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2023-03-06 15:36:57 +01:00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 197/14
vom
2. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung
im Ausland
-2-
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. April 2015,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
Staatsanwalt
- bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt
aus Berlin,
aus Berlin
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- in der Verhandlung - ,
-3-
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Kammergerichts Berlin vom 8. November 2013 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
1
Das Kammergericht Berlin hat den Angeklagten wegen Werbens um
Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland in
vier Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten
verurteilt sowie zu seinen Lasten zwei PCs, einen Laptop, zwei externe Festplatten und einen Memorystick eingezogen. Die Revision des Angeklagten rügt
die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das
Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
I.
2
Nach den Feststellungen begeisterte sich der als Palästinenser im Libanon aufgewachsene Angeklagte mehr und mehr für die terroristische Organisation Al Qaida, die sich nach seiner Auffassung als einzige wirklich für die Sache
der Palästinenser einsetzt. Ab dem Jahre 2008 schloss er sich dem Internetforum "Ansar al-Mujahideen" an, einem Netzwerk aus mehreren jihadistischen
-4-
Websites, das die Unterstützung des gewaltsamen "Jihad" im Sinne der Ideologie von Al Qaida zum Ziel hat und dessen sich auch die Al QaidaMedienorganisationen regelmäßig für ihre Veröffentlichungen bedienen. Unter
Nutzung seiner Kenntnisse über computergestützte Filmbearbeitung beteiligte
er sich dort zunächst an der Gestaltung der Internetauftritte. Im Jahre 2009
entschloss er sich, Al Qaida durch eigene Medienarbeit zu unterstützen. Hierzu
fertigte er mehrere Videobeiträge an und stellte diese im Forum "Ansar alMujahideen" bzw. in dessen Unterforen mittels Links zum Herunterladen bereit
"in der Hoffnung, eine möglichst große Zahl von Nutzern zur Teilnahme am
Jihad als Mitglied von Al Qaida oder zu deren Unterstützung, insbesondere
durch Spenden, zu bewegen."
3
1. Am 12. April 2009 stellte er eine selbst gefertigte Videocollage mit
dem Titel "Wir sind Angehörige des Monotheismus, Knechte des Einen" in das
offen zugängliche "Forum für islamische Videos und Audios" ein (Fall B. IV. 1.
der Urteilsgründe). Sie reiht unter Einblendung des Logos des AnsarNetzwerkes in rascher Folge Kampfszenen aus Filmen über die Kreuzzüge sowie Aufnahmen vom Kampf jihadistischer Gruppen gegen russische Soldaten in
Afghanistan, von den Anschlägen des 11. September 2001 und vom Training
jihadistischer Gruppierungen in der Gegenwart aneinander. Unterlegt ist die
Darstellung mit Aufnahmen Usama Bin Ladens, mit Texten und mit Gesang.
Unter anderem singt ein Männerchor: "Für Dich opfern wir unsere Seelen und
werden nicht davon ablassen, oh Du Heimat, für Dich und Deinetwegen sind
wir bereit, unser Leben zu geben". Im Abspann folgt der Appell "Vergesst nicht,
Eure Brüder, die Mujahideen, und alle Muslime mit Eurem Gebet zu unterstützen".
-5-
4
2. Am 19. April 2009 stellte er - wiederum unter Verwendung des Logos
des Netzwerkes "Ansar al-Mujahideen" - die von ihm bearbeitete Aufzeichnung
eines Interviews von
J.
mit Usama Bin Laden ein (Fall B. IV. 2. der Ur-
teilsgründe). In dem Interview erklärt Bin Laden die Teilnahme am Jihad angesichts der antiislamischen Aggression des Westens zur Pflicht eines jeden Muslim. Jeder solle hervortreten und Juden und Amerikaner töten. Angefügt sind
u.a. Bildsequenzen von den Anschlägen des 11. September 2001. Im Abspann
folgt der Aufruf, "unsere Brüder, die Mujahideen, nicht zu vergessen hinsichtlich
Eures aufrichtigen Bittgebets und Eurer Geldmittel und Eurer Leben".
