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- BUNDESGERICHTSHOF
- URTEIL
- IM NAMEN DES VOLKES
- V ZR 97/11
- Verkündet am:
- 29. Juni 2012
- Mayer
- Justizangestellte
- als Urkundsbeamtin
- der Geschäftsstelle
- in dem Rechtsstreit
- Nachschlagewerk:
-
- ja
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- BGHZ:
-
- nein
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- BGHR:
-
- ja
-
- BGB § 909
- a) Der Abbruch eines oberirdischen Bauwerks (hier: Mauer), der dazu
- führt, dass das angrenzende Grundstück seinen Halt verliert, kann einer
- Vertiefung des Grundstücks nicht gleichgesetzt werden.
- b) Aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis kann nur die
- Pflicht zu einer Ankündigung derartiger Abrissarbeiten hergeleitet
- werden, die so rechtzeitig erfolgen muss, dass sie den
- Grundstücksnachbarn in die Lage versetzt, vorher eigene
- Stützungsmaßnahmen zu treffen.
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- BGH, Urteil vom 29. Juni 2012 - V ZR 97/11 - KG
- LG Berlin
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- -2-
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- Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
- vom 29. Juni 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
- Richterin Dr. Stresemann, die Richter Dr. Czub und Dr. Roth und die Richterin
- Weinland
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- für Recht erkannt:
- Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats
- des Kammergerichts in Berlin vom 8. April 2011 aufgehoben.
- Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
- über
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- die
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- Kosten
-
- des
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- Revisionsverfahrens,
-
- an
-
- das
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- Berufungsgericht zurückverwiesen.
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- Von Rechts wegen
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- Tatbestand:
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- 1
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- Die
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- Parteien
-
- sind
-
- Eigentümer
-
- angrenzender
-
- Grundstücke.
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- Das
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- Grundstück der Klägerin liegt höher als das des Beklagten, den Angaben der
- Klägerin zufolge im Mittel 1,60 m. Es wird durch eine lange alte Mauer
- abgestützt, die auf dem Grundstück des Beklagten steht. Wann und wie es zu
- dem Höhenunterschied der Grundstücke gekommen ist, ob durch eine
- Aufschüttung des einen oder Abgrabungen auf dem anderen Grundstück, ist
- streitig. Der Beklagte möchte die Mauer beseitigen. Dagegen wendet sich die
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- 3
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- Klägerin mit ihrer Unterlassungsklage. Mit der Widerklage will der Beklagte
- seinerseits feststellen lassen, dass er zu dem Abriss berechtigt ist, ohne auf
- den Geländeunterschied bezogene Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen.
- Ferner beantragt er, die Klägerin zu verurteilen, eine Stützmauer auf ihrem
- Grundstück entlang der gemeinsamen Grenze zu errichten, und festzustellen,
- dass sie die Kosten für die Errichtung und Unterhaltung dieser Mauer sowie die
- ihm seit Juli 2006 für die Sicherung der Grenze entstandenen Aufwendungen
- zu tragen hat.
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- 2
-
- Das Landgericht hat durch Teilurteil nur über die Klage entschieden und
- den Beklagten antragsgemäß verurteilt, den Abriss der Mauer zu unterlassen,
- ohne diese durch eine Einrichtung zu ersetzen, welche das Grundstück der
- Klägerin in vergleichbarer Weise stützt. Die dagegen gerichtete Berufung des
- Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Senat zugelassenen
- Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, will er die Abweisung
- der Klage erreichen.
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- Entscheidungsgründe:
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- I.
