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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 470/04
vom
21. Dezember 2005
Nachschlagewerk: ja
BGHSt:
ja
Veröffentlichung: ja
_________________
StGB § 266 Abs. 1
AktG § 87 Abs. 1, § 93 Abs. 1 Satz 1, § 112, § 116 Satz 1
1. Bewilligt der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft für eine erbrachte dienstvertraglich geschuldete Leistung einem Vorstandsmitglied nachträglich eine zuvor im
Dienstvertrag nicht vereinbarte Sonderzahlung, die ausschließlich belohnenden
Charakter hat und dem Unternehmen keinen zukunftsbezogenen Nutzen bringt
(kompensationslose Anerkennungsprämie), liegt hierin eine treupflichtwidrige
Schädigung des anvertrauten Gesellschaftsvermögens.
2. Die zur Erfüllung des Tatbestandes der Untreue erforderliche Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht muss auch bei unternehmerischen Entscheidungen eines Gesellschaftsorgans nicht zusätzlich "gravierend" sein (Klarstellung zu BGHSt
47, 148 und 187).
BGH, Urt. vom 21. Dezember 2005 - 3 StR 470/04 - LG Düsseldorf
in der Strafsache
gegen
-21. Prof. Dr. Dr. h. c. Joachim Alexander F u n k
2. Klaus Z w i c k e l
3.
L.
4. Dr. Klaus E s s e r
5. Dr. Josef A c k e r m a n n
6. Dr.
D.
wegen Untreue
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
20. und 21. Oktober 2005 in der Sitzung am 21. Dezember 2005, an denen
teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Winkler,
von Lienen,
Becker
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
und
-3-
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Prof. Dr.
als Verteidiger des Angeklagten Prof. Dr. Dr. h. c. Funk,
Rechtsanwalt Prof. Dr.
und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Zwickel,
Rechtsanwalt Dr.
als Verteidiger des Angeklagten L.,
Rechtsanwalt Dr.
und
Rechtsanwalt Prof. Dr.
als Verteidiger des Angeklagten Dr. Esser,
Rechtsanwalt
und
Prof. Dr.
als Verteidiger des Angeklagten Dr. Ackermann,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Dr. D.
Justizangestellte
,
in der Verhandlung vom
20. und 21. Oktober 2005,
Justizamtsinspektor
bei der Verkündung vom
21. Dezember 2005
-4-
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
-5-
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Düsseldorf vom 22. Juli 2004 wird
1. das Verfahren im Fall II. 6. der Urteilsgründe ("TOPP-200Beschluss") eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die
Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last;
2. das vorgenannte Urteil in den weiteren Fällen mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
1
Die Staatsanwaltschaft hat den Angeklagten Prof. Dr. Funk, Dr. Ackermann, Zwickel und L.
mit der Anklage vorgeworfen, als Mitglieder des
Aufsichtsratsausschusses für Vorstandsangelegenheiten (Präsidium) der früheren Mannesmann AG im engen zeitlichen Zusammenhang mit deren Übernahme durch das britische Telekommunikationsunternehmen Vodafone Airtouch
plc (im folgenden: Vodafone) durch Zuerkennung freiwilliger Sonderzahlungen
und Abgeltung von Pensionsansprüchen Untreue zum Nachteil der Mannes-
-6-
mann AG begangen zu haben. Die Angeklagten Dr. Esser - damals Vorstandsvorsitzender - und Dr. D.
- damals Leiter der für die Betreuung der aktiven
Vorstandsmitglieder zuständigen Abteilung - sollen mehrere der Taten durch
die Vorbereitung von Beschlüssen und deren Umsetzung unterstützt haben.
Den an den Entscheidungen beteiligten Präsidiumsmitgliedern soll bewusst
gewesen sein, dass die Sonderzahlungen, die als Anerkennungsprämien für in
der Vergangenheit erbrachte besondere Leistungen bezeichnet wurden, tatsächlich bezweckt hätten, die freundliche Übernahme durch Vodafone zu fördern und die Empfänger unrechtmäßig zu bereichern.
2
Das Landgericht hat alle Angeklagten freigesprochen. Dagegen wendet
sich die Revision der Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung formellen
und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt im Fall II. 6. der Urteilsgründe
("TOPP-200-Beschluss") zur Einstellung des Verfahrens, in den übrigen Fällen
zur Aufhebung der Freisprüche.
3
A. Anerkennungsprämien für den Vorstandsvorsitzenden Dr. Esser und
vier weitere Vorstandsmitglieder
4
I. Zur Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone und zu den Beschlüssen über die Anerkennungsprämien hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
5
Ab November 1999 versuchten der Angeklagte Dr. Esser und seine Mitarbeiter eine Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone abzuwehren
und deren wirtschaftliche Selbständigkeit zu erhalten. Nach einem harten
Übernahmekampf kam es Anfang Februar 2000 zu einer Einigung der Vertreter
-7-
beider Unternehmen über die Bedingungen einer einvernehmlichen Übernahme, nachdem ein verbessertes Umtauschverhältnis für die Aktien der Mannesmann AG erzielt worden war. Bis zum 4. Februar 2000 wurden von den Aktionären 21 %, bis zum 28. Februar 2000 90,2 % und bis zum 29. März 2000
98,66 % des Grundkapitals der Mannesmann AG in Aktien von Vodafone umgetauscht. Die Aktionäre, die keinen freiwilligen Aktienumtausch vorgenommen
hatten, wurden im Jahre 2002 abgefunden. Danach war Vodafone Alleininhaberin aller Aktien der Mannesmann AG, die anschließend in die Vodafone Holding GmbH umgewandelt wurde.
6
Kurz nach der Entscheidung über die einvernehmliche Übernahme befasste sich das bis Mitte April 2000 aus den Angeklagten Prof. Dr. Funk,
Dr. Ackermann, Zwickel und L.
bestehende Präsidium der Mannesmann
AG, das bei einer Beteiligung von mindestens drei Mitgliedern beschlussfähig
war und mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen entschied, mit
der Zuerkennung freiwilliger Anerkennungsprämien ("appreciation awards") an
den Vorstandsvorsitzenden Dr. Esser, vier weitere Vorstandsmitglieder und den
früheren Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Funk. Dem lag ein Vorschlag der
Hutchison Whampoa Ltd zugrunde, die als Großaktionärin 10 % des Grundkapitals der Mannesmann AG hielt. Die Geschäftsleitung von Vodafone hatte ihr
Einverständnis erklärt.
7
Die Anerkennungsprämie für den Angeklagten Dr. Esser in Höhe von ca.
16 Mio. € (10 Mio. GBP), die er zusätzlich zu vertraglich vereinbarten Abfindungen von knapp 15 Mio. € wegen seines Ausscheidens als Vorstandsvorsitzender der Mannesmann AG und neben weiteren 2 Mio. € zur Abgeltung verschiedener Sachansprüche erhielt, wurde am 4. Februar 2000 von den bei der Präsidiumssitzung anwesenden Angeklagten Prof. Dr. Funk und Dr. Ackermann
-8-
vereinbart. Sie wollten damit insbesondere die Verdienste des Angeklagten
Dr. Esser für die Mannesmann AG als Finanzvorstand im Zeitraum 1994 bis
Ende Mai 1999 und als Vorstandsvorsitzender seit Ende Mai 1999 im Hinblick
auf die gute Ertragslage des Unternehmens, die Steigerung des Aktien- und
Unternehmens-wertes sowie die Leistungen im Übernahmekampf würdigen und
angemessen entlohnen. Der Angeklagte Zwickel nahm telefonisch an der Abstimmung teil. Er war mit der Bewilligung der Prämie einverstanden, enthielt
sich aber der Stimme, weil er die Prämienzahlungen nicht als Angelegenheit
der von ihm im Aufsichtsrat vertretenen Arbeitnehmer betrachtete. In der Folgezeit wurde der Beschluss vom 4. Februar 2000 durch weitere Beschlüsse
sprachlich geändert und präzisiert, ohne dass damit eine inhaltliche Veränderung verbunden war.
8
In der Präsidiumssitzung vom 17. Februar 2000 beschlossen die Angeklagten Prof. Dr. Funk, Dr. Ackermann und Zwickel, der sich wiederum der
Stimme enthielt, die Gewährung von freiwilligen Anerkennungsprämien für vier
weitere Vorstandsmitglieder. Die Begünstigten, von denen zwei erst seit wenigen Tagen dem Vorstand angehörten, sollten wegen ihrer Beiträge zum Erfolg
des Telekommunikationsbereiches der Mannesmann AG und zur Steigerung
des Unternehmenswertes - zusätzlich zu den in den Dienstverträgen vereinbarten Bezügen - mit Zahlungen in Höhe von ca. 1,89 Mio. €, 1,38 Mio. €, 1,02
Mio. € und 770.000 € bedacht werden. Die Dauer ihrer zukünftigen Tätigkeit für
die Mannesmann AG war dabei ohne Bedeutung. Drei der vier begünstigten
Vorstandsmitglieder verließen am 31. Juli 2000 das Unternehmen.
9
Die an den Beschlüssen beteiligten Präsidiumsmitglieder, also die Angeklagten Prof. Dr. Funk, Dr. Ackermann und Zwickel - der Angeklagte L.
wirkte nicht mit -, gingen bei ihren Entscheidungen davon aus, sich im Rahmen
-9-
eines ihnen insoweit eingeräumten unternehmerischen Ermessensspielraums
zu bewegen und hielten daher ihr Handeln für erlaubt. Der Angeklagte Zwickel
wusste, dass die Beschlüsse nur mit seiner Teilnahme an den Abstimmungen
zustande kommen würden, und wollte dies durch seine Stimmenthaltungen erreichen. Die Prämien, die der Mannesmann AG keinen Vorteil brachten, wurden in der Folgezeit an die Begünstigten ausbezahlt.
