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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. XI ZR 112/15
  5. Verkündet am:
  6. 26. April 2016
  7. Weber,
  8. Justizamtsinspektorin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. ECLI:DE:BGH:2016:260416UXIZR112.15.0
  13. -2-
  14. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  15. vom 26. April 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ellenberger, die Richter
  16. Dr. Joeres und Dr. Matthias sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Dauber
  17. für Recht erkannt:
  18. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats
  19. des Oberlandesgerichts München vom 24. Februar 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
  20. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 29. Zivilkammer
  21. des Landgerichts München I vom 28. Februar 2014 wird, soweit
  22. sie nicht zurückgenommen worden ist, insgesamt zurückgewiesen.
  23. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  24. Von Rechts wegen
  25. Tatbestand:
  26. 1
  27. Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter Anlageberatung durch Mitarbeiter der inzwischen insolventen
  28. A
  29. 2
  30. AG.
  31. Der Kläger beantragte am 4. Januar 2005 über das Wertpapierhandels-
  32. haus D
  33. AG, der Rechtsvorgängerin der A
  34. AG (nachfol-
  35. -3-
  36. gend einheitlich: A AG), bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, einer Direktbank (nachfolgend: Beklagte), die während des Revisionsverfahrens auf die
  37. Beklagte verschmolzen worden ist, die Eröffnung eines "Depotkontos unter Einschluss eines Finanzdienstleisters" (sog. Zins-Plus-Konto). Am selben Tag unterzeichnete der Kläger eine Transaktionsvollmacht zugunsten der A AG. Bei
  38. dem Zins-Plus-Konto handelte es sich um ein Tagesgeldkonto mit einer über
  39. dem jeweiligen Marktzins liegenden jährlichen Verzinsung der Einlage, das
  40. zwingend mit einem Depotvertrag zur etwaigen Einbuchung von Wertpapieren
  41. verbunden war. Zwischen der A AG und der Beklagten war vereinbart, dass in
  42. ihrem Verhältnis die Beklagte lediglich den Marktzins zu zahlen hatte und die
  43. A AG die Differenz zu dem an die Kunden zu zahlenden Zins an die Beklagte
  44. zahlen musste. Im Kontoeröffnungsantrag vom 4. Januar 2005 heißt es auszugsweise:
  45. "V. Ausschluß der Anlageberatung
  46. Die …
  47. bank
  48. erfüllt lediglich ihre gesetzlichen Aufklärungs- und Erkundigungs-
  49. pflichten und führt Aufträge aus. Die … bank
  50. spricht weder Empfehlungen für den
  51. Kauf oder Verkauf von Wertpapieren aus noch bietet die Bank Beratungsleistungen."
  52. 3
  53. In der der A AG eingeräumten Transaktionsvollmacht vom gleichen Tag
  54. heißt es weiter:
  55. "1. Der Vermögensverwalter haftet für seine Beratungsleistungen nach Maßgabe der
  56. gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen. Ansprechpartner des DepotkontoInhabers für derartige Beratungsleistungen ist ausschließlich der Vermögensverwalter.
  57. 2. Der Vermögensverwalter wird im Zusammenhang mit der Vermögensanlage nicht im
  58. Auftrag der … bank tätig, ist auch nicht deren Vertreter und besitzt auch keine Vollmacht zur Abgabe irgendwelcher Erklärungen für die … bank. (…)
  59. -4-
  60. 4. Der/die Depotkonto-Inhaber bestätigt/en Kenntnis von folgenden Umständen zu haben:
  61. Die Anlageberatung, Disposition und allgemeine Kundenbetreuung erfolgen ausschließlich durch den Vermögensverwalter, der im Rahmen der ihm eingeräumten Vollmacht
  62. berechtigt ist, Verfügungen über das angelegte Vermögen vorzunehmen. Die … bank
  63. ist an Anlageentscheidungen und Vermögensdispositionen nicht beteiligt; sie kann
  64. die Einhaltung von Vereinbarungen zur Art und Weise der Vermögensanlage nicht
  65. überprüfen."
  66. 4
  67. Am 6. März 2008 erwarb der Kläger nach telefonischer Beratung durch
  68. einen Mitarbeiter der A AG Inhaber-Genussscheine der P
  69. AG mit
  70. einem Nominalwert von 5.000 € zu 4.814,45 €.
  71. 5
  72. Der Kläger verlangt zuletzt noch die Zahlung von 4.814,45 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Inhaber-Genussscheine der P
  73. AG, die Zahlung entgangener Anlagezinsen in Höhe von 928,16 € nebst
  74. Zinsen, die Feststellung des Annahmeverzugs und die Herausgabe bestimmter
  75. Dokumente. Hierbei beruft er sich auf Aufklärungs- und Beratungspflichtverletzungen der A AG, für die die Beklagte seiner Ansicht nach aus verschiedenen
  76. Rechtsgründen einzustehen habe.
  77. 6
  78. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die
  79. Beklagte zur Zahlung von 4.814,45 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückübertragung der Inhaber-Genussscheine der P
  80. AG verurteilt, den
  81. diesbezüglichen Annahmeverzug der Beklagten festgestellt und die Berufung
  82. im Übrigen, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, zurückgewiesen.
