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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. VI ZR 271/01
  5. Verkündet am:
  6. 17. Dezember 2002
  7. Böhringer-Mangold,
  8. Justizhauptsekretärin
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk: ja
  13. BGHZ:
  14. ja
  15. BGB § 842; BayBG Art. 96; BBG § 87 a
  16. Der Schädiger hat im Falle der Verletzung eines Beamten, die zu dessen Versetzung
  17. in den vorzeitigen Ruhestand geführt hat, dem Dienstherrn nicht die Beihilfeleistungen zu ersetzen, die dieser aufgrund nicht unfallbedingter Heilmaßnahmen zu
  18. erbringen hat.
  19. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2002 - VI ZR 271/01 - OLG Nürnberg
  20. LG Nürnberg-Fürth
  21. -2-
  22. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
  23. vom 26. November 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, die Richter
  24. Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr
  25. für Recht erkannt:
  26. Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 21. März 2001 wird auf Kosten des Klägers
  27. zurückgewiesen.
  28. Von Rechts wegen
  29. Tatbestand:
  30. Das klagende Land (Kläger) begehrt im Wege des Schadensersatzes
  31. aus übergegangenem Recht nach Art. 96 S. 1 BayBG die Erstattung von Beihilfeleistungen, die es an seinen wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand
  32. versetzten Polizeibeamten S. erbracht hat.
  33. Am 29. Juni 1990 wurde S. bei der Aufnahme eines Verkehrsunfalls
  34. durch einen bei der Beklagten haftpflichtversicherten Lkw schwer verletzt. Die
  35. volle Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen steht zwischen den Parteien
  36. außer Streit. Aufgrund der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen wurde S. mit
  37. Ablauf des Monats Januar 1993 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Der
  38. Kläger erbrachte in der Zeit vom 23. März 1994 bis 24. Februar 2000 an S. Beihilfeleistungen in Höhe von 80.404,71 DM, die auf nicht unfallbedingten Heilbehandlungsmaßnahmen beruhen.
  39. -3-
  40. Das Landgericht hat der auf Erstattung dieses Betrags gerichteten Klage
  41. mit Ausnahme eines geringfügigen Teils der geltend gemachten Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage
  42. abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.
  43. Entscheidungsgründe:
  44. I.
  45. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend
  46. gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu. Er könne von der Beklagten nicht
  47. die Erstattung von Beihilfeleistungen verlangen, die er aufgrund nicht unfallbedingter Heilbehandlungsmaßnahmen an S. erbracht habe. Ein gesetzlicher Forderungsübergang gem. Art. 96 S. 1 BayBG finde nur statt, wenn zwischen dem
  48. Schadensersatzanspruch des geschädigten Beamten und der Leistung des
  49. Dienstherrn ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang (Kongruenz) bestehe.
  50. Dieser sei hier nicht gegeben. Die Beihilfeleistungen für nicht unfallbedingte
  51. Heilbehandlungsmaßnahmen dienten nämlich nicht dem Ausgleich eines diesem entstandenen Schadens; sie begründeten allenfalls einen eigenen, aus
  52. übergegangenem Recht nicht ersatzfähigen Schaden des Klägers. Denn sie
  53. beruhten auf dessen originären Pflichten aus dem Beamten- bzw. Ruhestandsbeamtenverhältnis sowie der Beihilfeberechtigung des S., die mit seiner Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit grundsätzlich lebenslang bestehe. Anders als Angehörige eines Beamten, die durch dessen Tod ihre Unterhaltsansprüche und damit auch ihre bisherige Absicherung im Krankheitsfall
  54. verlören, behalte der verletzte Beamte im Falle der Dienstunfähigkeit seine Beihilfeberechtigung. Dies gelte auch dann, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werde. Die Versetzung in den Ru-
  55. -4-
  56. hestand beende das Beamtenverhältnis nämlich nicht schlechthin, sondern
  57. wandle es in ein besonderes Ruhestandsverhältnis um. Manche Rechte gälten
  58. im Ruhestand fort. So verhalte es sich auch mit der Beihilfeberechtigung. Mit
  59. der Fortdauer des Beihilferechts trotz Dienstunfähigkeit verwirkliche sich der
  60. Anspruch auf lebenslange Absicherung im Krankheitsfall, den der Beamte bereits mit Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erworben habe.