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- 3
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- Das Berufungsgericht meint, das Landgericht habe kein unzulässiges
- Teilurteil erlassen. Während die Klage die Berechtigung des Beklagten zu
- einem sofortigen Abriss der Mauer zum Gegenstand habe, gehe es bei der
- Widerklage darum, wer letztendlich für die bodenphysikalische Stütze des
- Grundstücks der Klägerin verantwortlich sei. Der Unterlassungsanspruch sei
- begründet. Er lasse sich möglicherweise aus einer analogen Anwendung von
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- § 909 BGB herleiten, weil durch die ersatzlose Beseitigung der Mauer eine der
- Vertiefung ähnliche Situation geschaffen werde. Jedenfalls ergebe er sich aus
- dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis. Die Pflicht des Beklagten zur
- Rücksichtnahme auf die Interessen der Klägerin, deren Grundstück vor einem
- Wegbrechen gesichert werden müsse, verbiete es ihm, die Mauer ersatzlos zu
- beseitigen, und zwar unabhängig davon, wer für den Geländeunterschied der
- beiden Grundstücke und damit für die Abstützung des Grundstücks der Klägerin
- verantwortlich sei. Diese Frage werde im Rahmen der noch bei dem
- Landgericht anhängigen Widerklage des Beklagten zu entscheiden sein. Selbst
- wenn die Widerklage Erfolg habe und die Klägerin eine neue Mauer errichten
- müsse, habe der Beklagte die alte Mauer bis zu der vollständigen Errichtung
- der neuen Mauer stehen zu lassen oder provisorisch für eine anderweitige
- Stütze zu sorgen.
- II.
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- Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung schon deshalb nicht
- stand, weil das Landgericht der Klage - wie die Revision zu Recht rügt - durch
- ein unzulässiges Teilurteil stattgegeben hat.
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-
- 1. Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass
- ein Teilurteil gemäß § 301 ZPO nur dann ergehen darf, wenn keine Gefahr
- widersprüchlicher Entscheidungen besteht, weil der weitere Verlauf des
- Prozesses die Entscheidung unter keinen Umständen mehr berühren kann.
- Wird durch das Teilurteil eine Frage beantwortet, die sich im weiteren Verfahren
- über die anderen Ansprüche noch einmal stellt, ist es nach ständiger
- Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzulässig; dabei ist die Möglichkeit
- einer abweichenden Entscheidung im Instanzenzug zu berücksichtigen (vgl. nur
- BGH, Urteil vom 16. August 2007 - IX ZR 63/06, BGHZ 173, 328 Rn. 18 ff., 26;
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- Urteil
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- vom
-
- 26. April
-
- 1989
-
- - IVb
-
- ZR
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- 48/88,
-
- BGHZ
-
- 107,
-
- 236,
-
- 242;
-
- Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 301 Rn. 7 jeweils mwN).
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- 2. Danach durfte das Landgericht nicht durch Teilurteil über die Klage
- entscheiden.
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- a) Das ergibt sich allerdings nicht schon aus dem ersten Antrag der
- Widerklage, mit dem der Beklagte seine Berechtigung zu der ersatzlosen
- Entfernung der Mauer feststellen lassen will. Dieser Antrag ist gemäß § 261
- Abs. 3 Nr. 1 ZPO unzulässig. Er betrifft das kontradiktorische Gegenteil der
- Klage und damit denselben Streitgegenstand (vgl. Zöller/Vollkommer, aaO, vor
- § 322 Rn. 21). Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen
- begründet das Teilurteil insoweit nicht, weil dem Gericht die sachliche Prüfung
- eines unzulässigen Antrags ohnehin verwehrt ist (vgl. BGH, Urteil vom
- 16. August 2007 - IX ZR 63/06, BGHZ 173, 328 Rn. 26).
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- b) Das Teilurteil ist aber im Hinblick auf die weiteren Anträge des
- Beklagten unzulässig. Im Falle einer abweichenden rechtlichen Beurteilung
- durch
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- die
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- Rechtsmittelgerichte
-
- könnte
-
- es
-
- nämlich
-
- divergierende
-
- Entscheidungen hervorrufen, und zwar hinsichtlich der Frage, ob der Beklagte
- als Störer anzusehen ist. Das Landgericht hat zwar die Rechtsansicht vertreten,
- für die Entscheidung über die Klage komme es - im Gegensatz zu der
- Widerklage - nicht darauf an, ob der Beklagte den Höhenunterschied verursacht
- habe, weil er unabhängig davon verpflichtet sei, die Beseitigung der Mauer bis
- zu der Errichtung einer neuen Abstützung zu unterlassen. Dabei musste es
- aber die Möglichkeit einbeziehen, dass Gerichte höherer Instanz diese
- Auffassung nicht teilen und die Verursachung des Höhenunterschieds auch für
- die Entscheidung über den Unterlassungsantrag als erheblich ansehen würden.
