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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. Verkündet am:
  5. 26. März 2003
  6. Kirchgeßner,
  7. Justizhauptsekretärin
  8. als Urkundsbeamtin
  9. der Geschäftsstelle
  10. VIII ZR 333/02
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. ZVG § 151
  18. Der Zwangsverwalter eines Grundstücks hat die Betriebskosten für ein Mietobjekt
  19. auch für solche Abrechnungszeiträume abzurechnen, die vor seiner Bestellung liegen, sofern eine etwaige Nachforderung von der als Beschlagnahme geltenden Anordnung der Zwangsverwaltung erfaßt wird (§ 1123 Abs. 2 Satz 1 BGB; §§ 21, 148
  20. Abs. 1 Satz 1 ZVG).
  21. Soweit der Zwangsverwalter zur Abrechnung verpflichtet ist, hat er auch ein etwaiges
  22. Vorauszahlungsguthaben an den Mieter auszuzahlen; dies gilt auch dann, wenn ihm
  23. die betreffenden Vorauszahlungen nicht unmittelbar zugeflossen sind.
  24. BGH, Urteil vom 26. März 2003 - VIII ZR 333/02 - LG Berlin
  25. AG Lichtenberg
  26. -2-
  27. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  28. vom 26. März 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter
  29. Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Dr. Leimert und Dr. Frellesen
  30. für Recht erkannt:
  31. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 62
  32. des Landgerichts Berlin vom 30. September 2002 wird auf seine
  33. Kosten zurückgewiesen.
  34. Von Rechts wegen
  35. Tatbestand:
  36. Die Kläger sind seit 1997 Mieter einer Wohnung in dem Anwesen N.
  37. straße
  38. in B.
  39. . Nach dem Mietvertrag sind sie verpflichtet, neben der
  40. Grundmiete einen monatlichen Betriebskostenvorschuß in Höhe von 269,19 DM
  41. sowie einen Heiz- und Warmwasserkostenvorschuß von 131,25 DM zu zahlen.
  42. Über die geleisteten Vorschüsse ist nach § 3 Abs. 5 und § 5 Abs. 3 des Mietvertrages jährlich zum Stichtag 31. Dezember bzw. 1. Januar abzurechnen.
  43. Mit Beschluß vom 20. Januar 1999 ordnete das Amtsgericht BerlinLichtenberg die Zwangsverwaltung für das Grundstück an und bestellte den
  44. Beklagten als Zwangsverwalter.
  45. Am 1. August 2000 erstellte die noch vom Vermieter beauftragte Hausverwaltung eine Betriebskostenabrechnung für das Jahr 1998, die für die Kläger
  46. -3-
  47. ein Guthaben in Höhe von 1.999,75 DM ausweist. Eine Abrechnung über die
  48. Heiz- und Warmwasserkostenvorschüsse wurde bisher nicht erstellt. Die Kläger
  49. sind der Auffassung, der Beklagte sei ihnen gegenüber sowohl zur Auszahlung
  50. des festgestellten Guthabens als auch zur Abrechnung der übrigen Nebenkosten und zur Erstattung eines sich daraus ergebenden Guthabens verpflichtet.
  51. Der Beklagte hält die Klage für unbegründet. Er wendet ein, er sei nicht
  52. passiv legitimiert, weil der Abrechnungszeitraum 1998 vor seiner Bestellung als
  53. Zwangsverwalter bereits abgelaufen gewesen sei und weil die Kläger im übrigen an ihn keine Vorschüsse gezahlt hätten.
  54. Das Amtsgericht hat dem Zahlungsantrag im wesentlichen - bis auf einen
  55. Teil der Zinsen - stattgegeben; den weiteren Klageantrag hat es als Stufenklage
  56. behandelt und durch Teilurteil den Beklagten verurteilt, die von den Klägern
  57. geforderte Abrechnung zu erstellen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit seiner zugelassenen Revision
  58. verfolgt der Beklagte sein Ziel der Klageabweisung weiter.
  59. Entscheidungsgründe:
  60. I.
  61. Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
  62. Werde die Zwangsverwaltung über ein Grundstück angeordnet, so unterliege eine Nebenkostennachforderung des Vermieters ebenso wie rückständige
  63. Mietforderungen der Beschlagnahme. Ergebe die Abrechnung dagegen ein
  64. Guthaben des Mieters, so sei kein Grund ersichtlich, weshalb der Zwangsver-
  65. -4-
  66. walter nicht seinerseits zur Auszahlung dieses Guthabens verpflichtet sein solle. Die im vorliegenden Fall von der Hausverwaltung erstellte Abrechnung sei
  67. auch gegenüber dem Beklagten wirksam; daß die Beschlagnahme nicht in dem
  68. entsprechenden Abrechnungsjahr erfolgt sei, sei unerheblich. Im Verhältnis
  69. zum Mieter komme es auch nicht darauf an, ob dem Zwangsverwalter Nebenkostenvorschüsse zugeflossen seien.
