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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. X ZR 7/12
  4. vom
  5. 18. Dezember 2012
  6. in dem Rechtsstreit
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. Rohrmuffe
  14. ZPO § 286 E; GG Art. 103 Abs. 1
  15. Im Patentverletzungsprozess lässt sich allein aus § 286 ZPO nicht die Pflicht
  16. des Gerichts herleiten, gemäß §§ 142 ff. ZPO die Begutachtung eines Gegenstandes anzuordnen, der sich in der Verfügungsgewalt der nicht beweisbelasteten Partei oder eines Dritten befindet.
  17. ZPO §§ 142, 144; PatG § 140c
  18. a) Im Patentverletzungsprozess ist das Gericht allenfalls dann verpflichtet, gemäß § 142 ZPO die Vorlage einer Urkunde durch die nicht beweisbelastete
  19. Partei anzuordnen, wenn die Voraussetzungen für einen entsprechenden
  20. Anspruch des Gegners aus § 140c PatG erfüllt sind (Bestätigung von BGH,
  21. Urteil vom 1. August 2006 - X ZR 114/03, BGHZ 169, 30 = GRUR 2006, 962
  22. Rn. 36 ff. - Restschadstoffentfernung).
  23. b) Für eine auf § 144 ZPO gestützte Anordnung, die Begutachtung eines Gegenstandes anzuordnen, der sich in der Verfügungsgewalt der nicht beweisbelasteten Partei oder eines Dritten befindet, gilt nichts anderes.
  24. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2012 - X ZR 7/12 - OLG Düsseldorf
  25. LG Düsseldorf
  26. -2-
  27. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2012
  28. durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski,
  29. Dr. Bacher und Hoffmann sowie die Richterin Schuster
  30. beschlossen:
  31. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem am
  32. 15. Dezember 2011 verkündeten Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
  33. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2,5 Millionen Euro
  34. festgesetzt.
  35. -3-
  36. Gründe:
  37. 1
  38. A.
  39. Die Klägerin ist nach ihrem Vorbringen Inhaberin eines aus-
  40. schließlichen Nutzungsrechts an dem deutschen Patent 101 10 064 (Klagepatent), dessen Inhaber ihr Präsident ist. Patentanspruch 1, auf den die übrigen
  41. Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet:
  42. "Verfahren zur Herstellung eines doppelwandigen thermoplastischen Rohres mit
  43. einer Rohrmuffe, wobei
  44. a)
  45. ein erster Schlauch (1) in einen Formtunnel (4) extrudiert wird, der aus mindestens einer Reihe auf einer Bahn geführter Kokillen gebildet wird,
  46. b)
  47. der erste Schlauch (1) in mindestens einem ersten Abschnitt in eine gewellte
  48. Form gebracht wird und in mindestens einem zweiten Abschnitt zu einer
  49. Rohrmuffe aufgeweitet wird,
  50. c)
  51. ein zweiter Schlauch (6) in den ersten Schlauch extrudiert und in dem ersten
  52. Abschnitt gegen Wellentäler (8) des ersten Schlauchs (1) gedrückt wird,
  53. d)
  54. während der erste Schlauch (1) in die gewellte Form gebracht und der
  55. zweite Schlauch (6) in den ersten extrudiert wird, sich zwischen den beiden
  56. Schläuchen (1, 6) ein Raum (A) ausbildet, der mit einem über Atmosphärendruck liegenden Druck p1 beaufschlagt wird,
  57. e)
  58. vor dem Beginn des Aufweitens des ersten Schlauchs (1) zu einer Rohrmuffe der Raum (A) zwischen den beiden Schläuchen (1, 6) mit einem gesteuerten, über Atmosphärendruck liegenden im Wesentlichen konstanten Druck
  59. p2 < p1 beaufschlagt wird, der im Wesentlichen während der Ausbildung der
  60. Rohrmuffe konstant gehalten wird,
  61. f)
  62. während des Extrudierens des zweiten Schlauchs (6) in den zur Rohrmuffe
  63. aufgeweiteten ersten Schlauch (1) der zweite Schlauch (6) von innen mit
  64. einem über Atmosphärendruck liegenden Druck p3 beaufschlagt und gegen
  65. den ersten Schlauch (1) gedrückt wird,
  66. g)
  67. anschließend der Raum (A) zwischen den beiden Schläuchen wieder mit
  68. dem Druck p1 beaufschlagt wird."