10
II. Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist das Landgericht der Auffassung, die Angeklagten Prof. Dr. Funk, Dr. Ackermann und Zwickel hätten
den Tatbestand der Untreue nicht erfüllt. Zwar hätten sie aktienrechtlich pflichtwidrig gehandelt und die ihnen gegenüber der Mannesmann AG obliegende
Vermögensbetreuungspflicht verletzt, weil in der konkreten Situation der bereits
vereinbarten Übernahme die Anerkennungsprämien nicht im Interesse der
Mannesmann AG gelegen hätten und für ihre Bewilligung deshalb kein Ermessensspielraum bestanden habe. Die erfolgreiche Tätigkeit der Begünstigten,
ihre Leistungen während des Übernahmekampfes und die während der Integrationsphase noch zu bewältigenden Aufgaben seien durch die dienstvertraglich
vereinbarten Vergütungen abgegolten gewesen. Die Prämienzahlungen hätten
auch keinen Leistungsanreiz für aktive oder zukünftige Führungskräfte oder
einen sonstigen Nutzen für das Unternehmen mehr entfalten können. Jedoch
sei eine gravierende Pflichtverletzung, die bei risikoreichen unternehmerischen
Entscheidungen Voraussetzung für die Strafbarkeit wegen Untreue sei, bei einer Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände zu verneinen. Da bereits eine
Haupttat fehle, hätten sich die Angeklagten Dr. Esser und Dr. D
nicht we-
gen Beihilfe zur Untreue strafbar gemacht.
11
III. Dies hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat den objektiven Tatbestand der Untreue rechtsfehlerhaft verneint.
- 10 -
12
1. Ausgehend von den Urteilsfeststellungen haben die Angeklagten Prof.
Dr. Funk, Dr. Ackermann und Zwickel durch die Zuerkennung der für die Gesellschaft nutzlosen Anerkennungsprämien ihre Vermögensbetreuungspflicht
im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB gegenüber der Mannesmann AG verletzt und
dieser dadurch einen Vermögensnachteil zugefügt.
13
a) Die Mitglieder des Präsidiums, das die Aktiengesellschaft gegenüber
den Vorstandsmitgliedern vertritt (§ 84 Abs. 1, § 87 Abs. 1 Satz 1, § 107 Abs. 3
Satz 1 und 2, § 112 AktG i. V. m. der Satzung), haben bei Entscheidungen über
die inhaltliche Ausgestaltung der Dienstverträge mit den Vorstandsmitgliedern
und über deren Bezüge eine Vermögensbetreuungspflicht, die aus ihrer Stellung als Verwalter des für sie fremden Vermögens der Aktiengesellschaft folgt.
Nach den Vorgaben des Aktienrechts müssen sie bei allen Vergütungsentscheidungen im Unternehmensinteresse (zu den dabei neben dem wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft zu berücksichtigenden Interessen vgl. Hüffer,
AktG 6. Aufl. § 76 Rdn. 12) handeln, insbesondere den Vorteil der Gesellschaft
wahren und Nachteile von ihr abwenden (vgl. BGHZ 135, 244, 253; Hüffer,
AktG § 84 Rdn. 9, § 93 Rdn. 4, 5, § 116 Rdn. 4). Das Gebot, alle Maßnahmen
zu unterlassen, die den Eintritt eines sicheren Vermögensschadens bei der Gesellschaft zur Folge haben, gehört - ohne dass es dazu weiterer gesetzlicher
oder rechtsgeschäftlicher Regelungen bedürfte - zu den Treuepflichten, die ein
ordentliches und gewissenhaftes Präsidiumsmitglied (§ 93 Abs. 1 Satz 1, § 116
Satz 1 AktG) zwingend zu beachten hat. Diese aktienrechtliche Pflicht stellt sich
im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB als Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen dar (vgl. BGHSt 47, 187, 200 f. m. w. N.).
14
b) Diese ihnen obliegende Vermögensbetreuungspflicht haben die Präsidiumsmitglieder Prof. Dr. Funk, Dr. Ackermann und Zwickel verletzt.
- 11 -
15
aa) Allerdings beinhaltet nicht jede Vergütungsentscheidung des Präsidiums, die im Ergebnis zu einer Schädigung der Aktiengesellschaft führt, eine
Pflichtverletzung. Denn auch hierbei handelt es sich um unternehmerische Führungs- und Gestaltungsaufgaben, für die in der Regel ein weiter Beurteilungsund Ermessensspielraum eröffnet ist. Die Anerkennung eines solchen weiten
Handlungsspielraums findet ihre Rechtfertigung darin, dass unternehmerische
Entscheidungen regelmäßig aufgrund einer zukunftsbezogenen Gesamtabwägung von Chancen und Risiken getroffen werden müssen, die wegen ihres
Prognosecharakters die Gefahr erst nachträglich erkennbarer Fehlbeurteilungen enthält. Deshalb ist eine Pflichtverletzung nicht gegeben, solange die
Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der
Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen
muss, nicht überschritten sind (vgl. BGHZ 135, 244, 253 f.; 111, 224, 227;
BGHSt 46, 30, 34 f.; 47, 148, 149 f.; 47, 187, 192).
16
bb) Soweit es um die Bewilligung nachträglicher Sonderzahlungen für
dienstvertraglich geschuldete Leistungen geht, gilt:
17
(1) Ist im Dienstvertrag vereinbart, dass eine an den Geschäftserfolg
gebundene einmalige oder jährlich wiederkehrende Prämie als variabler Bestandteil der Vergütung (vgl. die Empfehlungen des Deutschen Corporate
Governance Kodex 4.2.3.) bezahlt wird, darf sie nach Ablauf des Geschäftsjahres nachträglich zuerkannt werden. Der weite Beurteilungs- und Ermessensspielraum der Präsidiumsmitglieder ist als Ausfluss ihrer Vermögensbetreuungspflicht nur insoweit eingeschränkt, als die Gesamtbezüge des bedachten
Vorstandsmitglieds gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG in einem angemessenen
Verhältnis zu seinen Aufgaben und zur Lage der Gesellschaft stehen müssen
- 12 -
(vgl. zu den Maßstäben des Angemessenheitsgebots Fleischer DStR 2005,
1279, 1280 ff., 1321).
18
(2) Auch bei fehlender Rechtsgrundlage im Dienstvertrag ist die Bewilligung einer nachträglichen Anerkennungsprämie zulässig, wenn und soweit
dem Unternehmen gleichzeitig Vorteile zufließen, die in einem angemessenen
Verhältnis zu der mit der freiwilligen Zusatzvergütung verbundenen Minderung
des Gesellschaftsvermögens stehen. Dies kommt insbesondere in Betracht,
wenn die freiwillige Sonderzahlung entweder dem begünstigten Vorstandsmitglied selbst oder zumindest anderen aktiven oder potentiellen Führungskräften
signalisiert, dass sich außergewöhnliche Leistungen lohnen, von ihr also eine
für das Unternehmen vorteilhafte Anreizwirkung ausgeht. Unter dem Gesichtspunkt einer Anreizwirkung für Dritte erscheint die Zuwendung einer freiwilligen
Anerkennungsprämie auch an ein Vorstandsmitglied denkbar, das demnächst
aus der Gesellschaft ausscheidet (vgl. Hefermehl/Spindler in MünchKommAktG 2. Aufl. § 87 Rdn. 15; Rönnau/Hohn NStZ 2004, 113, 119 f.; Fleischer
aaO 1320 f.). In all diesen Fällen wird aber dem Angemessenheitsgebot des
§ 87 Abs. 1 Satz 1 AktG besondere Bedeutung zukommen. Welche Grenzen
sich daraus für die Höhe einer Prämie ergeben, entzieht sich generalisierender
Betrachtung und bedarf hier angesichts der Besonderheiten des zu entscheidenden Falles keiner näheren Erörterung.
19
(3) Eine im Dienstvertrag nicht vereinbarte Sonderzahlung für eine geschuldete Leistung, die ausschließlich belohnenden Charakter hat und der Gesellschaft keinen zukunftsbezogenen Nutzen bringen kann (kompensationslose
Anerkennungsprämie), ist demgegenüber als treupflichtwidrige Verschwendung
des anvertrauten Gesellschaftsvermögens zu bewerten (vgl. Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands 2001, 108 f.; Rönnau/Hohn
- 13 -
aaO 113, 120 ff.; Fastrich in FS für Heldrich 2005 S. 143, 157 ff.). Sie ist bereits
dem Grunde nach unzulässig, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob die
Gesamtbezüge des begünstigten Vorstandsmitglieds unter Einschluss der
Sonderzahlung nach den Grundsätzen des § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG der Höhe
nach noch als angemessen beurteilt werden könnten.
20
cc) Die in der aktienrechtlichen Literatur demgegenüber vertretene Meinung, eine freiwillige Sonderzahlung sei zur Belohnung einer in der Vergangenheit erbrachten besonderen Leistung - unabhängig von einer Anreizwirkung
oder einem sonstigen für die Gesellschaft eintretenden Vorteil - generell zulässig, wenn die Gesamtvergütung des Begünstigten den Grundsätzen über die
Höhe der Bezüge der Vorstandsmitglieder nach § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG entspreche (vgl. Hüffer Beilage 7 zu BB 2003, 18 ff.; Mertens, Rechtsgutachten zu
Fragen der Vergütung des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft, 10 ff.;
Baums, Anerkennungsprämien für Vorstandsmitglieder, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Bankrecht Nr. 121, 2 ff.; Fonk
NZG 2005, 248 ff.; Liebers/Hoefs ZIP 2004, 97 ff.; Hoffmann-Becking ZHR 169
(2005), 155, 161 ff.; Kort NJW 2005, 333 ff.), vermag nicht zu überzeugen.
