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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VIII ZR 290/14
  5. Verkündet am:
  6. 17. Juni 2015
  7. Ring,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. BGB § 555b Nr. 6
  19. Den Einbau von Rauchwarnmeldern, den der Vermieter mit Rücksicht auf eine
  20. entsprechende bauordnungsrechtliche Verpflichtung - hier § 47 Abs. 4 Satz 4
  21. der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt (BauO LSA) - vornimmt, hat der
  22. Mieter auch dann zu dulden, wenn er die Wohnung bereits mit von ihm ausgewählten Rauchwarnmeldern ausgestattet hat.
  23. BGH, Urteil vom 17. Juni 2015 - VIII ZR 290/14 - LG Halle
  24. AG Zeitz
  25. -2-
  26. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 2. Juni 2015 durch die
  27. Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter
  28. Dr. Achilles, Dr. Schneider und Kosziol
  29. für Recht erkannt:
  30. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer
  31. des Landgerichts Halle vom 22. September 2014 wird zurückgewiesen.
  32. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
  33. Von Rechts wegen
  34. Tatbestand:
  35. 1
  36. Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung der Klägerin in einem Mehrfamilienhaus in Z.
  37. . Die Klägerin kündigte im Jahr 2013 unter Berufung auf § 47
  38. Abs. 4 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt (BauO LSA) an, Rauchwarnmelder in der Wohnung anbringen zu wollen. Die Beklagte berief sich darauf, die Wohnung bereits entsprechend ausgestattet zu haben.
  39. 2
  40. Die auf Duldung der Installation und Inbetriebnahme von Rauchwarnmeldern "nach den Vorgaben des § 47 Abs. 4 BauO LSA" gerichtete Klage hat
  41. in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
  42. Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
  43. -3-
  44. Entscheidungsgründe:
  45. 3
  46. Die Revision hat keinen Erfolg.
  47. I.
  48. 4
  49. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
  50. 5
  51. Ohne Erfolg rüge die Beklagte, der Klageantrag sei zu unbestimmt, weil
  52. nicht ersichtlich sei, wie viele Rauchwarnmelder die Klägerin installieren wolle.
  53. Diese Entscheidung obliege der Klägerin nach Überprüfung der tatsächlichen
  54. Nutzung der Dreiraumwohnung der Beklagten.
  55. 6
  56. Nicht zu folgen sei auch der Auffassung der Beklagten, wonach die Klägerin nicht Adressatin des § 47 BauO LSA sei. Für die Einhaltung bauordnungsrechtlicher Vorschriften sei grundsätzlich der Bauherr zuständig. Dies betreffe
  57. auch laufende Instandhaltungen und Veränderungen aufgrund von (gesetzlichen) Auflagen. Der Mieter sei umgekehrt nicht Normadressat, weil er lediglich
  58. die Nutzungsberechtigung an einer den Vorschriften entsprechenden Wohnung
  59. habe. Zudem habe auch ohne ausdrückliche Bestimmung selbstverständlich
  60. (nur) der Gebäudeeigentümer die sonstigen Brandschutzbestimmungen einzuhalten (§§ 32 ff. BauO LSA).
  61. 7
  62. Wenn ein Mieter eigenmächtig Rauchwarnmelder an vorher nicht abgestimmten Stellen der Wohnung anbringe, erfülle er nicht die Pflichten des "eigentlichen" Bauherrn. Soweit der Mieter seinen umgekehrt bestehenden Anspruch auf Einbau gegen den Vermieter nicht geltend mache, könne das nicht
  63. genehmigte Anbringen von Rauchwarnmeldern nicht dazu führen, dessen
  64. grundsätzlich weite Dispositionsrechte zu schmälern.