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- III.
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-
- Die
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- Sache
-
- Berufungsgericht
-
- ist
-
- daher
-
- unter
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- zurückzuverweisen;
-
- Aufhebung
- eine
-
- des
-
- Urteils
-
- an
-
- das
-
- Zurückverweisung
-
- an
-
- das
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- Landgericht (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 2002 - II ZR 287/01, BGHR
- 2003, 284 f.) kommt nicht in Betracht, weil das Landgericht am 25. Januar 2011
- ein Grund- und Teilurteil über die Widerklage erlassen hat.
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- Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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- 1. Zu prüfen ist ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1
- BGB in Verbindung mit den nachbarrechtlichen Sondervorschriften. Der
- Eigentümer darf mit seinem Grundstück nach Belieben verfahren, auch wenn
- dies nachteilige Auswirkungen auf das Nachbargrundstück hat, solange ihm
- das Nachbarrecht seine Handlung nicht verbietet (Senat, Urteil vom
- 12. November 1999 - V ZR 229/98, NJW-RR 2000, 537; Dehner, Nachbarrecht,
- 7. Aufl., B § 20 I 1, insbes. Fn. 2). Ein solches Verbot kann sich nur aus § 909
- BGB ergeben.
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- Ob die Voraussetzungen dieser Norm vorliegen, lässt sich - wie auch das
- Berufungsgericht erkennt - auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen
- nicht beurteilen, weil nicht feststeht, ob der Beklagte den Höhenunterschied
- verursacht hat. Gemäß § 909 BGB darf ein Grundstück nicht in der Weise
- vertieft werden, dass der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche
- Stütze verliert, es sei denn, dass für eine genügende anderweitige Befestigung
- gesorgt ist; der Anspruch auf Unterlassung einer verbotswidrigen Vertiefung
- richtet sich unter anderem gegen den Eigentümer als Störer (vgl. Senat, Urteil
- vom 25. Mai 1984 – V ZR 199/82, BGHZ 91, 282, 285). Die Entfernung der
- Stützmauer selbst stellt keine Vertiefung im Sinne von § 909 BGB dar; denn
- eine solche setzt - bezogen auf das Grundstück des Beklagten - eine Senkung
- des Bodenniveaus voraus und umfasst nicht die Entfernung oberirdischer
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-
- Gebäudeteile (vgl. Senat, Urteil vom 19. September 1979 - V ZR 22/78, NJW
- 1980, 224 f.; BGH, Urteil vom 27. März 1962 - VI ZR 137/61, VersR 1962, 572,
- 573; RGZ 70, 200, 206; Staudinger/Roth, BGB [2009] § 909 Rn. 8).
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- Sollten die Rechtsvorgänger des Beklagten die Mauer - wie es die
- Klägerin behauptet - nach einer von ihnen vorgenommenen Vertiefung ihres
- Grundstücks zum Zwecke der Befestigung errichtet haben, müsste der Beklagte
- das Grundstück der Klägerin gemäß § 909 BGB auch weiterhin abstützen und
- hätte den ersatzlosen Abriss zu unterlassen. Hat dagegen die Klägerin - dem
- Vortrag des Beklagten entsprechend - ihr Grundstück aufgeschüttet, oder ist
- nicht feststellbar, worauf der Höhenunterschied beruht, scheidet der Anspruch
- aus.