21
Soweit diese Auffassung damit begründet wird (vgl. Hüffer Beilage 7 zu
BB 2003, 20 ff.; Mertens aaO 65 ff.; Baums aaO 9 ff.), das Unternehmensinteresse führe nur im Falle der Gefährdung von Bestand und Rentabilität des Unternehmens zu bestimmten Handlungsge- und -verboten, sei aber im Übrigen
wegen der Besonderheiten des Aktienrechts ein unverbindlicher Leitgedanke,
der lediglich die Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte erfordere, wird dies
der Treuepflicht der Präsidiumsmitglieder als Verwalter fremden Vermögens
nicht gerecht (vgl. Fastrich aaO 157 ff.). Sie höhlt letztlich den Inhalt der Vermögensbetreuungspflicht für Organmitglieder einer Aktiengesellschaft in einer
- 14 -
Weise aus, wie es bisher für keinen sonstigen Fall vermögensrechtlicher
Treuebeziehungen ernsthaft erwogen worden ist. Das Unternehmensinteresse
ist bei unternehmerischen Entscheidungen als verbindliche Richtlinie anerkannt
(vgl. BGHZ 135, 244; BGHSt 46, 30; 47, 187). Der allgemeine Grundsatz des
Zivilrechts, dass derjenige, der fremdes Vermögen zu betreuen hat, ausschließlich und uneingeschränkt im Interesse des Vermögensinhabers handeln muss
und das anvertraute Vermögen nicht nutzlos hingeben darf, gilt auch im Aktienrecht. Er lässt sich auch dem inzwischen durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22. September 2005 (BGBl. I S. 2802 Nr. 60) eingeführten § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nF
i. V. m. § 116 Satz 1 AktG entnehmen, nach dem eine Pflichtverletzung nicht
vorliegt, wenn das Präsidiumsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener
Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Damit unterscheiden sich
die Befugnisse der fremdes Vermögen verwaltenden Präsidiumsmitglieder von
den Möglichkeiten des Einzelunternehmers, dem es unbenommen bleibt, einem verdienten Mitarbeiter aus seinem Betriebsvermögen auch dann eine freiwillige Sonderzahlung zuzuwenden, wenn hierdurch dem Unternehmen kein
Vorteil erwächst.
22
Die Zulässigkeit einer kompensationslosen Anerkennungsprämie kann
auch nicht damit begründet werden, ihr liege eine einvernehmliche Abänderung
des Dienstvertrages zugrunde. Die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht
besteht bei diesem Ansatz nämlich gerade in der freiwilligen Änderung des
Dienstvertrages (vgl. Rönnau/Hohn aaO 113, 120; Martens ZHR 169 (2005),
124, 133 ff.). Dies gilt unabhängig davon, ob die Vertragsänderung wirksam ist
oder nicht. Ebenso wenig lässt sich die Zulässigkeit einer kompensationslosen
Anerkennungsprämie auf § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG (Gehalt oder ... Nebenleis-
- 15 -
tungen jeder Art) stützen. Denn diese Vorschrift regelt lediglich die Höhe der
Bezüge (vgl. Baums aaO 3 ff.) und sagt nichts über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Sonderzahlung im Hinblick auf die Vermögensbetreuungspflicht
der Präsidiumsmitglieder aus.
23
Auch der Einwand, dass eine besonders erfolgreiche Tätigkeit nachträglich besser beurteilt werden könne als bei Abschluss des Dienstvertrages, verfängt nicht. Zum einen stehen bereits bei Abschluss des Dienstvertrages vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, um eine leistungsgerechte Vergütung des Vorstandsmitglieds sicherzustellen. Zum anderen ist der Erfolg einer geschuldeten Tätigkeit für sich allein kein rechtfertigender Grund, das im
ursprünglichen Dienstvertrag von den Parteien als angemessen bewertete Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nachträglich einseitig zum Nachteil der
Gesellschaft abzuändern (vgl. Martens aaO 124, 128 ff.), die umgekehrt das
Vertragsrisiko auch dann zu tragen hat, wenn der Vorstand die in ihn gesetzten
Erwartungen nicht erfüllt.
24
Aus dem Vergleich mit einer Ermessenstantieme kann die aktienrechtliche Zulässigkeit einer kompensationslosen Anerkennungsprämie ebenfalls
nicht gefolgert werden. Denn die Ermessenstantieme, die entsprechend einer
dienstvertraglichen Regelung nach Ablauf des Geschäftsjahres bezahlt und
deren Höhe nach pflichtgemäßem Ermessen vom Präsidium oder seinem Vorsitzenden festgesetzt wird, zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sich für sie
im Dienstvertrag eine Anspruchsgrundlage findet und deshalb von ihr regelmäßig eine Anreizwirkung ausgeht, besondere Leistungen zu erbringen.
25
Entgegen der Meinung der Verteidigung ergibt sich die "normative Legitimation" einer kompensationslosen Anerkennungsprämie auch nicht aus der
- 16 -
neueren Gesetzgebung. Entsprechendes kann weder dem Gesetz zur Kontrolle
und Transparenz im Unternehmensbereich (KontraG) vom 27. April 1998
(BGBl. I S. 786), dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) vom
20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3822) oder dem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22. September 2005 (BGBl. I S. 2802 Nr. 60) entnommen werden. Dasselbe gilt für die
Ziffern 4.2.2. und 4.2.3. des Deutschen Corporate Governance Kodex, der lediglich Empfehlungen zur inhaltlichen Ausgestaltung von Dienstverträgen mit
Vorstandsmitgliedern gibt, sich aber nicht zur Zulässigkeit einer nachträglichen
kompensationslosen Anerkennungsprämie verhält.
26
dd) Aus alledem folgt hier:
27
Nach den Urteilsfeststellungen waren die Sonderzahlungen in der konkreten Situation der beschlossenen Übernahme, die durch den bevorstehenden
Verlust der wirtschaftlichen Selbständigkeit, das sich abzeichnende Ausscheiden der Führungskräfte und eine neue Unternehmensstrategie entsprechend
den Vorgaben von Vodafone gekennzeichnet war, für die Mannesmann AG
ohne jeden Nutzen. Die Leistungen der bedachten Vorstandsmitglieder waren,
auch soweit sie zu erheblichen Steigerungen des tatsächlichen Unternehmenswertes sowie des von spekulativen Gesichtspunkten mit beeinflussten
Börsenwertes geführt hatten, durch die dienstvertraglich vereinbarten Vergütungen abgegolten. Nach den Dienstverträgen waren diese verpflichtet, ihre
gesamte Arbeitskraft uneingeschränkt für die Mannesmann AG einzusetzen.
Dies gilt auch für die Aktivitäten während des Übernahmekampfes und der bevorstehenden Integrationsphase. Eine Anreizwirkung für die Begünstigten, für
andere aktive Vorstandsmitglieder oder potentielle zukünftige Führungskräfte
konnte von den Sonderzahlungen nicht mehr ausgehen. Diese waren insbe-
- 17 -
sondere nicht geeignet, die vier Vorstandsmitglieder als Leistungsträger zukünftig an das Unternehmen zu binden. Auch das Ansehen der Mannesmann AG in
der Öffentlichkeit wurde durch die Anerkennungsprämien nicht gefördert. Ein
Interesse der Gesamtheit der Aktionäre, der Gesellschaftsgläubiger, der Arbeitnehmer oder der Öffentlichkeit, das bei der Frage, ob die Präsidiumsmitglieder
bei der Zuerkennung der Anerkennungsprämien im Unternehmenswohl handelten, mit zu berücksichtigen wäre (vgl. Hüffer, AktG 6. Aufl. § 76 Rdn. 12), lag
nicht vor. Insbesondere waren die freiwilligen Sonderzahlungen auch von keinem Nutzen für die Aktionäre, weil die Steigerung des Börsenwertes - von den
Anerkennungsprämien unabhängig - bereits eingetreten und das Umtauschverhältnis für die Aktien festgelegt war.
28
Da somit die Anerkennungsprämien das Vermögen der Mannesmann
AG ohne Kompensation minderten, durften die Präsidiumsmitglieder diese nicht
bewilligen. Ein Handlungsspielraum war ihnen nicht eröffnet. Daher haben die
Angeklagten Prof. Dr. Funk, Dr. Ackermann und Zwickel im Sinne des § 266
Abs. 1 StGB ihre Vermögensbetreuungspflicht verletzt und dadurch der Gesellschaft in Höhe der gezahlten Prämien einen Nachteil zugefügt. Dabei kann offen bleiben, welche der beiden Tatbestandsvarianten des § 266 Abs. 1 StGB
- Missbrauchs- oder Treubruchstatbestand - verwirklicht worden ist, was davon
abhängt, ob die Zuwendungen zivilrechtlich wirksam sind oder nicht (vgl.
Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, 25. Aufl. § 266 Rdn. 17 m. w. N.). Denn
die verletzte Pflicht zur Betreuung fremden Vermögens ist für beide Tatbestandsalternativen identisch; der Missbrauchstatbestand ist lediglich ein Spezialfall des umfassenderen Treubruchstatbestandes (vgl. BGHSt 24, 386, 387 f.;
47, 187, 192; BGH NJW 1984, 2539, 2540).
- 18 -
29
Soweit die Verteidigung versucht, die den Senat bindenden Feststellungen des Landgerichts durch Angriffe gegen die Beweiswürdigung in Zweifel zu
ziehen, erschöpfen sich ihre Ausführungen weitgehend in einer eigenen Beweiswürdigung. Damit kann sie im Revisionsverfahren nicht gehört werden.
Selbst wenn sie insoweit Rechtsfehler aufzeigen würde, könnte dies nicht dazu
führen, dass der Senat eigene Feststellungen trifft, die die Freisprüche rechtfertigen könnten. Auch die vom Landgericht aus diesen Feststellungen gezogenen
aktienrechtlichen Wertungen sind - entgegen der Auffassung der Verteidigung nicht zu beanstanden.
30
c) Das von der Geschäftsleitung der Übernehmerin Vodafone erklärte
Einverständnis mit den Prämien steht der Annahme einer Pflichtverletzung
nicht entgegen.
31
Da der Untreuetatbestand den Zweck hat, das dem Treupflichtigen anvertraute fremde Vermögen zu schützen (vgl. BGHSt 43, 293, 297), ist die
Vermögensbetreuungspflicht des § 266 Abs. 1 StGB in der Regel nicht verletzt,
wenn der Vermögensinhaber sein Einverständnis mit der Vermögensschädigung erklärt hat (vgl. BGHSt 3, 23, 25; siehe auch BGHSt 9, 203, 216, wonach
die Rechtswidrigkeit entfällt; offen gelassen in BGHSt 30, 247, 249). Bei einer
Aktiengesellschaft ist Voraussetzung für ein strafrechtlich bedeutsames Einverständnis mit einer kompensationslosen Anerkennungsprämie, dass es entweder von dem Alleinaktionär oder von der Gesamtheit der Aktionäre durch einen
Beschluss der Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns
(§ 58 Abs. 3 Satz 1, § 174 Abs. 1 Satz 1 AktG, vgl. Kropff in MünchKomm-AktG
2. Aufl. § 174 Rdn. 32) erteilt worden ist, nicht gegen Rechtsvorschriften verstößt oder aus sonstigen Gründen ausnahmsweise als unwirksam zu bewerten
ist (vgl. BGHSt 35, 333, 335 ff.; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 23, 37).