  61. Zwar sei aus schadensrechtlicher Sicht auch der Beihilfeanspruch im
  62. Ruhestand als funktionaler Bestandteil des Entgelts zu qualifizieren; er sei ein
  63. Äquivalent für die erbrachte Leistung aus der aktiven Beamtenzeit. Werde der
  64. Beamte unfallbedingt in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, so entgehe dem
  65. Dienstherrn bis zum Erreichen des gesetzlichen Ruhestandsalters die weitere
  66. Leistung des Beamten. Dieser Umstand rechtfertige es jedoch nicht, den Schädiger des Beamten auch zum Ersatz solcher Einzelleistungen heranzuziehen,
  67. die nicht unfallbedingt seien, sondern die der Dienstherr aufgrund der Beihilfeberechtigung auch ohne den Unfall hätte erbringen müssen.
  68. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auch dann nicht zu,
  69. wenn man davon ausgehe, daß der Eintritt des Beamten in den vorzeitigen Ruhestand eine strikte beihilferechtliche Zäsur bewirke, die zur Folge habe, daß
  70. der Beamte seinen bisherigen Beihilfeanspruch verliere und mit Beginn des
  71. Ruhestandsverhältnisses einen eigenständigen Beihilfeanspruch neu erwerbe.
  72. Denn auch bei einer solchen Betrachtung verliere der Geschädigte durch das
  73. schädigende Ereignis nicht den Anspruch auf beihilferechtliche Erstattung konkreter Einzelleistungen, sondern lediglich die abstrakte Absicherung für mögliche spätere Krankheitsfälle. Es könne offen bleiben, ob der Schädiger zumindest zum Ausgleich derjenigen Kosten verpflichtet sei, die für eine vergleichbare Absicherung im Krankheitsfall aufzuwenden seien. Denn der Kläger mache
  74. -5-
  75. einen solchen abstrakten Anspruch gerade nicht geltend. Vielmehr bestehe er
  76. auf Ersatz konkreter Beihilfeleistungen.
  77. II.
  78. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im
  79. Ergebnis stand. Der Kläger hat gegen die Beklagte
  80. aus übergegangenem
  81. Recht des Polizeibeamten S. keinen Anspruch auf Ersatz nicht unfallbedingter
  82. Heilbehandlungskosten.
  83. 1. Wird ein Beamter körperlich verletzt, geht ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch, der ihm infolge der Körperverletzung gegen einen Dritten zusteht, gem. Art. 96 S. 1 BayBG insoweit auf den Dienstherrn über, als dieser
  84. während einer auf der Körperverletzung beruhenden Aufhebung der Dienstfähigkeit oder infolge der Körperverletzung zur Gewährung von Leistungen
  85. (Art. 90 Abs. 1 BayBG) verpflichtet ist. Gegenstand des gesetzlichen Forderungsübergangs ist im Streitfall der auf §§ 7 Abs. 1 StVG, 11 StVG, 823 Abs. 1,
  86. 843 BGB i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG beruhende gesetzliche Anspruch des Polizeibeamten S. gegen die Beklagte auf Ersatz seines durch den Unfall verursachten Schadens. Ein Bestandteil dieses unfallbedingten Vermögensschadens sind
  87. die - hier nicht im Streit befindlichen - durch den Unfall veranlaßten notwendigen Behandlungskosten. Dagegen wird ein Anspruch auf Ersatz der Krankheitskosten, die S. unfallunabhängig nach seinem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand entstanden sind, von dem gesetzlichen Forderungsübergang nicht erfaßt. Hinsichtlich dieser Kosten fehlt die gem. Art. 96 S. 1 BayBG vorausgesetzte Ursächlichkeit des Unfalls.