5
3. Am 8. Juli 2009 stellte er eine selbst gefertigte Videocollage mit dem
Titel "Nur nicht meinen Liebling, Ihr ungläubigen Flegel" in ein offenes Forum
ein (Fall B. IV. 3. der Urteilsgründe). Sie befasst sich mit den Veröffentlichungen der sog. Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Tageszeitung im September 2005. Wiedergegeben werden Aufrufe zur Rache für die "Verunglimpfung des Propheten", daneben werden Bildersequenzen mit Sprengstoffanschlägen und kämpfenden Mujahideen gezeigt. In Gesängen wird zum Jihad
aufgerufen. Es folgen Bilder von sieben "Märtyrern" aus dem Umfeld von Al
Qaida auf dem Totenbett, eine Aufnahme des Attentäters des Anschlags von Al
Qaida auf die dänische Botschaft in Islamabad am 2. Juni 2008 sowie die Abschiedserklärung des Selbstmordattentäters auf die US-amerikanische Botschaft in Khost/Afghanistan am 2. Juli 2008, die dieser ausdrücklich als Rache
für die "Verhöhnung des Gesandten" verübt hatte. Auch hier folgt im Abspann
der Aufruf, "unsere Brüder, die Mujahideen, nicht zu vergessen hinsichtlich Eures aufrichtigen Bittgebets und Eurer Geldmittel und Eurer Leben".
-6-
6
4. Schließlich stellte er die bearbeite Fassung eines am 26. August 2009
erschienenen Videofilms über einen Selbstmordanschlag auf eine Polizeistation
in Nazran/Inguschetien in das Forum ein (Fall B. IV. 4. der Urteilsgründe). In
den Originalfilm eingefügt hatte der Angeklagte u.a. den Ruf "Hier spricht die
Stimme des Kaukasus, Du unser Scheich Bin Laden", die Einblendung des
Schriftzuges "Scheich der Mujahideen, Usama Bin Laden. Möge ihn Allah beschützen und am Leben erhalten" sowie eine Rede Bin Ladens mit einem Aufruf zur Teilnahme am gewaltsamen Jihad.
II.
7
Die erhobenen Verfahrensrügen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2
StPO.
III.
8
Auch die Sachrüge bleibt ohne Erfolg.
9
1. Die Annahme des Kammergerichts, der Angeklagte habe mit der Einstellung der Videobeiträge in die Internet-Foren jeweils um Mitglieder und
Unterstützer der ausländischen terroristischen Vereinigung Al Qaida geworben
(§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB), hält rechtlicher
Überprüfung stand.
-7-
10
a) Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom 16. Mai 2007
- AK 6/07, StB 3/07, BGHSt 51, 345, 353; vom 19. Juli 2012 - 3 StR 218/12,
StV 2013, 303) wirbt im Sinne von § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB um Mitglieder für
eine terroristische Vereinigung, wer sich um die Gewinnung von Personen bemüht, die sich mitgliedschaftlich in die Organisation einer bestimmten derartigen Vereinigung einfügen. Um Unterstützer wirbt, wer bei anderen die Bereitschaft wecken will, die Tätigkeit oder die Bestrebungen einer solchen Vereinigung direkt oder über eines ihrer Mitglieder zu fördern, ohne sich selbst als Mitglied in die Organisation einzugliedern. Dies bedeutet eine Umgrenzung des
Tatbestandes in zweifacher Hinsicht:
11
Erforderlich ist zunächst eine Gedankenäußerung, die sich nach dem
Verständnis des Adressaten als Werbung zugunsten einer konkreten
terroristischen Vereinigung darstellt. Ein allgemein gefasster Aufruf, sich an
nicht näher gekennzeichneten terroristischen Aktivitäten zu beteiligen, reicht für
den
hiernach
notwendigen
Organisationsbezug
nicht
aus.