  65. -4-
  66. 8
  67. Die Ausstattung mit Rauchwarnmeldern, die aufgrund des unstreitig geringfügigen Eingriffs eine Bagatellmaßnahme nach § 555c Abs. 4 BGB sei und
  68. deshalb keiner Modernisierungsankündigung bedürfe, sei nach § 555b Nr. 4, 6
  69. BGB zu dulden. Es handele sich einerseits um eine Modernisierungsmaßnahme im Sinne des § 555b Nr. 5 BGB, die die Wohnverhältnisse auf Dauer verbessere, weil sie den Sicherheitsstandard einheitlich und nachhaltig für alle
  70. Bewohner gleichermaßen erhöhe, und andererseits um eine Maßnahme im
  71. Sinne des § 555b Nr. 6 BGB, zu der der Vermieter im Sinne eines Mindestmaßes nach § 47 BauO LSA verpflichtet sei.
  72. 9
  73. Da die Rauchwarnmelder bisher nur der willkürlichen, von der Klägerin
  74. nicht geprüften Wartung und Auswahl durch die Beklagte unterlägen, könne sie
  75. nicht einwenden, bereits einen hinreichenden Sicherheitszuwachs bewirkt zu
  76. haben. Sie könne sich weder auf wirtschaftliche noch personale Härtegründe im
  77. Sinne des § 555d Abs. 2 BGB berufen, weil das Interesse des Vermieters an
  78. einem eigenen und systematisch zu kontrollierenden Rauchwarnsystem überwiege. Die angekündigte Mieterhöhung sowie die Betriebskostenumlage blieben gemäß § 555d Abs. 2 Satz 2 BGB außer Betracht. Es bestehe auch kein
  79. entscheidender personaler Härtegrund.
  80. II.
  81. 10
  82. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Revision ist
  83. daher zurückzuweisen.
  84. 11
  85. 1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Klägerin der ausdrücklich auf der Grundlage des § 47
  86. Abs. 4 BauO LSA geltend gemachte Duldungsanspruch gemäß § 555d Abs. 1,
  87. -5-
  88. § 555b Nr. 6 BGB zusteht. Als Modernisierungsmaßnahmen hat der Mieter danach bauliche Veränderungen zu dulden, die auf Grund von Umständen durchgeführt werden, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, und die keine Erhaltungsmaßnahmen nach § 555a BGB sind.
  89. 12
  90. a) Die von der Klägerin beabsichtigte und nach den nicht angegriffenen
  91. Feststellungen des Berufungsgerichts gemäß § 555c Abs. 4 BGB nicht ankündigungspflichtige Ausstattung der vermieteten Wohnung mit Rauchwarnmeldern
  92. hat, wie zwischen den Parteien außer Streit steht, eine bauliche Veränderung
  93. im Sinne von § 555b BGB zum Gegenstand. Denn der Begriff der baulichen
  94. Veränderung ist weit auszulegen und erfasst nicht nur Eingriffe in die bauliche
  95. Substanz (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 17/10485,
  96. S. 18). Die Anbringung von Rauchwarnmeldern stellt sich auch nicht als Erhaltungsmaßnahme im Sinne von § 555a Abs. 1 BGB dar, weil sie eine größere
  97. Nähe zur Veränderung und nicht zur Erhaltung der Mietsache aufweist (vgl. BTDrucks. 17/10485, S. 44).
  98. 13
  99. b) Die von der Klägerin beabsichtigte Modernisierungsmaßnahme soll
  100. aufgrund von Umständen durchgeführt werden, die von ihr nicht zu vertreten
  101. sind, denn es handelt sich um eine Maßnahme, die sie aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung durchzuführen hat. Während die Duldungspflicht des Mieters
  102. in einer solchen Fallgestaltung nach bisherigem Recht auf § 242 BGB gestützt
