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2023-03-06 15:36:57 +01:00
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 474/12
vom
13. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung u.a.
-2-
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13. März 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 3. April 2012 im Schuldspruch im
Fall II. 11 der Urteilsgründe, im Ausspruch über die Gesamtstrafe, die Kompensationsentscheidung und die Feststellung
gemäß § 111i Abs. 2 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung in
vier Fällen, davon in einem Fall im Versuch und in diesem Fall in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung, wegen Erpressung, gefährlicher Körperverletzung, Betrugs in zwei Fällen, davon in einem Fall im Versuch, falscher Verdächtigung, versuchter Nötigung, Bestechung in vier Fällen und Anstiftung zur
-3-
vorsätzlichen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren
verurteilt und ausgesprochen, dass hiervon zwei Monate wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Ferner hat das Landgericht festgestellt, dass bei dem Angeklagten A.
hinsichtlich eines Betrages
von 68.000 € die Ansprüche Verletzter der Anordnung des Verfalls von Wertersatz entgegenstehen.
2
Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat in dem aus dem
Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie aus den zutreffenden
Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne
von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Fall II. 11 der Urteilsgründe fasste der Angeklagte
A.
spätestens Anfang des Jahres
2009 den Entschluss, einen Kredit zu erschleichen. Hierbei sollte eine scheinbar werthaltige Immobilie durch einen Mittelsmann zunächst angekauft und sodann an den Darlehensnehmer zu einem weit überhöhten und dem Wert der
Immobilie nicht entsprechenden Preis weiterveräußert werden. Unter Vorlage
des letzten Kaufvertrages sollte die finanzierende Bank zur Auszahlung einer
höheren Darlehensvaluta veranlasst werden, wobei der nicht zur Abdeckung
des Erstkaufpreises benötigte, überschüssige Darlehensanteil als verdeckte
Rückzahlung ("kick-back") an den Angeklagten A.
4
genutzt werden sollte.
Der in das Vorhaben eingeweihte gesondert Verfolgte As. , der als Immobilienmakler tätig war, bot dem Angeklagten A.
ein aufgrund hohen Sa-
nierungsbedarfs schwer vermittelbares Zweifamilienhaus in D.
zum Kauf
-4-
an. Beide vereinbarten, dass As.
das Objekt für 120.000 € ankaufen und für
260.000 € an den Angeklagten A.
weiterverkaufen sollte. As.
Kontakt zu dem gesondert Verfolgten L.
stellte den
her, der als Berater für Baufinan-
zierungen bei der Deutschen Bank in Da.
tätig war. Diesem leitete As.
gefälschte Gehaltsbelege des Angeklagten A.
zu, die einen monatlichen
Nettolohn von 1.900 € auswiesen, obgleich der Angeklagte A.
in der von
ihm und seinem Zwillingsbruder betriebenen Kampfsportschule nur einer
400 €-Beschäftigung nachging. Auf das Konto hatte der Angeklagte A.
zweimal entsprechende Beträge in Höhe von 1.900 € eingezahlt und nach dem
Ausdrucken eines Kontoauszugs umgehend wieder abgehoben. Von der Unrichtigkeit der Lohnabrechnungen hatte L.
keine Kenntnis. Er erkannte je-
doch, dass ihm ohne Verfälschungen der Bonität des Angeklagten A.
und
der Wertigkeit des Objekts eine Kreditgewährung nicht möglich sein würde.
Deshalb wies er die ihm von As.
übersandten Fotos der Immobilie aufgrund
des erkennbar starken Renovierungsbedarfs als unverwendbar zurück und erklärte As.
zudem, er brauche einen Nachweis über eine Vermietung der leer-
stehenden Wohnung im Erdgeschoß. Daraufhin übersandte As.
L.
Fotos
einer neu renovierten anderen Wohnung aus seinem Maklerbestand sowie einen gefälschten Mietvertrag betreffend die Wohnung im Erdgeschoß. L.
nahm beides zur Kreditakte und vermerkte wahrheitswidrig, in dem Objekt eine
Innenbesichtigung durchgeführt zu haben, um eine höhere Krediteinwertung
des Objekts plausibel erscheinen zu lassen. Der Angeklagte A.
hatte von
diesen Fälschungen keine Kenntnis.
5
Auf der Grundlage dieser falschen wertbildenden Faktoren nahm L.
