101 lines
5.6 KiB
Text
101 lines
5.6 KiB
Text
|
BUNDESGERICHTSHOF
|
|||
|
BESCHLUSS
|
|||
|
2 StR 417/06
|
|||
|
vom
|
|||
|
31. Oktober 2006
|
|||
|
in der Strafsache
|
|||
|
gegen
|
|||
|
|
|||
|
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
|
|||
|
Menge
|
|||
|
|
|||
|
-2-
|
|||
|
|
|||
|
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 31. Oktober 2006 gemäß § 349
|
|||
|
Abs. 4 StPO beschlossen:
|
|||
|
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 19. Juni 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
|
|||
|
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
|
|||
|
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
|
|||
|
|
|||
|
Gründe:
|
|||
|
1
|
|||
|
|
|||
|
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren
|
|||
|
verurteilt. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung
|
|||
|
des Urteils, so dass es auf die Verfahrensrügen nicht ankommt.
|
|||
|
|
|||
|
2
|
|||
|
|
|||
|
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts versandte der - wegen Einfuhr von Heroin aus fernöstlichen Ländern erheblich vorbestrafte - Angeklagte
|
|||
|
im Dezember 2005 aus Islamabad/Pakistan an eine niederländische Deckadresse ein Paket, in dem sich ein Teppich sowie ein Backgammon-Spiel befanden; in letzterem war 1 kg Heroin (möglicherweise) schlechter Qualität versteckt. Das Heroin wurde von pakistanischen Sicherheitsbehörden vor der Ausfuhr entdeckt; der Inhalt des Pakets wurde beschlagnahmt. Eine Sicherstellungs- oder Asservatennummer wurde dabei nicht vergeben. Pakistanische Polizeibeamte zeigten den Paketinhalt am 21. Dezember 2005 in Lahore drei Be-
|
|||
|
|
|||
|
-3-
|
|||
|
|
|||
|
amten des BKA. Diese fotografierten den Paketinhalt und entnahmen eine Probe der in dem Backgammon-Spiel in acht Beuteln versteckten weißlichen Substanz. Die Probe wurde an das kriminaltechnische Institut des BKA versandt,
|
|||
|
auf dem Weg dorthin aber möglicherweise vertauscht, so dass die schließlich
|
|||
|
untersuchte (braune) Substanz mit einem Heroinhydrochlorid-Gehalt von 70 %
|
|||
|
möglicherweise mit der in Lahore entnommenen Probe nicht identisch war. In
|
|||
|
der Wohnung der Mutter des Angeklagten wurden später 358 Gramm Streckmittel gefunden.
|
|||
|
Der Angeklagte hat die Versendung des Pakets eingeräumt, jedoch
|
|||
|
|
|||
|
3
|
|||
|
|
|||
|
bestritten, Heroin in dem Paket versteckt und versandt zu haben. Das Landgericht hat diese Einlassung des Angeklagten als widerlegt angesehen und seine
|
|||
|
Überzeugung von dessen Täterschaft unter anderem auf die Aussagen der als
|
|||
|
Zeugen vernommenen Polizeibeamten sowie auf weitere Beweisanzeichen gestützt.
|
|||
|
4
|
|||
|
|
|||
|
2. Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hat erhebliches indizielles Gewicht dem Umstand beigemessen, dass
|
|||
|
der Wert des legalen Inhalts des Pakets (ein Teppich und ein BackgammonSpiel) zu den Frachtkosten "in auffälligem Missverhältnis" gestanden habe (UA
|
|||
|
S. 17). Zur Höhe der Frachtkosten ist allerdings nur mitgeteilt, der Angeklagte
|
|||
|
habe sie um 20 bis 30 US-Dollar herunterhandeln können. Der Paketinhalt ist
|
|||
|
von den BKA-Beamten als "minderwertig" bezeichnet worden (UA S. 17); die
|
|||
|
Minderwertigkeit des Backgammon-Spiels hat der Tatrichter überdies "auf den
|
|||
|
in Augenschein genommenen Lichtbildern" erkannt.
