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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VII ZR 251/02
  5. Verkündet am:
  6. 10. April 2003
  7. Seelinger-Schardt,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGB § 635, § 249 Hb
  16. ZPO § 287
  17. a) Der Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB umfaßt auch die Kosten einer Hotelunterbringung, die notwendig wird, um die Mängelbeseitigung durchführen zu
  18. können.
  19. b) Steht die Notwendigkeit der Hotelunterbringung fest, sind diese Kosten unabhängig davon ersatzfähig, ob die Mängelbeseitigung durchgeführt wird.
  20. c) Zu den prozessualen Anforderungen an die Feststellung der notwendigen Kosten
  21. gemäß § 287 ZPO.
  22. BGH, Urteil vom 10. April 2003 - VII ZR 251/02 - OLG Celle
  23. LG Lüneburg
  24. -2-
  25. Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  26. vom 10. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter
  27. Prof. Dr. Thode, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner
  28. für Recht erkannt:
  29. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 16. Zivilsenats
  30. des Oberlandesgerichts Celle vom 11. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
  31. Der Beklagte trägt die Kosten der Revision.
  32. Von Rechts wegen
  33. Tatbestand:
  34. Die Klägerinnen verlangen Schadensersatz wegen mangelhafter Fußbodenarbeiten.
  35. Sie erwarben von dem Beklagten ein Grundstück. Der Beklagte verpflichtete sich zugleich zur Errichtung eines Reihenendhauses. Nach dem Einzug in das Haus stellten die Klägerinnen Risse in den Fußbodenfliesen fest. Sie
  36. haben mit
  37. der
  38. Klage
  39. Schadensersatz
  40. und
  41. Minderung in
  42. Höhe
  43. von
  44. 97.069,47 DM gefordert. Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, Schadensersatz in Höhe von 69.368,64 DM wegen folgender Positionen zu zahlen:
  45. -3-
  46. 1. Entfernen des Fliesenbelags, Auswechseln des Estrichs
  47. und Verlegen neuer Fliesen
  48. 33.709,60 DM
  49. 2. Malerarbeiten im gesamten Haus, die infolge der Arbeiten unter Pos. 1 notwendig werden
  50. 15.324,18 DM
  51. 3. Abnehmen und Wiederanbringen der gesamten Dekoration (Gardinen, Bilder etc.), notwendig wegen der Malerarbeiten
  52. 2.070,00 DM
  53. 4. Demontage und Montage von Deckenleuchten, Elektroherd, Spiegelschrank und Wandleuchten
  54. 1.677,36 DM
  55. 5. Umlagerung von Mobiliar und Wiedereinrichten
  56. 9.210,50 DM
  57. 6. Kosten für die Unterbringung beider Klägerinnen in einem Hotelzimmer für drei Wochen
  58. 6.300,00 DM
  59. 7. Ab- und Aufbau der Küche nebst Einlagerung
  60. 1.290,00 DM
  61. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen
  62. und auf die Anschlußberufung der Klägerinnen festgestellt, daß der Beklagte
  63. verpflichtet ist, den weiteren infolge der mangelhaften Verlegung des Estrichs
  64. entstandenen Schaden zu ersetzen.
  65. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag hinsichtlich der Positionen 2 bis 7 und des Feststellungsantrags.
  66. -4-
  67. Entscheidungsgründe:
  68. Die Revision ist unbegründet.
  69. Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis
  70. zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1
  71. EGBGB).
  72. I.
  73. Das Berufungsgericht hält den Beklagten gemäß §§ 634, 635 BGB zum
  74. Schadensersatz verpflichtet, weil der Estrich fehlerhaft verlegt worden sei. Der
  75. Schaden sei durch das Gutachten des Sachverständigen und die Kostenvoranschläge hinreichend belegt. Der Beklagte müsse auch die Positionen 2 bis 7
  76. ersetzen. Es handele sich zwar um fiktive Mangelfolgeschäden. Es widerspräche jedoch der Dispositionsfreiheit des Geschädigten, wollte man diese Positionen nicht zuerkennen, weil die Mängelbeseitigung noch nicht vorgenommen
  77. worden sei. Der Geschädigte müsse dann kostenmäßig in Vorlage treten und
  78. trüge die Gefahr der Insolvenz des Schädigers.
  79. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil dazu eine
  80. höchstrichterliche Entscheidung noch nicht ergangen sei.