,
der nach den internen Richtlinien der Bank keine Kreditkompetenz im Baufinanzierungsbereich hatte, eine Wertermittlung vor, ohne einen Bewerter mit
Kreditkompetenz einzuschalten. Hierbei ermittelte er einen Sach- und Beleihungswert des Objekts von 153.825 €. Ferner fertigte er ein internes Analyse-
-5-
blatt an und stellte in die beabsichtigte Finanzierung ein Kontoguthaben von
19.000 € sowie Eigenmittel in Höhe von 15.870 € ein, obwohl er wusste, dass
beides nicht vorhanden war. Der Kreditakte fügte er eine von dem Angeklagten
A.
blanko unterzeichnete und von diesem bewusst nicht ausgefüllte
Selbstauskunft bei. Dem Angeklagten A.
war egal, was L.
dort eintra-
gen würde, um seine Leistungsfähigkeit vorzutäuschen, da er mit der Vorspiegelung falscher Tatsachen einverstanden war und zugleich seine mangelnde
Solvenz verschleiern wollte (UA S. 41). Des Weiteren erstellte er einen Kreditentscheidungsbogen mit dem - jedem Bankmitarbeiter zugänglichen - technischen Kreditbearbeitungsprogramm der Bank, dem sog. Kreditmanager. Dort
fügte er neben dem selbst ermittelten Objektwert und dem Einkommen nicht
vorhandenes Eigenkapital von 15.900 € ein und erreichte eine Kreditrisikobewertung von knapp unter 50 Punkten. Wie von ihm beabsichtigt, ermöglichte
eine solche Risikobewertung eine Kreditgewährung durch einen Bankmitarbeiter und den Kreditmanager "als zweites Augenpaar", ohne einen Vorgesetzten
hinzuzuziehen. Nachdem L.
auf diese Weise eine technische Freigabe er-
halten hatte, ließ er den Darlehensvertrag über die Nettokreditsumme von
257.150 € ausfertigen (UA S. 42).
6
Der Angeklagte A.
unterzeichnete den Darlehensvertrag am 5. Juli
2009, obwohl er nicht beabsichtigte, den Kredit zu bedienen und zudem wusste, dass er dadurch eine Kreditauszahlung erreichte, die nicht durch ausreichende Sicherheiten abgedeckt war. Im Rahmen der Refinanzierung des Kreditengagements "A.
" lehnte der Kreditmanager nach einer Rekalibrierung
Anfang Juli 2009 eine Kreditgewährung ab. Da zu diesem Zeitpunkt der Kreditvertrag bereits gezeichnet und an den Angeklagten A.
versandt war, erteil-
te der in einer höheren Abteilung der Bank tätige Zeuge T.
eine weitere
technische und kompetenzgerechte Genehmigung, ohne das Kreditengagement inhaltlich zu prüfen.
-6-
7
Wie beabsichtigt erhielt der Angeklagte A.
nach Auszahlung des
Darlehens am 2. September 2009 einen Betrag von 58.000 € als "kick-back"Zahlung, während As.
den nach Abzug des Ankaufpreises verbleibenden
Restbetrag behielt. Nachdem der Angeklagte A.
selbst keine Zahlungen
geleistet hatte, kündigte die Deutsche Bank das Darlehen. Das in dem sich anschließenden Zwangsversteigerungsverfahren eingeholte Gutachten bezifferte
den Marktwert der Immobilie zum 4. August 2011 mit 133.000 €.
8
Mit der Beurkundung der beiden Kaufverträge beauftragte As.
sondert Verfolgten W.
den ge-
. Die Beurkundung beider Kaufverträge erfolgt am
22. Juli 2009. Vereinbarungsgemäß erwarb As.
das Objekt zum Kaufpreis
von 120.000 €, wobei der Kaufvertrag einen Passus enthielt, wonach As.
Objekt "im Auftrag eines Dritten Ak.
das
" erwerbe. Wie beabsichtigt, hatten
die Verkäufer des Wohnhauses keine Kenntnis von dem Weiterverkauf an den
Angeklagten A.
. Im Anschluss daran beurkundete W.
Immobilie durch den Angeklagten A.
den Erwerb der
für 260.000 € sowie die Grund-
schuldbestellung in gleicher Höhe.
