Cyberlaywer/build/tfgpu-cyberlaywer/EndDokumente/2_str_487-00.pdf.txt

120 lines
5.6 KiB
Text
Raw Normal View History

2023-03-06 15:36:57 +01:00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 487/00
vom
7. Februar 2001
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a.
-2-
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Februar
2001, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Detter,
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
die Nebenklägerin J.
P.
ihre gesetzliche Vertreterin S.
und
P.
persönlich,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
-3-
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 2. März 2000 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch
erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse
auferlegt.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen sowie wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen in weiteren sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung dieser
Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die
wirksam auf den Strafausspruch beschränkt wurde. Mit der Sachrüge wird die
Strafzumessung als zu Gunsten des Angeklagten rechtsfehlerhaft angegriffen.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
-4-
II.
Anlaß zur Erörterung gibt nur der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
Der Tatrichter hat bei der Gesamtstrafenbildung ausgeführt:
"Unter nochmaliger zusammenfassender Würdigung aller Taten und der
Täterpersönlichkeit hält die Kammer somit eine Erhöhung der Einsatzstrafe um
die Hälfte der Summe der weiteren Einzelstrafen für angemessen. Dies ergäbe
eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat (richtig: zwei
Jahre und drei Monate). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in Fällen, in denen die Strafe nur geringfügig über der Bewährungsgrenze liegt, besonders zu prüfen, ob eine Bewährung in Betracht käme und,
wenn dies der Fall ist, ob eine Absenkung der Gesamtstrafe bis auf zwei Jahre
verantwortet werden kann". Nach Erörterung der Voraussetzungen der Absätze
1 und 2 des § 56 StGB kommt die Kammer zu dem Ergebnis: "Angesichts des
Umstandes, daß die von der Kammer für angemessen erachtete Gesamtstrafe
nur einen Monat (richtig: drei Monate) über der Grenze liegt, die noch eine Bewährung zuläßt, erscheint es verantwortbar, die Gesamtstrafe noch weiter abzusenken, um dem Angeklagten eine Bewährungsmöglichkeit einräumen zu
können. Aus diesen Erwägungen heraus hat die Kammer letztlich auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren erkannt und diese zur Bewährung ausgesetzt."
Diese Überlegungen sind rechtlich zu beanstanden.
Es ist unzulässig die Gesamtstrafe auf Grund einer Rechenformel zu bilden. Insbesondere ist es rechtsfehlerhaft die Gesamtstrafe durch Erhöhung der
Einsatzstrafe um die Hälfte der Summe der übrigen Einzelstrafen zu berechnen
-5-
(vgl. u.a. G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung 2. Aufl. 1995 Rdn. 501). Jeder
Schematismus ist der Gesamtstrafenbildung fremd (vgl. Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 54 Rdn. 17 m.w.N.). Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 3
StGB sind vielmehr bei der Gesamtstrafenbildung die Person des Täters und
die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen. Bei der zusammenfassenden Würdigung kommt es nicht so sehr auf die Summe der Einzelstrafen, sondern auf die angemessene Erhöhung der Einsatzstrafe unter Berücksichtigung der Person des Täters und seiner Taten an. Hierbei kann die Erhöhung der Einsatzstrafe niedriger ausfallen, wenn zwischen den einzelnen Taten
ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht.
Das Landgericht ist bei seinen Überlegungen zur Gesamtstrafenbildung
demgemäß rechtlich bedenklich von einer unzulässigen (im übrigen auch rechnerisch fehlerhaften) Rechenformel ausgegangen.
Der Senat schließt im vorliegenden Fall jedoch aus, daß die konkret
verhängte Strafe auf den bedenklichen Ausgangsüberlegungen des Tatrichters
beruht. Die letztlich verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren wurde
gerade nicht berechnet, sondern ist das Ergebnis einer umfassenden sachgerechten Gesamtwürdigung von Täterpersönlichkeit und den einzelnen Straftaten (§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB). Hierbei durfte gemäß § 46 Abs. 1 StGB den
Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, Gewicht zukommen.
Der Tatrichter wollte hier auch keineswegs eine unterhalb der Schuldangemessenheit liegende Strafe verhängen. Die Urteilsgründe in ihrer Gesamtheit machen vielmehr deutlich, daß die vom Tatrichter vorläufig für angemessen erachtete Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat nur ein
gedanklicher Zwischenschritt zur Findung der letztlich konkret für tat- und
-6-
schuldangemessen erachteten Strafe war. Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe
liegt innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums. Sowohl die Einzelstrafen als auch die Gesamtstrafe haben sich (noch) nicht nach unten von
ihrer Bestimmung gelöst, gerechter Schuldausgleich zu sein.
Durchgreifende Rechtsfehler des angefochtenen Urteils zum Nachteil
des Angeklagten - was gemäß § 301 StPO zu berücksichtigen ist - hat die
Überprüfung durch den Senat nicht ergeben.
Bode
Detter
Fischer
Rothfuß
Elf