49 lines
2.3 KiB
Text
49 lines
2.3 KiB
Text
|
BUNDESGERICHTSHOF
|
|||
|
BESCHLUSS
|
|||
|
4 StR 577/09
|
|||
|
|
|||
|
vom
|
|||
|
11. Februar 2010
|
|||
|
in der Strafsache
|
|||
|
gegen
|
|||
|
|
|||
|
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der
|
|||
|
Sicherungsverwahrung
|
|||
|
|
|||
|
-2-
|
|||
|
|
|||
|
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat beschlossen:
|
|||
|
|
|||
|
Die Entscheidung über die Revision des Betroffenen gegen das Urteil
|
|||
|
des Landgerichts Saarbrücken vom 17. Juli 2009, mit dem gem. § 66b
|
|||
|
Abs. 3 StGB die nachträgliche Sicherungsverwahrung gegen den Betroffenen angeordnet worden ist, wird zurückgestellt.
|
|||
|
Zwar hat das Landgericht die Voraussetzungen des § 66b Abs. 3 StGB
|
|||
|
nach vorläufiger Einschätzung des Senats zu Recht als erfüllt angesehen. Die Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
|
|||
|
hat aber in der Rechtssache M. gegen Bundesrepublik Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 19359/04) am 17. Dezember 2009 entschieden,
|
|||
|
die Sicherungsverwahrung sei - ungeachtet ihrer Bezeichnung im deutschen Recht als “Maßregel der Besserung und Sicherung“ - als Strafe
|
|||
|
i.S.d. Art. 7 Abs. 1 MRK anzusehen. Dann aber verstieße die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung im vorliegenden Fall gegen
|
|||
|
das Rückwirkungsverbot der Menschenrechtskonvention. Denn die Anlasstat ist eine gefährliche Körperverletzung, die der Betroffene am
|
|||
|
23. Februar 1990 nicht ausschließbar im Zustand der Schuldunfähigkeit
|
|||
|
begangen hat und deretwegen er durch Urteil des Landgerichts Trier
|
|||
|
vom 28. Februar 1991 nach § 63 StGB im psychiatrischen Krankenhaus
|
|||
|
untergebracht worden ist. Weder nach dem Tatzeitrecht noch nach dem
|
|||
|
Recht zum Zeitpunkt der Anlassunterbringung kam die Anordnung der
|
|||
|
Sicherungsverwahrung gegen den Betroffenen in Betracht. § 66b Abs. 3
|
|||
|
StGB wurde erst durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen
|
|||
|
Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (BGBl. I 1838), in Kraft getreten am 29. Juli 2004, in das Strafgesetzbuch eingefügt. Angesichts des
|
|||
|
|
|||
|
-3-
|
|||
|
|
|||
|
Gebots der konventionskonformen Auslegung des nationalen Rechts
|
|||
|
- hier § 2 Abs. 6 StGB - sieht sich der Senat daher zur Zeit gehalten, von
|
|||
|
einer Entscheidung über die Bestandskraft der Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung jedenfalls solange abzusehen, bis der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Frage des Strafcharakters von Sicherungsverwahrung in der genannten Rechtssache endgültig
|
|||
|
i.S.d. Art. 44 MRK entschieden hat.
|
|||
|
Tepperwien
|
|||
|
|
|||
|
Athing
|
|||
|
Ernemann
|
|||
|
|
|||
|
Solin-Stojanović
|
|||
|
Franke
|
|||
|
|
|||
|
|