  69. -4-
  70. 2
  71. Die Beklagte produziert und vertreibt Kunststoffrohre mit angeformter
  72. Rohrmuffe unter der Typenbezeichnung "A.
  73. ". Die Klägerin macht gel-
  74. tend, die Beklagte stelle diese Kunststoffrohre nach dem in Patentanspruch 1
  75. des Klagepatents geschützten Verfahren her. Das Landgericht hat die auf
  76. Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung, mit der die Klägerin
  77. zusätzlich zu ihrem erstinstanzlichen Begehren einen Anspruch auf Besichtigung in Anwesenheit ihres Präsidenten, hilfsweise in Anwesenheit ihrer zur Geheimhaltung verpflichteten rechts- und patentanwaltlichen Vertreter, und auf
  78. Herausgabe eines aufgrund der Besichtigung zu erstellenden Sachverständigengutachtens geltend gemacht hat, ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin
  79. mit der Nichtzulassungsbeschwerde, der die Beklagte entgegentritt.
  80. 3
  81. B.
  82. Das zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
  83. 4
  84. I.
  85. Das Klagepatent betrifft, soweit für den Streitfall von Interesse, ein
  86. Verfahren zur Herstellung eines doppelwandigen Rohres aus thermoplastischem Material, das eine gewellte Außenwand, eine glatte Innenwand und eine
  87. Rohrmuffe aufweist.
  88. 5
  89. 1.
  90. Verfahren dieser Art waren im Stand der Technik unter anderem
  91. aus der europäischen Patentanmeldung 563 575 (nachfolgend: Entgegenhaltung) bekannt, in der als Miterfinder der Geschäftsführer der Beklagten benannt
  92. ist. Bei dem dort offenbarten Verfahren wird ein erster Schlauch in einen Formtunnel extrudiert und in eine gewellte Form gebracht. In diesen ersten Schlauch
  93. wird ein zweiter Schlauch mit im Wesentlichen glatter Oberfläche extrudiert. Der
  94. zweite Schlauch wird gegen die Wellentäler des ersten gedrückt, so dass ein
  95. Verbundrohr entsteht. Der Raum zwischen den beiden Schläuchen wird mit
  96. einem über dem Atmosphärendruck liegenden Druck p1 beaufschlagt. Dieser
  97. -5-
  98. ist so bemessen, dass der innere Schlauch nach dem Abkühlen keine Wölbungen aufweist und dass sich zwischen den Schläuchen nach dem Abkühlen
  99. exakt Atmosphärendruck einstellt. Zur Ausbildung einer Rohrmuffe wird der äußere Schlauch in bestimmten Abschnitten durch Aufbringung eines Teilvakuums von außen aufgeweitet. Der innere Schlauch wird von innen mit einem
  100. über Atmosphärendruck liegenden Druck p3 beaufschlagt, dadurch ebenfalls
  101. aufgeweitet und im Bereich der Rohrmuffe vollflächig mit dem äußeren
  102. Schlauch verschweißt.
  103. 6
  104. In der Klagepatentschrift wird ausgeführt, das Aufbringen des Teilvakuums
  105. von außen auf den ersten Schlauch zur Ausbildung einer Rohrmuffe sei schwierig, weil der Raum zwischen dem ersten Schlauch und dem betreffenden Abschnitt des Formtunnels gegen das Eindringen von Außenluft gut abgedichtet
  106. werden müsse. Dies setze aufwendige technische Maßnahmen voraus.
  107. 7
  108. Das Klagepatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem,
  109. ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, bei dem das Aufweiten des äußeren
  110. Schlauchs zur Ausformung einer Rohrmuffe mit geringem Aufwand erreicht
  111. werden kann.
  112. 8
  113. 2.
  114. Zur Lösung des Problems schlägt Patentanspruch 1 des Klagepa-
  115. tents ein Verfahren zur Herstellung eines doppelwandigen thermoplastischen
  116. Rohres mit einer Rohrmuffe vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
  117. a)
  118. Ein erster Schlauch (1) wird in einen Formtunnel (4) extrudiert,
  119. der aus mindestens einer Reihe auf einer Bahn geführter Kokillen gebildet wird.
  120. -6-
  121. b)
  122. Der erste Schlauch (1) wird in mindestens einem ersten Abschnitt in eine gewellte Form gebracht und in mindestens einem
  123. zweiten Abschnitt zu einer Rohrmuffe aufgeweitet.
  124. c)
  125. Ein zweiter Schlauch (6) wird in den ersten Schlauch extrudiert
  126. und in dem ersten Abschnitt gegen Wellentäler (8) des ersten
  127. Schlauchs (1) gedrückt.
  128. d)
  129. Während der erste Schlauch (1) in die gewellte Form gebracht
  130. und der zweite Schlauch (6) in den ersten extrudiert wird, bildet
  131. sich zwischen den beiden Schläuchen (1, 6) ein Raum (A) aus,
  132. der mit einem über Atmosphärendruck liegenden Druck p1 beaufschlagt wird.