  88. -6-
  89. a) Das Erfordernis der Kausalität folgt bereits aus dem Wortlaut dieser
  90. Bestimmung. Danach ist Voraussetzung für den Forderungsübergang auf den
  91. Dienstherrn, daß dem Beamten ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch infolge der Körperverletzung gegen einen Dritten zusteht. Nur ein solcher Anspruch
  92. geht auf den Dienstherrn über, und zwar in dem Umfang, in dem dieser während einer auf der Körperverletzung beruhenden Aufhebung der Dienstfähigkeit
  93. oder infolge der Körperverletzung zur Erbringung von Leistungen verpflichtet ist.
  94. Daraus folgt, daß die Leistungspflicht des Dienstherrn entweder trotz vorübergehender Nichtleistung des Dienstes (während ... einer Aufhebung der Dienstfähigkeit) aufrechterhalten worden oder durch die Körperverletzung hervorgerufen (infolge der Körperverletzung) sein muß. Nur soweit dieser Zusammenhang zwischen der Verletzung und der Leistungspflicht des Dienstherrn besteht,
  95. findet ein Forderungsübergang statt. Hinsichtlich der Verpflichtung zu Beihilfeleistungen für Heilbehandlungen ist diese Voraussetzung erfüllt, soweit der
  96. Dienstherr Leistungen aus Anlaß der Verletzung des Beamten zu erbringen hat
  97. (vgl. Senatsurteil vom 15. März 1983 - VI ZR 156/80 - VersR 1983, 686
  98. m.w.N.). Das ist bei nicht unfallbedingten Heilbehandlungsmaßnahmen nicht
  99. der Fall.
  100. b) Für dieses Verständnis von Art. 96 S. 1 BayBG spricht auch die Entstehungsgeschichte dieser Norm. Sie entspricht ihrem Wortlaut nach den Bestimmungen der §§ 52 S. 1 BRRG und 87 a S. 1 BBG. Inhaltsgleiche Vorschriften finden sich in den Beamtengesetzen aller anderen Bundesländer (vgl.
  101. die Zusammenstellung bei Battis, BBG, 2. Aufl., § 87 a). Sie gehen zurück auf
  102. die in § 139 S. 1 des Deutschen Beamtengesetzes von 1937 (DBG) enthaltene
  103. Regelung, welche erstmals einen gesetzlichen Forderungsübergang auf den
  104. Dienstherrn vorsah, jedoch nur für den Fall, daß dieser infolge eines Ereignisses zur Gewährung oder Erhöhung von Versorgungsbezügen aus Anlaß der
  105. körperlichen Verletzung des Beamten verpflichtet war. § 139 DBG wurde im
  106. -7-
  107. Jahre 1953 wörtlich in das Bundesbeamtengesetz als § 168 BBG übernommen
  108. (vgl. Senatsurteil BGHZ 21, 113, 120 f.; Fürst, GKÖD, Stand: Mai 1990, § 87 a,
  109. Rdnr. 1; Schütz/Cecior, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, 5. Aufl.,
  110. Stand: Februar 2002, § 99 LBG NW, Rdnr. 1 a).
  111. An die Stelle dieser Vorschrift ist mit Wirkung vom 1. Juli 1957 die Regelung der §§ 52 S. 1 BRRG, 87 a S. 1 BBG getreten. Diese Bestimmungen
  112. hatten zunächst folgenden Wortlaut:
  113. Wird ein Beamter körperlich verletzt oder getötet, so geht ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch, der dem Beamten oder seinen Hinterbliebenen infolge der Körperverletzung oder seinen Hinterbliebenen infolge der Körperverletzung oder der Tötung gegen einen Dritten zusteht,
  114. insoweit auf den Dienstherrn über, als dieser
  115. 1. während einer auf der Körperverletzung beruhenden Aufhebung der
  116. Dienstfähigkeit zur Gewährung von Dienstbezügen oder
  117. 2. infolge der Körperverletzung oder der Tötung zur Gewährung einer
  118. Versorgung oder einer anderen Leistung
  119. verpflichtet ist.