- 19 -
32
Das Einverständnis von Vodafone mit den Sonderzahlungen lässt schon
deshalb eine Untreue nicht entfallen, weil es an der erforderlichen Zustimmung
aller Anteilseigner der Mannesmann AG oder der diese repräsentierenden
Hauptversammlung fehlt. Die Mannesmann AG, der gegenüber die Präsidiumsmitglieder vermögensbetreuungspflichtig waren, war als juristische Person
rechtlich selbständig und Inhaberin eines eigenen Vermögens, das allen Aktionären in ihrer Gesamtheit zustand. Ein Einverständnis aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung lag nach den Feststellungen nicht vor. Die
Übernehmerin Vodafone, die im Zeitpunkt der Zustimmung am 3. Februar 2000
lediglich 9,8 % des Grundkapitals hielt und im Zeitpunkt der Prämienauszahlungen Ende März 2000 mit 98,66 % des Grundkapitals nur Mehrheitsaktionärin
war, wurde erst im Jahre 2002 nach Abfindung der übrigen Aktionäre alleinige
Inhaberin der Mannesmann AG. Dies reicht für ein rechtlich wirksames Einverständnis in die Vermögensschädigung nicht aus, weil ein solches vor der Tat
erteilt worden sein muss (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder aaO vor § 32
Rdn. 44; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. vor § 32 Rdn. 3 b). Das Einverständnis eines zukünftigen Alleinaktionärs ist somit für den Schuldspruch ohne Bedeutung, kann aber - je nach den Umständen - als den Unrechtsgehalt erheblich mindernder Faktor die Strafzumessung beeinflussen.
33
2. Soweit die Strafkammer meint, bei risikoreichen unternehmerischen
Entscheidungen setze die Annahme einer tatbestandsmäßigen Untreue zusätzlich eine "gravierende" Pflichtverletzung voraus, die hier nach einer Gesamtschau vor allem im Hinblick auf die gute Ertrags- und Vermögenslage der Mannesmann AG, die Wahrung innerbetrieblicher Transparenz, die ausreichende
Kenntnis der Präsidiumsmitglieder von den maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen sowie auf das Fehlen sachwidriger Motive zu verneinen sei, kann dem
nicht gefolgt werden.
- 20 -
34
Für ihre Meinung hat sich die Strafkammer auf zwei Urteile des
1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGHSt 47, 148, 149 f., 152; 47, 187,
197 f.) gestützt, aus denen auch Teile der Literatur (vgl. Dierlamm StrafFo
2005, 397, 402 f.; Wollberg ZIP 2004, 646, 656 f.; Braum KritV 2004, 67, 76 f.)
entsprechende Folgerungen ableiten. Eine nähere Analyse dieser Urteile erweist indes, dass auch der 1. Strafsenat bei risikobehafteten unternehmerischen Entscheidungen keineswegs eine gravierende Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht verlangt. Im Übrigen läge, selbst wenn man eine solche
Auslegung für geboten halten wollte, die Voraussetzung einer risikobehafteten
Entscheidung hier nicht vor.
35
a) In dem Urteil BGHSt 47, 148, das sich mit der Frage strafbarer Untreue durch die Vergabe von Krediten befasst, stellt der 1. Strafsenat fest, dass
die Annahme, die Entscheidungsträger hätten bei der Gewährung eines später
Not leidend gewordenen Kredits ihre Vermögensbetreuungspflicht gegenüber
dem Kreditinstitut verletzt, nicht schlicht darauf gestützt werden könne, dass
einzelne der banküblichen Informations- und Prüfungspflichten - wie im dort
gegebenen Fall - nicht eingehalten worden seien. Für die Pflichtverletzung im
Sinne des Untreuetatbestandes sei - so die Entscheidung wörtlich - "maßgebend, ob die Entscheidungsträger … ihre Informations- und Prüfungspflichten
bezüglich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers gravierend verletzt haben" (BGHSt 47, 148, 150). Danach bezieht sich das Merkmal "gravierend" nicht auf das Tatbestandsmerkmal der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht. Es ist vielmehr - sowohl nach dem Wortlaut der zitierten Wendung
als auch nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe - unmissverständlich auf die Verletzung der Informations- und Prüfungspflicht bezogen. Mit
der Klarstellung, dass nicht die Verletzung jeder Sorgfaltspflicht bei der Entscheidungsfindung für ein nach § 266 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßiges Verhal-
- 21 -
ten ausreicht, ist aber nichts anderes zum Ausdruck gebracht als das, was
nach dem Gesetz in seiner Auslegung durch die ständige Rechtsprechung ohnehin gilt: § 266 StGB ist nur anwendbar, wenn die in Frage stehende Maßnahme - nach dem Ergebnis der durchgeführten und erforderlichen Prüfungen die Pflicht zur Wahrnehmung der Interessen des Vermögensinhabers verletzt.
In der Sache wird danach nur der in der Rechtsprechung und Literatur anerkannte weite Beurteilungs- und Ermessensspielraum, ohne den risikobehaftete
unternehmerische Entscheidungen nicht möglich sind, für Fälle der Kreditvergabe weiter ausgestaltet und klargestellt, dass nicht jeder Pflichtenverstoß
bereits eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB begründet.
36
b) Auch in seinem Urteil BGHSt 47, 187, das sich mit Fragen der Untreue durch Unternehmensspenden befasst, hat der 1. Strafsenat nicht die Auffassung vertreten, dass im Bereich risikobehafteter unternehmerischer Entscheidungen der Untreuetatbestand lediglich auf gravierende Verletzungen der
Vermögensfürsorgepflicht angewandt werden könne. Das kommt schon im
Leitsatz des Urteils "… genügt für die Annahme einer Pflichtwidrigkeit im Sinne
des Untreuetatbestandes des § 266 StGB nicht jede gesellschaftsrechtliche
Pflichtverletzung; diese muss vielmehr gravierend sein" deutlich zum Ausdruck
und steht nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe außer Zweifel.
Anliegen des Urteils ist es, speziell für den Bereich der Unternehmensspenden
in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen unter Berücksichtigung der diese Fallgruppe prägenden Besonderheiten - insbesondere auch mit Blick darauf,
dass sich deren Werbewirkung keinesfalls exakt messen lässt und der wirtschaftliche Nutzen für das spendende Unternehmen nicht genau bestimmt
werden kann - die Notwendigkeit eines weiten Handlungsspielraums des Entscheidungsträgers zu betonen und Kriterien für die Beurteilung anzubieten, ob
sich die Gewährung der Spende im Einzelfall im Rahmen dieses Spielraums
- 22 -
hält. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, welche Aussagekraft den vom
1. Strafsenat verwendeten Kriterien im Einzelnen zukommt und ob ihre Zusammenstellung insgesamt hilfreich ist. Desgleichen bedarf es keiner Auseinandersetzung damit, ob die Problematik der Unternehmensspenden dadurch sachgerechter gelöst werden könnte, dass die Annahme einer strafbaren Untreue
nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" ausscheidet, solange nur ein die Spende kompensierender Nutzen für das Unternehmen möglich erscheint (vgl. Samson, Untreue durch Unternehmensspenden? in Non Profit Law Yearbook 2004
S. 233, 241). Jedenfalls kann die Verteidigung auch das Urteil BGHSt 47, 187
nicht für ihre Auffassung in Anspruch nehmen, dass bei unternehmerischen
Entscheidungen nur "gravierende" Verletzungen der Vermögensfürsorgepflicht
als tatbestandsmäßige Untreuehandlungen in Betracht kommen.
37
c) Unabhängig davon, ob die Urteile des 1. Strafsenats in dem vom
Landgericht und Teilen der Literatur angenommenen Sinn verstanden werden
könnten, bieten sie für eine Verneinung des objektiven Tatbestandes hier keine
Grundlage. Die Entscheidung zur Unternehmensspende betrifft einen in keiner
Weise vergleichbaren Sachverhalt. Gegenstand des Urteils zur Kreditvergabe
ist ausschließlich eine risikobehaftete unternehmerische Prognoseentscheidung. In diesem Fall hatten die Entscheidungsträger die Aussicht auf den möglichen Nutzen und Vorteil der Maßnahme für das Unternehmen mit dem Risiko
eines Nachteils - Ausfall des Kredits - abzuwägen. Die Unwägbarkeiten dieser
Entscheidung sind der Grund für die Anerkennung eines Handlungsspielraums,
dessen Betonung und Ausgestaltung Anliegen des 1. Strafsenats war.
38
Demgegenüber standen die Angeklagten Prof. Dr. Funk, Dr. Ackermann
und Zwickel nicht in der Situation einer in dem beschriebenen Sinne risikobehafteten Entscheidung, als sie die Bewilligung der Anerkennungsprämien zu-
- 23 -
gunsten des Angeklagten Dr. Esser und der vier weiteren Vorstandsmitglieder
beschlossen. Die Zuerkennung der Prämien hatte - wie dargelegt - für das zu
betreuende Vermögen der Mannesmann AG ausschließlich nachteilige Wirkungen. Ein im Übrigen auch nicht angestrebter, irgendwie gearteter Vorteil für
die Gesellschaft konnte unter den gegebenen Umständen - ersichtlich - nicht
eintreten. Damit bestand für die Präsidiumsmitglieder kein Handlungsspielraum.
Für solche Fallgestaltungen steht auch nach der Rechtsprechung des
1. Strafsenats außer Frage, dass die Entscheidungsträger die ihnen obliegende
Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB verletzen, ohne
dass dem Merkmal einer "gravierenden" Pflichtverletzung irgendeine Bedeutung zukommen kann (vgl. auch BGH, Urt. vom 22. November 2005 - 1 StR
571/04).
39
d) Da die genannten Urteile des 1. Strafsenats der Entscheidung des erkennenden Senats nicht entgegenstehen, ist eine Anfrage gemäß § 132 Abs. 2
und 3 GVG - abgesehen davon, dass die Ausführungen in BGHSt 47, 187, 197
zur Notwendigkeit "gravierender" gesellschaftsrechtlicher Pflichtverletzungen
nicht tragend sind - nicht veranlasst.