  133. e)
  134. Vor dem Beginn des Aufweitens des ersten Schlauchs (1) zu
  135. einer Rohrmuffe wird der Raum (A) zwischen den beiden
  136. Schläuchen (1, 6) mit einem gesteuerten, über Atmosphärendruck liegenden im Wesentlichen konstanten Druck p2 < p1 beaufschlagt, der im Wesentlichen während der Ausbildung der
  137. Rohrmuffe konstant gehalten wird.
  138. f)
  139. Während des Extrudierens des zweiten Schlauchs (6) in den
  140. zur Rohrmuffe aufgeweiteten ersten Schlauch (1) wird der zweite Schlauch (6) von innen mit einem über Atmosphärendruck
  141. liegenden Druck p3 beaufschlagt und gegen den ersten
  142. Schlauch (1) gedrückt.
  143. g)
  144. Anschließend wird der Raum (A) zwischen den beiden Schläuchen wieder mit dem Druck p1 beaufschlagt.
  145. -7-
  146. 9
  147. 3.
  148. Das in Patentanspruch 1 geschützte Verfahren unterscheidet sich
  149. von dem Verfahren nach dem Stand der Technik im Wesentlichen dadurch,
  150. dass zur Aufweitung des äußeren Schlauchs im Bereich der Rohrmuffe ein von
  151. innen wirkender Druck p2 eingesetzt wird, der zwar geringer ist als der im Bereich des wellenförmigen Rohrverlaufs anliegende Druck p1, aber oberhalb des
  152. Atmosphärendrucks liegt. Dies macht das Aufbringen eines Teilvakuums von
  153. außen entbehrlich. Der Formtunnel kann in den betreffenden Abschnitten dennoch Luftabsaugkanäle aufweisen, die ein Teilvakuum erzeugen, wenn der äußere Schlauch über den gesamten Abschnitt der Rohrmuffe am Formtunnel
  154. anliegt (Abs. 12).
  155. 10
  156. II.
  157. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit hier von In-
  158. teresse, im Wesentlichen wie folgt begründet:
  159. 11
  160. Es könne nicht festgestellt werden, dass bei der Herstellung der angegriffenen Kunststoffrohre das Merkmal e verwirklicht werde. Das in der Berufungsinstanz eingeholte Sachverständigengutachten habe das Vorbringen der Klägerin nicht bestätigt. Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen,
  161. der die angegriffene Anlage zusammen mit dem Senatsvorsitzenden besichtigt
  162. habe, erfolge eine Druckänderung von p1 auf p2 erst zu einem Zeitpunkt, zu
  163. dem das Aufweiten des Außenschlauchs zu einer Rohrmuffe bereits begonnen
  164. habe. Außerdem sei p2 nicht höher als der Atmosphärendruck, sondern stimme
  165. mit diesem überein.
  166. 12
  167. Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen würden nicht
  168. dadurch in Frage gestellt, dass der Sachverständige die Angaben der Beklagten zu den Druckverhältnissen nicht durch Messungen, sondern nur durch Anbringen von Papierfähnchen überprüft und auch nicht durch Öffnen der Anlage
  169. nachgeprüft habe, ob innerhalb des Kanals Ventile oder sonstige Bauteile angeordnet seien, mit denen eine Druckabsenkung gemäß Merkmal e erreicht
  170. -8-
  171. werde. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass sie sich in geeigneter Weise,
  172. etwa durch eigene Messungen an der angegriffenen Anlage, davon überzeugt
  173. habe, dass die Entlüftung stufenweise erfolge. Dass sich das von der Beklagten
  174. praktizierte Verfahren an diesem Punkt nicht vollständig aufklären lasse, führe
  175. nicht zu einer Umkehr der Beweislast zugunsten der Klägerin.
  176. 13
  177. Der in zweiter Instanz zusätzlich geltend gemachte Besichtigungsanspruch sei ebenfalls unbegründet. Die Klägerin habe keine Anknüpfungstatsachen vorgetragen, die eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Verletzung des
  178. Klagepatents begründeten. Auch die Besichtigung der angegriffenen Anlage
  179. durch den gerichtlichen Sachverständigen habe solche Anhaltspunkte nicht ergeben.
  180. 14
  181. III.
  182. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Nichtzulassungsbe-
  183. schwerde im Ergebnis stand und erfordert auch nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zur Fortbildung des Rechts.
  184. 15
  185. 1.