  83. 7
  84. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
  85. -5-
  86. Entscheidungsgründe:
  87. A.
  88. I.
  89. 8
  90. Das Verfahren ist nicht unterbrochen. Da die Rechtsvorgängerin der Beklagten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, trat die Beklagte
  91. aufgrund der Verschmelzung als Gesamtrechtsnachfolgerin gemäß § 246
  92. Abs. 1 ZPO ohne Unterbrechung des Verfahrens kraft Gesetzes in den Prozess
  93. ein (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2003 - II ZR 161/02, BGHZ 157, 151,
  94. 154 f.). Die Aussetzung des Verfahrens ist nicht beantragt worden.
  95. II.
  96. 9
  97. Die Revision ist zulässig, insbesondere gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
  98. aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht statthaft. Dieses hat die
  99. Revision nicht nur beschränkt auf die depotvertragliche Haftung der Beklagten
  100. kraft Wissenszurechnung zugelassen.
  101. 10
  102. 1. Eine Beschränkung der Revision auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente ist unzulässig. Anerkanntermaßen hat das Berufungsgericht
  103. aber die Möglichkeit, die Revision nur hinsichtlich eines tatsächlich und rechtlich
  104. selbständigen und abtrennbaren Teils des Gesamtstreitstoffs zuzulassen, auf
  105. den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (st. Rspr.; vgl. nur
  106. Senatsurteile vom 16. Oktober 2012 - XI ZR 368/11, juris Rn. 18 und vom
  107. 4. März 2014 - XI ZR 178/12, BKR 2014, 245 Rn. 21; BGH, Beschluss vom
  108. 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5; jeweils mwN).
  109. -6-
  110. 11
  111. Voraussetzung hierfür ist eine Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschränkung erfassten Teils des Streitstoffs in dem Sinne, dass dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff
  112. beurteilt werden und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch
  113. zum nicht anfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (Senatsurteil vom
  114. 16. Oktober 2012, aaO; BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010, aaO; jeweils
  115. mwN). Allerdings muss es sich hierbei weder um einen eigenen Streitgegenstand handeln, noch muss der betroffene Teil des Streitstoffs auf der Ebene der
  116. Berufungsinstanz teilurteilsfähig sein (Senatsurteil vom 4. März 2014, aaO;
  117. BGH, Beschlüsse vom 16. Dezember 2010, aaO mwN und vom 7. Juni 2011
  118. - VI ZR 225/10, ZUM 2012, 35 Rn. 4). Außerdem kann sich nach ständiger
  119. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Beschränkung der Revisionszulassung auch aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergeben.
  120. Hat das Berufungsgericht die Revision wegen einer Rechtsfrage zugelassen,
  121. die nur für einen eindeutig abgrenzbaren Teil des Streitstoffs von Bedeutung ist,
  122. kann die gebotene Auslegung der Entscheidungsgründe ergeben, dass die Zulassung der Revision auf diesen Teil des Streitstoffs beschränkt ist (Senatsurteile vom 20. März 2012 - XI ZR 340/10, juris Rn. 9, vom 16. Oktober 2012, aaO
  123. Rn. 14 und vom 4. März 2014, aaO Rn. 18).
  124. 12
  125. 2. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die Revision im vorliegenden
  126. Fall für die Beklagte in vollem Umfang zugelassen.
  127. 13
  128. Das Berufungsgericht hat die Revision unbeschränkt zugelassen. Im Tenor ist eine Beschränkung nicht erfolgt. Auch in den Entscheidungsgründen
  129. heißt es nur, dass die Revision gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts
  130. für die Beklagte zuzulassen ist. Danach folgt die Begründung der Revisionszulassung, nämlich der Hinweis auf die Grundsatzbedeutung der Frage nach der
  131. Wissenszurechnung von außerhalb der Diensttätigkeit erlangtem Wissen trotz
  132. -7-
  133. der grundsätzlichen Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 116 AktG. Aus
  134. dieser Begründung kann nicht zugleich die Darlegung eines Zulassungsgrundes
  135. und die Beschränkung der Revision auf diesen herausgelesen werden, zumal
  136. der Anwendungsbereich des § 116 AktG eine Rechtsfrage ist, auf die die Revision nicht wirksam beschränkt werden könnte.
  137. B.
  138. 14
  139. Die Revision ist begründet. Sie führt, soweit zum Nachteil der Beklagten
  140. erkannt worden ist, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur vollumfänglichen Zurückweisung der Berufung des Klägers.
  141. I.
  142. 15
  143. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
  144. für das Revisionsverfahren erheblich, im Wesentlichen ausgeführt:
  145. 16
  146. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehe dem Kläger ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen Verletzung einer Nebenpflicht
  147. zum Depotvertrag zu. Für die Beklagte sei aufgrund der ihr zurechenbaren
  148. Kenntnis ihres damaligen Prokuristen W
  149. (nachfolgend: W) eine systemati-
  150. sche Fehlberatung der gemeinsamen Kunden durch die A AG positiv bekannt
  151. und objektiv evident gewesen.