  103. wurde, weil solche bauliche Maßnahmen von § 554 Abs. 2 BGB aF nicht erfasst
  104. wurden (Senatsurteil vom 4. März 2009 - VIII ZR 110/08, NJW 2009, 1736
  105. Rn. 13; BT-Drucks. aaO, S. 20), sind Maßnahmen, die dem Vermieter durch
  106. Gesetz, Verordnung oder gemeindliche Satzung auferlegt werden, nunmehr am
  107. Maßstab des § 555b Nr. 6 BGB zu beurteilen.
  108. -6-
  109. 14
  110. Grundlage der gesetzlichen Verpflichtung der Klägerin zur Nachrüstung
  111. der Mietsache mit Rauchwarnmeldern ist § 47 Abs. 4 BauO LSA. Diese Vorschrift lautet in der hier maßgeblichen Fassung:
  112. "In Wohnungen müssen Schlafräume und Kinderzimmer sowie Flure,
  113. über die Rettungswege aus Aufenthaltsräumen führen, jeweils mindestens einen Rauchwarnmelder haben. Die Rauchwarnmelder müssen so
  114. angebracht und betrieben werden, dass Brandrauch frühzeitig erkannt
  115. und gemeldet wird. Die Rauchwarnmelder sind auf Verlangen für Menschen mit nachgewiesener Gehörlosigkeit mit optischen Signalen auszustatten. Bestehende Wohnungen sind bis zum 31. Dezember 2015
  116. dementsprechend auszustatten."
  117. 15
  118. aa) Die von der Revision (im Anschluss an Wall, WuM 2013, 3, 7) vertretene Auffassung, Adressat der von § 47 Abs. 4 Satz 4 BauO LSA vorgesehenen
  119. Nachrüstungspflicht sei nicht allein der Eigentümer einer Mietsache, sondern
  120. auch der Wohnungsmieter, so dass auch eine vom Mieter vorgenommene Ausstattung der Wohnung mit Rauchwarnmeldern der gesetzlichen Verpflichtung
  121. Rechnung trage, geht fehl.
  122. 16
  123. (1) Der Wohnungsmieter ist nicht (weiterer) Normadressat. Die dahingehende Auslegung des § 47 Abs. 4 BauO LSA durch das Berufungsgericht, die
  124. nach § 545 Abs. 1 ZPO der uneingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt, ist frei von Rechtsfehlern.
  125. 17
  126. (a) Bereits der Wortlaut des § 47 Abs. 4 BauO LSA, der im Hinblick auf
  127. den Normadressaten offen ist, bietet keine Grundlage für die Annahme einer
  128. Verpflichtung des Mieters. Eine Mitverpflichtung des Mieters widerspräche auch
  129. dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers. In der Gesetzesbegründung heißt es in einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit: "Die Verpflichtung zum Einbau trifft den Bauherrn
  130. beziehungsweise Eigentümer" (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bau-
  131. -7-
  132. ordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 10. Juni 2009, LT-Drucks. 5/2017,
  133. S. 11 f.).
  134. 18
  135. Das mit dem Gesetzentwurf verfolgte Ziel war die "Einführung einer Verpflichtung für Bauherren und Eigentümer zum Einbau von Rauchwarnmeldern
  136. in Wohnungen" (Landtag von Sachsen-Anhalt, Plenarprotokoll 5/60 vom
  137. 18. Juni 2009, S. 3932). In den parlamentarischen Beratungen wurde zwar erörtert, ob die Ausstattung einer Wohnung durch den Bauherrn oder Eigentümer
  138. als gesetzliche Verpflichtung oder aber als freiwillige Aufgabe ausgestaltet werden solle. Davon wurde jedoch in der Annahme Abstand genommen, eine freiwillige Ausstattung brächte nicht den gewünschten Erfolg. Eine etwaige öffentlich-rechtliche Inpflichtnahme auch der Wohnraummieter zum Einbau von
  139. Rauchwarnmeldern hat im Gesetzgebungsverfahren dagegen keinen Niederschlag gefunden (Plenarprotokolle 5/60 vom 18. Juni 2009, S. 3931 ff., und 5/69
  140. vom 11. Dezember 2009, S. 4481 ff.).
