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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XII ZR 71/01
  5. Verkündet am:
  6. 10. November 2004
  7. Küpferle,
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. BGB §§ 535 Abs. 1 Satz 2 (= § 536 a.F.), 536 Abs. 1 (= § 537 Abs. 1 a.F.), 538
  18. (= § 548 a.F.), 543 Abs. 1, 2 (= § 542 a.F.)
  19. Der Mieter ist nicht nach § 543 BGB (§ 542 BGB a.F.) zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt, wenn er die Störung des vertragsgemäßen Gebrauchs
  20. (hier durch einen Wasserschaden) selbst zu vertreten hat. Ist die Schadensursache
  21. zwischen den Vertragsparteien streitig, trägt der Vermieter die Beweislast dafür, daß
  22. sie dem Obhutsbereich des Mieters entstammt. Sind sämtliche Ursachen, die in den
  23. Obhuts- und Verantwortungsbereich des Vermieters fallen, ausgeräumt, trägt der
  24. Mieter die Beweislast dafür, daß er den Schadenseintritt nicht zu vertreten hat.
  25. BGH, Urteil vom 10. November 2004 - XII ZR 71/01 - OLG Naumburg
  26. LG Dessau
  27. -2-
  28. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  29. vom 10. November 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter
  30. Fuchs und Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose
  31. für Recht erkannt:
  32. Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des
  33. Oberlandesgerichts Naumburg vom 6. Februar 2001 aufgehoben.
  34. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
  35. auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
  36. Von Rechts wegen
  37. Tatbestand:
  38. Die Parteien streiten um rückständigen Mietzins für die Zeit von Juni bis
  39. Juli 1997 sowie von November 1997 bis Dezember 1999 und um die Feststellung, daß ihr Mietverhältnis nicht durch eine fristlose Kündigung der Beklagten
  40. vorzeitig beendet wurde.
  41. Mit Vertrag vom 6. November 1993 mietete die Beklagte von den Klägern
  42. Gewerberäume zum Betrieb einer Arztpraxis für die Dauer von zehn Jahren.
  43. Nachdem schon im Jahre 1995 ein Wasserschaden aufgetreten war, kam es
  44. am 6. Juli 1997 zu einem erneuten Wasserschaden in den Mieträumen der Beklagten und anderen Räumen des Gewerbeobjekts. Dadurch entstanden in den
  45. -3-
  46. Mieträumen erhebliche optische Beeinträchtigungen sowie Schimmelbildungen
  47. mit unangenehmem Geruch.
  48. Die Parteien streiten um die Ursache des Wasserschadens. Während die
  49. Beklagte behauptet, das Wasser sei von außen in ihre Mieträume eingedrungen, behaupten die Kläger, als Schadensursache komme nur ein Wasseraustritt
  50. in den Mieträumen der Beklagten in Betracht. Die Beklagte hat die Miete für die
  51. Zeit ab dem Schadensereignis gemindert und das Mietverhältnis nach erfolgloser Fristsetzung zur Mangelbeseitigung fristlos zum 31. Oktober 1997 gekündigt
  52. sowie die Mietsache geräumt. Das Landgericht hat die auf rückständigen Mietzins und Feststellung des Fortbestehens des Mietverhältnisses gerichtete Klage
  53. abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Kläger blieb erfolglos.
  54. Entscheidungsgründe:
  55. Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und
  56. zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
  57. I.
  58. Das Oberlandesgericht meint, den Klägern stehe kein Anspruch auf
  59. rückständigen Mietzins für die Zeit von Juni bis Juli 1997 sowie ab November
  60. 1997 zu. Auch ihr Antrag auf Feststellung des weiter fortbestehenden Mietverhältnisses sei wegen der wirksamen fristlosen Kündigung der Beklagten zum
  61. 31. Oktober 1997 unbegründet. Nach dem Inhalt des eingeholten Sachverständigengutachtens lasse sich nicht feststellen, daß die Schadensursache im Be-
  62. -4-
  63. reich der von der Beklagten gemieteten Räumlichkeiten gelegen habe. Vielmehr
  64. habe der Sachverständige ausgeführt, daß die Ursache der Durchfeuchtungen
  65. nicht mehr nachvollziehbar sei. Zwar habe der Sachverständige einen Wasseraustritt am Rohrleitungsschacht nicht bestätigen können. Allerdings seien weitere Schadensursachen außerhalb der Mieträume der Beklagten denkbar, insbesondere Schäden an den am Schadenstag nicht untersuchten Leitungen sowie
  66. Wasserüberläufe in den Räumen anderer Mieter. Einer weiteren Beweiserhebung bedürfe es nicht, weil sich die Beweisaufnahme des Landgerichts durch
  67. Einholung eines Sachverständigengutachtens auf jegliche Ursachen des Wasserschadens bezogen habe.
  68. II.
  69. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
  70. Das Berufungsgericht hätte ergänzend den von den Klägern angebotenen weiteren Beweis zu den Behauptungen erheben müssen, die Schadensursache
  71. könne nur dem Verantwortungsbereich der Mieterin entstammen.