Auch
die
Aufforderung, sich dem "Jihad" anzuschließen, genügt für sich genommen
nicht, da dieser Begriff nicht allein für den Kampf einer oder mehrerer
bestimmter terroristischer Vereinigungen steht, sondern für eine Vielzahl von
islamistischen Aktivitäten, selbst wenn diese nicht durch terroristische
Vereinigungen unternommen werden. Etwas anderes kann für den Aufruf zum
"Jihad" nur gelten, wenn er durch eine Person vorgenommen wird, die eine
Vereinigung derartig herausgehoben repräsentiert, dass sich allein daraus
ausreichend konkret ergibt, die Aufforderung gelte zu allererst oder zumindest
auch zu Gunsten der repräsentierten Vereinigung (BGH aaO).
-8-
12
Notwendig ist daneben die Abgrenzung zum bloßen Werben um
Sympathie. Nicht ausreichend ist das befürwortende Eintreten für eine konkrete
terroristische Vereinigung, die Rechtfertigung ihrer Ziele oder der aus ihr heraus
begangenen Straftaten sowie die Verherrlichung der Ideologie, aus der
verschiedene derartige Vereinigungen ihre Tätigkeit legitimieren und die
gegebenenfalls auch Einzelpersonen zur Legitimation der Begehung von
Straftaten dient (BGH aaO). Dass derartige Äußerungen regelmäßig auch mit
der stillschweigenden Erwartung einhergehen werden, beim Adressaten
Überlegungen hin zu einem Anschluss an die Vereinigung oder zu deren
Unterstützung auszulösen und dieser so neuen Zulauf zu verschaffen, kann
hieran nichts ändern. Um die gebotene Abgrenzung zur straflosen bloßen
Sympathiewerbung zu gewährleisten, muss vielmehr festgehalten werden am
Erfordernis eines sich dem Adressaten - wenn auch nur aus den
Gesamtumständen - erschließenden eigenen Inhalts der Erklärung dahin, sie
diene gezielt der Gewinnung von Mitgliedern oder Unterstützern zu Gunsten
einer konkreten Organisation (BGH aaO).
13
Für die Beurteilung, ob der Äußerung ein in diesem Sinne werbender
Charakter zukommt, gelten die allgemein an die Ermittlung des Inhalts einer
Erklärung anzulegenden Maßstäbe (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September
2012 - 3 StR 314/12, StraFo 2013, 123, 125). Die Auslegung von schriftlichen
und mündlichen Äußerungen auf ihren tatsächlichen Gehalt ist Sache des
Tatrichters (BGH, Urteil vom 15. März 1994 - 1 StR 179/93, BGHSt 40, 97, 101;
Beschluss vom 16. Mai 2012 - 3 StR 33/12, NStZ 2012, 564). Kriterien für die
Auslegung sind der Wortlaut, der sprachliche Kontext der Äußerung sowie die
für die Zuhörer erkennbaren Begleitumstände, unter denen die Äußerung fällt
(BGH, Beschluss vom 7. Februar 2002 - 3 StR 446/01, NStZ 2002, 592).
Maßgeblich ist das Verständnis des Durchschnittsadressaten (BGH, Urteil vom
-9-
25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 19). Schon nach einfach-rechtlichen,
im
Hinblick
auf
Meinungsfreiheit
die
wertsetzende
(Art.
5
GG)
Bedeutung
insbesondere
des
Grundrechts
aber
auch
der
nach
verfassungsrechtlichen Anforderungen ist dabei zu beachten, dass einer
Aussage keine Bedeutung beigelegt werden, die sie objektiv nicht hat, und
dass im Falle der Mehrdeutigkeit einer Aussage nicht von der zur Verurteilung
führenden
Deutung
ausgegangen
werden
darf,
ohne
dass
andere
Deutungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen worden sind
(BVerfG, Beschlüsse vom 19. April 1990 - 1 BvR 40/86 u.a., BVerfGE 82, 43;
vom 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 u.a., BVerfGE 93, 266, 295 f.; vom
29. Juli 1998 - 1 BvR 287/93, NJW 1999, 204, 205; BGH, Beschluss vom
7. Februar 2002 - 3 StR 446/01, NStZ 2002, 592). Lässt eine Sinngebung
danach Verstöße gegen Denk- oder Sprachgesetze oder gegen das Gebot
umfassender Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände nicht erkennen,
so muss sie vom Revisionsgericht als rechtsfehlerfrei hingenommen werden
(vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84, BGHSt 33, 16, 19).
