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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VII ZR 106/07
  5. Verkündet am:
  6. 8. Mai 2008
  7. Seelinger-Schardt,
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamter
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. nein
  15. BGHR:
  16. ja
  17. BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2
  18. Macht ein Besteller im Rahmen eines Werkvertrages Rückforderungsansprüche wegen einer überhöhten Schlussrechnung geltend, so sind die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB in der Regel erfüllt, wenn er das Leistungsverzeichnis, die Aufmaße und die Schlussrechnung kennt und aus diesen eine vertragswidrige Abrechnung und Masseermittlung ohne weiteres ersichtlich sind.
  19. BGH, Urteil vom 8. Mai 2008 - VII ZR 106/07 - OLG Düsseldorf
  20. LG Kleve
  21. -2-
  22. Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  23. vom 8. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter
  24. Dr. Kuffer, Bauner, die Richterin Safari Chabestari und den Richter Dr. Eick
  25. für Recht erkannt:
  26. Die Revision der Streithelferin der Klägerin gegen das Urteil
  27. des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom
  28. 8. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
  29. Die Streithelferin der Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
  30. Von Rechts wegen
  31. Tatbestand:
  32. 1
  33. Die Klägerin macht Rückforderungs- und Zinsansprüche wegen einer
  34. überhöhten Schlussrechnung eines Bauvertrages mit der Beklagten geltend.
  35. 2
  36. Die Beklagte erbrachte für die Klägerin, eine GmbH, an der mehrere
  37. Gemeinden beteiligt sind, in den Jahren 1999/2000 Bauleistungen. Mit Schlussrechnung vom 26. Juni 2000 rechnete sie insgesamt 148.492,12 € ab. Die Klägerin glich die sich aus dieser Schlussrechnung ergebende Restforderung im
  38. August/September 2000 aus, nachdem ihre mit der Prüfung beauftragte Streithelferin die Schlussrechnung durch das Ingenieurbüro K. hatte prüfen lassen.
  39. -3-
  40. 3
  41. Zur Vorbereitung von Prüfungen durch den Landesrechnungshof prüfte
  42. die Streithelferin der Klägerin die Schlussrechnung erneut und gelangte nun zu
  43. dem Ergebnis, dass die Beklagte zwei Positionen zu Unrecht und zwei Positionen mit falschen Massen abgerechnet hatte. Die Klägerin errechnete daraus
  44. eine Überzahlung in Höhe von 42.652,61 €.
  45. 4
  46. Diesen Betrag sowie vertraglich vereinbarte Zinsen hierauf für den Zeitraum von September 2000 bis Januar 2005 in Höhe von 6.495,95 € hat die Klägerin mit dem am 8. August 2005 bei Gericht eingegangenen Mahnbescheidsantrag geltend gemacht. Die Beklagte hat behauptet, die Abrechnung entspreche den "vor Ort" getroffenen Absprachen, und hat die Einrede der Verjährung
  47. erhoben. Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin und ihrer Streithelferin hat das Berufungsgericht der Klage
  48. wegen eines Teils der begehrten Zinsen in Höhe von 4.412,34 € stattgegeben;
  49. im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht
  50. im Hinblick auf die Frage des Beginns der neuen Verjährungsfrist zugelassenen
  51. Revision verfolgt die Streithelferin der Klägerin das Klagebegehren in vollem
  52. Umfang weiter.
  53. Entscheidungsgründe:
  54. 5
  55. Die Revision hat keinen Erfolg.
  56. I.
  57. 6
  58. Das Berufungsgericht führt aus, die Klägerin habe die Beklagte um
  59. 42.652,61 € überzahlt. Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin aus § 812
  60. Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB sei jedoch verjährt. An die Stelle der ursprünglich
  61. 30-jährigen Verjährungsfrist sei ab dem 1. Januar 2002 gemäß Art. 229 § 6
  62. -4-
  63. Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EGBGB die dreijährige Regelverjährungsfrist des § 195
  64. BGB getreten. Diese neue Frist habe am 1. Januar 2002 begonnen, weil zu
  65. diesem Zeitpunkt die subjektiven Voraussetzungen für den Fristbeginn gemäß
  66. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erfüllt gewesen seien. Die Klägerin müsse sich die
  67. Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des von der Streithelferin mit der
  68. Rechnungsprüfung eingesetzten Bauleiters zurechnen lassen. Das von der
  69. Streithelferin eingesetzte Ingenieurbüro habe im Jahre 2000 grob fahrlässig die
  70. Zuvielberechnung übersehen. Es habe die Rechnungsprüfung ohne Hinzuziehung des Leistungsverzeichnisses vorgenommen; dies stelle eine ungewöhnlich große Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt dar.