9
2. Das Landgericht hat die Tat hinsichtlich des Angeklagten A.
als
Betrug gemäß § 263 Abs. 1 StGB gewertet. Als Schaden hat es die Differenz
zwischen der Nettokreditsumme von 257.150 € und dem im August 2011 ermittelten Marktwert von 133.000 € sowie einer Wertminderung des Objekts in der
Zeit von Juli 2009 bis August 2011 von ca. 24.000 € angenommen und den
Schadensbetrag auf 100.000 € geschätzt.
-7-
II.
10
Die Revision des Angeklagten A.
führt mit der Sachrüge zur Aufhe-
bung des Schuldspruchs im Fall II. 11 der Urteilsgründe, der Gesamtstrafe, der
Kompensationsentscheidung und der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO.
11
1. a) Die bisherigen Feststellungen tragen nicht die Verurteilung des Angeklagten A.
Verfolgte As.
wegen Betrugs. Der Angeklagte A.
haben den Bankmitarbeiter L.
und der gesondert
weder über den Wert der zur
Kreditsicherung bestellten Sicherheit in Form der Grundschuld noch über die
Kreditwürdigkeit und -willigkeit des Angeklagten getäuscht, sondern mit L.
kollusiv zusammengewirkt (UA S. 97). L.
kannte den Sanierungsbedarf der
Wohnung im Erdgeschoß, legte der Wertermittlung des Wohnobjekts bewusst
falsche Lichtbilder einer anderen renovierten Wohnung zugrunde, nachdem er
die ursprünglichen Lichtbilder der Wohnung als unverwertbar zurückgewiesen
hatte, und vermerkte eine tatsächlich nicht durchgeführte Innenraumbesichtigung, um eine höhere Wertigkeit der Immobilie darstellen zu können. In gleicher Weise stellte er in die Wertermittlung des Anwesens einen gefälschten
Mietvertrag für die Wohnung im Erdgeschoß ein, obwohl er wusste, dass ein
solcher nicht bestand. Zwar hatte der Angeklagte A.
diesen Fälschungen; jedoch wirkte As.
keine Kenntnis von
insoweit kollusiv mit L.
zusam-
men.
12
Auch hinsichtlich der Bonität des Angeklagten A.
unterlag L.
keinem betrugsrelevanten Irrtum. Zwar kannte er nicht die Unrichtigkeit der ihm
von dem Angeklagten A.
und dem gesondert Verfolgten As.
vorgelegten
Lohnabrechnungen. Jedoch war dieser Irrtum nicht ursächlich für die Kreditgewährung, da L.
A.
seinerseits die Einkommensverhältnisse des Angeklagten
maßgeblich verfälschte, indem er der Kreditentscheidung ein - wie er
-8-
wusste - nicht vorhandenes Eigenkapital von rund 20.000 € zugrunde legte und
die von dem Angeklagten A.
blanko unterzeichnete Selbstauskunft eigen-
mächtig entsprechend ausfüllte. Zwar stellt das Landgericht nicht fest, ob
L.
wusste, dass der Angeklagte A.
nicht beabsichtigte, den Kredit zu
bedienen (UA S. 42). Dies liegt angesichts des festgestellten kollusiven Zusammenwirkens von L.
, As.
Selbst wenn der Angeklagte A.
und dem Angeklagten A.
indes nahe.
den Bankmitarbeiter L.
jedoch über
seine grundsätzliche Unwilligkeit, den Kredit zurückzuführen, getäuscht haben
sollte, wäre ein dahingehender Irrtum von L.
kausal, da L.
für die Kreditgewährung nicht
wusste, dass der Angeklagte A.
mangels Bonität jeden-
falls nicht fähig war, die Darlehensraten zu zahlen und L.
gleichwohl das
Darlehen bewilligte.
13
Für die Prüfung, ob auf Seiten der Deutschen Bank ein für die Darlehensgewährung ursächlicher Irrtum vorliegt, kommt es allein auf das Vorstellungsbild des Bankmitarbeiters L.
an, da dieser die Kreditgenehmigung
neben dem Kreditmanager ohne Hinzuziehung eines Vorgesetzten veranlasste
und eine weitere inhaltliche Prüfung des Kreditengagements (auch in der Folgezeit) nicht stattfand.
14
b) Das kollusive Zusammenwirken des Angeklagten A.
sondert Verfolgten As.
keit des Angeklagten A.