  81. Für die Feststellungsklage bestehe ein rechtliches Interesse. Da die Kostenschätzungen aus den Jahren 1998 und 1999 stammten, käme ein höherer
  82. Schadensbeseitigungsaufwand in Betracht.
  83. -5-
  84. II.
  85. Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
  86. 1. Ist das Werk eines Unternehmers mangelhaft, steht dem Besteller
  87. unter den Voraussetzungen der §§ 634, 635 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Der Besteller hat Anspruch auf Ausgleich der durch den Mangel erlittenen Vermögensschäden.
  88. Ist der Mangel im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch
  89. nicht beseitigt, jedoch dessen Beseitigung noch möglich, hat der Besteller Anspruch auf Ersatz der für die Mängelbeseitigung erforderlichen Aufwendungen.
  90. Der Mangel selbst ist bereits der Schaden (BGH, Urteil vom 27. Juni 2002
  91. - VII ZR 238/01, BauR 2003, 123 = NZBau 2002, 573). Abweichend von § 249
  92. Abs. 1 BGB kann der Besteller verlangen, daß dieser Schaden mit dem für die
  93. Mängelbeseitigung erforderlichen Geldbetrag abgegolten wird (BGH, Urteil vom
  94. 24. Mai 1973 - VII ZR 92/71, BGHZ 61, 28, 30; Urteil vom 8. November 1973
  95. - VII ZR 86/73, BGHZ 61, 369, 371; Urteil vom 11. Juli 1991 - VII ZR 301/90,
  96. BauR 1991, 744). Unerheblich ist, ob der Besteller den zur Verfügung gestellten
  97. Betrag zur Mängelbeseitigung verwendet (BGH, Urteil vom 24. Mai 1973 aaO;
  98. Urteil vom 6. November 1986 - VII ZR 97/85, BGHZ 99, 81, 84).
  99. 2. Zu ersetzen sind jedenfalls die Aufwendungen für solche Leistungen,
  100. auf die sich auch die Nachbesserungspflicht des Unternehmers bezieht. Diese
  101. erstreckt sich nicht nur darauf, die eigene mangelhafte Leistung nachträglich in
  102. einen mangelfreien Zustand zu versetzen. Sie umfaßt vielmehr auch alles, was
  103. vorbereitend erforderlich ist, um den Mangel an der eigenen Leistung zu beheben. Hinzu kommen die Arbeiten, die notwendig werden, um nach durchge-
  104. -6-
  105. führter Mängelbeseitigung den davor bestehenden Zustand wieder herzustellen
  106. (BGH, Urteil vom 7. November 1985 - VII ZR 270/83, BGHZ 96, 221, 225). Der
  107. Unternehmer muß auch Schäden am sonstigen Eigentum des Bestellers beheben, die im Zuge der Nachbesserung zwangsläufig entstehen (BGH, Urteil vom
  108. 22. März 1979 - VII ZR 142/78, BauR 1979, 333 = ZfBR 1979, 150). Aus diesem Grund ist es nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht die Positionen 2 bis 5 und 7 ausgeurteilt hat. Insoweit handelt es sich um die Kosten für
  109. Maßnahmen, die notwendigerweise im Zuge der Mängelbeseitigung vorzunehmen sind, um den ordnungsgemäßen Zustand wieder herzustellen.
  110. 3. Zu dem nach § 635 BGB zu ersetzenden, bereits mit dem Mangel entstandenen Schaden gehört auch derjenige Betrag, den der Besteller dafür aufwenden muß, daß er in ein Hotel ziehen muß, um die ordnungsgemäße Mängelbeseitigung zu ermöglichen (Pos. 6). Der Schadensersatzanspruch nach
  111. § 635 BGB geht über den Kostenerstattungsanspruch nach § 633 Abs. 3 BGB
  112. hinaus. Er erfaßt den gesamten Vermögensnachteil, den der Besteller durch
  113. den Mangel erlitten hat. Der Besteller kann den Betrag verlangen, mit dem der
  114. Mangelunwert abgedeckt wird. Dazu gehören nicht nur diejenigen Aufwendungen, die das Bauwerk selbst betreffen, sondern auch diejenigen Aufwendungen,
  115. die die Mängelbeseitigungsmaßnahmen am Bauwerk unmittelbar erst ermöglichen. Es gibt im Rahmen des Schadensersatzanspruchs keinen Grund, zwischen solchen Schäden zu unterscheiden, die im Rahmen der Mängelbeseitigung am Bauwerk zwangsläufig entstehen und solchen, die notwendig dadurch
  116. entstehen, daß die Mängelbeseitigung am Bauwerk erst ermöglicht wird. Der
  117. Besteller muß mit dem ihm zur Verfügung gestellten Betrag in die Lage versetzt
  118. werden, den Mangel ohne Vermögenseinbuße zu beseitigen (vgl. BGH, Urteil
  119. vom 24. Mai 1973 - VII ZR 92/71, BGHZ 61, 28). Es ist deshalb geboten, auch
  120. die Hotelkosten in den zu ersetzenden Schaden einzubeziehen, wenn diese
  121. erforderlich sind, um die Mängelbeseitigung zu ermöglichen.