14
b) Nach diesen Maßstäben ist die Bewertung des Kammergerichts, den
festgestellten Inhalten der Veröffentlichungen sei jeweils eine Aufforderung an
die Adressaten zu entnehmen, auf der Seite von Al Qaida an Gewaltakten
teilzunehmen oder die Vereinigung zu unterstützen, nicht zu beanstanden.
15
aa) Die unter B. IV. 1. der Urteilsgründe beschriebene Collage vermischt
in schneller Abfolge Szenen aus Filmen über die Kreuzzüge, Darstellungen von
Kampfhandlungen heutiger "Jihadisten" sowie Bilder von den Anschlägen des
11. September 2001 und blendet dabei wiederholt auch Aufnahmen von Usama
bin Laden ein. Akustisch begleitet wird das Video von Tonaufnahmen, die das
"Märtyrertum" verherrlichen. Der vom Kammergericht aus einer Gesamtschau
dieser Umstände gezogene Schluss, der Angeklagte habe dem Adressaten
- 10 -
vermitteln wollen, die Teilnahme am gewaltsamen "Jihad" unter Führung von Al
Qaida und Usama bin Laden sei die legitime Fortsetzung eines seit den
Kreuzzügen andauernden Abwehrkampfs der Muslime gegen Aggressionen der
westlichen Welt und damit Pflicht eines jeden Gläubigen, lässt Rechtsfehler
nicht erkennen. Dieser Gesamteindruck wird insbesondere mit Blick auf den
Adressatenkreis nicht dadurch entscheidend relativiert, dass der Angeklagte im
Abspann zu der 6:20 Minuten langen Kollage (lediglich) noch dazu aufforderte,
"die Mujahideen und alle Muslime" durch Gebete zu unterstützen.
16
bb) In dem unter B. IV. 2. der Urteilsgründe dargestellten Video fordert
Usama Bin Laden zur Teilnahme am "Jihad" und damit - nach dem
Gesamtzusammenhang - zu gewaltsamen Aktionen an der Seite von Al Qaida
auf. Diesen Aufruf machte sich der Angeklagte erkennbar dadurch zu eigen,
dass er seinerseits an die Adressaten mit der Bitte herantrat, die "Brüder" mit
Geldmitteln und unter Einsatz ihres Leben zu unterstützen.
17
cc) Entsprechendes gilt im Falle B. IV. 3. der Urteilsgründe. Die Collage
stellt Aufrufe zur Rache wegen der Veröffentlichung der MohammedKarikaturen in einen engen Zusammenhang mit terroristischen Aktionen gerade
von Al Qaida; auch hier appellierte der Angeklagte an die Adressaten, die
"Brüder" mit Geldmitteln und unter Einsatz ihres Leben zu unterstützen.
18
dd) Auch im Falle B. IV. 4. der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte
schließlich den wiedergegebenen Aufruf Usama Bin Ladens zur Teilnahme am
"Jihad" und damit zu gewaltsamen Aktionen an der Seite von Al Qaida
erkennbar zu Eigen gemacht. Seine Einfügungen bezeichnen Usama Bin
Laden als "unseren Scheich" sowie als "Scheich der Muhajideen" und betonen
so dessen von ihm anerkannte führende Rolle im gewaltsamen "Jihad" ebenso
wie dessen Autorität in Glaubensfragen.