  152. 17
  153. Auch bei gestaffelter Einschaltung mehrerer Wertpapierdienstleistungsunternehmen bestehe eine Warnpflicht als Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB),
  154. wenn der Discount-Broker die tatsächliche Fehlberatung des Kunden bei dem in
  155. -8-
  156. Auftrag gegebenen Wertpapiergeschäft entweder positiv kenne oder wenn diese Fehlberatung aufgrund massiver Verdachtsmomente objektiv evident sei.
  157. 18
  158. Die A AG habe durch ihre Berater die gemeinsamen Kunden der A AG
  159. und der Beklagten systematisch fehlberaten. Diese systematische Fehlberatung
  160. der Anlageberater der A AG mindestens gegenüber einem Teil der Kunden lasse sich am deutlichsten an zwei Ausprägungen belegen: der Fehleinstufung von
  161. Wertpapieren in Risikoklassen und der Nicht-Übereinstimmung eines verkauften Produkts mit dem, was den Kunden gegenüber angegeben worden sei.
  162. 19
  163. Der Zeuge W sei durch die Erörterung der Ergebnisse der K
  164. -
  165. Prüfung in der Aufsichtsratssitzung vom 11. Juli 2007 auf Anhaltspunkte für die
  166. systematische Fehlberatung mindestens bestimmter Kundengruppen aufmerksam geworden, jedenfalls seien diese danach evident gewesen.
  167. 20
  168. Der Beklagten seien die Erkenntnisse des Zeugen W zuzurechnen. Dieser habe die Kenntnisse in seiner beruflichen Funktion als Prokurist und damit
  169. als Vertreter der Beklagten erlangt.
  170. 21
  171. Der Wissenszurechnung stehe die Verschwiegenheitspflicht des Zeugen
  172. W als Aufsichtsrat der A AG aus § 116 AktG nicht entgegen. Zutreffend gehe
  173. die Beklagte davon aus, dass Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft der Verschwiegenheitspflicht nach § 116 AktG unterliegen würden und
  174. die Geltung des § 116 AktG zwingendes Recht sei. Nach allgemeiner Meinung
  175. sei aber disponibel, welche Daten der Geltung des § 116 AktG unterliegen. Die
  176. Aktiengesellschaft könne jederzeit ursprünglich geheim gehaltene Daten freigeben. Zwar würden die Erörterungen aus der Aufsichtsratssitzung am 11. Juli
  177. 2007 im Grundsatz ohne weiteres dem Schutzbereich des § 116 AktG unterliegen. Der Senat sei aber der Auffassung, dass wegen der besonderen Konstellation der Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten und der A AG hier eine
  178. -9-
  179. konkludente Willensbildung der A AG vorliege, wonach solche Daten, die für die
  180. Durchführung der Kooperation zwischen der A AG und der Beklagten erforderlich seien, in dem Umfang nicht der Verpflichtung zur Verschwiegenheit unterfallen sollten, in dem der Beklagten gegen die A AG ein Anspruch aus diesen
  181. Kooperationsvereinbarungen auf Bekanntgabe dieser Daten zustehe. Allen Beteiligten sei schon bei Berufung des Zeugen W in den Aufsichtsrat bewusst gewesen, dass bestimmte Kenntnisse, die der Zeuge W als Aufsichtsrat erwerben
  182. könnte, für seine berufliche Tätigkeit als Bereichsleiter … der Beklagten mit
  183. besonderer Zuständigkeit für die Vertragsbeziehungen zur A AG wesentlich
  184. werden könnten. Wenn die Hauptversammlung der A AG unter solchen Umständen gerade den Zeugen W zum Aufsichtsrat bestelle, werde in dem Bestellungsakt zugleich zum Ausdruck gebracht, dass unter den genannten Begrenzungen diese Informationsweitergabe an die Beklagte gestattet sei. Dem stehe
  185. nicht entgegen, dass für die Informationsweitergabe üblicherweise der Vorstand
  186. der A AG zuständig sei. Dies stelle hier nur eine überflüssige Förmelei dar. Da
  187. die Beklagte aus den Kooperationsvereinbarungen einen Anspruch auf aktive
  188. Informationserteilung über die systematische Fehlberatung habe, sei es widersinnig, wenn sie sich auf eine Schutznorm berufen könne, die dem Schutz der
  189. A AG und nicht der Beklagten diene. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die
  190. Verschwiegenheitspflicht in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates ausdrücklich aufgeführt sei. Diese könne nicht weiter gehen als die gesetzliche Verschwiegenheitsverpflichtung.