40
IV. Die Freisprüche der Angeklagten können auch nicht aus anderen
Gründen bestehen bleiben.
41
1. Die Feststellungen bilden keine Grundlage, um die Freisprüche wegen
eines den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtums oder eines unvermeidbaren Verbotsirrtums aufrechtzuerhalten. Auf die zutreffende rechtliche Einordnung einer etwaigen Fehlvorstellung kommt es daher nicht an.
- 24 -
42
a) Es fehlen tragfähige Ausführungen des Landgerichts zur subjektiven
Tatseite. Da es die Freisprüche auf das Fehlen objektiver Tatbestandsvoraussetzungen gestützt hat, hat es - von seinem Ansatz her konsequent - den "festgestellten" Irrtum, die vermögensbetreuungspflichtigen Präsidiumsmitglieder
hätten ihr Handeln für erlaubt gehalten, nicht durch eine Beweiswürdigung belegt. Es bleibt daher unklar, welche tatsächlichen Umstände diesen Irrtum hervorgerufen haben.
43
b) Auch der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, insbesondere die
Feststellungen des Landgerichts zum Irrtum der Angeklagten Dr. Ackermann
und Zwickel bei der Zuerkennung der Sonderzahlung an den Angeklagten Prof.
Dr. Funk können die fehlende Beweiswürdigung zu den Vorstellungen der Angeklagten bei Bewilligung der Prämien für Dr. Esser und die vier weiteren Vorstandsmitglieder nicht ersetzen. Seine Feststellung, die Präsidiumsmitglieder
Dr. Ackermann und Zwickel seien davon ausgegangen, wegen ihres unternehmerischen Handlungsspielraums zur Bewilligung der Prämie an den Angeklagten Prof. Dr. Funk befugt zu sein, beruht auf ihren Einlassungen, die das Landgericht als unwiderlegbar angesehen hat. Da an die Bewertung der Einlassung
eines Angeklagten die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, darf der Tatrichter diese seiner Entscheidung aber
nur dann zugrunde legen, wenn er in seine Überzeugungsbildung auch die Beweisergebnisse einbezogen hat, die gegen die Richtigkeit der Einlassung sprechen können (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGHR StPO § 261 Einlassung 6; Überzeugungsbildung 29; BGH NStZ 2002, 48). Hier hat die Strafkammer zwar die
zugunsten der Angeklagten Dr. Ackermann und Zwickel sprechenden Umstände wie die Nichtaufnahme von Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf im Fall der Sonderzahlung an den Angeklagten Dr. Esser und den eingeholten Rechtsrat berücksichtigt, jedoch eine Vielzahl von Indizien nicht in die
- 25 -
Beweiswürdigung einbezogen, die - zumindest in ihrer Gesamtheit - Zweifel an
einem Irrtum aufkommen lassen und darauf hindeuten, dass ihnen die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht bewusst, jedenfalls die Rechtmäßigkeit
ihres Handelns gleichgültig war:
44
Die Beschlussfassungen vom 4. Februar 2000 erfolgten innerhalb kürzester Zeit in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur beschlossenen freundlichen
Übernahme. Der Angeklagte Zwickel nahm an den Abstimmungen telefonisch
nach einer nur kurzen mündlichen Information durch Prof. Dr. Funk teil, obwohl
keine Eilbedürftigkeit vorlag. Die Höhe der Sonderzahlung für den Angeklagten
Dr. Esser, die für den Wirtschaftsstandort Deutschland außergewöhnlich war,
wurde von den Präsidiumsmitgliedern weder näher diskutiert noch begründet,
vielmehr folgten diese dem mit der Übernehmerin Vodafone abgestimmten
Vorschlag der Großaktionärin Hutchison Whampoa Ltd, deren Interessen offensichtlich nicht mit denen der Mannesmann AG übereinstimmten. Sie nahmen keinen Anstoß an der von ihnen erkannten Selbstbegünstigung des Angeklagten Prof. Dr. Funk mit Beschuss vom 4. Februar 2000, dem eine - letztendlich nicht ausbezahlte - Prämie von ca. 4,8 Mio. € zuerkannt wurde. Bei der am
17. April 2000 beschlossenen und später ausbezahlten Anerkennungsprämie
von ca. 3 Mio. € handelten die Angeklagten Dr. Ackermann und Zwickel mit der
sachwidrigen Motivation, dem Wunsch des Prof. Dr. Funk nachzukommen, eine
sachlich nicht gerechtfertigte Sonderzahlung zu erhalten (vgl. B. I.). Der Angeklagte Dr. Ackermann befürwortete diese Prämie, obwohl er zuvor von den
mündlich und schriftlich geäußerten Bedenken der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zu den Sonderzahlungen für die aktiven Vorstandsmitglieder hinsichtlich Vertragsgrundlage, Veranlassung und Größenordnung Kenntnis erhalten hatte.
- 26 -
45
2. Der Freispruch des Angeklagten Zwickel kann nicht deshalb aufrechterhalten werden, weil er den Sonderzahlungen nicht zugestimmt, sondern sich mit Rücksicht auf die von ihm zu vertretenden Arbeitnehmerinteressen - der
Stimme enthalten hat.
46
Angesichts der Besonderheiten der Abstimmungen besteht für den Senat keine Notwendigkeit, sich grundsätzlich mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der einzelnen Mitglieder eines Gremiums bei Mehrheitsentscheidungen
zu befassen. Denn nach den Feststellungen wusste der Angeklagte Zwickel bei
seinen Stimmabgaben, dass sich die Angeklagten Prof. Dr. Funk und
Dr. Ackermann bereits auf die Zuerkennung der Anerkennungsprämien verständigt hatten und dass die Beschlüsse - unabhängig von seinem eigenen Abstimmungsverhalten - mit seiner Teilnahme an den Beschlussfassungen wirksam würden. Ebendies wollte er auch erreichen, weil er mit deren Inhalt nach
den Urteilsfeststellungen einverstanden war. Damit hat er durch seine Stimmenthaltungen vorsätzlich die Wirksamkeit der Beschlüsse herbeigeführt, so
dass ihm das Landgericht die Mehrheitsentscheidungen des Präsidiums zu
Recht als Mittäter zugerechnet hat (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 25 Rdn. 19;
Dencker, Mittäterschaft in Gremien, in Amelung, Individuelle Verantwortung und
Beteiligungsverhältnisse bei Straftaten in bürokratischen Organisationen des
Staates, der Wirtschaft und der Gesellschaft, 63 ff., 70). Entgegen der Meinung
der Verteidigung kann sich der Angeklagte Zwickel nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beschlüsse wären mit demselben Ergebnis zustande gekommen, wenn
er mit "Nein" gestimmt hätte. Denn dieser Einwand lässt den den Sachverhalt
prägenden, für die rechtliche Einordnung wesentlichen Umstand unberücksichtigt: Die Stimmenthaltung des Angeklagten Zwickel entsprach hier objektiv und
subjektiv im Ergebnis einer "Ja-Stimme", die mit Rücksicht auf seine Stellung
als Arbeitnehmervertreter lediglich nach außen nicht erkennbar werden sollte.
- 27 -
47
3. Die Freisprüche der Angeklagten Dr. Esser und Dr. D.
vom Vor-
wurf der Beihilfe zur Untreue haben auch unter dem Gesichtspunkt einer "straflosen Hilfeleistung durch berufstypische neutrale Handlungen" keinen Bestand.
48
Die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze (vgl.
BGHSt 46, 107, 109 ff., 112 f.; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 20, § 266
Abs. 1 Beihilfe 3) tragen dem Umstand Rechnung, dass äußerlich neutrale berufsübliche Verhaltensweisen von Dritten zur Begehung einer Straftat ausgenutzt werden können. Die deshalb erforderliche Einschränkung der Beihilfestrafbarkeit hat danach innerhalb des subjektiven Tatbestands aufgrund einer
wertenden Betrachtung im Einzelfall zu erfolgen. Weiß der Hilfeleistende nicht,
wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, und hält er
es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat ausgenutzt
wird, so ist sein Handeln regelmäßig keine strafbare Beihilfe, es sei denn, das
von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war
derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar
tatgeneigten Täters angelegen sein ließ. Zielt das Handeln des Haupttäters dagegen ausschließlich auf eine strafbare Handlung und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfe zu werten, weil dann sein Tun den "Alltagscharakter" verliert, als Solidarisierung mit dem Täter zu deuten ist und deshalb auch nicht mehr als sozialadäquat angesehen werden kann (vgl. BGHSt
46, 107, 112).
49
Es kann offen bleiben, ob diese zur Eingrenzung der Beihilfestrafbarkeit
bei "berufstypischen neutralen Handlungen" entwickelten Kriterien der Sache
nach weiter führen oder ob nicht vielmehr die Strafbarkeitsbeschränkung bei
sachgerechter Auslegung ausreichend nach den herkömmlichen und allgemein
anerkannten Regeln etwa über die objektive Zurechnung oder den Gehilfenvor-
- 28 -
satz erfolgen kann. Selbst wenn man der dargestellten Rechtsprechung folgt,
scheidet nämlich nach den getroffenen Feststellungen unter diesem Gesichtspunkt eine Beihilfe zur Untreue nicht aus. Für die Angeklagten Dr. Esser und
Dr. D.
waren die Vorbereitung der Präsidiumsbeschlüsse sowie deren Um-
setzung schon deshalb keine "berufstypischen Handlungen mit Alltagscharakter", weil sie damit gezielt die Zuwendung der Sonderzahlungen förderten. Bei
ihren Hilfeleistungen kannten sie - in gleicher Weise wie die Präsidiumsmitglieder Prof. Dr. Funk, Dr. Ackermann und Zwickel - alle Umstände, welche die objektive Pflichtverletzung begründeten. Soweit der Gehilfe einer Straftat seine
unterstützende Tätigkeit innerhalb eines weisungsgebundenen Dienstverhältnisses erbracht hat, liegt darin lediglich ein zu seinen Gunsten bei der Strafzumessung zu berücksichtigender Umstand.