  120. Damit ist die Legalzession auch auf den Fall der Gewährung von Dienstbezügen während einer vorübergehenden Dienstunfähigkeit des verletzten Beamten
  121. erstreckt worden (Fürst, aaO; Rahmfeld, RiA 1962, 132). In dem von dem
  122. Ausschuß für Beamtenrecht des Deutschen Bundestages vorgelegten schriftlichen Bericht über den Entwurf des Ersten Beamtenrechtsrahmengesetzes heißt
  123. es, mit der gesetzlichen Anerkennung, daß auch während einer vorübergehenden Dienstunfähigkeit ein Schadensersatzanspruch des verletzten Beamten
  124. bestehe, der auf den Dienstherrn übergehe, werde erreicht, daß der Schädiger
  125. eines Beamten nicht besser stehe als der Schädiger einer anderen Person (BTDrucks. 2/3363, S. 7 zu § 48 a des Entwurfs). Mit dieser Neuregelung wurde
  126. -8-
  127. jedoch ein gesetzlicher Forderungsübergang hinsichtlich Beihilfeleistungen für
  128. nicht unfallbedingte Heilbehandlungsmaßnahmen nicht herbeigeführt. Zwar
  129. enthielten die Vorschriften der § 52 S. 1 BRRG und § 87 a S. 1 BBG a.F. jeweils das Tatbestandsmerkmal Leistung (in Ziff. 2), wozu nach allgemeinem
  130. Verständnis auch Beihilfen zählen (Rahmfeld, aaO, S. 135; vgl. Art. 90 Abs. 1,
  131. Abs. 4 BayBG; Senatsurteil vom 28. Februar 1989 - VI ZR 208/88 - VersR
  132. 1989, 486 f.; zu § 99 LBG NRW: Senatsurteil vom 17. Dezember 1985 - VI ZR
  133. 155/84 - VersR 1986, 463, 464; zu § 103 HBG: Senatsurteil vom 15. März 1983
  134. - VI ZR 156/80 - VersR 1983, 686). Damit waren aber nur die Beihilfeleistungen
  135. gemeint, die der Beamte aus Anlaß eines Unfalls beanspruchen kann (Rahmfeld, aaO), also Beihilfen für unfallbedingte Heilmaßnahmen. Dafür, daß der
  136. Gesetzgeber mit der Neuregelung den gesetzlichen Forderungsübergang auch
  137. auf solche Beihilfeleistungen ausdehnen wollte, die der Dienstherr dem verletzten Beamten für nicht unfallbedingte Heilbehandlungsmaßnahmen zu
  138. erbringen hat, gibt es in den Gesetzesmaterialien keinen Anhaltspunkt.
  139. Mit Wirkung vom 1. August 1985 ist die Regelung der §§ 52 BRRG, 87 a
  140. BBG dahingehend abgeändert worden, daß auch Schadensersatzansprüche
  141. der Versorgungsberechtigten und der Angehörigen von Beamten und Versorgungsberechtigten aus der Verletzung eigener Rechtsgüter übergangsfähig
  142. sind (Battis, aaO, Rdnr. 2). Damit ist zum einen die frühere erweiternde Auslegung, die als Beamte im Sinne der §§ 52 BRRG, 87 a BBG a.F. auch Ruhestandsbeamte ansah (vgl. grundlegend BGHZ [GS] 9, 179, 187 ff.), in der ausdrücklichen Einbeziehung in den Wortlaut der Vorschriften aufgegangen
  143. (Plog/Wiedow/Lemhöfer, BBG/BeamtVG, Stand: August 2002, § 87 a Rdnr. 5).
  144. Zum anderen ist mit der Neufassung der Kreis der Berechtigten auf versorgungsberechtigte Hinterbliebene und auf Angehörige der (aktiven) Beamten
  145. erweitert worden (Plog/Wiedow/Lemhöfer, aaO, Rdnr. 2). Darüber hinaus ist in
  146. sachlicher Hinsicht klargestellt worden, daß sich der gesetzliche Forderungs-
  147. -9-
  148. übergang auch bei Beamten während einer auf der Körperverletzung beruhenden - vorübergehenden - Aufhebung der Dienstfähigkeit auf sonstige Leistungen erstreckt, die nicht Dienstbezüge im bisherigen weiteren Sinne sind
  149. (Plog/Wiedow/Lemhöfer, aaO m.w.N.). Davon betroffen sind insbesondere auch
  150. Beihilfeleistungen (vgl. Fürst, aaO). Wie aus der Begründung des Entwurfs der
  151. Bundesregierung zum Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (BTDrucks. 10/2114, S. 4) hervorgeht, sollten die betreffenden Bestimmungen mit
  152. dieser Neuregelung im übrigen lediglich eine redaktionelle Änderung erfahren.