  70. Der Beklagte sei auch verpflichtet, die Abrechnung über die Heiz- und
  71. Warmwasserkosten zu erstellen. Die Abrechnung von Nebenkosten gehöre zu
  72. seinen Verwalteraufgaben, und zwar auch dann, wenn sie den Zeitraum vor
  73. Anordnung der Zwangsverwaltung betreffe. Ergebe diese Abrechnung eine
  74. Nachforderung, so werde diese von der Beschlagnahme umfaßt und der
  75. Zwangsverwalter habe gemäß § 152 Abs. 1 ZVG für die Geltendmachung der
  76. Forderung zu sorgen.
  77. II.
  78. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
  79. Die Frage, in welchem Umfang ein Zwangsverwalter zur Abrechnung von
  80. Nebenkosten für die vor seiner Bestellung liegende Zeit verpflichtet ist, wird in
  81. Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beantwortet. Von ihrer Klärung
  82. hängt auch die Entscheidung ab, ob die Kläger vom Beklagten die Auszahlung
  83. des Betriebskostenguthabens verlangen können.
  84. 1. Nach einer Ansicht stellt der Zeitpunkt der Bestellung des Zwangsverwalters eine Zäsur dar; danach hat der Zwangsverwalter Nebenkosten nur für
  85. den Zeitraum nach seiner Bestellung abzurechnen und auszugleichen (so z.B.
  86. AG Berlin-Neukölln, GE 1992, 271; ebenso wohl AG Berlin-Schöneberg, GE
  87. 1990, 1091; Eckert in Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-,
  88. -5-
  89. Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rdnr. 1523). Nach anderer Meinung hat der
  90. Zwangsverwalter die Nebenkosten für den gesamten laufenden Abrechnungszeitraum abzurechnen, in welchen seine Bestellung fällt. Eine Aufspaltung der
  91. Abrechnung in die Zeitspanne vor und nach seiner Bestellung findet insofern
  92. nicht statt. Soweit er danach abzurechnen hat, ist er auch verpflichtet, eine etwaige Nachforderung geltend zu machen bzw. ein Guthaben an den Mieter
  93. auszukehren, und zwar auch dann, wenn dieser die Vorauszahlungen in zulässiger Weise noch an den Vermieter erbracht hat (so insbesondere OLG Hamburg, NJW-RR 1990, 151 = MDR 1990, 248 = ZIP 1990, 320 = GE 1990, 41; LG
  94. Berlin, GE 1990, 1083; AG Berlin-Wedding, GE 1998, 360; AG Spandau, GE
  95. 1990, 1091; Dassler/Schiffhauer/ Gerhardt/Muth, Zwangsversteigerungsgesetz,
  96. 12. Aufl., § 152 Rdnr. 35; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 7. Aufl., Vor
  97. §§ 535, 536 Rdnr. 160; Schmidt-Futterer/Langenberg aaO, § 546 Rdnr. 351;
  98. Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 17. Aufl., § 152 Rdnr. 9.9; ebenso wohl
  99. LG Berlin, GE 1998, 743 und 2000, 1327). Nach einer dritten Auffassung, die
  100. mit der dem Berufungsurteil zugrunde liegenden Meinung übereinstimmt, ist der
  101. Zwangsverwalter nicht nur für den bei seiner Bestellung laufenden, sondern
  102. auch für zurückliegende Abrechnungszeiträume zuständig, soweit die entsprechenden Nebenkostenabrechnungen fällig und noch nicht erledigt sind (Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 2. Aufl., § 6 ZwVerwVO
  103. Rdnr. 19; dies., Handbuch zur Zwangsverwaltung, S. 90 Rdnr. 39).
  104. 2. Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
  105. a) Nach § 152 Abs. 1 ZVG hat der Zwangsverwalter das Recht und die
  106. Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück
  107. in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsmäßig zu benutzen; Ansprüche, auf die sich die Beschlagnahme erstreckt, hat er geltend zu
  108. machen. An bestehende Miet- und Pachtverträge ist er gebunden (§ 152 Abs. 2
  109. -6-
  110. ZVG). Im einzelnen gelten für die Zwangsverwaltung die Bestimmungen über
  111. die Anordnung der Zwangsversteigerung (§§ 15-27 ZVG) entsprechend, soweit
  112. sich nicht aus den §§ 147-151 ZVG etwas anderes ergibt (§ 146 Abs. 1 ZVG).