50
V. Demgemäß sind die Freisprüche aufzuheben. Eine Aufrechterhaltung
der an sich fehlerfreien Feststellungen zum objektiven Sachverhalt kommt
schon deshalb nicht in Betracht, weil die freigesprochenen Angeklagten die
Tatvorwürfe bestreiten und das rechtsfehlerfreie Zustandekommen der Feststellungen mangels Beschwer nicht überprüfen lassen konnten (vgl. BGH NStZ
1999, 206, 207; Kuckein in KK 5. Aufl. § 353 Rdn. 24 aE). Folglich muss auch
nicht entschieden werden, ob das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung
- wie die Staatsanwaltschaft meint - rechtsfehlerhaft von Anerkennungsprämien
und nicht von Zuwendungen zur Erleichterung und Beschleunigung der freundlichen Übernahme oder zumindest der Übernahmeverhandlungen ausgegangen ist.
51
B. Anerkennungsprämie für den Angeklagten Prof. Dr. Funk
- 29 -
52
Auch die Freisprüche der Angeklagten Dr. Ackermann und Zwickel vom
Vorwurf der Untreue wegen der Zuwendung der Anerkennungsprämie an den
Mitangeklagten Prof. Dr. Funk sowie die Freisprüche der Angeklagten Dr. Esser
und Dr. D.
vom Vorwurf der Beihilfe hierzu sind nicht frei von Rechtsfehlern
und deshalb aufzuheben.
53
I. Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte Prof. Dr. Funk von
1994 bis Mai 1999 Vorstandsvorsitzender der Mannesmann AG. Deren Unternehmenswert steigerte sich in diesem Zeitraum deutlich. Inspiriert durch die für
die aktiven Vorstandsmitglieder vorgeschlagenen Prämien äußerte er spontan
den Wunsch, selbst eine Sonderzahlung von der Mannesmann AG zu erhalten.
Nachdem sich der Vertreter der Großaktionärin Hutchison Whampoa Ltd damit
einverstanden erklärt hatte, vereinbarten am 4. Februar 2000 die Angeklagten
Prof. Dr. Funk und Dr. Ackermann, aus dem für die leistungsstärksten Mitglieder des Telekommunikationsteams vorgesehenen Prämienfonds von ca. 16
Mio. €, Prof. Dr. Funk eine Anerkennungsprämie in Höhe von ca. 4,8 Mio. € zu
gewähren. Der Angeklagte Zwickel nahm telefonisch an der Beschlussfassung
teil, enthielt sich aber der Stimme, wodurch er auch diesen Beschluss zustande
bringen wollte. Allen drei Präsidiumsmitgliedern war bewusst, dass der Angeklagte Prof. Dr. Funk an einer Beratung und Abstimmung teilnahm, die ihn
selbst begünstigte. Da in der Folgezeit vor allem wegen der Selbstbegünstigung
Bedenken gegen die formelle Wirksamkeit des Beschlusses entstanden waren,
wurde die Prämie nicht ausbezahlt.
54
Nach dem Ausscheiden des Angeklagten Prof. Dr. Funk aus dem Aufsichtsrat beschloss das Präsidium der Mannesmann AG am 17. April 2000
durch den neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Sir Gent - Chief Executive Officer
von Vodafone - sowie die Angeklagten Dr. Ackermann und Zwickel, der sich
- 30 -
wiederum der Stimme enthielt, dem Angeklagten Prof. Dr. Funk eine freiwillige
Sonderzahlung in Höhe von ca. 3 Mio. € zuzuwenden. Nach dem Inhalt des
Beschlussprotokolls geschah dies, um seine maßgeblichen Beiträge zum wirtschaftlichen Erfolg der Mannesmann AG und zur Steigerung des Unternehmenswertes zu honorieren. Das tatsächliche Motiv der Angeklagten Dr. Ackermann und Zwickel für die Prämienbewilligung war jedoch allein der Wunsch des
Begünstigten, selbst auch eine Anerkennungsprämie zu erhalten. Sie gingen
auch insoweit davon aus, die Beschlussfassung wahre die Grenzen unternehmerischen Ermessens und hielten ihr Handeln für erlaubt. Ende April 2000
wurde die Prämie an Prof. Dr. Funk überwiesen.
55
II. Das Landgericht ist der Meinung, die Angeklagten Dr. Ackermann und
Zwickel hätten sich auch in diesem Fall nicht wegen Untreue strafbar gemacht.
Zwar hätten sie vorsätzlich ihre gegenüber der Mannesmann AG bestehende
Vermögensbetreuungspflicht gravierend verletzt und die Gesellschaft geschädigt, weil sie die nicht im Unternehmensinteresse liegende Anerkennungsprämie aus einer sachwidrigen Motivation heraus willkürlich zuerkannt hätten. Den
Präsidiumsmitgliedern habe jedoch aufgrund einer fehlerhaften aktienrechtlichen Gesamtbetrachtung das Unrechtsbewusstsein gefehlt. Ihr Verbotsirrtum
sei unvermeidbar gewesen. Wenn sie Rechtsrat eingeholt hätten, wäre die Zahlung einer freiwilligen Anerkennungsprämie, deren aktienrechtliche Zulässigkeit
zum damaligen Zeitpunkt weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum als
problematisch behandelt worden sei, als rechtlich unbedenklich bezeichnet
worden. Die Angeklagten Dr. Esser und Dr. D.
, die lediglich innerhalb ihres
beruflichen Aufgabenbereiches die Tat gefördert hätten, hätten sich nicht wegen Beihilfe zur Untreue strafbar gemacht. Es fehle an den besonderen Voraussetzungen, die bei einem berufstypischen Verhalten an den Gehilfenvorsatz zu stellen seien.
- 31 -
56
III. Dieser rechtlichen Würdigung ist zuzustimmen, soweit das Landgericht annimmt, dass die Angeklagten Dr. Ackermann und Zwickel den objektiven Tatbestand der Untreue erfüllt haben. Wie sich aus den Ausführungen zu
den Anerkennungsprämien für den Vorstandsvorsitzenden Dr. Esser und die
vier weiteren Vorstandsmitglieder (vgl. A. III. 1.) ergibt, stand es den Präsidiumsmitgliedern nicht frei, die in der Vergangenheit erbrachte, durch die dienstvertraglichen Bezüge bereits abgegoltene Leistung durch eine Sonderzahlung
zusätzlich zu honorieren. Denn die Prämie war für die Mannesmann AG ohne
Nutzen. Hinzu kommt, dass die Zuwendung aufgrund sachwidriger Motivation
und damit willkürlich beschlossen wurde. Dies folgt auch daraus, dass das Präsidium beim Ausscheiden des Prof. Dr. Funk als Vorstandsvorsitzender für eine
Anerkennungsprämie keinen Anlass gesehen und diese nicht zeitnah zuerkannt
hatte.
57
IV. Rechtsfehlerhaft
ist
jedoch
die
Annahme,
die
Angeklagten
Dr. Ackermann und Zwickel hätten sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum
befunden.
58
Unter den gegebenen Umständen, vor allem angesichts der offensichtlichen Pflichtwidrigkeit einer willkürlichen Zuwendung, hätten die Angeklagten
Dr. Ackermann und Zwickel bei Anlegung der an die Unvermeidbarkeit eines
Verbotsirrtums zu stellenden Anforderungen (vgl. BGHSt 3, 357, 366; 4, 1, 5
und 237, 242 f.) nach ihren Fähigkeiten und Kenntnissen einen eventuell gegebenen Irrtum vermeiden können. Dazu hätte es nicht einmal eines Rechtsrats
bedurft. Bei Einholung von Rechtsrat durch eine sachkundige, neutrale Person
hätte richtigerweise die Frage gestellt werden müssen, ob eine ausschließlich
durch den Wunsch des Begünstigten motivierte, dem Unternehmen keinen Vor-
- 32 -
teil bringende Prämiengewährung rechtlich zulässig ist. Dies wäre mit Sicherheit verneint worden.
59
V. Entgegen der Meinung der Verteidigung vermögen die Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite auch sonst einen Freispruch nicht zu tragen.
Insofern braucht nicht entschieden zu werden, ob die Fehlvorstellung der Angeklagten Dr. Ackermann und Zwickel - entgegen der Meinung des Landgerichts - bereits einen den Vorsatz ausschließenden Irrtum darstellen würde.
60
1. Die Ausführungen der Strafkammer zu den Vorstellungen dieser Angeklagten sind bereits in sich widersprüchlich. Nach den Feststellungen kannten sie ihre Vermögensbetreuungspflicht und ihr Vorsatz umfasste auch die
Pflichtwidrigkeit ihres Handelns. Dies ist ohne nähere Erörterung mit der Annahme fehlenden Unrechtsbewusstseins unvereinbar.
61
2. Außerdem beruhen die Feststellungen zum Irrtum auf einer lückenhaften Beweiswürdigung. Insoweit wird auf die Ausführungen zu A. V. 1. b) Bezug
genommen. In die Beweiswürdigung hat die Strafkammer vor allem nicht erkennbar das gegen einen Irrtum sprechende Indiz einbezogen, dass die Anerkennungsprämie nicht die Verdienste des früheren Vorstandsvorsitzenden Prof.
Dr. Funk für die Mannesmann AG angemessen entlohnen sollte, sondern ohne
hinreichenden unternehmensbezogenen Anlass aus willkürlichen Gründen allein aufgrund des Wunsches des Begünstigten zugewendet wurde. Die diesem
Beweisergebnis
entgegen
stehenden
Einlassungen
der
Angeklagten
Dr. Ackermann und Zwickel hat sie nicht geglaubt und die sachwidrige Motivation ausdrücklich festgestellt. Vor diesem Hintergrund liegt die Annahme fehlenden Unrechtsbewusstseins fern. Es ist schlechterdings nicht vorstellbar, dass
sich der in führenden Positionen der deutschen Wirtschaft tätige Angeklagte
- 33 -
Dr. Ackermann und der Gewerkschaftsführer Zwickel für berechtigt gehalten
haben könnten, in Millionenhöhe willkürlich - so das angefochtene Urteil - über
das ihnen anvertraute Gesellschaftsvermögen verfügen zu dürfen. Auch hätte
erörtert werden müssen, dass die ursprünglich bewilligte Prämie in Höhe von
ca. 4,8 Mio. € ohne weitere Diskussion und Erläuterung innerhalb weniger Wochen durch eine solche von ca. 3 Mio. € ersetzt wurde, dies unter anderem aus
Verärgerung des neuen Aufsichtsratsvorsitzenden über Äußerungen des Angeklagten Prof. Dr. Funk gegen Ende des Übernahmekampfes. Schließlich erweist sich die Beweiswürdigung auch im Hinblick darauf als lückenhaft, dass
der Angeklagte Dr. Ackermann am 17. April 2000 unmittelbar vor der Beschlussfassung von den rechtlichen Bedenken der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG gegen die Prämien für Dr. Esser und die vier weiteren Vorstandsmitglieder erfahren hatte; diese Bedenken beanspruchten indessen für
die Sonderzahlung an Prof. Dr. Funk in noch stärkerem Maße Beachtung. Unter diesen Umständen kann die Annahme eines Irrtums allein auf die Erwägung, die Hinweise der KPMG genügten nicht, um eine Kenntnis der Rechtswidrigkeit oder Zweifel an der Rechtmäßigkeit positiv feststellen zu können,
nicht rechtsfehlerfrei gestützt werden.