  153. Der für den gesetzlichen Forderungsübergang nach bisherigem Verständnis
  154. dieser Vorschriften erforderliche Zusammenhang zwischen der Verletzung und
  155. der Leistungspflicht des Dienstherrn in dem Sinne, daß nur solche Leistungen
  156. zu einem Anspruchsübergang führen, die aus Anlaß der Verletzung zu erbringen sind, ist mit der Neuregelung nicht aufgegeben worden. Insbesondere ist
  157. nicht erkennbar, daß der Gesetzgeber den Forderungsübergang mit dieser
  158. Neufassung auf Beihilfeleistungen für nicht unfallbedingte Heilbehandlungskosten des verletzten Beamten erstrecken wollte.
  159. c) Diese Gesetzesauslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der
  160. genannten Vorschriften. Der in ihnen angelegte gesetzliche Forderungsübergang soll bewirken, daß die Leistungen des Dienstherrn (bzw. der Versorgungskasse) aus Anlaß der Schädigung weder dem Schädiger zugute kommen,
  161. noch zu einer doppelten Entschädigung des Geschädigten führen (vgl. u.a.
  162. BGHZ [GS] 9, 179, 190; Senatsurteile BGHZ 59, 154, 157 und vom
  163. 17. November 1959 - VI ZR 207/58 - VersR 1960, 85, 86; OLG Koblenz, OLGReport 2002, 257, 258; Schütz/Cecior, aaO, Rdnr. 2; Plog/Wiedow/Lemhöfer,
  164. aaO, Rdnr. 1; Fürst, aaO, Rdnr. 2, jeweils m.w.N.). Der in §§ 52 BRRG, 87 a
  165. BBG und den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften getroffenen Regelung liegt ebenso wie der Bestimmung des § 116 SGB VII (früher: § 1542
  166. - 10 -
  167. RVO) der Gedanke der Schadensverlagerung zugrunde (vgl. Fürst, aaO,
  168. Rdnr. 2 f.). Mit dem gesetzlichen Forderungsübergang soll sichergestellt werden, daß Leistungen sozialer Sicherung und sozialer Fürsorge, die durch Opfer
  169. und Leistungen anderer aufgebracht werden, nicht demjenigen zugute kommen, der den Schadensfall verantwortlich herbeigeführt hat (BGHZ [GS] aaO).
  170. Dieser Gesichtspunkt des gebotenen sozialverträglichen Ausgleichs kommt nur
  171. zum Tragen, wenn zwischen dem schädigenden Ereignis und den Leistungen
  172. des Dienstherrn ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Dieser ist Voraussetzung für den gesetzlichen Forderungsübergang (vgl. Fürst, aaO, Rdnr. 16;
  173. Weiß/Niedermaier/Conrad, Bayer. Beamtengesetz, Stand: 1. Juni 2002, Art. 96
  174. Anm. 9 b; Schütz/Cecior, aaO, Rdnr. 7). Die Schadensersatzansprüche gegen
  175. den Dritten müssen zudem dem gleichen Zweck dienen und sich auf dieselbe
  176. Zeit beziehen wie die Leistungen, zu denen der Dienstherr verpflichtet ist
  177. (Grundsatz der sachlichen und zeitlichen Kongruenz, vgl. Senatsurteil vom
  178. 15. März 1983 - VI ZR 156/80 - aaO). Weiter ist erforderlich, daß die betreffende Leistung des Dienstherrn bei einer Gesamtbetrachtung zumindest auch dazu
  179. bestimmt ist, einen Ausgleich der unfallbedingten Aufwendungen des Geschädigten herbeizuführen (Senatsurteile vom 18. Januar 1977 - VI ZR 250/74 VersR 1977, 427 und vom 15. März 1983 - VI ZR 156/80 - aaO). An diesen
  180. Voraussetzungen fehlt es, wenn der Dienstherr dem verletzten Beamten - wie
  181. im Streitfall - nicht unfallbedingte Beihilfeleistungen gewährt. Die Aufwendungen
  182. für solche Heilbehandlungsmaßnahmen, welche nicht durch den Unfall veranlaßt worden sind, hat der Schädiger nicht zu verantworten. Diese Kosten wären
  183. nämlich nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auch ohne den Unfall entstanden und von dem Dienstherrn des verletzten Beamten nach Maßgabe des im
  184. konkreten Fall anwendbaren Beihilfebemessungssatzes anteilig zu erstatten
  185. gewesen. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, diese Kosten auf den Schädiger
  186. abzuwälzen.
