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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 470/14
  4. vom
  5. 14. Januar 2015
  6. in der Unterbringungssache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. FamFG § 323 Abs. 2
  14. Enthält bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung die Beschlussformel keine Angaben zur
  15. Durchführung und Dokumentation dieser Maßnahme in der Verantwortung eines Arztes, ist die Anordnung insgesamt gesetzeswidrig und wird der untergebrachte Betroffene in seinen Rechten verletzt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 4. Juni 2014 - XII ZB 121/14 - FamRZ 2014, 1358).
  16. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2015 - XII ZB 470/14 - LG Lübeck
  17. AG Lübeck
  18. -2-
  19. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2015 durch die
  20. Richter
  21. Dr. Klinkhammer,
  22. Schilling,
  23. Dr. Günter,
  24. Dr. Nedden-Boeger
  25. und
  26. Dr. Botur
  27. beschlossen:
  28. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird festgestellt, dass
  29. der Beschluss des Amtsgerichts Lübeck vom 9. Juli 2014 und der
  30. Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom
  31. 20. August 2014 die Betroffene in ihren Rechten verletzt haben.
  32. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
  33. Die außergerichtlichen Kosten der Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.
  34. Beschwerdewert: 5.000 €
  35. Gründe:
  36. I.
  37. 1
  38. Das Amtsgericht hat die Einwilligung der Beteiligten zu 2 (Betreuerin) in
  39. die zwangsweise Behandlung der geschlossen untergebrachten Betroffenen
  40. durch Verabreichung näher bestimmter Medikation genehmigt. Die Beschlussformel enthält keine Angaben zur Durchführung und Dokumentation dieser
  41. Maßnahme in der Verantwortung eines Arztes. Das Landgericht hat die Beschwerde des Verfahrenspflegers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die
  42. Rechtsbeschwerde der Betroffenen, mit der sie - nach Ablauf der längstens bis
  43. -3-
  44. zum 20. August 2014 befristeten - Genehmigung die Feststellung der Rechtswidrigkeit nach § 62 FamFG beantragt.
  45. II.
  46. 2
  47. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
  48. 3
  49. 1. Bei der Genehmigung der Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme handelt es sich nach § 312 Satz 1 Nr. 1 FamFG um eine Unterbringungssache. Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch im Fall
  50. der hier aufgrund Zeitablaufs eingetretenen Erledigung aus § 70 Abs. 3 Satz 1