  71. 7
  72. Die Klägerin habe einen unverjährten Anspruch auf Zinsen für den Zeitraum von Januar 2002 bis Dezember 2004. Nach der vertraglichen Vereinbarung schulde die Beklagte für 53 Monate 4 % Zinsen jährlich aus dem Nettobetrag der Überzahlung. Die Verjährung dieser Ansprüche habe jeweils am Ende
  73. des Jahres begonnen, in dem die Zinsen fällig geworden seien. Da auch insoweit nunmehr eine dreijährige Verjährungsfrist gelte, die am 1. Januar 2002 zu
  74. laufen begonnen habe, seien mit dem Ablauf des Jahres 2004 auch jene Zinsansprüche verjährt, die bis zum 31. Dezember 2001 fällig geworden seien. Die
  75. für Januar 2005 geltend gemachten Zinsen könne die Klägerin wegen der Verjährung der Hauptforderung nicht verlangen.
  76. II.
  77. 8
  78. Die Revision bringt vor, die Änderung der Rechtsordnung durch das Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes habe die Geschäftsgrundlage entfallen lassen, so dass das Vertragsverhältnis anzupassen sei. Die
  79. Klägerin als öffentliche Auftraggeberin habe sich unter der früheren Rechtslage
  80. -5-
  81. darauf einstellen können, dass es einer abschließenden Rechnungsprüfung
  82. durch die Rechnungsprüfungsbehörde innerhalb von drei Jahren nach Ablauf
  83. des Jahres der Schlusszahlung nicht bedurfte. Dies sei ihrem Geschäftspartner
  84. bewusst gewesen, und dieser habe es daher zur Grundlage seiner geschäftlichen Disposition machen müssen, überzahlten Werklohn auch noch nach Jahren zurückerstatten zu müssen. Es liege nahe, dass sich die Parteien bei
  85. Kenntnis der Gesetzesänderung verpflichtet hätten, jedenfalls über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren die Einrede der Verjährung gegenüber Rückzahlungsansprüchen nicht zu erheben. Zudem habe das Berufungsgericht lediglich eine grob fahrlässige Zahlungsanweisung festgestellt; dies könne nicht
  86. mit der Kenntnis des Rückforderungsanspruchs gleichgesetzt werden. Schließlich müsse sich die Klägerin die Kenntnis des Bauleiters nicht zurechnen lassen; maßgeblich sei vielmehr die Kenntnis des zuständigen Sachbearbeiters
  87. der Klägerin oder vielmehr des Rechnungsprüfungsamtes.
  88. III.
  89. 9
  90. Damit dringt die Revision nicht durch.
  91. 10
  92. 1. a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass für
  93. die geltend gemachten Ansprüche die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195
  94. BGB gilt. Diese Frist konnte gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB nur dann
  95. am 1. Januar 2002 zu laufen beginnen, wenn zu diesem Zeitpunkt die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erfüllt waren. Der vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 23. Januar 2007
  96. - XI ZR 44/06, BGHZ 171, 1) hat sich auch der Senat inzwischen angeschlossen (BGH, Urteile vom 25. Oktober 2007 - VII ZR 205/06, BauR 2008, 351
  97. -6-
  98. = NZBau 2008, 113 = ZfBR 2008, 163, und vom 10. April 2008 - VII ZR 58/07,
  99. zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
  100. 11
  101. b) Es lässt keinen Rechtsfehler erkennen, dass das Berufungsgericht
  102. angenommen hat, dass die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB am
  103. 1. Januar 2002 erfüllt waren.
  104. 12
  105. aa) § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB verlangt die Kenntnis oder grob fahrlässige
  106. Unkenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen.
  107. Insofern sind die Tatsachen entscheidend, die die Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm erfüllen; dagegen ist grundsätzlich nicht vorausgesetzt, dass der Gläubiger hieraus die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht
  108. (BGH, Beschluss vom 19. März 2008 - III ZR 220/07 m.w.N., in Juris dokumentiert).
  109. 13
  110. Die Klägerin hatte die danach erforderliche Kenntnis. Sie kannte das
  111. Leistungsverzeichnis, die Aufmaße und die Schlussrechnung. Wie das Berufungsgericht festgestellt hat, sind die vertragswidrige Abrechnung und Masseermittlung aus diesen ohne weiteres ersichtlich.