62
VI. Der Freispruch der Angeklagten Dr. Esser und Dr. D.
vom Vor-
wurf der Beihilfe zur Untreue hat ebenfalls keinen Bestand. Eine Beihilfestrafbarkeit scheidet auch hier nicht unter dem Gesichtspunkt "berufstypischen
Handelns" aus (vgl. A. IV. 3.). Soweit die Verteidigung zusätzlich einwendet,
dass es unsicher gewesen sei, ob das Präsidium tatsächlich entsprechend der
Beschlussvorlage entscheiden werde, stellt dies den Gehilfenvorsatz nicht in
Frage, weil dieser nicht das sichere Wissen der Tatbegehung durch den Haupttäter voraussetzt.
- 34 -
63
C. Abfindung der Alternativpensionsansprüche
64
Schließlich halten die Freisprüche der Angeklagten Prof. Dr. Funk,
Dr. Ackermann, Zwickel und L.
vom Vorwurf der Untreue in vier Fällen
wegen der Abfindung der Alternativpensionsansprüche sowie der Freispruch
des Angeklagten Dr. D.
vom Vorwurf der Beihilfe rechtlicher Überprüfung
nicht stand und sind daher aufzuheben.
65
I. Hierzu hat das Landgericht folgendes festgestellt:
66
Die Mannesmann AG gewährte den ehemaligen Vorstandsmitgliedern
und deren Hinterbliebenen Pensionen, deren Höhe sie durch einen Vergleich
der Fest- mit der Alternativpension ermittelte. Der Festpension lag - abhängig
vom Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls - ein prozentualer Anteil des
vor dem Ausscheiden zuletzt bezogenen Bruttojahresgehalts zugrunde, während sich die Alternativpension aus einem Prozentsatz der durchschnittlichen
jährlichen Gesamtbezüge der aktiven Vorstandsmitglieder der jeweiligen Hierarchiestufe errechnete. Gezahlt wurde der höhere Betrag.
67
Mit Beschluss des Präsidiums vom 20. November 1998 wurde die Regelung über die Alternativpensionen, die zu unvorgesehen hohen Ansprüchen
geführt hatte, für die aktiven Vorstandsmitglieder unter gleichzeitiger Erhöhung
der Festpensionen abgeschafft. Für den damaligen Vorstandsvorsitzenden
Prof. Dr. Funk und die bereits pensionierten Vorstandsmitglieder galt weiterhin
das alte Pensionsmodell. Der Angeklagte Prof. Dr. Funk, der nach der Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone in Zukunft fallende Vorstandsbezüge und damit ein Absinken oder einen Wegfall der Alternativpensionen befürchtete, bereitete in Zusammenarbeit mit dem Angeklagten Dr. D.
eine
- 35 -
pauschale Abfindung der zukünftigen Ansprüche auf die Differenz zwischen
Alternativ- und Festpension vor.
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In der Präsidiumssitzung vom 27. März 2000 sprach der Angeklagte
Prof. Dr. Funk die Abfindung der Alternativpensionsansprüche an, legte einen
vorbereiteten Beschlussentwurf vor und versicherte, dass die Abfindungsbeträge rechtlich und versicherungsmathematisch geprüft worden seien. Anschließend beschlossen die Angeklagten Dr. Ackermann, Zwickel und L.
, die
sich auf das Beschlussthema nicht vorbereitet hatten, einstimmig, 18 Pensionären Abfindungsangebote in der Gesamthöhe von über 31 Mio. € zu unterbreiten, von denen über 2,7 Mio. € auf den Angeklagten Prof. Dr. Funk entfielen.
Dabei gingen sie von einer Reduzierung der durchschnittlichen Vorstandsvergütungen und damit verbunden von einem Absinken oder dem Wegfall der Alternativpensionen in der Zukunft aus. Sie erkannten, dass bei Beibehaltung der
bisherigen Pensionsregelung die Alternativpensionsansprüche langfristig ihren
wirtschaftlichen Wert verlieren würden.
69
Durch weitere Beschlüsse erhöhte das Präsidium in der Folgezeit die Abfindungsbeträge für zwei Pensionäre wegen unberücksichtigt gebliebener persönlicher Umstände um ca. 394.000 € und ca. 380.000 €, in einem Fall beschloss es die Auszahlung der Abfindung als jährliche Rente auf die Dauer von
15 Jahren, was Mehrkosten von ca. 450.000 € zur Folge hatte.
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Die Präsidiumsmitglieder waren bei ihren Entscheidungen der Meinung,
zur Abfindung der Alternativpensionen berechtigt zu sein, insbesondere
dadurch drohende gerichtliche Auseinandersetzungen mit den Pensionären
vermeiden zu können. Nachdem die Pensionäre und Hinterbliebenen ihr Ein-
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verständnis mit den beschlossenen Abfindungen erklärt hatten, wurden die Beträge ausbezahlt.
71
II. Das Landgericht vertritt die Auffassung, die Beschlüsse über die Abfindung der Alternativpensionsansprüche seien im Ergebnis nicht als Untreue
zu bewerten. Bei der Grundentscheidung vom 27. März 2000 hätten die Präsidiumsmitglieder zwar ihre gegenüber der Mannesmann AG bestehende Vermögensbetreuungspflicht verletzt, weil sie in Zukunft tatsächlich nicht mehr bestehende Ansprüche abgefunden hätten. Dies habe nicht im Unternehmensinteresse gelegen. Die Pflichtverletzung sei jedoch nicht gravierend gewesen, da
die Ertrags- und Vermögenslage der Mannesmann AG gut gewesen sei, die
Präsidiumsmitglieder nicht aus sachwidrigen Motiven gehandelt hätten und sie
wegen des bestehenden Prozessrisikos zu Recht von einem Vergleich ausgegangen seien. In den weiteren Fällen fehle es wegen der Vergleichsmotivation
bereits an einem Pflichtenverstoß. Mangels einer Haupttat scheide eine Strafbarkeit des Angeklagten Dr. D.
wegen Beihilfe zur Untreue aus.
72
III. Die Urteilsgründe tragen die Freisprüche der Angeklagten nicht.
73
1. Die zur Grundentscheidung vom 27. März 2000 über die Abfindung
der Alternativpensionsansprüche getroffenen Feststellungen sind lückenhaft, so
dass nicht überprüft werden kann, ob die Präsidiumsmitglieder die Grenzen
unternehmerischen Ermessens überschritten und deshalb die Mannesmann
AG pflichtwidrig geschädigt haben. Dem Urteil ist insbesondere nicht zu entnehmen, welcher Wert den künftigen Alternativpensionsansprüchen - jedenfalls
der Größenordnung nach - unter Berücksichtigung von versicherungsmathematischer Zahlungsdauer und der zu erwartenden Absenkung der Vorstandsgehälter unter dem Einfluss der neuen Konzernmutter Vodafone objektiv beizumes-
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sen war und wie sich die zuerkannten Beträge dazu verhalten. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich lediglich, dass das Landgericht langfristig von einer stark abnehmenden Werthaltigkeit der Alternativpensionsansprüche und damit von einem geringfügigen Wert ausgegangen ist. Da
die variable Alternativpension nur dann zu bezahlen war, wenn sie die Festpension überstieg, hätte auch deren jeweilige Höhe mitgeteilt werden müssen.
74
Entgegen der Meinung der Verteidigung sind die fehlenden Feststellungen nicht etwa deshalb entbehrlich, weil sich die Abfindungsentscheidung notwendigerweise innerhalb der Grenzen des auch insoweit bestehenden, wenn
auch durch versicherungsmathematische Vorgaben beschränkten unternehmerischen Handlungsspielraums bewegte. Denn wegen der dargestellten Lücken
ist nicht überprüfbar, ob mit Blick auf die Vermögensbetreuungspflicht der Präsidiumsmitglieder die Grenzen des Spielraums noch eingehalten sind. Aus
denselben Erwägungen kann die Feststellung des Landgerichts, die Angeklagten seien von einem Vergleich ausgegangen, die Freisprüche entgegen der von
der Verteidigung geäußerten Auffassung nicht tragen. Die von ihr angestellte
Erwägung, den Pensionären habe möglicherweise ein Anspruch auf Anpassung der Pensionszusagen zugestanden, wird durch die Feststellungen nicht
gestützt.
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2. Auch die Freisprüche zu den drei Folgeentscheidungen über die Abfindung der Alternativpensionsansprüche können nicht bestehen bleiben. Zum
einen waren die Erhöhungen der Abfindungen für zwei Pensionäre sowie die
Umrechnung der Abfindung einer Hinterbliebenen in eine Rentenzahlung abhängig von der am 27. März 2000 getroffenen Grundentscheidung und mit dieser untrennbar verbunden. Zum anderen sind auch die Feststellungen zu den
Folgeentscheidungen lückenhaft. Es kann daher nicht beurteilt werden, ob es
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sich gegenüber der Grundentscheidung - wie das Landgericht angenommen
hat - um selbständige Pflichtverletzungen handelt.