  51. Nr. 2 FamFG (Senatsbeschlüsse vom 4. Juni 2014 - XII ZB 121/14 - FamRZ
  52. 2014, 1358 Rn. 4 und vom 29. Januar 2014 - XII ZB 330/13 - FamRZ 2014, 649
  53. Rn. 7).
  54. 4
  55. 2. Die Entscheidungen von Amts- und Landgericht zur ärztlichen
  56. Zwangsmaßnahme haben die Betroffene in ihren Rechten verletzt, was nach
  57. der in der Rechtsbeschwerdeinstanz entsprechend anwendbaren Vorschrift des
  58. § 62 FamFG (Senatsbeschlüsse vom 4. Juni 2014 - XII ZB 121/14 - FamRZ
  59. 2014, 1358 Rn. 5 und vom 29. Januar 2014 - XII ZB 330/13 - FamRZ 2014, 649
  60. Rn. 8) festzustellen ist.
  61. 5
  62. a) Das Amtsgericht hat ein psychiatrisches Sachverständigengutachten
  63. zur Notwendigkeit einer geschlossenen Unterbringung sowie zum Vorliegen der
  64. medizinischen Voraussetzungen für eine zwangsweise Behandlung der Betroffenen eingeholt und die Betroffene angehört. Auf dieser Grundlage ist
  65. - teilweise ergänzend durch das Landgericht - festgestellt worden, dass bei vorliegender paranoider Schizophrenie der Betroffenen eine Medikation zur Behandlung akuter Agitiertheit und Aggressivität und zudem zum Wohle der Be-
  66. -4-
  67. troffenen erforderlich sei, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen
  68. Schaden abzuwenden. Angesichts des vorherigen Absetzens der oralen Medikation sei bereits eine Befundverschlechterung eingetreten. Es müsse mit einer
  69. weiteren Befundverschlechterung und einer Chronifizierung auf niedrigem Niveau gerechnet werden. Es stehe insoweit im Vordergrund, zunächst die wahnhafte Symptomatik zu behandeln. Es müsse davon ausgegangen werden, dass
  70. die Betroffene im Falle der nicht erfolgten Medikation dauerhaft geschlossen
  71. untergebracht werden müsse. Auch schwerwiegende Eingriffe wie Fixierungen,
  72. zu denen es immer wieder gekommen sei, könnten und sollten durch die Medikation vermieden werden. Der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme überwiege die von dieser zu erwartenden Beeinträchtigungen. Der
  73. Sachverständige habe sich auch mit den möglichen Nebenwirkungen der Behandlung auseinandergesetzt und mitgeteilt, dass nicht tolerable Nebenwirkungen auch im Hinblick auf die vorliegende Herzerkrankung der Betroffenen bisher nicht aufgetreten seien. Die Betroffene sei nicht in der Lage, einen freien
  74. Willen zu bilden. Aufgrund ihrer wahnhaften Störung sei sie nicht in der Lage,
  75. die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung zu erkennen und danach zu
  76. handeln. Beide Instanzen haben danach die Voraussetzungen für eine
  77. Zwangsbehandlung für gegeben erachtet. Das Landgericht hat in seinem Beschluss darauf hingewiesen, dass die Beschlussformel in künftigen Fällen gemäß § 323 Abs. 2 FamFG zu ergänzen sein werde.
  78. 6
  79. b) Die Entscheidungen des Amts- und Landgerichts halten insoweit einer
  80. rechtlichen Überprüfung nicht stand.
  81. 7
  82. Gemäß § 323 Abs. 2 FamFG muss die Beschlussformel bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren
  83. Anordnung Angaben darüber enthalten, dass die Zwangsmaßnahme unter der
  84. Verantwortung eines Arztes durchzuführen und zu dokumentieren ist (BT-
  85. -5-
  86. Drucks. 17/11513 S. 8; vgl. auch Senatsbeschluss BGHZ 193, 337 = FamRZ
  87. 2012, 1366 Rn. 40). Hierbei handelt es sich nicht lediglich um einen klarstellenden Ausspruch. Vielmehr wird durch den Beschlusstenor die Rechtmäßigkeit
  88. der ärztlichen Zwangsmaßnahme unabhängig von aus dem zivilrechtlichen Behandlungsvertrag folgenden Pflichten daran geknüpft, dass diese Vorgaben
  89. erfüllt sind (Senatsbeschluss vom 4. Juni 2014 - XII ZB 121/14 - FamRZ 2014,
  90. 1358 Rn. 22; vgl. auch Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 323 Rn. 8).
  91. 8
  92. An den danach zwingend erforderlichen Anordnungen fehlt es im amtsgerichtlichen Beschluss. Das Landgericht hätte die dagegen eingelegte Beschwerde nicht zurückweisen dürfen, ohne der Beschlussformel die nach § 323
  93. Abs. 2 FamFG erforderlichen Angaben zur Durchführung und Dokumentation
  94. dieser Maßnahme in der Verantwortung eines Arztes zuzufügen. Durch dieses
  95. Unterlassen bleibt die Anordnung insgesamt gesetzeswidrig und wird die Betroffene in ihren Rechten verletzt.
  96. -6-
  97. 9
  98. c) Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen,
  99. weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen
  100. Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
  101. Klinkhammer
  102. Schilling
  103. Nedden-Boeger
  104. Günter
  105. Botur
  106. Vorinstanzen:
  107. AG Lübeck, Entscheidung vom 09.07.2014 - 4 XVII B 24348 LG Lübeck, Entscheidung vom 20.08.2014 - 7 T 483/14 -