  141. 19
  142. (b) Der objektivierte Wille des Landesgesetzgebers wird durch den Sinnzusammenhang, in den die Nachrüstungspflicht des § 47 Abs. 4 Satz 4 BauO
  143. LSA gestellt ist, bekräftigt. Für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften ist in erster Linie der Bauherr verantwortlich (§ 51 BauO LSA). Dies ist
  144. regelmäßig der Grundstückseigentümer; andernfalls kann dessen Zustimmung
  145. zu dem Bauvorhaben gefordert werden (§ 67 Abs. 4 Satz 3 BauO LSA).
  146. 20
  147. (c) Aus dem von der Revision angeführten Urteil des Bundesgerichtshofs
  148. vom 8. Februar 2013 (V ZR 238/11, NJW 2013, 3092 Rn. 8) ergibt sich nichts
  149. anderes. Nach dem dort zu beurteilenden Sachverhalt, der nicht die Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt, sondern die Hamburgische Bauordnung betraf, bedurfte es keiner Entscheidung, wer Adressat der maßgeblichen Vorschrift ist.
  150. -8-
  151. 21
  152. (2) Entgegen der Ansicht der Revision lässt sich mit dem Verzicht auf
  153. behördliche Kontrollmechanismen nicht begründen, dass die Klägerin kein berechtigtes Interesse habe, eigene Rauchwarnmelder anzubringen. Zwar hat der
  154. Landesgesetzgeber einen Verstoß gegen die Nachrüstungspflicht nicht sanktioniert, weil zusätzlicher Verwaltungsaufwand vermieden und die Privatsphäre
  155. der Wohnungsnutzer geschützt werden sollte (vgl. Bauer in Jäde/Dirnberger,
  156. Bauordnungsrecht Sachsen-Anhalt, Stand: Juli 2014, § 47 Rn. 69 ff.). Im Gesetzgebungsverfahren wurde jedoch darauf verwiesen, dass die Versicherungswirtschaft Mechanismen entwickele, die auf die Beachtung der Rauchwarnmelderpflicht hinwirkten (Plenarprotokoll des Landtags 5/69 vom 11. Dezember 2009, S. 4484). Dementsprechend läuft der Eigentümer bei einem Verstoß gegen die gesetzliche Verpflichtung im Schadensfall Gefahr, dass die Leistungen aus der Feuerversicherung für das Gebäude gekürzt werden (vgl. BGH,
  157. Urteil vom 8. Februar 2013 - V ZR 238/11, aaO Rn. 13; Bielefeld, DWE 2011,
  158. 53, 55).
  159. 22
  160. bb) Anders als die Revision meint, kann deshalb der Eigentümer einer
  161. Mietsache als alleiniger Adressat des § 47 Abs. 4 Satz 4 BauO LSA von seinem
  162. Mieter Duldung der Nachrüstung auch dann verlangen, wenn der Mieter die
  163. Wohnung bereits mit Rauchwarnmeldern ausgestattet hat. Dabei kommt es im
  164. Rahmen des § 555b Nr. 6 BGB nicht darauf an, ob eine Eigeninstallation durch
  165. den Mieter vertragsgemäßer Gebrauch der Mietsache ist (§ 535 Abs. 1 Satz 2
  166. BGB). Denn die Klägerin verlangt nicht, dass die Beklagte die von ihr angebrachten Rauchwarnmelder entfernt.
  167. 23
  168. 2. Unbeschadet dessen ist der von der Klägerin geltend gemachte Duldungsanspruch nicht nur aus § 555d Abs. 1, § 555b Nr. 6 BGB herzuleiten,
  169. sondern darüber hinaus auch aus § 555d Abs. 1, § 555b Nr. 4, 5 BGB (vgl. Se-
  170. -9-
  171. natsurteil vom heutigen Tage - VIII ZR 216/14, unter II, zur Veröffentlichung bestimmt).
  172. Dr. Milger
  173. Dr. Hessel
  174. Dr. Schneider
  175. Dr. Achilles
  176. Kosziol
  177. Vorinstanzen:
  178. AG Zeitz, Entscheidung vom 25.03.2014 - 4 C 419/13 LG Halle, Entscheidung vom 22.09.2014 - 3 S 25/14 -