  191. 22
  192. Die Beklagte sei daher aufgrund der ihr zuzurechnenden Erkenntnisse
  193. des Zeugen W verpflichtet gewesen, den von der K
  194. festgestellten syste-
  195. matischen Beratungsfehlern nachzugehen. Der Senat sei davon überzeugt,
  196. dass zumindest die Feststellungen der K
  197. bewiesen seien. Dies habe die
  198. Beklagte aber allein aufgrund der ihr im Gefolge der Aufsichtsratssitzung vom
  199. 11. Juli 2007 zuzurechnenden Informationen nicht sogleich erkennen können
  200. - 10 -
  201. und müssen. Die behaupteten Verstöße seien aber so schwerwiegend, dass die
  202. Beklagte aus den bestehenden Depotverträgen die Verpflichtung getroffen habe, die Feststellungen selbst zu überprüfen und sich dazu ergänzende Informationen zu verschaffen. Die für eine Validierung erforderlichen Informationen habe sich die Beklagte selbst beschaffen können, etwa durch Zugriff auf Erkenntnisse aus der Compliance und Revision bei der A AG. Außerdem habe sie Depots der Kunden auf das häufige Vorhandensein bestimmter nachrangiger Genussscheine und Anleihen nur selten am Markt gehandelter Emittenten überprüfen und sich aus den öffentlich zugänglichen Informationen in Verbindung
  203. mit ihrem Fachwissen als Bank ein eigenes Bild über die richtige Risikoeinstufung der Wertpapiere machen können. Darüber hinaus habe sie weitere Teile,
  204. wie insbesondere die Risikoeinstufung der einzelnen Kunden, bei der A AG in
  205. Erfahrung bringen und gegebenenfalls weitere Prüfberichte anfordern müssen.
  206. In der Zusammenschau dieser Informationen hätte sich dann für die Beklagte
  207. das oben dargestellte Bild einer systematischen Fehlberatung bestätigt.
  208. II.
  209. 23
  210. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung in den wesentlichen Punkten nicht stand. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen
  211. eine Verurteilung der Beklagten zu Schadensersatz aus § 280 Abs. 1, § 241
  212. Abs. 2 BGB nicht.
  213. 24
  214. 1. Das Berufungsgericht hat es bereits versäumt, die notwendigen Feststellungen zur individuellen Fehlberatung des Klägers bei den streitgegenständlichen Anlagegeschäften und damit zum objektiven Tatbestand einer nebenvertraglichen Pflichtverletzung der Beklagten aus dem Depotvertrag zu treffen.
  215. - 11 -
  216. 25
  217. a) Nur wenn der Kläger bei den konkreten, den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden Anlagegeschäften fehlerhaft beraten worden ist, kommt eine
  218. Haftung der Beklagten für die entstandenen Schäden unter dem Gesichtspunkt
  219. der Verletzung einer nebenvertraglichen Warnpflicht in Betracht. Wie der Senat
  220. in seiner Grundsatzentscheidung vom 19. März 2013 (XI ZR 431/11, BGHZ
  221. 196, 370 Rn. 27) betont hat, besteht eine Warnpflicht als Nebenpflicht nur dann,
  222. wenn der Discount-Broker die tatsächliche Fehlberatung des Kunden bei dem in
  223. Auftrag gegebenen Wertpapiergeschäft entweder positiv kennt oder wenn diese
  224. Fehlberatung aufgrund massiver Verdachtsmomente objektiv evident ist (so
  225. auch Senatsurteile vom 12. November 2013 - XI ZR 312/12, WM 2014, 24
  226. Rn. 25, vom 4. März 2014 - XI ZR 178/12, BKR 2014, 245 Rn. 24 und vom
  227. 4. März 2014 - XI ZR 313/12, BKR 2014, 203 Rn. 23). Objektives Tatbestandsmerkmal der Warnpflicht einer Direktbank als Nebenpflicht aus dem Depotvertrag ist die fehlerhafte Beratung des Anlegers im konkreten Einzelfall (vgl. hierzu auch Senatsurteile vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 508/12, WM 2014, 124
  228. Rn. 20 f. zur sittenwidrigen Überteuerung einer Eigentumswohnung und vom
  229. 6. Mai 2008 - XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281 Rn. 14 f. zum Missbrauch der Vertretungsmacht im bargeldlosen Zahlungsverkehr). Wurde der Kunde fehlerfrei
  230. und damit ordnungsgemäß durch das kundennähere Unternehmen beraten,
  231. besteht keine Warnpflicht der kundenferneren Direktbank. Im genannten Grundsatzurteil des Senats konnte diese Frage nur deshalb dahinstehen, weil die
  232. Fehlberatung der dortigen Klägerin und Revisionsführerin vom damaligen Berufungsgericht offen gelassen worden war, so dass ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz als wahr zu unterstellen war (Senatsurteil vom 19. März 2013 - XI ZR
  233. 431/11, BGHZ 196, 370 Rn. 24).