Verfolgten L.
und L.
und der ge-
begründet möglicherweise eine Strafbar-
wegen Beihilfe zu einer Untreuetat des gesondert
(§§ 266 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB). L.
verstieß mit der Kre-
ditgewährung nicht nur gegen interne Kreditvergaberichtlinien der Bank, sondern er stellte bewusst in die Wertermittlung des Wohnobjekts und die Prüfung
der Bonität von A.
falsche Tatsachen ein, um mit Hilfe des Kreditmanagers
und ohne Hinzuziehung eines Vorgesetzten eine Kreditgewährung zu ermöglichen. Dies könnte eine Verletzung der ihm obliegenden Vermögensbetreu-
-9-
ungspflicht darstellen, die zu einem Vermögensschaden zum Nachteil der
Deutschen Bank führte. Bei dem Angeklagten A.
käme aufgrund des Son-
derdeliktscharakters des Untreuetatbestandes und des Fehlens einer Vermögensbetreuungspflicht trotz der Täterqualität seines Tatbeitrags nur eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Untreue in Betracht.
15
Eine solche rechtliche Bewertung setzt allerdings voraus, dass die Strafkammer mit den Feststellungen, der Bankmitarbeiter L.
habe eine Risiko-
kreditbewertung von unter 50 Basispunkten erreicht, "die es ihm - gemäß seiner
Absicht - ermöglichte, eine Kreditgenehmigung durch einen Bankmitarbeiter
und den Kreditmanager als "zweites Augenpaar" und ohne Hinzuziehung eines
Vorgesetzten zu erhalten" (UA S. 41 f.) gemeint hat, dass es sich bei der "Kreditgenehmigung durch einen Bankmitarbeiter" um die Genehmigung des L.
selbst handelte. Diese Feststellungen des Landgerichts könnten jedoch auch
dahingehend zu verstehen sein, dass es sich hierbei um die Genehmigung
durch einen weiteren, ggf. von L.
zu täuschenden Bankangestellten han-
delte, zu der die Einschaltung des Kreditmanagers hinzukam und die Zuziehung eines Vorgesetzten überflüssig machte. Für dieses Verständnis könnten
insbesondere die Ausführungen des Landgerichts (UA S. 41) sprechen, wonach L.
"über keine Kreditkompetenz im Baufinanzierungsbereich" verfüg-
te. Aufgrund dieser Unklarheit der Feststellungen ist dem Senat eine abschließende Beurteilung, ob die Schädigung der Deutschen Bank durch eine Untreuehandlung und/oder ein betrügerisches Vorgehen des L.
herbeigeführt
wurde, nicht möglich.
16
Ungeachtet der unklaren Feststellungen steht einer Schuldspruchänderung auch § 265 Abs. 1 StPO entgegen. Der Senat kann bei dem Angeklagten
trotz seiner geständigen Einlassung nicht ausschließen, dass dieser sich bei
- 10 -
Erteilung eines entsprechenden rechtlichen Hinweises in tatsächlicher Hinsicht
anders verteidigt hätte.
17
Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II. 11 der Urteilsgründe führt
auch zum Fortfall der Gesamtstrafe, der Kompensationsentscheidung und der
Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO.
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2. Der Senat weist darauf hin, dass das Landgericht bei der Schadensbestimmung einen unzutreffenden Maßstab angewendet hat, indem es seiner
Schätzung die Differenz zwischen der Darlehenssumme und dem Verkehrswert
im Fall II. 11 der Urteilsgründe zugrunde gelegt hat. Ob die Hingabe eines Darlehens einen Vermögensschaden bewirkt, ist durch einen für den Zeitpunkt der
Darlehenshingabe anzustellenden Wertvergleich mit dem Rückzahlungsanspruch des Darlehensgläubigers zu ermitteln. Die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs wird dabei durch die Bonität des Schuldners und den Wert der
bestellten Sicherheiten bestimmt (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2013
- 2 StR 422/12 mwN). Der neue Tatrichter wird daher für die vorzunehmende
- 11 -
Strafzumessung eine Bewertung des jeweiligen Rückzahlungsanspruchs vorzunehmen haben, wobei hinsichtlich der Bonität allerdings erneut zu berücksichtigen sein wird, dass der Angeklagte A.
zur Rückzahlung des Kredits
weder bereit noch in der Lage war.
Becker
Fischer
Berger
Appl
Krehl