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- 2. Ein Unterlassungsanspruch lässt sich auch nicht aus einer analogen
- Anwendung von § 909 BGB herleiten. Die Entfernung der Mauer ist nicht - wie
- es das Berufungsgericht erwägt - einer Vertiefung gleichzusetzen.
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- a) Allerdings wird mit Blick auf die als erwünscht angesehene
- Einbeziehung von Grundstückserhöhungen in den Schutzbereich des § 909
- BGB vertreten, die Norm sei nicht nur auf Vertiefungen anwendbar. Vielmehr
- genüge auch ohne Senkung des Bodenniveaus jede Einwirkung auf ein
- Grundstück, die zur Folge habe, dass der Boden des Nachbargrundstücks in
- der Senkrechten den Halt verliere oder dass dort die Festigkeit der unteren
- Bodenschichten in ihrem waagerechten Verlauf beeinträchtigt werde. Die ratio
- legis der Norm sei in dem Stützverlust des Nachbargrundstücks begründet und
- nicht in der Senkung der Erdoberfläche des Baugrundstücks (MünchKommBGB/Säcker, 5. Aufl., § 909 Rn. 7 u. 10).
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- b) Dem kann nicht gefolgt werden. § 909 BGB regelt einen klar
- umschriebenen Sonderfall. Ohnehin besteht für Erhöhungen eine planwidrige
- Regelungslücke schon dann nicht, wenn – wie hier (§ 20 Berliner
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-
- Nachbarrechtsgesetz) - in den Nachbargesetzen der Länder Regelungen dazu
- enthalten sind (BGH, Urteil vom 20. Mai 1976 - III ZR 103/74, NJW 1976, 1840,
- 1841; Urteil vom 11. Oktober 1973 - III ZR 159/71, NJW 1974, 53, 54; RGZ 155,
- 154, 160; Staudinger/Roth [2009] § 909 Rn. 10; Soergel/Baur, 13. Aufl., § 909
- Rn. 5; RGRK/Augustin, BGB, 12. Aufl., § 909 Rn. 24; Dehner, NZM 2005, 172,
- 173). Im Übrigen fehlt jeder Anlass für eine Ausdehnung von § 909 BGB, die
- allgemein auf eine Senkung des Bodenniveaus verzichtete und die Vorschrift
- damit ihrer Konturen beraubte.
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- Insbesondere die Einbeziehung des Abbruchs von oberirdischen
- Bauwerken ist nicht sachgerecht. Ein Grundstückseigentümer muss es nämlich
- nicht hinnehmen, dass eine auf seinem Grundstück stehende Mauer von dem
- Nachbarn
-
- als
-
- Abstützung
-
- für
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- dessen
-
- Grundstücksaufschüttung
-
- zweckentfremdet wird (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1976 - III ZR 103/74, NJW
- 1976, 1840, 1841); er darf die Mauer auch dann abreißen, wenn das
- angrenzende Grundstück dadurch seinen Halt verliert. Es ist Sache des
- Aufschüttenden, die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Die
- Nachbarrechtsgesetze der Länder sehen dies zum Teil ausdrücklich vor.
- Gemäß § 20 des Berliner Nachbarrechtsgesetzes darf der Boden über die
- Oberfläche des Nachbargrundstücks hinaus nur erhöht werden, wenn solche
- Vorkehrungen getroffen und unterhalten werden, dass eine Schädigung des
- Nachbargrundstücks insbesondere durch Absturz, Abschwemmung oder
- Pressung des Bodens ausgeschlossen ist. Zu derartigen Schutzmaßnahmen
- zählen typischerweise Stützmauern, die der Aufschüttende auf seinem eigenen
- Grundstück zu errichten hat (BGH Urteil vom 20. Mai 1976 - III ZR 103/74, NJW
- 1976, 1840, 1841; Dehner, Nachbarrecht, 7. Aufl., B § 20 Fn. 78a).