  72. 1. Allerdings trägt der Mieter gegenüber dem Anspruch auf Zahlung des
  73. Mietzinses nur dann die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß er die Zerstörung der Mietsache nicht zu vertreten hat, wenn die vermieteten Räume unstreitig infolge des Mietgebrauchs zerstört worden sind (BGHZ 66, 349, 351 f.). Ist
  74. hingegen streitig, ob vermietete Räume infolge des Mietgebrauchs beschädigt
  75. worden sind, trägt der Vermieter die Beweislast dafür, daß die Schadensursache dem Obhutsbereich des Mieters entstammt; eine in seinen eigenen Verantwortungsbereich fallende Schadensursache muß der Vermieter ausräumen
  76. (BGHZ 126, 124, 127 f.). Ist also - wie hier - streitig, ob Feuchtigkeitsschäden
  77. ihre Ursache im Verantwortungsbereich des Vermieters oder des Mieters ha-
  78. -5-
  79. ben, muß der Vermieter zunächst sämtliche Ursachen ausräumen, die aus seinem Gefahrenbereich herrühren können. Erst dann, wenn ihm dieser Beweis
  80. gelungen ist, muß der Mieter beweisen, daß die Feuchtigkeitsschäden nicht aus
  81. seinem Verantwortungsbereich stammen (vgl. Senatsurteile vom 26. November
  82. 1997 - XII ZR 28/96 - NJW 1998, 595; vom 18. Mai 1994 - XII ZR 188/92 - NJW
  83. 1994, 2019, 2020 = BGHZ 126, 124, 127 f. und vom 27. April 1994 - XII ZR
  84. 16/93 - NJW 1994, 1880, 1881).
  85. 2. Im Ansatz zutreffend ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen, daß die Kläger als Vermieter zunächst sämtliche Schadensursachen
  86. aus ihrem Gefahrenbereich ausschließen müssen. Zu Recht hat es insoweit
  87. auch das Ergebnis des gerichtlichen Sachverständigengutachtens für unergiebig beurteilt, weil die Ursache der Durchfeuchtungen im Zeitpunkt der Besichtigung durch den Sachverständigen nicht mehr nachvollziehbar war.
  88. Das Berufungsgericht hat es aber versäumt, die von den Klägern für den
  89. Ausschluß einer Schadensursache aus ihrem Gefahrenbereich angebotenen
  90. weiteren Beweise zu erheben. Insbesondere haben die Kläger vorgetragen,
  91. daß noch am Schadenstag selbst alle Leitungen im Haus durch die fachkundigen Zeugen S., K. und O. untersucht worden seien, wobei keine Schadensursache festgestellt wurde. Wäre dieser Vortrag bewiesen, stünde jedenfalls fest,
  92. daß der Wasserschaden nicht auf einen Wasserrohrbruch zurückzuführen war.
  93. Zusätzlich haben die Kläger auch eine weitere in ihrem Verantwortungsbereich
  94. liegende Schadensursache, nämlich Wasseraustritte bei anderen Mietern im
  95. Haus, ebenfalls unter Beweisantritt geleugnet. Dem steht nicht der unstreitige
  96. Sachverhalt des angefochtenen Urteils entgegen, wonach es auch in anderen
  97. Räumen des Gewerbeobjekts zu Wasserschäden gekommen ist. Denn nach
  98. dem Vortrag der Kläger ist das Wasser aus den Mieträumen der Beklagten
  99. ausgetreten und hat dadurch die anderen Räume in Mitleidenschaft gezogen.
  100. -6-
  101. Weiter hatten die Kläger ihre Behauptung, zwischen dem Schadensereignis und
  102. der späteren Untersuchung am 30. September 1997 seien keinerlei Installationen oder Reparaturen durchgeführt worden, in das Zeugnis des Hausverwalters
  103. gestellt. Auch dieses könnte einer Schadensursache aus dem Verantwortungsbereich des Vermieters entgegenstehen. Letztlich haben die Kläger ebenfalls
  104. unter Beweisantritt behauptet, daß alle Abwasserstränge, die mit der Praxis der
  105. Beklagten in Berührung kommen, am 30. September 1997 eingehend überprüft
  106. wurden und weder daran, noch an der Trockenbauwand, in der sich die Klappe
  107. des Revisionsschachts befinde, Wasseraustrittsspuren feststellbar gewesen
  108. seien. Diese Behauptung ist gerade deswegen von besonderer Bedeutung, weil
  109. die Beklagte ebenfalls unter Beweisantritt behauptet hatte, das Wasser sei über
  110. die Klappe des Revisionsschachts in ihre Mieträume eingedrungen.
  111. Nach den von den Klägern unter Beweis gestellten Behauptungen wäre
  112. jede denkbare Schadensursache aus dem Verantwortungsbereich der Vermieter ausgeschlossen. Wären diese Beweise erbracht, stünde fest, dass die
  113. Schadensursache dem Obhutsbereich der Beklagten als Mieterin entstammt.
  114. Dann würde nach der Rechtsprechung des Senats ihr der Beweis obliegen, daß
  115. die Feuchtigkeitsschäden nicht aus ihrem Verantwortungsbereich stammen.
  116. Nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils ist dieser Beweis bislang ebenfalls
  117. noch nicht erbracht. Insbesondere folgt dies auch nicht aus dem Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens, weil der gerichtliche Sachverständige
  118. wegen des erheblichen Zeitablaufs keine konkrete Schadensursache mehr feststellen konnte.
  119. -7-
  120. Deswegen ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das
  121. Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird auf der
  122. Grundlage der gefestigten Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast die
  123. weiteren angebotenen Beweise erheben müssen.
  124. Hahne
  125. Fuchs
  126. Vézina
  127. Ahlt
  128. Dose