  234. 26
  235. b) Erst im Rahmen der subjektiven Voraussetzungen einer Warnpflicht
  236. kann, sofern der Direktbank die tatsächliche Fehlberatung des Kunden im Einzelfall nicht positiv bekannt ist, die Kenntnis von der systematischen und damit
  237. - 12 -
  238. regelmäßigen Fehlberatung der Anleger durch das kundennähere Unternehmen
  239. die tatsächliche Fehlberatung des Kunden im Einzelfall objektiv evident erscheinen lassen. Die systematische Fehlberatung von Anlegern kann aber nicht
  240. die tatsächliche Fehlberatung des jeweiligen Anspruchstellers ersetzen. Dies
  241. gilt umso mehr, als das Berufungsgericht im vorliegenden Fall lediglich die systematische Fehlberatung "mindestens gegenüber einem Teil der Kunden" der
  242. A AG feststellt, so dass der Schluss von der systematischen Fehlberatung auf
  243. die tatsächliche Fehlberatung des einzelnen Kunden von vornherein nicht möglich ist.
  244. 27
  245. c) Ob der Kläger tatsächlich bei den Anlagegeschäften falsch beraten
  246. worden ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die durch das Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen daher eine Verurteilung der Beklagten unabhängig von den Angriffen der Revision in den folgenden Punkten
  247. aus Rechtsgründen nicht, so dass das angegriffene Urteil schon deshalb keinen
  248. Bestand haben kann.
  249. 28
  250. 2. Aber auch die subjektiven Voraussetzungen einer Warnpflicht hat das
  251. Berufungsgericht nicht rechtsfehlerfrei bejaht. Ob das Berufungsgericht die systematische Fehlberatung der Anleger durch Berater der A AG, aus der es eine
  252. objektive Evidenz der Fehlberatung des Klägers herleiten will, und die der Beklagten zurechenbare Kenntnis des Zeugen W von dieser systematischen Fehlberatung rechtsfehlerfrei festgestellt hat, erscheint zweifelhaft, bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls steht einer Zurechnung des
  253. - unterstellten - Wissens des Zeugen W aus der Aufsichtsratssitzung vom
  254. 11. Juli 2007 von einer - ebenfalls unterstellten - systematischen Fehlberatung
  255. der Anleger durch die A AG bzw. von Umständen, die diese objektiv evident
  256. erscheinen lassen, die Verschwiegenheitspflicht des § 116 Satz 1 i.V.m. § 93
  257. Abs. 1 Satz 3 AktG entgegen.
  258. - 13 -
  259. 29
  260. Das Berufungsgericht hat von der Revision unbeanstandet und damit
  261. bindend festgestellt, dass der Zeuge W dieses - unterstellte - Wissen nicht gegenüber anderen Berufsträgern der Beklagten offenbart hat. Es könnte daher
  262. nur dann eine Warnpflicht der Beklagten ausgelöst haben, wenn es ohne tatsächliche Weitergabe der Beklagten zugerechnet werden könnte. Einer solchen
  263. Zurechnung steht jedoch die Verschwiegenheitspflicht des Zeugen W als Aufsichtsratsmitglied der A AG aus § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG
  264. entgegen. Eine konkludente Befreiung des Zeugen W von dieser Schweigepflicht bei seiner Bestellung durch die Hauptversammlung für alle Daten, die die
  265. Geschäftsbeziehung zur Beklagten betreffen und auf deren Bekanntgabe die
  266. Beklagte einen vermeintlichen Anspruch hat, ist rechtlich nicht zulässig.
  267. 30
  268. a) Noch zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass es sich bei den
  269. vorläufigen Ergebnissen der Prüfung durch die K
  270. um vertrauliche Angaben
  271. bzw. ein Geheimnis der A AG im Sinne des § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1
  272. Satz 3 AktG handelt. Dabei muss es sich um nicht allgemein bekannte (offenkundige) Tatsachen handeln, an deren Geheimhaltung ein objektives Interesse
  273. des Unternehmens besteht (BGH, Urteil vom 5. Juni 1975 - II ZR 156/73, BGHZ
  274. 64, 325, 329 und Beschluss vom 5. November 2013 - II ZB 28/12, WM 2013,
  275. 2361 Rn. 47). Ohne Weiteres bestand ein objektives Interesse der A AG daran,
  276. die noch vorläufigen und nicht vom Vorstand oder anderen Berufsträgern der
  277. A AG überprüften Feststellungen der K
  278. zum Kernbereich des Geschäfts-
  279. betriebs der A AG zumindest vorläufig geheim zu halten. Einem Unternehmen
  280. droht bei sofortiger Veröffentlichung oder Weitergabe solcher Informationen
  281. erheblicher wirtschaftlicher Schaden. Für die Qualifikation einer Information als
  282. vertrauliche Angabe oder Geheimnis ist die Frage der vertraglichen oder gesetzlichen Offenbarungs- bzw. Mitteilungspflicht ohne Bedeutung.