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- An einer planwidrigen Regelungslücke fehlt es auch dann, wenn die
- Verantwortlichkeit für die Höhenunterschiede nicht feststellbar ist. Aus § 909
- BGB ergibt sich nicht, dass der Eigentümer eines tieferliegenden Grundstücks
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- das angrenzende höherliegende Grundstück abzustützen hat; richtig ist das
- Gegenteil. Die Abstützung ist Sache des jeweiligen Grundstückseigentümers,
- wenn der Nachbar den Stützverlust nicht durch eine Vertiefung verursacht hat.
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- 3. Schließlich lässt sich der Unterlassungsanspruch nicht - wie es das
- Berufungsgericht meint - aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis
- herleiten.
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- a) Die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn haben nach
- ständiger Rechtsprechung des Senats insbesondere durch die Vorschriften der
- §§ 905 ff. BGB und die Bestimmungen der Nachbarrechtsgesetze der Länder
- eine ins Einzelne gehende Sonderregelung erfahren. Zwar ist auch auf sie der
- allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzuwenden; daraus
- folgt für die Nachbarn eine Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, deren
- Auswirkungen auf den konkreten Fall unter dem Begriff des nachbarlichen
- Gemeinschaftsverhältnisses zusammengefasst werden. Eine daraus folgende
- selbständige Verpflichtung ist aber mit Rücksicht auf die nachbarrechtlichen
- Sonderregelungen eine Ausnahme und kann nur dann zur Anwendung
- kommen, wenn ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger
- Ausgleich der widerstreitenden Interessen dringend geboten erscheint. Nur
- unter diesen Voraussetzungen kann die Ausübung gewisser aus dem Eigentum
- fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden. Das Rechtsinstitut
- darf insbesondere nicht dazu dienen, die nachbarrechtlichen Regelungen in ihr
- Gegenteil zu verkehren (siehe nur Senatsurteile vom 21. Oktober 1983 - V ZR
- 166/82, BGHZ 88, 344, 351 f. und vom 31. Januar 2003 - V ZR 143/02, NJW
- 2003, 1392 mwN).
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- b) Ein Ausnahmefall, der eine Unterlassungsverpflichtung rechtfertigen
- könnte, wird allein durch die „faktische Stützungsfunktion“ der Mauer nicht
- begründet. Das Berufungsgericht hat sich von der Vorstellung leiten lassen, die
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- Klage betreffe - einem Ersuchen um einstweiligen Rechtsschutz vergleichbar nur die Berechtigung des Beklagten zu einem sofortigen ersatzlosen Abriss,
- während die Entscheidung über die endgültige Verpflichtung zu der Errichtung
- und Unterhaltung einer Abstützung im Rahmen der Widerklage zu erfolgen
- habe. Dabei hat es offenbar nicht bedacht, dass es dem Beklagten eine zeitlich
- unbeschränkte und verursacherunabhängige Pflicht zur Absicherung des
- Grundstücks der Klägerin auferlegt, deren Beendigung davon abhängig ist,
- dass er das Verfahren der Widerklage weiter betreibt; er soll sogar noch
- während der Vollstreckung eines obsiegenden Urteils über die Widerklage
- darauf achten müssen, dass der Abriss seiner Mauer erst nach der Errichtung
- der neuen Abstützung erfolgt. Das verkehrt die gesetzliche Zuordnung von
- nachbarlichen Rechten und Pflichten in ihr Gegenteil.
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- c) Aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis kann nur die
- Pflicht zu einer Ankündigung derartiger Abrissarbeiten hergeleitet werden, die
- so rechtzeitig erfolgen muss, dass sie den Grundstücksnachbarn in die Lage
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-
- versetzt, vorher eigene Stützungsmaßnahmen zu treffen; nur in diesem
- eingeschränkten Rahmen kann sich eine Unterlassungspflicht ergeben.
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- Krüger
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- Stresemann
- Roth
-
- Czub
- Weinland
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- Vorinstanzen:
- LG Berlin, Entscheidung vom 03.12.2008 - 2 O 477/07 KG Berlin, Entscheidung vom 08.04.2011 - 18 U 9/09 -
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