|
|||
|
|
|||
|
5
|
|||
|
|
|||
|
Diese Erwägungen werden den rechtlichen Anforderungen an die Darlegung der Beweisführung nicht gerecht. Bei der Würdigung indizieller Beweisergebnisse ist es in der Regel erforderlich, in den Urteilsgründen die tatsächlichen
|
|||
|
|
|||
|
-4-
|
|||
|
|
|||
|
Anknüpfungspunkte der Würdigung so mitzuteilen, dass dem Revisionsgericht
|
|||
|
eine Überprüfung möglich ist. Den Angeklagten belastende Schlussfolgerungen
|
|||
|
dürfen nicht auf Vermutungen oder bloße Möglichkeiten gestützt werden.
|
|||
|
6
|
|||
|
|
|||
|
Die Feststellung, dass zwischen Warenwert und Transportkosten des sichergestellten Pakets ein "auffälliges Missverhältnis" bestand, setzte voraus,
|
|||
|
dass die genannten Werte bekannt waren. Hierzu hätten einerseits die Transportkosten, andererseits der Wert des legalen Paketinhalts, bei Schätzungen
|
|||
|
deren Grundlagen mitgeteilt werden müssen. Der Hinweis, die Polizeibeamten
|
|||
|
hätten den ihnen in Pakistan gezeigten Teppich sowie das Brettspiel als "minderwertig" bezeichnet, reichte hierzu nicht aus, denn das Urteil enthält außer
|
|||
|
dieser allgemeinen Bewertung keinerlei Hinweise darauf, aufgrund welcher
|
|||
|
Sachkunde und anhand welcher Kriterien die Beurteilung stattgefunden hat.
|
|||
|
Auch der Hinweis, das Gericht habe die Minderwertigkeit des Brettspiels selbst
|
|||
|
auf einem Lichtbild erkannt, reichte insoweit ohne Mitteilung der Anknüpfungstatsachen nicht aus.
|
|||
|
|
|||
|
7
|
|||
|
|
|||
|
3. Ein Beruhen des Urteils auf dem Rechtsfehler lässt sich nicht ausschließen. Die Beweiswürdigung weist die Besonderheit auf, dass die Feststellung aller wesentlichen Umstände der Tat auf Schlussfolgerungen beruht, deren
|
|||
|
Grundlage ihrerseits teilweise unsicher ist. Selbst wenn man annimmt, dass die
|
|||
|
in dem Paket in Pakistan sichergestellten Gegenstände, deren weiterer Verbleib
|
|||
|
offenbar insgesamt fraglich ist, mit den Gegenständen identisch waren, welche
|
|||
|
den deutschen Polizeibeamten "präsentiert" wurden (UA S. 13), und wenn man
|
|||
|
die Annahme akzeptiert, die Polizeibeamten hätten die ihnen gezeigte, später
|
|||
|
wieder verschwundene Substanz durch bloßen Augenschein zuverlässig als
|
|||
|
Heroingemisch erkannt, so konnte doch jedenfalls die Feststellung der "Minderwertigkeit" eines Teppichs in Pakistan nicht allein auf einen bloßen "Eindruck" von Zeugen gestützt werden, deren Sachkunde das Urteil nicht darlegt.
|
|||
|
|
|||
|
-5-
|
|||
|
|
|||
|
8
|
|||
|
|
|||
|
Der neue Tatrichter wird, wenn es hierauf ankommt und die Gegenstände nicht mehr zur Verfügung stehen, die Zuziehung eines Sachverständigen bei
|
|||
|
der Inaugenscheinnahme der Lichtbilder zu erwägen haben.
|
|||
|
Rissing-van Saan
|
|||
|
|
|||
|
Bode
|
|||
|
Fischer
|
|||
|
|
|||
|
Otten
|
|||
|
Appl
|
|||
|
|
|||
|
|