  283. - 14 -
  284. 31
  285. b) Aufgrund der Vertraulichkeit dieser Angaben bestand für den Zeugen
  286. W eine Pflicht zur Verschwiegenheit. Diese Pflicht besteht gegenüber allen
  287. nicht zu den Organmitgliedern der Gesellschaft gehörenden Personen (MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 116 AktG Rn. 56; Spindler in Spindler/Stilz,
  288. AktG, 3. Aufl., § 116 AktG Rn. 103 und 106; Hopt/Roth in GroßkommAktG,
  289. 4. Aufl., § 116 Rn. 219 und 246; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 3. Aufl., § 21 Rn. 611; Flore, BB 1993, 133, 134; Keilich/Brummer, BB
  290. 2012, 897, 898), insbesondere für in den Aufsichtsrat gewählte Bankenvertreter
  291. gegenüber ihrem Arbeitgeber (Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., BankGesch (7),
  292. A/16; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 242; Werner, ZHR 145 (1981), 252, 265;
  293. Schröter in Bankrechtstag 2002, S. 161, 168). Nur wenn diese Verschwiegenheitsverpflichtung absolut gilt, ist gewährleistet, dass der Aufsichtsrat seine gesetzliche Überwachungs- und Beratungsfunktion erfüllen kann, da diese das
  294. notwendige Korrelat zu den umfassenden Informationsrechten des Aufsichtsrats bildet (BT-Drucks. 14/8769, S. 18) und der Vorstand den Aufsichtsrat frühzeitig über sensible Vorfälle, Daten und Vorhaben informieren kann, ohne dass
  295. er die Weitergabe - speziell an das finanzierende Kreditinstitut oder die Hausbank - und die damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile für das Unternehmen befürchten muss (MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 116 AktG
  296. Rn. 49). Für solche Umstände, die unter die Verschwiegenheitspflicht aus § 116
  297. Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG fallen und durch deren Weitergabe das
  298. Aufsichtsratsmitglied seine Schweigepflicht verletzen würde, scheidet eine Wissenszurechnung - gleich auf welcher Rechtsgrundlage - von vornherein aus
  299. (Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 242; Werner, ZHR 145 (1981), 252, 265;
  300. Faßbender, Innerbetriebliches Wissen und bankrechtliche Aufklärungspflichten,
  301. 1998, S. 276; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 477; Buck-Heeb,
  302. WM 2008, 281, 284; Schröter in Bankrechtstag 2002, S. 161, 168;
  303. Faßbender/Neuhaus, WM 2002, 1253, 1256).
  304. - 15 -
  305. 32
  306. Eine Kollision der Pflichten des Aufsichtsratsmitglieds gegenüber seinem
  307. Arbeitgeber und der Gesellschaft, in deren Aufsichtsrat er gewählt oder entsandt wurde, rechtfertigt eine Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht
  308. nicht, da diese wegen der meist nebenberuflichen Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied ganz bewusst im System angelegt ist und dieses Spannungsfeld vom
  309. Gesetzgeber gesehen und, wie der Straftatbestand des § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG
  310. deutlich belegt (Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 242; Werner, ZHR 145 (1981),
  311. 252, 265; Buck, Wissen und juristische Person, 2001, S. 477), zugunsten der
  312. von der Schweigepflicht geschützten Gesellschaft entschieden worden ist (BTDrucks. 14/8769, S. 18; vgl. hierzu Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl.,
  313. § 116 AktG Rn. 116; Werner, ZHR 145 (1981), 252, 265; Buck-Heeb, AG 2015,
  314. 801, 811). Die aufgrund der Aufsichtsratssitzung vom 11. Juli 2007 in seiner
  315. Funktion als Aufsichtsratsmitglied der A AG erlangte - unterstellte - Kenntnis
  316. des Zeugen W von einer angenommenen systematischen Fehlberatung der
  317. Kunden der A AG durch deren Mitarbeiter könnte der Beklagten daher nicht
  318. zugerechnet und zur Begründung einer Warnpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB herangezogen werden.
  319. 33
  320. c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann ein Aufsichtsratsmitglied nicht im Vorhinein für einen bestimmten Themenbereich generell
  321. von der Schweigepflicht entbunden werden. Das Schweigegebot des § 116
  322. Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG ist eine abschließende Regelung, die
  323. nicht durch Satzung oder Geschäftsordnung gemildert oder verschärft werden
  324. kann (BGH, Urteil vom 5. Juni 1975 - II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 326 f.). Allein das objektiv zu beurteilende Interesse des Unternehmens an der Geheimhaltung bestimmt die Reichweite und den Inhalt der Verschwiegenheitspflicht.
  325. Deshalb ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung gerade nicht disponibel, welche Informationen der Geltung des
  326. § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG unterliegen sollen (Hopt/Roth in
  327. - 16 -
  328. GroßkommAktG, 4. Aufl., § 116 Rn. 233), da andernfalls die Verschwiegenheitspflicht nach Belieben ausgehöhlt und damit abgemildert oder ergänzt und
  329. damit verschärft werden könnte, was aber ihrem Charakter als zwingendes
  330. Recht widerspräche. Eine im Vorhinein erklärte bereichsweite Befreiung eines
  331. Aufsichtsratsmitgliedes ist daher weder ausdrücklich noch konkludent rechtlich
  332. möglich.
