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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. XII ZB 117/09
  4. vom
  5. 11. November 2009
  6. in dem Rechtsstreit
  7. -2-
  8. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. November 2009 durch
  9. die Richter Dose, Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina und die Richter
  10. Dr. Klinkhammer und Schilling
  11. beschlossen:
  12. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 27. Zivilsenats
  13. des Oberlandesgerichts München vom 6. Mai 2009 wird auf Kosten der Klägerin verworfen.
  14. Beschwerdewert: 33.937 €
  15. Gründe:
  16. I.
  17. 1
  18. Die Klägerin legte gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am
  19. 29. Januar 2009 zugestellte Urteil des Landgerichts, mit dem ihre Klage abgewiesen worden war, am Montag, den 2. März 2009 Berufung ein. Mit Schriftsatz
  20. vom 30. März 2009, der am gleichen Tag per Fax bei dem Landgericht einging
  21. und von dort am 31. März 2009 dem Oberlandesgericht übermittelt wurde, begründete die Klägerin die Berufung. Als Empfänger wies der Begründungsschriftsatz das Oberlandesgericht aus, enthielt jedoch im Adressenfeld nicht
  22. dessen Telefaxnummer, sondern die des Landgerichts.
  23. 2
  24. Nach Hinweis des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht vom
  25. 2. April 2009, dass die Berufungsbegründung nach Fristablauf beim Oberlan-
  26. -3-
  27. desgericht eingegangen ist, hat die Klägerin gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur
  28. Begründung hat sie vorgetragen, die Büromitarbeiterin ihrer Prozessbevollmächtigten habe versehentlich die Telefaxnummer des Landgerichts an Stelle
  29. der des Oberlandesgerichts auf die Berufungsbegründungsschrift geschrieben.
  30. Diese Verfahrensweise habe der im Büro ihrer Prozessbevollmächtigten bestehenden Anweisung widersprochen, nach der die zur Fristwahrung benötigte
  31. Telefaxnummer des jeweiligen Gerichts entweder anhand des letzten, von dem
  32. erkennenden Gericht übermittelten Schriftstücks und ansonsten anhand des
  33. Gerichtsverzeichnisses zu ermitteln sei. Die Büromitarbeiterin habe vermutlich
  34. auf den Briefkopf des einzigen in der Berufungsakte befindlichen gerichtlichen
  35. Schriftstücks geschaut und nicht bemerkt, dass es sich nicht um die Eingangsmitteilung des Oberlandesgerichts gehandelt habe. Nach Versendung der Berufungsbegründung per Telefax habe die Büromitarbeiterin anhand des Sendeberichts die störungsfreie Übermittlung überprüft und die Empfängernummer mit
  36. der Telefaxnummer, die auf dem Schriftsatz angegeben gewesen sei, verglichen. Dabei habe sie es entgegen der auf einem Merkblatt niedergelegten ausdrücklichen Anweisung der klägerischen Prozessbevollmächtigten unterlassen,
  37. im Rahmen der Ausgangskontrolle erneut zu überprüfen, ob als Faxnummer
  38. diejenige benutzt worden sei, die von dem erkennenden Gericht in seinem letzten übermittelten Schriftstück angegeben worden sei oder ansonsten die im
  39. Gerichtsverzeichnis genannte Faxnummer.
  40. 3
  41. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet
  42. zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Wiedereinsetzung in den vorigen
  43. Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
  44. -4-
  45. II.
  46. 4
  47. Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Klägerin ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist entgegen der Ansicht der Klägerin zur Sicherung einer
  48. einheitlichen Rechtssprechung nicht erforderlich.
  49. 5
  50. 1. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Berufung verworfen, weil die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden
  51. Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhe. Ein Rechtsanwalt müsse durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass das von
  52. ihm beauftragte Personal die Empfängernummer, die im Telefaxverkehr die
  53. Funktion einer Adresse habe, richtig ermittle. Seine Anweisungen müssten im
  54. Hinblick auf die Bedeutung einer richtigen Adressierung eindeutig und unmissverständlich sein und die Gefahr einer falschen Adressenermittlung ausschließen. Dem würden die von den Klägervertretern im Merkblatt zur Fristenkontrolle
  55. enthaltenen Anweisungen nicht gerecht, soweit als Faxnummer vorrangig die
  56. von dem erkennenden Gericht in seinem letzten übermittelten Schriftstück angegebene maßgeblich sein solle; es fehle eine unmissverständliche Aufklärung
  57. darüber, welches Gericht im Falle einer Berufungseinlegung als das erkennende anzusehen sei. Unklar bleibe, ob es das Ausgangsgericht als das Gericht
  58. sei, das erkannt habe, oder das Berufungsgericht als das Gericht das künftig
  59. noch erkennen werde. Es fehle deshalb an einer eindeutigen Anweisung.