  186. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt, die Würdigung des Beru-
  187. fungsgerichts entbehre einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage, weil das
  188. Berufungsgericht weder eine Messung der Druckverhältnisse in der angegriffenen Anlage noch eine nähere Untersuchung auf das Vorhandensein von Ventilen oder dergleichen angeordnet habe.
  189. 16
  190. Diese Rüge ist im Ergebnis unbegründet.
  191. 17
  192. a)
  193. Die Nichtzulassungsbeschwerde stützt ihre Rüge ausschließlich
  194. auf § 286 ZPO und Art. 103 Abs. 1 GG. Allein aus diesen Vorschriften lässt sich
  195. eine Pflicht zur Anordnung weiterer Untersuchungen durch den gerichtlichen
  196. Sachverständigen nicht herleiten. Sie bilden keine ausreichende Grundlage für
  197. -9-
  198. den mit einer solchen Anordnung verbundenen Eingriff in die betriebliche Sphäre der Beklagten.
  199. 18
  200. Eine Verletzung von § 286 ZPO könnte im Streitfall allenfalls dann angenommen werden, wenn das Berufungsgericht schon aufgrund der ihm obliegenden allgemeinen Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts gehalten gewesen
  201. wäre, die nach seinen Feststellungen verbliebenen Unsicherheiten über die
  202. Höhe und den zeitlichen Verlauf des Drucks p2 durch weitere Beweiserhebung
  203. zu beheben. Eine derart weitgehende Aufklärungspflicht kann jedoch aus § 286
  204. ZPO nicht hergeleitet werden.
  205. 19
  206. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts darf eine entsprechende
  207. Beweisaufnahme allerdings nicht generell davon abhängig gemacht werden,
  208. dass die Klägerin eigene Messungen an der angegriffenen Anlage durchführt
  209. und deren Ergebnisse vorträgt. Ein solches Erfordernis hätte in Konstellationen
  210. wie der vorliegenden zur Folge, dass eine Beweisaufnahme stets von der Zustimmung des Beklagten abhinge, der die Verfügungsgewalt über das Objekt
  211. der Begutachtung hat. Aus den §§ 142 ff. ZPO ergibt sich indes, dass die gegnerische Partei und unter Umständen sogar am Rechtsstreit nicht beteiligte Dritte unter bestimmten Voraussetzungen auch gegen deren Willen zur Mitwirkung
  212. an einer Beweisaufnahme angehalten werden können.
  213. 20
  214. Allein aus § 286 ZPO lassen sich eine solche Mitwirkungspflicht und eine
  215. Pflicht des Gerichts zur Anordnung entsprechender Maßnahmen indes nicht
  216. herleiten. § 286 ZPO richtet sich allein an das Gericht und statuiert keine Pflichten für die Parteien oder für nicht am Rechtsstreit beteiligte Dritte. Ein revisionsrechtlich relevanter Verfahrensfehler, der jedenfalls bei Übergehen entsprechender Beweisanträge der Klägerin zugleich als Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1
  217. GG angesehen werden könnte, könnte deshalb nur dann vorliegen, wenn das
  218. Berufungsgericht gehalten gewesen wäre, von den in §§ 142 ff. ZPO vorgese-
  219. - 10 -
  220. henen besonderen Befugnissen Gebrauch zu machen. Im Streitfall kommt insoweit die Anordnung einer zusätzlichen Untersuchung der angegriffenen Anlage nach § 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO und eine auf § 144 Abs. 1 Satz 3 ZPO gestützte Verpflichtung der Beklagten zur Duldung dieser Maßnahme in Betracht.
  221. 21
  222. b)
  223. Mit § 144 ZPO hat sich das Berufungsgericht nicht ausdrücklich
  224. befasst. Dadurch wird das angefochtene Urteil jedoch nicht in Frage gestellt.
  225. Das Berufungsgericht hat sich rechtsfehlerfrei mit den Voraussetzungen eines
  226. Besichtigungsanspruchs nach § 140c PatG auseinandergesetzt, für den im Wesentlichen dieselben Kriterien maßgeblich sind.