  187. - 11 -
  188. d) Dem steht nicht entgegen, daß nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats der Schädiger im Falle der Tötung eines Beamten grundsätzlich
  189. verpflichtet ist, dem Dienstherrn des Beamten Beihilfeleistungen zu ersetzen,
  190. die dieser den Hinterbliebenen zu erbringen hat (vgl. Senatsurteil vom
  191. 17. Dezember 1985 - VI ZR 155/84 - VersR 1986, 463). Entgegen der Auffassung der Revision unterscheidet sich die jener Entscheidung zugrunde liegende
  192. Fallgestaltung in einem wesentlichen Punkt von der derjenigen des Streitfalls.
  193. Allerdings ist beiden Sachverhalten gemein, daß die betreffenden Heilbehandlungsmaßnahmen, zu denen Beihilfe gewährt wird, jeweils nicht durch den Unfall des Beamten ausgelöst worden sind. In rechtlicher Hinsicht besteht
  194. aber zwischen beiden Fallgestaltungen ein wichtiger Unterschied. Zutreffend
  195. weist das Berufungsgericht darauf hin, daß es im Streitfall um einen - auf den
  196. Dienstherrn übergegangenen - Schadensersatzanspruch des verletzten Beamten selbst geht, während dem sogenannten "Hinterbliebenen-Fall" Ersatzansprüche Dritter, nämlich der Angehörigen gem. § 844 Abs. 2 BGB zugrunde
  197. lagen. In einem solchen Fall bestimmt sich die Ersatzpflicht des Schädigers
  198. nach den gesetzlichen Unterhaltsansprüchen, die die Hinterbliebenen gegen
  199. ihren Ernährer bei dessen Fortleben gehabt hätten (Senatsurteil vom 24. Juni
  200. 1969 - VI ZR 284/67 - VersR 1969, 897, 898). Der getötete Beamte war nach
  201. §§ 1360 a, 1610 BGB verpflichtet, die im Fall der Erkrankung seiner Angehörigen entstehenden Kosten zu tragen, wofür ihm u.a. sein Beihilfeanspruch gegen den Dienstherrn zur Verfügung stand. Durch den Tod des Beamten haben
  202. dessen Angehörige ihre unterhaltsrechtlichen Ansprüche verloren. Darin besteht ihr Schaden, den sie gem. § 844 Abs. 2 BGB ersetzt verlangen können
  203. (vgl. BGHZ [GS] 9, 179, 187; Senatsurteil vom 17. Dezember 1985 - VI ZR
  204. 155/84 - aaO). Ebenso wie zuvor der Unterhaltsanspruch sind die Beihilfeleistungen dazu bestimmt, die Angehörigen von den Aufwendungen im Krankheitsfall zu entlasten. Deshalb ist in einem solchen Fall dem Erfordernis der
  205. - 12 -
  206. sachlichen Kongruenz der Ansprüche als einer notwendigen Voraussetzung für
  207. den gesetzlichen Forderungsübergang genügt (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar
  208. 1977 - VI ZR 250/74 - aaO).
