der Strafzumessungserwägungen ergibt eindeutig, daß das
|
|||
|
Landgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des “vertypten” Milderungsgrundes aus § 21 StGB bei der Strafrahmenwahl mitbedacht hat.
|
|||
|
|
|||
|
Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht minder schwere Fälle maßgeblich im Blick auf das Tatbild abgelehnt, das in beiden Fällen gleichermaßen
|
|||
|
|
|||
|
-5-
|
|||
|
|
|||
|
von dem für die Opfer außerordentlich beängstigenden gewaltsamen Vorgehen des Angeklagten in der konkreten Tatsituation geprägt war. Daß das
|
|||
|
Landgericht demgegenüber den eher geringen Grad der spezifisch sexualbezogenen Rechtsgutverletzungen unerwähnt gelassen hat, begründet nicht
|
|||
|
die Besorgnis, es könne diesen Umstand übersehen haben; es durfte ihn vor
|
|||
|
dem Hintergrund des gesamten Tatbildes als nicht bestimmenden Strafzumessungsgrund ansehen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Zwar hat sich das
|
|||
|
Landgericht, obgleich der Angeklagte in beiden Fällen bei der Tatausführung gestört worden ist, nicht davon überzeugt, daß er intensivere
|
|||
|
sexuelle Handlungen erstrebte. Dennoch begründete die Art seines Vorgehens, das er bewußt gewählt und damit zu verantworten hat, bei beiden Geschädigten die berechtigte Furcht, Opfer einer brutalen Vergewaltigung
|
|||
|
durch einen Unbekannten zu werden.
|
|||
|
|
|||
|
b) Auch sonst enthält das Urteil keine rechtsfehlerhaften Strafzumessungserwägungen. Das Landgericht durfte dem Angeklagten die Massivität
|
|||
|
der konkret angewandten Gewalt ohne Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB
|
|||
|
anlasten. Die Bewertung besonders massiver Gewalt ist hier zwar nicht aufgrund physischer Verletzungen der Opfer gerechtfertigt, indes ohne weiteres
|
|||
|
aufgrund der überraschenden und außerordentlich beängstigenden Vorgehensweise des Angeklagten in der konkreten Tatsituation. Für die Geschädigten belastende Umstände der Taten, nämlich deren Ausführung zur
|
|||
|
Nachtzeit auf einsamer Straße und die körperliche Unterlegenheit der attakkierten jungen Frauen, durften dem Angeklagten trotz seines spontanen
|
|||
|
Entschlusses zur Tatbegehung als gleichwohl verschuldete negative Faktoren der Art der Ausführung und der Auswirkungen der Tat angelastet werden
|
|||
|
(§ 46 Abs. 2 StGB).
|
|||
|
|
|||
|
c) Der Senat hat erwogen, ob die im Urteil abschließend angestellten Anmerkungen zu notwendiger Therapierung des Angeklagten befürchten
|
|||
|
lassen, das Landgericht könne die Sanktionierung jenseits von zulässiger
|
|||
|
|
|||
|
-6-
|
|||
|
|
|||
|
Ausrichtung an der Schuld des Angeklagten maßgeblich im Blick auf die erwartete Dauer einer zu seiner Resozialisierung als geboten angesehenen
|
|||
|
Therapie besonders hoch bemessen haben. Indes rechtfertigt allein die Höhe der gravierenden, aber nicht als nicht mehr schuldangemessen zu bewertenden Bestrafung solche Besorgnis nicht; der Aufbau des Urteils steht
|
|||
|
ihr entgegen. Die entsprechenden Erwägungen sind vielmehr ersichtlich als
|
|||
|
sachgerechte Anregung für die konkrete Ausgestaltung eines individuell auf
|
|||
|
die Bedürfnisse des Angeklagten im Interesse der Allgemeinheit zugeschnittenen Strafvollzuges zu verstehen. Sofern sich eine Therapie – namentlich auch durch aktive Mitwirkung des Angeklagten – verwirklichen lassen sollte, wird hierin möglicherweise zu gegebener Zeit ein besonderer
|
|||
|
Grund für eine Aussetzung des Strafrestes bereits nach hälftiger Verbüßung
|
|||
|
gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB zu finden sein.
|
|||
|
|
|||
|
Harms
|
|||
|
|
|||
|
Basdorf
|
|||
|
Raum
|
|||
|
|
|||
|
Tepperwien
|
|||
|
Brause
|
|||
|
|
|||
|
|