  227. 22
  228. (1)
  229. Der Senat hat bereits entschieden, dass im Patentverletzungspro-
  230. zess gemäß § 142 ZPO die Vorlegung einer Urkunde angeordnet werden darf,
  231. wenn ein gewisser Grad an Wahrscheinlichkeit für eine Patentverletzung spricht
  232. und wenn die Vorlegung zur Aufklärung des Sachverhalts geeignet und erforderlich sowie auch unter Berücksichtigung der rechtlich geschützten Interessen
  233. des zur Vorlage Verpflichteten verhältnismäßig und angemessen ist (BGH, Urteil vom 1. August 2006 - X ZR 114/03, BGHZ 169, 30 = GRUR 2006, 962
  234. Rn. 36 ff. - Restschadstoffentfernung). Hierbei ist die vor Inkrafttreten von
  235. § 140c PatG entwickelte Rechtsprechung zu § 809 BGB (insbesondere BGH,
  236. Urteil vom 2. Mai 2002 - I ZR 45/01, BGHZ 150, 377, 384 ff. = GRUR 2002,
  237. 1046, 1048 f. - Faxkarte) zu berücksichtigen. Die neue Rechtslage nach Inkrafttreten des § 140c PatG weicht materiell weder zu Lasten des Schutzrechtsinhabers noch des mutmaßlichen Verletzers vom früheren Rechtszustand nach
  238. Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen
  239. Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte
  240. des geistigen Eigentums (Durchsetzungsrichtlinie) ab (BGH, Beschluss vom
  241. 16. November 2009 - X ZB 37/08, BGHZ 183, 153 = GRUR 2010, 318 Rn. 16
  242. - Lichtbogenschnürung).
  243. - 11 -
  244. 23
  245. Daraus ergibt sich, dass das Gericht nicht zur Anordnung einer Urkundenvorlage nach § 142 ZPO verpflichtet ist, wenn die Voraussetzungen für einen
  246. Anspruch aus § 140c PatG nicht gegeben sind. Für die Anordnung einer Begutachtung gemäß § 144 ZPO kann nichts anderes gelten.
  247. 24
  248. (2)
  249. Das Berufungsgericht hat einen Besichtigungsanspruch der Kläge-
  250. rin gemäß § 140c PatG mit der Begründung verneint, die Klägerin habe keine
  251. Anknüpfungstatsachen vorgetragen, die eine gewisse Wahrscheinlichkeit für
  252. eine Verletzung des Klagepatents begründeten. Hierzu hat es auf seine Ausführungen zur Würdigung der erhobenen Beweise, insbesondere des eingeholten
  253. Sachverständigengutachtens Bezug genommen.
  254. 25
  255. Damit hat das Berufungsgericht einen Maßstab zugrunde gelegt, der mit
  256. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs übereinstimmt. Es fehlt zwar die
  257. ausdrückliche Klarstellung, dass das Berufungsgericht aus diesen Gründen
  258. auch eine ergänzende Anordnung gemäß § 144 ZPO als nicht geboten angesehen hat. Aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe, insbesondere aus der
  259. Bezugnahme auf die Beweiswürdigung, lässt sich aber mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass das Berufungsgericht auch im Zusammenhang mit
  260. § 144 ZPO von demselben, rechtlich nicht zu beanstandenden Maßstab ausgegangen ist.
  261. 26
  262. (3)
  263. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil lassen auch nicht den
  264. Schluss zu, dass das Berufungsgericht eine Zerlegung der Anlage oder einen
  265. substantiellen Eingriff als generell unzulässig angesehen hat, was der Rechtsprechung vor Inkrafttreten der Durchsetzungsrichtlinie (Urteil vom 8. Januar
  266. 1985 - X ZR 18/84, BGHZ 93, 191, 209 f. = GRUR 1985, 512, 517 - Druckbalken) entspräche. Von dieser Rechtsprechung hat sich der I. Zivilsenat nach
  267. Rückfrage beim X. Zivilsenat schon im Jahr 2002 im Hinblick auf die mit Art. 6
  268. Abs. 1 der Durchsetzungsrichtlinie im Wesentlichen übereinstimmende Rege-
  269. - 12 -
  270. lung in Art. 43 TRIPS gelöst (BGHZ 150, 377, 388 f. = GRUR 2002, 1046, 1049
  271. - Faxkarte). Die Kommentarliteratur zum Patentrecht geht zu Recht davon aus,
  272. dass für das Patentrecht nichts anderes gelten kann (Benkard/Rogge/Grabinski,
  273. 10. Auflage, § 139 PatG Rn. 117a aE; Busse/Keukenschrijver, 6. Auflage,
  274. § 140b PatG Rn. 79; Busse/Keukenschrijver/Kaess, 7. Auflage, § 140c PatG
  275. Rn. 46; Schulte/Kühnen, 8. Auflage, § 140c PatG Rn. 30).
  276. 27
  277. 2.
  278. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2
  279. Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
  280. Meier-Beck
  281. Grabinski
  282. Hoffmann
  283. Bacher
  284. Schuster
  285. Vorinstanzen:
  286. LG Düsseldorf, Entscheidung vom 19.12.2008 - 4b O 249/07 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 15.12.2011 - I-2 U 13/09 -