- 11 -
19
2. Auch der Strafausspruch hat Bestand.
20
a) Dies gilt auch, soweit das Kammergericht zu Lasten des Angeklagten
berücksichtigt hat, dass dieser nach der Hausdurchsuchung am 28. September
2009 seine jihadistischen Aktivitäten fortsetzte. Auch wenn für die Zeit nach der
Begehung der letzten abgeurteilten Tat im August 2009 keine Straftaten des
Angeklagten mehr festgestellt wurden, hat der Strafsenat ausreichend dargelegt, dass der Angeklagte sich auch danach nicht, wie die Revision meint, auf
seine Information über jihadistische Aktivitäten beschränkte, sondern seinerseits Aktivitäten im Hinblick auf die Fertigung neuer Videofilme über jihadistische Themen entwickelte. Dies durfte der Tatrichter als Nachtatverhalten werten, aus dem sich Rückschlüsse auf die Einstellung des Angeklagten zu seinen
Taten ziehen lassen.
21
b) Ebenso wenig unterliegt die straferschwerende Berücksichtigung des
Umstandes, dass der Angeklagte nicht davor zurückschreckte, seinen Sohn in
seine gewaltverherrlichenden Aktivitäten einzubeziehen und dessen kindliche
Entwicklung durch rigide Glaubensvorstellungen "in Art einer Gehirnwäsche" zu
beeinflussen, einem Rechtsfehler. Zwar garantiert Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG den
Eltern die Pflege und Erziehung ihrer Kinder und umfasst zusammen mit Art. 4
Abs. 1 GG auch das Recht zur Kindererziehung in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02,
BVerfGE 108, 282, 301 mwN; Beschluss vom 21. Juli 2009 - 1 BvR 1358/09,
NJW 2009, 3151, 3152 mwN), wobei die Grundrechte auch bei der Strafzumessung als Wertmaßstäbe Beachtung verlangen (vgl. BVerfG, Beschluss vom
5. März 1968 - 1 BvR 579/67, BVerfGE 23, 127, 133 f.). Doch ergibt der Zu-
- 12 -
sammenhang der Urteilsdarlegungen des Kammergerichts, dass es zu Lasten
des Angeklagten nicht die religiöse Erziehung seines Sohnes, sondern dessen
Einbeziehung in seine gewaltverherrlichenden Aktivitäten berücksichtigt hat, die
vom Erziehungsrecht nicht umfasst sind. Diese Bewertung wird von den Feststellungen auch getragen, wonach der Angeklagte als Arbeitsmaterial für seine
jihadistischen Beiträge im Internet auch Bilder seines achtjährigen Sohnes erstellt hat, die diesen mit wollener Gesichtsmaske und einer Gewehrattrappe in
der Hand zeigen, die ungefähr seine Größe erreicht (UA S. 45).
IV.
22
Schließlich hält auch die Einziehung zweier näher bezeichneter PC, eines Laptop, zweier externer Festplatten und eines Memorystick der rechtlichen
Überprüfung stand. Das Kammergericht ist zutreffend davon ausgegangen,
dass die Computer nebst Zubehör vorliegend als Tatmittel anzusehen sind und
deshalb nach § 74 Abs. 1 Alt. 2 StGB als Einziehungsgegenstand in Betracht
kommen (BGH, Beschlüsse vom 28. August 2012 - 4 StR 278/12, BGHR StGB
§ 74b Abs. 2 Einziehung 1; vom 8. Februar 2012 - 4 StR 657/11, NStZ 2012,
319). Entgegen dem Revisionsvorbringen ist es auch nicht rechtsfehlerhaft,
dass der Strafsenat die Einziehung nicht mit der Auflage, die Festplatten zu
löschen, nach § 74b Abs. 2 StGB lediglich vorbehalten hat.