  209. e) Entgegen der Auffassung der Revision kann der auf Ersatz konkreter
  210. Beihilfeleistungen gerichtete Anspruch des Klägers nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, daß der verletzte Polizeibeamte S. durch die unfallbedingte Versetzung in den Ruhestand die auf dem aktiven Beamtenstatus beruhende Beihilfeberechtigung verloren hat. Diesem Umstand kommt schadensrechtlich
  211. deswegen keine Bedeutung zu, weil S. mit seinem Eintritt in den Ruhestand
  212. statt dessen eine Beihilfeberechtigung als Ruhestandsbeamter erworben hat
  213. und nunmehr aufgrund dieser Berechtigung seine Krankheitskosten anteilig ersetzt verlangen kann. Dabei kann dahinstehen, ob es sich, wie das Berufungsgericht meint, bei der beamtenrechtlichen Beihilfeberechtigung um ein einheitliches Recht handelt, welches mit der Übernahme des Beamten auf Lebenszeit
  214. lebenslang - von Modifikationen im Beihilfebemessungssatz abgesehen unverändert - fortbesteht oder ob beamtenrechtlich zwischen der Beihilfeberechtigung aus dem aktiven Dienstverhältnis und derjenigen aus dem Rechtsverhältnis als Versorgungsempfänger zu unterscheiden ist (so OLG Frankfurt, VersR
  215. 1997, 1297; ähnlich OLG Koblenz, VRS 82, 280 f.; Saarländisches OLG, Urteil
  216. vom 7. Juni 1996 - 3 U 198/95; Plog/Wiedow/Lemhöfer, aaO, § 87 a Rdnr. 34;
  217. a.A.: OLG Koblenz, OLG-Report 2002, 257, 259; Küppersbusch, Ersatzansprüche
  218. bei
  219. Personenschaden,
  220. 7. Aufl.,
  221. Rdnr.
  222. 551,
  223. Fn. 44;
  224. Weiß/Niedermaier/Conrad, Bayer. Beamtengesetz, aaO, Art. 96 Anm. 16 a;
  225. Schmalzl, VersR 1998, 210; Ebener/Schmalz, VersR 2002, 594). Streitgegenstand ist hier nicht ein Anspruch auf Ersatz der mit der Versetzung in den Ruhestand weggefallenen Beihilfeberechtigung als solcher, sondern ein Anspruch
  226. auf Ersatz konkreter Beihilfeleistungen. Insoweit ist der Polizeibeamte S. aber
  227. - 13 -
  228. nicht geschädigt, denn ihm sind die Kosten der notwendigen Heilbehandlungen
  229. mindestens in dem Umfang, in dem er sie als aktiver Beamter zu beanspruchen
  230. gehabt hätte (§ 14 Abs. 1 BhV), ersetzt worden. Vergleicht man die infolge des
  231. haftungsbegründenden Ereignisses eingetretene Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne jenes Ereignis ergeben hätte (sogenannte Differenzhypothese), läßt sich rechnerisch ein Schaden des Polizeibeamten S. nicht feststellen.
  232. Allerdings kann es in Fällen, in denen die rechnerische Schadensbilanz
  233. den Normzweck der Haftung nicht zureichend erfaßt, geboten sein, die Differenzrechnung "normativ" zu korrigieren. Eine wertende Korrektur kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Vermögenseinbuße durch überobligationsmäßige Leistungen des Geschädigten oder durch Leistungen von Dritten, die
  234. den Schädiger nicht entlasten sollen, rechnerisch ausgeglichen wird. Ob die
  235. Differenzbilanz der Schadensentwicklung in diesem Sinne gerecht wird, ist
  236. aufgrund einer umfassenden Bewertung der gesamten Interessenlage, wie sie
  237. durch das schädigende Ereignis zwischen dem Schädiger, dem Geschädigten
  238. und gegebenenfalls dem leistenden Dritten besteht, sowie unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck aller in Betracht kommenden Rechtsnormen zu
  239. bestimmen (Senatsurteil vom 7. November 2000 - VI ZR 400/99 - VersR 2001,
  240. 196, 197 m.w.N.). Bei der Prüfung der Frage, ob sich Leistungen Dritter schadensmindernd bzw. schadensausschließend auswirken, ist auf den Zweck der
  241. Drittleistung abzustellen und der aus § 843 Abs. 4 BGB abgeleitete allgemeine
  242. Rechtsgedanke zu beachten, wonach Maßnahmen, die der sozialen Sicherung
  243. und Fürsorge gegenüber dem Geschädigten entspringen, dem Schädiger nicht
  244. zugute kommen dürfen (Senatsurteile BGHZ 10, 107, 108; 21, 112, 114 ff.; vom
  245. 29. November 1977 - VI ZR 177/76 - VersR 1978, 249, 250 und vom
  246. 7. November 2000 - VI ZR 400/99 - aaO, jeweils m.w.N.).