  333. 34
  334. d) Darüber hinaus ist die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft
  335. nicht befugt, über die Offenbarung vertraulicher Angaben und Geheimnisse zu
  336. befinden. Eine vertrauliche Angabe oder ein Geheimnis unterfällt solange der
  337. Schweigepflicht, bis sie bzw. es allgemein bekannt geworden oder durch den
  338. Vorstand freiwillig oder aufgrund gesetzlicher Pflicht offenbart worden ist
  339. (MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 116 AktG Rn. 50; Drygala in Schmidt/
  340. Lutter, AktG, 3. Aufl., § 116 Rn. 32). Allein der Vorstand ist "Herr der Gesellschaftsgeheimnisse" und kann im Einzelfall nach sorgfältiger Abwägung der
  341. widerstreitenden Interessen für eine Offenbarung optieren und die betreffende
  342. vertrauliche Angabe oder das Geheimnis öffentlich machen (BGH, Urteil vom
  343. 5. Juni 1975 - II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 329 und Beschluss vom 14. Januar
  344. 2014 - II ZB 5/12, WM 2014, 618 Rn. 77; MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl.,
  345. § 116 AktG Rn. 62; Spindler in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 116 AktG
  346. Rn. 102; Hopt/Roth in GroßkommAktG, 4. Aufl., § 116 Rn. 239; Mertens/Cahn
  347. in KK AktG, 3. Aufl., § 116 Rn. 51; Hambloch-Gesinn/Gesinn in Hölters, AktG,
  348. 2. Aufl., § 116 Rn. 50; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat,
  349. 3. Aufl., § 14 Rn. 401; Wilsing/von der Linden, ZHR 178 (2014), 419, 432). Dies
  350. gilt auch in den Fällen, in denen die Gesellschaft zur Offenbarung vertraglich
  351. oder gesetzlich verpflichtet ist. Auch hier liegt es in der Entscheidungsgewalt
  352. des Vorstandes, wann und wie er welche Informationen zur Erfüllung der Verpflichtung der Gesellschaft offenbart. Zwar ist anerkannt, dass sich der Aufsichtsrat in Einzelfällen selbst von der Verschwiegenheitspflicht befreien kann,
  353. - 17 -
  354. jedoch betrifft dies nur aus dem Aufsichtsrat selbst stammende Umstände, wie
  355. Abstimmungsgegenstände und Diskussionsinhalte (vgl. BGH, Urteile vom
  356. 23. April 2012 - II ZR 163/10, BGHZ 193, 110 Rn. 40 und vom 19. Februar 2013
  357. - II ZR 56/12, BGHZ 196, 195 Rn. 30), und würde lediglich dazu führen, dass
  358. das Aufsichtsratsmitglied für eine tatsächlich erteilte Auskunft nicht haftbar wäre. Die vom Berufungsgericht angenommene Befreiung des Zeugen W von der
  359. Verschwiegenheitspflicht durch die Hauptversammlung aus Anlass seiner Bestellung war schon aufgrund dieser Zuständigkeitsregelung rechtlich nicht möglich und kann daher eine Wissenszurechnung an die Beklagte nicht begründen.
  360. Die gesetzliche Kompetenzverteilung innerhalb der Aktiengesellschaft stellt
  361. entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine "überflüssige Förmelei"
  362. dar.
  363. 35
  364. e) Eine im Einzelfall durch den Vorstand der A AG erteilte Befreiung im
  365. Sinne einer ausdrücklichen oder konkludenten Entscheidung zur Offenbarung
  366. der vorläufigen Ergebnisse der Prüfung durch die K
  367. hat das Berufungsge-
  368. richt nicht festgestellt und wurde von den Parteien in den Tatsacheninstanzen
  369. auch nicht behauptet.
  370. 36
  371. f) Weil die Verschwiegenheitspflicht aus § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1
  372. Satz 3 AktG eine Wissenszurechnung generell ausschließt, kann dahinstehen,
  373. ob es sich um vom Zeugen W privat oder im Zusammenhang mit seiner Funktion als Prokurist der Beklagten erlangtes Wissen handelt. Der Senat muss auch
  374. nicht über die Anwendbarkeit des § 166 BGB (analog) im konkreten Fall befinden.
  375. 37
  376. 3. Rechtsfehlerhaft ist außerdem die Auffassung des Berufungsgerichts,
  377. die Beklagte sei aufgrund der behaupteten Verstöße der A AG verpflichtet gewesen, die Feststellungen der K
  378. selbst zu prüfen und sich die dazu erfor-
  379. - 18 -
  380. derlichen Informationen zu verschaffen. In den Fällen, in denen die - hier unterstellte - Fehlberatung des Kunden nicht objektiv evident, sondern nur möglich
  381. oder wahrscheinlich ist, besteht keine Pflicht der Bank, diesem Verdacht nachzugehen und die erforderlichen Ermittlungen anzustellen.