23
Gemäß § 74b Abs. 2 StGB hat das Gericht anzuordnen, dass die Einziehung lediglich vorbehalten bleibt und eine weniger einschneidende Maßnahme
zu treffen ist, wenn der Zweck der Einziehung auch durch sie erreicht werden
kann. Die Einziehung dient allerdings keinem einzelnen Zweck. Sie verfolgt
nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung vielmehr eine mehrspurige Konzeption
- 13 -
verschiedener repressiver und präventiver Zwecke und hat damit je nach den
Umständen des Falles Straf- und/oder Sicherungscharakter. Soweit im Einzelfall sowohl die Voraussetzungen einer personen- als auch objektbezogenen
Einziehung gegeben sind, bestimmt sich der Rechtscharakter der Sanktion
nach dem Zweck, dem unter Berücksichtigung der konkreten Umstände das
entscheidende Gewicht beizumessen ist (S/S-Eser, 29. Aufl., vor § 73 ff.,
Rn. 13 ff.). Im Fall der Einziehung nach § 74 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB steht
regelmäßig deren Strafcharakter im Vordergrund, da diese hier im Wesentlichen an täterbezogene Merkmale - die Schuld und das Eigentum des Täters anknüpft, während der eingezogene Gegenstand an sich keine Gefährlichkeit
aufweist (S/S-Eser, 29. Aufl., vor § 73 ff., Rn. 14). Das Strafübel ist im Verlust
des Eigentums an dem eingezogenen Gegenstand zu sehen. Dieses lässt sich
indes nur durch die Einziehung des Gegenstandes erreichen, während denkbare weniger einschneidende Maßnahmen zwar den Sicherungszweck, nicht aber
den Strafzweck der Einziehung erfüllen können (S/S-Eser, 29. Aufl., § 74b,
Rn. 6; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 74b Rn. 3).
24
So liegt der Fall hier. Das Kammergericht hat die Einziehung auf § 74
Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB gestützt. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe lässt sich entnehmen, dass die Einziehung der Computer samt Zubehör, die dem Angeklagten nicht allein zur Vorbereitung und Begehung der abgeurteilten Taten dienten, sondern ihn umfassend in das Ansar-Netzwerk als
einen der wesentlichen Moderatoren einbanden (vgl. UA S. 42 ff.), als Strafsanktion dienen sollte. Dieser Zweck konnte mit weniger einschneidenden
Maßnahmen wie der Löschung der Festplatten nicht erreicht werden, zumal
sich der Angeklagte von der Durchsuchung in vorliegender Sache nicht davon
abhalten ließ, mit neuen Geräten seine Aktivitäten zur Herstellung von
Videocollagen und dergleichen wieder aufzunehmen. Im Hinblick auf die her-
- 14 -
vorragende Bedeutung der eingezogenen Computer nebst Zubehör für die Begehung der abgeurteilten Taten und des nicht allzu hohen Wertes der - vom
Angeklagten bald wieder ersetzten - Geräte stellt es auch keinen Rechtsfehler
dar, dass das Kammergericht die Einziehung nicht ausdrücklich mildernd bei
der Strafzumessung berücksichtigt hat.
25
Der Einziehung steht auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs,
wonach bei Verurteilungen wegen des Herunterladens oder Vorführens kinderpornographischen Materials regelmäßig ein Vorbehalt der Einziehung der verwendeten Computer bei Auflage weniger einschneidender Maßnahmen zu erörtern ist (BGH, Beschlüsse vom 28. November 2008 - 2 StR 501/08, BGHSt 53,
69, 70 f.; vom 1. Januar 2012 - 4 StR 612/11; vom 8. Februar 2012 - 4 StR
657/11, NStZ 2012, 319; vom 28. August 2012 - 4 StR 278/12, BGHR StGB
§ 74b Abs. 2 Einziehung 1), nicht entgegen. Die Entscheidung des 2. Senats,
auf die diese Rechtsprechung jeweils verweist (BGH, Beschluss vom
- 15 -
28. November 2008 - 2 StR 501/08, BGHSt 53, 69 ff.), sah in dem beschlagnahmten Computer einen individualgefährlichen Gegenstand nach § 74 Abs. 2
Nr. 2 StGB, so dass der Sicherungscharakter der Einziehung im Vordergrund
stand, dem gegebenenfalls auch mit weniger einschneidenden Maßnahmen
Rechnung getragen werden kann.
Schäfer
Pfister
Gericke
Mayer
Spaniol