  113. So gilt die Anordnung der Zwangsverwaltung als Beschlagnahme des Grundstücks, und zwar in demselben Umfang wie bei einer Hypothek (§ 20 ZVG); jedoch erstreckt sich bei der Zwangsverwaltung die Beschlagnahme - anders als
  114. bei der Zwangsversteigerung (§ 21 Abs. 2 ZVG ) - auch auf die Miet- und
  115. Pachtzinsforderungen (§ 148 Abs. 1 Satz 1 ZVG).
  116. b) Aus dem so umschriebenen Aufgabenbereich des Zwangsverwalters
  117. folgt zunächst, daß der Verwalter nicht nur die laufenden, sondern in bestimmtem Umfang auch rückständige Mietzinsforderungen einzuziehen hat. Denn auf
  118. diese Forderungen erstreckt sich bei der Belastung des Grundstücks mit einer
  119. Hypothek die Haftung des Grundstücks, sofern die Rückstände nicht länger als
  120. ein Jahr fällig sind (§ 1123 Abs. 2 Satz 1 BGB); demzufolge werden sie auch
  121. von der als Beschlagnahme geltenden Anordnung der Zwangsverwaltung erfaßt
  122. (§§ 21, 148 Abs. 1 Satz 1 ZVG; Dassler/Schiffhauer/Gerhadt/Muth aaO § 148
  123. Rdnr. 10; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Handbuch zur Zwangsverwaltung, S. 90 Rdnr. 39; dies., Zwangsverwaltung, § 6 ZwVerwVO Rdnr. 19). Für
  124. Nebenkostenforderungen, auch soweit sie vereinbarte Vorauszahlungen
  125. betreffen, gilt nichts anderes. Auch sie stellen das Entgelt für bestimmte
  126. (Neben-)Leistungen des Vermieters dar, das der Verwalter zugunsten der Haftungsmasse einzuziehen hat (ebenso Eckert aaO, Rdnr. 1521; Stöber aaO,
  127. § 148 Rdnr. 2.3). Soweit Nebenkosten nicht oder nicht in ausreichender Höhe
  128. gezahlt worden sind und deshalb mit einer Nachforderung zu rechnen ist, ergibt
  129. sich die Verpflichtung zur Geltendmachung dieser Forderung unmittelbar aus
  130. § 152 Abs. 1, 2. HS. ZVG. Da die Höhe einer etwaigen Nachforderung aber nur
  131. durch eine ordnungsgemäße Nebenkostenabrechnung zu ermitteln ist, obliegt
  132. die Erstellung dieser Abrechnung dem Verwalter jedenfalls insoweit, als eine
  133. -7-
  134. mögliche Nachforderung der Beschlagnahme unterliegt. Diese Voraussetzung
  135. ist hier erfüllt.
  136. c) Eine Nebenkostennachforderung wird nach der Rechtsprechung des
  137. Senats erst in dem Zeitpunkt fällig, in welchem die entsprechende Abrechnung
  138. des Vermieters dem Mieter zugeht (BGHZ 113, 188, 191 ff.). Eine etwaige Nebenkostennachforderung für einen zurückliegenden Abrechnungszeitraum ist
  139. daher durch den Zwangsverwalter einzuziehen, und als zwingende Vorbereitungsmaßnahme hierfür ist die Abrechnung zu erstellen. War der Beklagte hiernach aber verpflichtet, die Abrechnung vorzunehmen, dann umfaßte diese Verpflichtung auch den Ausgleich des sich aus der Abrechnung ergebenden Saldos, und zwar unabhängig davon, ob er zugunsten des Beklagten als Verwalter
  140. der Haftungsmasse (anstelle des Vermieters) oder zugunsten der Kläger als
  141. Mieter bestand (Schmidt-Futterer/Langenberg aaO, § 546 Rdnr. 351; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, aaO S. 91, Rdnr. 41). Im letzteren Fall kann es
  142. wegen der Einheitlichkeit der Abrechnung auch nicht darauf ankommen, ob der
  143. Beklagte die noch vom Vermieter bzw. von der von diesem beauftragten Hausverwaltung vereinnahmten Nebenkostenvorauszahlungen erhalten hat (OLG
  144. Hamburg aaO; Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth aaO, § 152 Rdnr. 35; Stöber
  145. aaO § 152 Rdnr. 9.9).
  146. An diesem Ergebnis ändert sich schließlich auch dadurch nichts, daß die
  147. Abrechnung noch von der Hausverwaltungsfirma, die bisher im Auftrag des
  148. Vermieters tätig geworden war, vorgenommen worden ist. Einwände gegen die
  149. inhaltliche Richtigkeit der Rechnung hat der Beklagte nicht vorgebracht.
  150. d) Nach den vorstehenden Ausführungen ist der Beklagte nicht nur zur
  151. Auszahlung des bisher ermittelten Nebenkostenguthabens der Kläger, sondern
  152. auch zur Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkostenvorauszahlungen für
  153. -8-
  154. das Jahr 1998 und zum Ausgleich bzw. zur Einziehung eines sich daraus ergebenden Saldos verpflichtet.
  155. III.
  156. Nach alledem haben die Vorinstanzen die Klage sowohl hinsichtlich des
  157. Zahlungsantrages als auch bezüglich des Antrages auf Erteilung einer Abrechnung über die Heiz- und Warmwasserkosten zu Recht als begründet angesehen. Die Revision des Beklagten ist daher zurückzuweisen.
  158. Dr. Deppert
  159. Dr. Hübsch
  160. Dr. Leimert
  161. Dr. Beyer
  162. Dr. Frellesen