  382. 38
  383. a) Wie bereits ausgeführt, besteht eine Warnpflicht als Nebenpflicht nur
  384. dann, wenn der Discount-Broker die tatsächliche Fehlberatung des Kunden bei
  385. dem in Auftrag gegebenen Wertpapiergeschäft entweder positiv kennt oder
  386. wenn diese Fehlberatung aufgrund massiver Verdachtsmomente objektiv evident ist (Senatsurteile vom 19. März 2013 - XI ZR 431/11, BGHZ 196, 370
  387. Rn. 27, vom 12. November 2013 - XI ZR 312/12, WM 2014, 24 Rn. 25, vom
  388. 4. März 2014 - XI ZR 178/12, BKR 2014, 245 Rn. 24 und vom 4. März 2014
  389. - XI ZR 313/12, BKR 2014, 203 Rn. 23). Nach der ständigen Rechtsprechung
  390. des Bundesgerichtshofs muss ein Kreditinstitut im Falle von nebenvertraglichen
  391. Aufklärungs-, Warn- und Hinweispflichten nur das ihm präsente Wissen offenbaren. Die Bank ist also nur verpflichtet, von ihr als wesentlich erkanntes Wissen zu offenbaren, nicht aber sich durch eigene Nachforschungen hinsichtlich
  392. etwaiger Risiken den Wissensvorsprung erst zu verschaffen (Senatsurteile vom
  393. 18. November 2003 - XI ZR 322/01, WM 2004, 172, 173 mwN und vom
  394. 29. April 2008 - XI ZR 221/07, WM 2008, 1121 Rn. 19). Ausnahmsweise steht
  395. die bloße Erkennbarkeit von aufklärungspflichtigen Tatsachen der positiven
  396. Kenntnis dann gleich, wenn sich diese einem zuständigen Bankmitarbeiter nach
  397. den Umständen des Einzelfalls aufdrängen musste; er ist dann nach Treu und
  398. Glauben nicht berechtigt, seine Augen vor solchen Tatsachen zu verschließen
  399. (Senatsbeschluss vom 28. Januar 1992 - XI ZR 301/90, WM 1992, 602, 603;
  400. Senatsurteile vom 7. April 1992 - XI ZR 200/91, WM 1992, 977, vom 29. April
  401. 2008 - XI ZR 221/07, WM 2008, 1121 Rn. 20, vom 6. Mai 2008 - XI ZR 56/07,
  402. BGHZ 176, 281 Rn. 14 und vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 508/12, WM 2014,
  403. 124 Rn. 21).
  404. - 19 -
  405. 39
  406. b) Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Beklagte
  407. das tatsächliche Vorliegen der von der K
  408. vermeintlich festgestellten sys-
  409. tematischen Beratungsfehler weder erkennen konnte noch musste, selbst wenn
  410. - wie nicht - sie Kenntnis vom Beratungsgegenstand der Aufsichtsratssitzung
  411. vom 11. Juli 2007 hatte. Diese waren mithin auch nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht objektiv evident. Damit bestand keine Hinweis- und Warnpflicht
  412. der Beklagten gegenüber dem Kläger. Eine Verpflichtung der Beklagten, wie
  413. vom Berufungsgericht gefordert, sich aufgrund des Verdachts einer Fehlberatung die zur Validierung der Feststellungen der K
  414. erforderlichen Informati-
  415. onen zu beschaffen, die richtige Einstufung der Wertpapiere in Risikoklassen
  416. vorzunehmen und bei der A AG nachzufragen, in welchen Risikoklassen die
  417. einzelnen Kunden erfasst waren, bestand nicht.
  418. III.
  419. 40
  420. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Wie der Senat zu mehreren Parallelfällen bereits entschieden hat und auch das Berufungsgericht nicht verkennt, scheidet eine Haftung
  421. der Beklagten aus einem Beratungsvertrag, aus § 128 HGB analog und aus
  422. §§ 826, 830 BGB aus (Senatsurteile vom 19. März 2013 - XI ZR 431/11, BGHZ
  423. 196, 370 Rn. 41 mwN, vom 12. November 2013 - XI ZR 312/12, WM 2014, 24
  424. Rn. 21 und vom 4. März 2014 - XI ZR 313/12, BKR 2014, 203 Rn. 21).
  425. IV.
  426. 41
  427. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das führt dazu, dass die Berufung
  428. - 20 -
  429. des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts unter Aufhebung des Berufungsurteils zurückzuweisen ist.
  430. 42
  431. Weiteren substantiierten Vortrag für eine, etwa bei der Compliance- und
  432. Revisionstätigkeit der Beklagten für die A AG erlangte, Kenntnis der Beklagten
  433. von der - unterstellten - Falschberatung des Klägers bei den streitgegenständlichen Wertpapiergeschäften oder die objektive Evidenz der diese Falschberatung begründenden Tatsachen, als Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten aus der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2,
  434. § 280 Abs. 1 BGB) aus dem Depotkonto-Vertrag, hat der Kläger nicht gehalten.
  435. Ellenberger
  436. Joeres
  437. Menges
  438. Matthias
  439. Dauber
  440. Vorinstanzen:
  441. LG München I, Entscheidung vom 28.02.2014 - 29 O 4281/13 OLG München, Entscheidung vom 24.02.2015 - 5 U 1420/14 -