  122. -7-
  123. 4. Der für die Mängelbeseitigung erforderliche Betrag kann mit Hilfe eines Sachverständigen ermittelt werden. Auch der Sachverständige wird in den
  124. meisten Fällen nicht daran vorbeikommen, den erforderlichen Betrag zu schätzen. Eine derartige Schätzung ist dem Gericht nach § 287 ZPO erlaubt. Zweifel
  125. an der Höhe der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten gehen nicht zu
  126. Lasten des Schädigers. Es darf nur derjenige Betrag ausgeurteilt werden, der
  127. im Rahmen der vorzunehmenden Schätzung für die Mängelbeseitigung sicher
  128. anfällt. Das betrifft nicht nur die Kosten für die Maßnahmen am Bauwerk, sondern auch diejenigen Aufwendungen, die notwendig sind, um diese Maßnahme
  129. überhaupt zu ermöglichen. Insoweit wird es häufig nicht möglich sein, sichere
  130. Kosten festzustellen. Denn in den meisten Fällen ist nicht klar, inwieweit unter
  131. Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls Kosten für eine Hotelnutzung
  132. anfallen werden, wenn die Mängelbeseitigung durchgeführt wird. Das betrifft
  133. sowohl die Notwendigkeit, die Räume insgesamt vorübergehend zu verlassen
  134. als auch die dadurch etwa entstehenden Kosten. Die Maßnahmen und Kosten
  135. müssen sich an den Möglichkeiten orientieren, die der Besteller im Rahmen der
  136. Schadensminderungspflicht nutzen muß. Steht der zu erwartende, aber noch
  137. nicht bezifferbare Schaden nicht fest, bleibt dem Besteller die Möglichkeit der
  138. Feststellungsklage.
  139. Steht allerdings fest, daß während der Mängelbeseitigung ein Hotel für
  140. eine bestimmte Dauer genutzt werden muß, so können diese Kosten unabhängig davon ausgeurteilt werden, ob der Besteller die Mängelbeseitigung durchführen läßt. Denn das unterliegt allein seiner Disposition. So liegt der Fall hier.
  141. Zu Unrecht rügt die Revision, es sei nicht festgestellt, daß die Klägerinnen während der Dauer der Reparaturarbeiten in ein Hotel ziehen müßten. Sie übergeht
  142. die Feststellungen aus dem landgerichtlichen Urteil, auf die das Berufungsgericht Bezug nimmt und die in der Berufung nicht angegriffen worden sind. Danach kommt infolge des Ausmaßes des Estrichschadens ein Umräumen von
  143. -8-
  144. Möbeln nicht in Betracht, sondern ist ein mindestens dreiwöchiger Aufenthalt im
  145. Hotel unumgänglich. Zudem ergibt sich aus dem in Bezug genommenen Gutachten, daß den Klägerinnen ein Verweilen in den Räumen während der Mängelbeseitigung auch im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand nicht zugemutet
  146. werden kann. Der Senat ist an diese Feststellungen gebunden.
  147. 5. Die weiteren Rügen der Revision zur unterlassenen Prüfung der Vorteilsausgleichung und zur unterlassenen Berücksichtigung eines Mitverschuldens im Zusammenhang mit dem Feststellungsbegehren haben schon deshalb
  148. keinen Erfolg, weil die Revision nicht dartut, daß das Berufungsgericht aufgrund
  149. des ihm unterbreiteten Sachverhalts Anlaß hatte, diese Punkte zu prüfen. Die
  150. Revision legt nicht dar, daß die von ihr vorgetragenen tatsächlichen Umstände
  151. in den Instanzen vorgebracht worden sind. Es ist Sache des Schädigers, diejenigen Umstände vorzutragen, die eine Vorteilsausgleichung oder ein Mitverschulden des Geschädigten begründen.
  152. III.
  153. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO
  154. Dressler
  155. Thode
  156. Kniffka
  157. Kuffer
  158. Bauner