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D. Einstellung von Fall II. 6. der Urteilsgründe ("TOPP-200-Beschluss")
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Das Verfahren wegen des Vorwurfs der Untreue durch eine pflichtwidrige
Zuerkennung des "TOPP-200-Bonus" - eines erfolgsabhängigen, variablen Bestandteils der Vergütung der Vorstandsmitglieder - ist auf die Revision der
Staatsanwaltschaft gemäß § 260 Abs. 3 StPO durch Urteil einzustellen. Denn
es fehlt insoweit aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargestellten Gründen an der Verfahrensvoraussetzung einer zugelassenen Anklage. Der Tatkomplex, der von der Staatsanwaltschaft vor Anklageerhebung
gemäß § 154 a Abs. 1 StPO von der Strafverfolgung vorläufig ausgeschieden
worden war, konnte durch Beschluss des Landgerichts nicht wirksam in das
Verfahren einbezogen werden, weil die Präsidiumsbeschlüsse über den Bonus
und die Pensionsabfindungen mangels einer inhaltlichen Verknüpfung nicht zur
selben prozessualen Tat gehören. Das Einstellungsurteil geht im Falle fehlender Anklage einer Aufrechterhaltung des Freispruchs vor (vgl. BGHSt 46, 130,
135 ff.; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl. § 260 Rdn. 44 f.), so dass es keiner Erörterung bedarf, ob die Freisprüche rechtlicher Nachprüfung standhalten würden.
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E. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
79
I. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte Dr. Esser durch seine Mitwirkung an der Vorbereitung und der Umset-
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zung der Beschlüsse über die ihm und den anderen Vorstandsmitgliedern gewährten freiwilligen Sonderzahlungen lediglich wegen Beihilfe zur Untreue
strafbar gemacht haben kann; denn ihn traf im Zusammenhang mit diesen Beschlüssen keine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Mannesmann AG.
Daher kommt bei ihm eine als Mittäter begangene Untreue nicht in Betracht.
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Zwar hat der Vorstandsvorsitzende einer Aktiengesellschaft als deren
Geschäftsführer und Vertreter (§ 76 Abs. 1, § 77 Abs. 1, § 78 Abs. 1 AktG)
grundsätzlich die Pflicht, die Vermögensinteressen der Gesellschaft zu wahren,
insbesondere Schaden von dem Gesellschaftsvermögen abzuwenden, und
damit eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB. Dies
gilt jedoch nicht für Entscheidungen, die im weitesten Sinne die Bezüge der
Vorstandsmitglieder betreffen. Diese werden durch das Aktiengesetz nicht nur
aus der Vertretungsmacht, sondern auch aus der Geschäftsführungsbefugnis
des Vorstands ausgeklammert und sind dem Präsidium (Aufsichtsrat) in ausschließlicher Zuständigkeit zugewiesen (§ 87 Abs. 1 und 2, § 112 AktG). Das
hat seinen Grund nicht nur darin, dass insoweit die Gesellschaft zum Ausschluss von Insichgeschäften durch ein anderes Organ vertreten werden muss.
Vielmehr wird hierdurch auch der Tatsache Rechnung getragen, dass bei der
Regelung der Vorstandsbezüge die Vermögensinteressen von Gesellschaft und
Vorstandsmitglied nicht gleichgerichtet sind, sondern - auch soweit nicht die
eigenen, sondern die Bezüge anderer Vorstandsmitglieder betroffen sind - typischerweise in die entgegen gesetzte Richtung gehen. Ist dieser Entscheidungsbereich aber rechtlich aus den Befugnissen der Vorstandsmitglieder ausgeklammert, so kann diese insoweit auch keine Pflicht zur Betreuung der Vermögensinteressen der Gesellschaft treffen. Allein ihre faktischen Einwirkungsmöglichkeiten auf die entsprechenden Beschlüsse des Präsidiums (Aufsichtsrats) ändern an dieser Rechtslage nichts.
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II. Stellt sich der Sachverhalt dem neuen Tatrichter zur objektiven Tatseite in seinen wesentlichen Elementen ebenso dar, wie er im angefochtenen Urteil festgestellt ist, wird die Strafbarkeit der Angeklagten maßgeblich von den
Feststellungen zur subjektiven Tatseite abhängen. Je nach dem Stand ihrer
(Un-)Kenntnis von den Tatsachen und der eigenen (Fehl-) Bewertung ihres
Verhaltens könnten sie in einem den Vorsatz und damit die Strafbarkeit ausschließenden Tatbestandsirrtum (§§ 15, 16 StGB) oder in einem vermeidbaren
oder unvermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 StGB) gehandelt haben. Die Abgrenzung im einzelnen dürfte sich als schwierig erweisen, wie dies bei Tatbeständen mit stark normativ geprägten objektiven Tatbestandsmerkmalen (hier in
§ 266 Abs. 1 StGB die Verletzung der Pflicht, die Vermögensinteressen wahrzunehmen) häufig der Fall ist und gerade für den zu beurteilenden Sachverhalt
auch durch entgegen gesetzte Stellungnahmen in der Literatur belegt wird (vgl.
u.a. einerseits Arzt/Weber, Strafrecht BT § 22 Rdn. 69; Jakobs NStZ 2005,
276, 277; Jakobs in FS für Dahs S. 49 ff. und andererseits Schünemann in LK
11. Aufl. § 266 Rdn. 153 f.; Kindhäuser in NK-StGB 13. Lfg. § 266 Rdn. 179;
Tröndle/Fischer aaO § 266 Rdn. 77; Puppe GA 1990, 145, 171; Roxin, Strafrecht AT Bd. 1 3. Aufl. § 21 Rdn. 23).
82
Angesichts der Ungewissheit, welche Feststellungen der neue Tatrichter
insoweit gegebenenfalls treffen wird, und insbesondere der Vielgestaltigkeit der
denkbaren Sachverhaltsgestaltungen, wäre ein Versuch, für alle in Betracht
kommenden Vorstellungen und Motivationen Hinweise auf die - nach Auffassung des Senats - zutreffende rechtliche Einordnung zu geben, von vorneherein verfehlt; dies gilt auch deshalb, weil weder das Landgericht noch der - gegebenenfalls in anderer Besetzung entscheidende - Senat in einem etwaigen
neuen Revisionsverfahren daran gebunden wären. Die schriftlichen Stellungnahmen von Bundesanwaltschaft und Verteidigung sowie die Erörterung der
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Fragen in der Hauptverhandlung geben aber Anlass zu folgenden Anmerkungen:
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Eine sachgerechte Einordnung etwaiger Fehlvorstellungen oder -bewertungen der Angeklagten wird sich nicht durch schlichte Anwendung einfacher
Formeln ohne Rückgriff auf wertende Kriterien und differenzierende Betrachtungen erreichen lassen. Die Annahme etwa, dass jede (worin auch immer begründete) fehlerhafte Wertung, nicht pflichtwidrig zu handeln, stets zum Vorsatzausschluss führt, weil zum Vorsatz bei der Untreue auch das Bewusstsein
des Täters gehöre, die ihm obliegende Vermögensfürsorgepflicht zu verletzen,
kann nicht überzeugen. Umgekehrt könnte der Senat auch der Auffassung
nicht folgen, dass es für die Bejahung vorsätzlichen Handelns ausreicht, wenn
der Täter alle die objektive Pflichtwidrigkeit seines Handelns begründenden
tatsächlichen Umstände kennt und dass seine in Kenntnis dieser Umstände
aufgrund unzutreffender Bewertung gewonnene fehlerhafte Überzeugung, seine Vermögensbetreuungspflichten nicht zu verletzen, stets nur als Verbotsirrtum zu werten ist.
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Ausgehend von den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts
zum objektiven Sachverhalt und mit Blick auf seine Ausführungen zu den Vorstellungen der Angeklagten Prof. Dr. Funk, Dr. Ackermann und Zwickel neigt
der Senat etwa hinsichtlich der Anerkenntnisprämien für den Angeklagten
Dr. Esser zu folgender Bewertung:
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War den Präsidiumsmitgliedern - was allerdings kaum anders vorstellbar
sein dürfte - bewusst, dass die Sonderzahlungen für die Mannesmann AG in
der gegebenen Situation (Übernahme des Unternehmens durch Vodafone und
Ausscheiden von Dr. Esser) ohne jeden Nutzen war, so dürfte ihre irrige An-
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nahme, zur Bewilligung der Prämien gleichwohl berechtigt gewesen zu sein,
den Vorsatz unberührt lassen und lediglich einen Verbotsirrtum begründen.
Wer als Verwalter fremden Vermögens in Kenntnis seiner Vermögensfürsorgepflicht eine Maßnahme trifft, die dem Inhaber des betreuten Vermögens keinen
Vorteil bringen kann und deswegen einen sicheren Vermögensverlust bedeutet,
kennt nicht nur die Tatsachen, die rechtlich als Verletzung der Vermögensfürsorgepflicht zu bewerten sind. Er weiß, weil das Verbot, alles das Vermögen
sicher und ausnahmslos Schädigende zu unterlassen, zentraler Bestandteil der
Vermögensfürsorgepflicht ist, vielmehr zugleich auch, dass er diese seine
Pflicht verletzt. Wenn die Angeklagten Prof. Dr. Funk, Dr. Ackermann und Zwickel - wie es nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils der Fall war gemeint haben, "aufgrund ihrer unternehmerischen Handlungsfreiheit" zu den
Zahlungen berechtigt zu sein, liegt es nahe, dass sie in Kenntnis dessen, dass
ihr Verhalten für die Mannesmann AG sicher nachteilig war und mithin ihre
Vermögensfürsorgepflicht eigentlich verletzte, gleichsam einen nicht bestehenden Erlaubnissatz in Anspruch genommen haben. Eine solche Fehlvorstellung
wird aber von § 17 StGB und nicht von § 16 StGB geregelt.
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Dasselbe gilt noch deutlicher hinsichtlich der Anerkennungsprämie für
Prof. Dr. Funk: Sollten die Angeklagten Dr. Ackermann und Zwickel tatsächlich
geglaubt haben, zu der das Vermögen der Mannesmann AG schädigenden
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Zuwendung allein deswegen berechtigt zu sein, weil diese dem Wunsch des
Angeklagten Prof. Dr. Funk entsprochen habe, so liegt die Annahme eines den
Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtums fern.
Tolksdorf
Miebach
von Lienen
Winkler
Becker