  60. 6
  61. 2. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde weicht die angegriffene
  62. Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab, nach
  63. der ein Rechtsanwalt, der unter Einschaltung seines Büropersonals fristgebun-
  64. -5-
  65. dene Schriftsätze per Telefax einreicht, verpflichtet ist, durch organisatorische
  66. Vorkehrungen sicher zu stellen, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen
  67. Gerichts verwendet wird und dass sodann bei der erforderlichen Ausgangskontrolle der Sendebericht auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft wird (Senatsbeschluss vom 10. Mai 2006 - XII ZR 267/04 NJW 2006, 2412, 2413; BGH Beschlüsse vom 26. September 2006 - VIII ZB
  68. 101/05 - NJW 2007, 996, 997; vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - NJW
  69. 2007, 1690, 1691; vom 11. März 2004 - IX ZR 20/03 - BGH-Report 2004, 978
  70. und vom 6. Juni 2005 - II ZB 9/04 - NJW-RR 2005, 1373).
  71. 7
  72. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass die zur Begründung des
  73. Wiedereinsetzungsantrags dargelegten und glaubhaft gemachten Vorkehrungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin diesen Anforderungen nicht genügen.
  74. 8
  75. Die Anweisung, als Telefaxnummer in erster Linie diejenige zu benutzen,
  76. die von dem erkennenden Gericht in seinem letzten übermittelten Schriftstück
  77. angegeben worden ist und erst falls ein solches Schriftstück nicht vorhanden
  78. ist, die im Gerichtsverzeichnis genannte Faxnummer zu verwenden, bietet keine ausreichende Gewähr dafür, dass die Telefaxnummer des angeschriebenen
  79. Gerichts, hier: des Oberlandesgerichts, verwendet wird. Der Anweisung lässt
  80. sich nicht hinreichend klar entnehmen, ob das „erkennende“ Gericht aus dessen letzten Schriftstück die Faxnummer entnommen werden soll, das Gericht
  81. ist, dessen Entscheidung angegriffen wird, oder das Gericht, das diese Entscheidung überprüfen soll. Die Unsicherheit darüber, welches Gericht gemeint
  82. ist, wird noch dadurch verstärkt, dass die Anweisung die eindeutige Bezeichnung "Empfängergericht" vermeidet und vielmehr auf das „erkennende Gericht“
  83. abstellt.
  84. -6-
  85. 9
  86. Auch die Anweisungen der Bevollmächtigten der Klägerin zur Ausgangskontrolle von Schriftsätzen, die durch Telefax versandt werden, sind nicht geeignet, die fehlerhafte Ermittlung der Telefaxnummer zu korrigieren. Sie verweisen ebenfalls darauf, dass als Telefaxnummer zunächst diejenige maßgeblich
  87. ist, die von dem erkennenden Gericht in seinem letzten übermittelten Schriftstück angegeben wird.
  88. 10
  89. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde weicht die angegriffene
  90. Entscheidung auch nicht von den Beschlüssen des Bundesgerichtshofs vom
  91. 22. Juni 2004 (- VI ZB 14/04 - NJW 2004, 3491, 3492) und vom 13. Februar
  92. 2007 (- VI ZB 70/06 - NJW 2007, 1690, 1691) ab. In den dortigen Fällen bestand die Anweisung, die Telefaxnummern aus einer ständig aktualisierten "Aktenvita" bzw. unmittelbar aus einem in den Akten befindlichen Schreiben des
  93. Berufungsgerichts zu entnehmen. Es bestand also kein Zweifel daran, dass die
  94. Telefaxnummer des Empfängergerichts maßgeblich war. Im vorliegenden Fall
  95. ist demgegenüber aufgrund der Anweisung gerade nicht hinreichend klar, ob
  96. -7-
  97. die Telefaxnummer des Gerichts, dessen Entscheidung angegriffen wird oder
  98. des Gerichts, das diese überprüfen soll, die maßgebliche ist.
  99. Dose
  100. Wagenitz
  101. Klinkhammer
  102. Vézina
  103. Schilling
  104. Vorinstanzen:
  105. LG Augsburg, Entscheidung vom 20.01.2009 - 3 O 5122/07 OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 06.05.2009 - 27 U 131/09 -