  112. 14
  113. Entgegen der Auffassung der Revision ist es nicht erforderlich, dass das
  114. Rechnungsprüfungsamt die erforderliche Kenntnis hatte. Das Gesetz stellt allein auf die Person des Gläubigers ab. Dafür, dass zusätzlich oder allein die
  115. Kenntnis eines Dritten maßgeblich wäre, bietet es keine Stütze (vgl. Zimmermann, BauR 2007, 1798, 1803 ff.).
  116. 15
  117. bb) Im Übrigen muss sich die Klägerin auch die grob fahrlässige Unkenntnis des von ihr mit der Rechnungsprüfung betrauten Bauleiters zurechnen
  118. lassen.
  119. -7-
  120. 16
  121. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Bauleiter bei der Rechnungsprüfung im Jahr 2000 die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in erheblichem
  122. Maße außer Acht gelassen hat. Bei dieser Prüfung waren dieselben Tatsachen
  123. zu prüfen, die nun Grundlage des Rückforderungsanspruchs sind. Ohne grobe
  124. Fahrlässigkeit hätte daher der Bauleiter von diesen Tatsachen bereits bei der
  125. ersten Rechnungsprüfung im Jahr 2000 Kenntnis erlangen müssen.
  126. 17
  127. Diese grob fahrlässige Unkenntnis muss sich die Klägerin zurechnen
  128. lassen. Der Gläubiger muss sich das Wissen zurechnen lassen, das ein Dritter,
  129. den er mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, in diesem Rahmen erlangt (BGH, Urteil vom 16. Mai 1989
  130. - VI ZR 251/88, NJW 1989, 2323). Diese allgemeinen Rechtsgrundsätze sind
  131. entgegen der Auffassung der Revision auch auf eine GmbH, an der die öffentliche Hand beteiligt ist, anzuwenden.
  132. 18
  133. Das Ingenieurbüro K. hat in eigener Verantwortung für die Klägerin die
  134. Prüfung der Schlussrechnung vorgenommen, bei der es die fraglichen Kenntnisse hätte erlangen müssen. Die Klägerin hat die Streithelferin und diese den
  135. Bauleiter mit der Rechnungsprüfung beauftragt. Die Klägerin hat sich diese
  136. Weitergabe der Aufgabe der Rechnungsprüfung jedenfalls dadurch zu eigen
  137. gemacht, dass sie auf das von dem Ingenieurbüro K. ermittelte Prüfergebnis die
  138. Schlusszahlung geleistet hat. Dass die Klägerin davon ausging, dass eine weitere Prüfung durch das Rechnungsprüfungsamt erfolgen würde, ändert daran
  139. nichts, denn dadurch hat sie das Ingenieurbüro nicht aus der ihm eigenen Verantwortung entlassen.
  140. 19
  141. 2. Zu Recht hat das Berufungsgericht eine Änderung der Geschäftsgrundlage durch das Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes
  142. -8-
  143. nicht in Erwägung gezogen. Dies folgt bereits daraus, dass die Anwendung der
  144. Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach ständiger Rechtsprechung nur dann in Betracht kommt, wenn es sich um eine derart einschneidende Änderung handelt, dass ein Festhalten an der ursprünglichen Regelung zu
  145. einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde und das Festhalten an der ursprünglichen
  146. vertraglichen Regelung für die betreffende Partei deshalb unzumutbar wäre
  147. (BGH, Urteil vom 25. Februar 1993 - VII ZR 24/92, BGHZ 121, 378, 393). Davon kann hier keine Rede sein. Art. 229 § 6 EGBGB schafft für die Überleitungsfälle einen angemessenen Interessenausgleich. Er trägt den Belangen
  148. des Gläubigers dadurch hinreichend Rechnung, dass in dem Fall, dass eine
  149. Verjährungsfrist verkürzt worden ist, diese erst mit dem Inkrafttreten der Neuregelung in Lauf gesetzt worden ist und der Fristbeginn zusätzlich die Kenntnis
  150. -9-
  151. oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch begründenden Umstände
  152. voraussetzt. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn die öffentliche Hand
  153. Gläubigerin ist, erst recht wenn sie, wie es hier der Fall ist, in privatrechtlicher
  154. Organisationsform handelt. Zudem ist es rein spekulativ, dass die Parteien, wie
  155. dies die Revision behauptet, eine über Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB hinausgehende Regelung getroffen hätten.
  156. Dressler
  157. Kuffer
  158. Safari Chabestari
  159. Bauner
  160. Eick
  161. Vorinstanzen:
  162. LG Kleve, Entscheidung vom 06.09.2006 - 2 O 98/06 OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 08.05.2007 - I-23 U 163/06 -