  247. - 14 -
  248. Nach diesen Grundsätzen kommt im Streitfall eine wertende Korrektur der
  249. rechnerischen Schadensbilanz hinsichtlich der konkreten Beihilfeleistungen
  250. nicht in Betracht. Diese stellen zwar eine Leistung mit Fürsorgecharakter dar,
  251. dienen aber - im Unterschied zu Dienst- oder Versorgungsbezügen (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 1961 - VI ZR 92/60 - NJW 1961, 1110; BGHZ 42, 76,
  252. 83; 59, 154, 156) - ihrer Zweckbestimmung nach nicht dazu, den verletzten Polizeibeamten S. von unfallbedingten Aufwendungen zu entlasten. Beihilfen, die
  253. der Dienstherr dem verletzten Beamten zu nicht unfallbedingten Heilbehandlungsmaßnahmen gewährt, dienen nicht zum Ausgleich des Unfallschadens
  254. des Beamten. Deshalb wäre es nicht gerechtfertigt, sie auf den Schädiger abzuwälzen.
  255. 2. Der Senat verkennt nicht, daß die Begrenzung des gesetzlichen Forderungsübergangs auf Beihilfen für unfallbedingte Heilbehandlungsmaßnahmen
  256. eines verletzten Beamten dazu führen kann, daß der Schädiger eines Beamten
  257. dadurch, daß er zu dessen nicht unfallbedingten Krankheitskosten überhaupt
  258. nicht herangezogen wird, weniger belastet wird als derjenige, der einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer verletzt hat und
  259. seine Ersatzpflicht durch
  260. Zahlung entsprechender Versicherungsbeiträge erfüllen muß (vgl. Senatsurteile
  261. vom 17. Dezember 1985 - VI ZR 155/84 - aaO, S. 465 und vom 28. Februar
  262. 1989 - VI ZR 208/88 - VersR 1989, 486 f.; Schmalzl, aaO; Ebener/Schmalz,
  263. aaO). Damit wird der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck des gesetzlichen Forderungsübergangs, den Schädiger eines Beamten nicht besser zu stellen als
  264. den Schädiger einer anderen Person (BT-Drucks. 2/3363, aaO), auf diesem
  265. Wege nicht erreicht. Dies ist in dem System der vom Dienstherrn gewählten
  266. Krankheitsvorsorge durch Beihilfe angelegt und kann nicht zur Folge haben,
  267. daß der Schädiger in einem solchen Fall mit Kosten belastet wird, die nicht
  268. durch den Unfall veranlaßt sind und deren Umfang im Einzelfall weit über die
  269. - 15 -
  270. Höhe der Aufwendungen hinausgehen kann, die der Schädiger eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers durch Zahlung der Versicherungsbeiträge auszugleichen hat. Der Umstand, daß der Dienstherr dem unfallbedingt in den Ruhestand versetzten Beamten Fürsorgeleistungen erbringen muß, obwohl dessen Gesamtlebensleistung durch den Unfall verkürzt worden ist, mag zwar einen Schaden des Dienstherrn begründen. Dieser wird aber von dem gesetzlichen Forderungsübergang nicht erfaßt.
  271. III.
  272. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
  273. Müller
  274. Greiner
  275. Pauge
  276. Wellner
  277. Stöhr